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Wachstum und Beschäftigung in Europa

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Wachstum und

Beschäftigung

in Europa

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Wachstum und Beschäftigung in Europa

DGB-Positionen zur Lissabon-Strategie

der Europäischen Union

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Inhalt

Vorwort 4

Einleitung 6

1. Die Ziele der Lissabon-Strategie in Hinblick auf Wirtschaft und Wachstum 10

2. Innovation: Der Mensch im Mittelpunkt 20

3. Bildung und Qualifizierung für alle lebenslang 30

4. Nachhaltigkeit muss Vorrang haben 40

5. Präventive und aktive Arbeitsmarktpolitik wieder in den Vordergrund rücken 50 6. Die EU-Sozialpolitik als eigenständiges Handlungsfeld stärken 56 7. Die Rolle der Sozialpartner im Lissabon-Prozess stärken 64 Beschluss des DGB-Bundesvorstandes vom 1. Februar 2005:

Stellungnahme zur Halbzeitbilanz der Lissabon-Strategie der Europäischen Union 68

Glossar 75

Abkürzungsverzeichnis 83

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Die Europäische Integration befindet sich in der schwersten Legitimitätskrise seit der Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl im Jahre 1951.

Die Bürgerinnen und Bürger haben zuse- hends ihr Vertrauen in die EU verloren. Sie sind skeptisch geworden gegenüber den Wohlfahrtsversprechen, die mit der voran- schreitenden wirtschaftlichen Integration Europas abgegeben wurden. Sie warten auch heute noch auf mehr und bessere Jobs und mehr sozialen Schutz.

Die gescheiterten Referenden über den europäischen Verfassungsvertrag in Frank- reich und den Niederlanden sind ein poli- tisches Warnzeichen. Der massenhafte Protest gegen die geplante Dienstleistungs- richtlinie ist ein Menetekel: Europas Arbeit- nehmerinnen und Arbeitnehmer machen nicht mehr mit bei einer europäischen Inte- gration, die die Absenkung sozialer Standards zum Programm erhebt. In Zeiten großer struktureller Umbrüche in allen Mitglied- staaten der EU fragen sich die Menschen:

Wo ist das Soziale in Europa?

Wo ist die ausgleichende Balance gegen- über den stürmisch voranschreitenden Prozessen der Marktöffnung und des welt- weiten Wettbewerbs?

Die so genannte Lissabon-Strategie der EU war nicht nur darauf angelegt, Europa bis zum Jahr 2010 zur wettbewerbsfähigsten Region der Welt zu machen. Ihre Ziele waren auch Wachstum, nachhaltiges Wirt- schaften, gute Arbeitsplätze und ein größerer sozialer Zusammenhalt. Davon wurde wenig erreicht. Die einseitig wirtschaftliche Aus- richtung der europäischen Integration ist fortgeschritten und hat zu den beschriebenen Akzeptanzproblemen geführt.

Aus einem Binnenmarkt erwächst eben nicht eine europäische Identität, die von allen Bürgerinnen und Bürgern geteilt wird und die in Zukunft einmal Grundlage für die poli- tische Union sein könnte. Eine politische Union braucht ein gesellschaftspolitisches Projekt: soziale und wirtschaftliche Demo- kratie, Lebensqualität, Umwelt- und Klima- bewahrung, Gerechtigkeit, Frieden. Warum sonst sollte das Abtreten nationaler Souve- ränitätsrechte an die EU befürwortet werden?

Dem Europa der friedlichen Nachkriegs- ordnung muss die Vision eines Europas folgen, dass aus seiner Vielfalt die Stärke zur Zivilisierung der Globalisierung schöpft!

Diese Broschüre stellt gewerkschaftliche Vorschläge für eine neue Ausrichtung der europäischen Politik vor: Für nachhaltiges Wachstum. Für mehr und bessere Arbeits- plätze. Für soziale Absicherung und sozialen Zusammenhalt.

Michael Sommer

Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB)

Vorwort

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Das europäische Sozialmodell zeichnet sich traditionell durch die Verbindung von Wohl- stand und Gerechtigkeit aus. Die europä- ische Charta der Grundrechte schließt daher neben Freiheitsrechten auch soziale Rechte in den grundlegenden Wertekatalog Europas ein. Auch wenn der Sozialstaat in den ver- schiedenen Ländern unterschiedlich gestaltet ist, gibt es gemeinsame Elemente und Charakteristika in allen europäischen Län- dern. Erstens: Es existieren Systeme sozialer Sicherung, die auf Solidarität basieren und die über die Vermeidung existenzieller Not hinausreichen. Zweitens: Die Sozialsysteme haben neben der Sicherung auch die Funk- tion, den sozialen Zusammenhalt zu wahren, also dafür zu sorgen, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich wieder schließt.

Drittens: Die Arbeitnehmer/innen und ihre Gewerkschaften haben starke Teilhaberechte sowie gesetzlich und tarifvertraglich gere- gelte Arbeitsbedingungen. Und schließlich gibt es viertens ausgebaute Systeme der öffentlichen Infrastruktur, der Bildung, der sozialen Dienste und der Leistungen der Daseinsvorsorge, die allen zugänglich sind.

Diese Elemente der Sozialstaatlichkeit sind die Grundlage des europäischen Wohlstands- modells. Ein leistungsfähiger Sozialstaat und eine leistungsfähige Volkswirtschaft bedingen sich gegenseitig. Flexibel und innovativ können Arbeitnehmer/innen nur sein, wenn das Niveau der sozialen Sicherheit hoch ist.

Im Rahmen der Lissabon-Strategie hat sich die Europäische Union im Jahr 2000 zum Ziel gesetzt, zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissensbasierten Wirtschafts- raum der Welt zu werden – einem Wirt- schaftsraum, der fähig ist, ein dauerhaftes Wirtschaftswachstum mit mehr und besse- ren Arbeitsplätzen und einem größeren sozi- alen Zusammenhalt zu erreichen. Insgesamt umfasst diese Strategie vier Ziele: erhöhte Wettbewerbsfähigkeit, mehr und bessere Arbeitsplätze, größeren sozialen Zusammen- halt sowie eine Politik der Nachhaltigkeit.

Fünf Jahre nach der Verabschiedung der Lissabon-Strategie fällt die Halbzeitbilanz allerdings ernüchternd aus: Die in Lissabon vereinbarten Ziele werden bis 2010 nicht erreicht werden. Die Wachstumsraten bleiben deutlich hinter den angestrebten drei Pro- zent jährlichen BIP-Wachstum zurück. Die Beschäftigungsraten stagnieren, und die Zwischenziele werden nicht erreicht. Die Qualität der Arbeitsplätze hat sich im Durch- schnitt nicht verbessert. Die sozialen Diffe- renzen in Europa haben zugenommen, nicht abgenommen – sowohl durch die Erweite- rung der EU als auch innerhalb der Mitglied- staaten.

Ursache dafür ist, dass die Lissabon-Strategie häufig auf einen eng verstandenen Begriff von Wettbewerbsfähigkeit verkürzt wird.

Strukturreformen werden nur als Deregulie-

rung und Abbau sozialer Sicherheit verstan- den. Bessere Arbeitsplätze und sozialer Zusammenhalt gelten als Hindernisse für die Wettbewerbsfähigkeit, makroökonomische und soziale Rahmenbedingen für dynami- sches Wachstum geraten aus dem Blick. Der Kok-Bericht zur Lissabon-Strategie macht auf dieses Problem aufmerksam: „Der Ruf nach weiteren Reformen wird nur zu oft einfach als Deckwort für mehr Flexibilität verstanden, und dies wiederum als Deckwort für die Schwächung der Arbeitnehmerrechte und des Arbeitnehmerschutzes. Das ist falsch.“1 Eine solche Ausrichtung ist nicht nur inhalt- lich falsch. Sie verhindert auch, dass die Menschen in Europa die Lissabon-Strategie akzeptieren. Das haben nicht zuletzt die Proteste gegen Sozialabbau in zahlreichen Ländern der EU gezeigt.

Die europäischen Staats- und Regierungs- chefs haben in ihrer Halbzeitbilanz der Lissabon-Strategie die einseitige Ausrichtung der europäischen Politik noch verschärft:

Die soziale Dimension Europas wird zum Anhängsel einer Politik, die hofft, durch eine Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit mehr Wachstum und Beschäftigung zu erreichen.

Die EU-Kommission und die europäischen Regierungen beschränken sich auf angebots- orientierte Maßnahmen und einseitige Struk- turreformen und bringen so die Balance des europäischen Sozialmodells in eine Schieflage.

Dieser Ansatz kann nicht erfolgreich sein,

1) Die Herausforderungen annehmen. Die Lissabon-Strategie für Wachstum und Beschäftigung.

Bericht der Hochrangigen Sachverständigengruppe unter Vorsitz von Wim Kok, November 2004, S. 36

Einleitung

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und die Unterstützung für die europäische Integration wird weiter sinken.

Der DGB fordert dagegen eine Ausrichtung der europäischen Politik auf qualitatives Wachstum und die Abkehr von reinen Struk- turreformen. Qualitatives Wachstum bedeu- tet ökologisch und sozial nachhaltiges Wachstum. Es bedeutet nicht nur mehr, son- dern auch bessere Arbeitsplätze. Es bedeutet mehr Lebensqualität, die sozial gesichert ist.

Die europäische Politik darf nicht nur Rege- lungen abbauen, sondern muss im sozialen Bereich und bei den Rechten der Arbeit- nehmerinnen und Arbeitnehmer Mindest- standards auf- und ausbauen, um die soziale Dimension der europäischen Integration gegenüber dem Markt zu stärken.

In diesem Sinne muss die europäische Politik neu ausgerichtet werden, um die Ziele der Lissabon-Strategie für das Jahr 2010 erreich- bar werden zu lassen. Dies ist umso dring- licher, weil sich die EU seit der Erweiterung neuen Herausforderungen stellen muss. Den umwälzenden Transformationsprozessen in den mittelosteuropäischen Ländern muss besondere Aufmerksamkeit gewidmet wer- den. In den neuen Mitgliedstaaten müssen vordringlich die europäische Sozialgesetz- gebung und damit definierte soziale Mindest- standards umgesetzt sowie die Sozialpartner gestärkt werden. Die soziale Dimension der Lissabon-Strategie mit ihrem Anspruch, den sozialen Zusammenhalt zu stärken, steht im erweiterten Europa vor schwierigen Auf-

gaben und ist zugleich noch wichtiger geworden.

Die Mitgliedstaaten der EU und die euro- päischen Institutionen sind gefordert, eine gemeinsame Politik aus einem Guss für qualitatives Wachstum und Beschäftigung in ganz Europa zu entwickeln. Die umfassen- den Ziele der Lissabon-Strategie verlangen auch einen umfassenden wirtschafts- und beschäftigungspolitischen Ansatz. Die Sozial- partner müssen in diesen Prozess einge- bunden werden und verbindlichen Einfluss auf Entscheidungen nehmen können. Nur dann können sie ihrer Rolle als Partner in der Lissabon-Strategie gerecht werden.

Wir müssen diese Stärken des europäischen Sozialmodells nutzen, um Europa auch im 21. Jahrhundert für die Menschen lebens- wert zu machen. In einem Umfeld, das von zunehmender Unsicherheit und beschleunig- tem Wandel geprägt ist, sind gleichzeitig Flexibilität und soziale Sicherheit gefragt.

Die europäische Tradition, wirtschaftliche Stärke mit sozialem Ausgleich durch Solida- rität sowie mit Teilhabe und Mitbestimmung zu verbinden, bietet die Chance, Europas Zukunft erfolgreich zu gestalten. Diese Chance müssen wir nutzen!

Der Vergleich von EU und USA zeigt:

Die Konzentration der EU auf Geldstabilität bringt sie bei Wachstum und Beschäftigung ins Hintertreffen.

Mix entscheidend

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1. Die Ziele der

Lissabon-Strategie in Hinblick auf Wirt- schaft und Wachstum

Die Anwendung eines geeigneten makroöko- nomischen Policy-Mix ist eine Voraussetzung, um anhaltend gute wirtschaftliche Perspek- tiven sowie günstige Wachstumsaussichten und damit auch die Ziele von Lissabon zu erreichen. Im Rahmen der Gesamtstrategie wurde eine durchschnittliche wirtschaftliche Wachstumsrate von etwa 3 % als eine realis- tische Aussicht für die kommenden Jahre erachtet, sofern die geplanten Maßnahmen in einem tragfähigen makroökonomischen Kontext durchgeführt werden. Der DGB begrüßt das Wachstumsziel der Lissabon- Strategie, betont aber, dass es sich um ein qualitatives und nachhaltiges Wachstum handeln muss.

Um Empfehlungen des DGB hinsichtlich dieser Zielsetzungen ableiten zu können, werden im Folgenden

das Grundkonzept der europäischen Wirtschaftspolitik und seine Instrumente dargestellt,

die tatsächliche makroökonomische Performance der EU betrachtet

und Ursachen für das Scheitern des stabi- litätsorientierten Konzepts der europä- ischen Wirtschaftspolitik aufgezeigt.

Das Grundkonzept der europäischen Wirtschaftspolitik und seine Instru- mente

Die besondere Herausforderung des euro- päischen wirtschaftspolitischen Konzepts ist das Spannungsfeld von supranationaler

Geld- und Währungspolitik auf der einen und nationaler Wirtschafts- und Finanzpolitik sowie Lohnpolitik auf der anderen Seite.

Innerhalb dieses Spannungsfeldes steuert die Europäische Union mit den Instrumenten Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) und ihren wirtschaftspolitischen Grundzügen.

Das Grundkonzept der europäischen Wirt- schaftspolitik setzt auf stabile makroöko- nomische Rahmenbedingungen. Konkret handelt es sich dabei um die Kombination aus niedriger Inflation, konsolidierten Haus- halten und moderaten Lohnsteigerungen.

Strukturreformen auf den Produkt-, Dienst- leistungs-, Finanz- und Arbeitsmärkten sowie Investitionen in Bildung und Forschung sollen das Wachstumspotenzial und das Beschäftigungsniveau anheben. Mit dem auf 3 % des BIP festgelegten jährlichen Refe- renzwert für die Neuverschuldung und dem mittelfristigen Ziel eines nahezu ausgegli- chenen Haushalts verpflichtet der SWP die Mitgliedstaaten der Union auf eine stabili- tätsorientierte Finanzpolitik. Während der SWP mit dem Defizitverfahren klare Sank- tionen für Regelverstöße vorgibt, führt die Nichtumsetzung der Empfehlungen in den wirtschaftspolitischen Grundzügen nicht zu Sanktionen. Im Vergleich zu anderen Koordi- nierungsverfahren nehmen die wirtschafts- politischen Grundzüge jedoch eine Sonder- stellung ein: Die Empfehlungen betreffen alle ökonomisch relevanten Bereiche, deren Koordinierungsverfahren wiederum im Einklang mit den Grundzügen stehen müs- sen. Zur besseren Koordinierung mit den

beschäftigungspolitischen Leitlinien wer- den die Grundzüge seit 2003 ebenfalls auf den mittelfristigen Zeitraum von drei Jah- ren ausgerichtet und seit dem Frühjahrs- gipfel des Europäischen Rats 2005 in den Integrierten Leitlinien für Wachstum und Beschäftigung zusammengefasst.

Einzige institutionelle Einrichtung zur Koordinierung der europäischen Wirt- schaftspolitik ist der Makroökonomische Dialog. Er wurde mit dem Europäischen Beschäftigungspakt von Köln (Juni 1999) ins Leben gerufen und soll durch einen vertraulichen Gedankenaustausch über aktuelle Entwicklungen und Probleme zu einer besseren Abstimmung der europä- ischen Geldpolitik, der Fiskalpolitik und der Lohnentwicklung führen. Da die Trä- ger dieser Politiken (Europäische Zentral- bank, nationale Regierungen und die Sozialpartner) voneinander unabhängige Gestalter der makroökonomischen Rah- menbedingungen sind, kann und soll dieser Dialog keine Vereinbarungen zum Ziel haben, sondern der Entwicklung einer gemeinsamen Problemsicht, einem besse- ren Verständnis für die Maßnahmen der anderen Teilnehmer und damit dem Abbau von Unsicherheit dienen. Der Dia- log findet sowohl auf politischer als auch auf technischer (Experten-) Ebene zwei- mal pro Jahr statt.

Entsprechend sind die Rollen für die makroökonomischen Akteure verteilt:

Die EZB trägt die Verantwortung für die

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Preisniveaustabilität, die Finanzpolitik für einen neutralen bzw. ausgeglichenen Haus- halt und die Tarifpolitik mittels moderater Lohnabschlüsse für die Beschäftigung.

Die makroökonomische Performance der EU

Zielsetzung von Lissabon ist es, die durch- schnittliche jährliche Wachstumsrate der Europäischen Union auf 3 % des BIP anzu- heben. Tatsächlich realisierte die Union im Jahr 2000 eine Wachstumsrate von 3,5 %, die sich mit 1,6 % in 2001, 1,1 % im Jahr 2002, 1,3 % im Jahr 2003 und 2 % in 2004 dramatisch verringerte.

Das für 2005 (2006) prognostizierte Wachs- tum von 1,6 % (2,1 %) gibt keinen Anlass zu der Annahme, dass unter den gegebenen Bedingungen eine Trendwende erreicht werden kann, um den Zielen von Lissabon näher zu kommen.

Der Vergleich der Performance der Europä- ischen Währungsunion (EWU) und der der USA bestätigt diese Einschätzung. Um die makroökonomische Wirkung der europä-

ischen Economic Governance (Maastrichter Konvergenzkriterien, Stabilitäts- und Wachs- tumspakt, wirtschaftspolitische Grundzüge, Geldpolitik) zu verdeutlichen, werden zwei Zehnjahresräume zugrunde gelegt.

Die Wachstumsraten des realen BIP in der EWU liegen im Zeitraum 1994 bis 2003 mit 2,1 % unterhalb derer im Zeitraum 1984 bis 1993 mit 2,7 %. In den USA betrug das Wachstum während beider Zeiträume gleich bleibend 3,3 %. Die USA wiesen somit die höhere Dynamik auf.

Die Arbeitslosenquote stieg in der EWU von 8,7 % (1984–1993) auf 9,6 % (1994–2003), dagegen sank sie in den USA von 6,6 % auf 5,1 %.

Die durchschnittliche Inflationsrate konnte innerhalb der EWU von 4,5 % (1984–1993) auf 2,1 % (1994-2003) verbessert werden und lag zuletzt in etwa auf gleichem Niveau wie die Inflationsrate in den USA in Höhe von 2,4 % (3,8 % im Zeitraum 1984–1993).

Die realen Zielgrößen Wachstum und Arbeits- losigkeit haben sich innerhalb der EWU im zweiten Zehnjahresraum gegenüber den

vorangegangenen zehn Jahren ebenso verschlechtert wie auch gegenüber den USA seit Beginn des wirtschaftspolitischen Regimes Europas. Trotz der positiven Ent- wicklung der Preisniveaustabilität kann festgestellt werden, dass in den USA die Kombination von Wachstum, geringer Arbeitslosigkeit und Preisniveaustabilität wesentlich besser gelungen ist.

Das Scheitern des stabilitätsorien- tierten Konzepts der europäischen Wirtschaftspolitik und seiner Instru- mente

Der Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) wurde entwickelt und eingeführt, um über- mäßige inflationäre Spannungen aufgrund einer exzessiven Haushaltspolitik einzelner Mitgliedstaaten zu verhindern. Staatsdefizite lassen sich jedoch nicht nur auf exzessive Ausgaben zurückführen, sondern können auch das Resultat schwachen Wachstums sein. Letzteres wurde durch das einseitig stabilitätsorientierte Regime der europäischen Wirtschaftspolitik systematisch begünstigt.

Gerade in den Ländern (wie Deutschland und Frankreich), in denen die vorgegebene Defizitgrenze nicht eingehalten wurde, zeig- ten sich in der Praxis keinerlei inflationäre Tendenzen. Infolge der Kritik, dass der SWP im Konjunkturabschwung prozyklisch wirke und zudem keine Anreize zur Konsolidierung im Konjunkturaufschwung setze, beschloss der Rat im März 2005 einige Änderungen:

Mit der Ausrichtung am mittelfristigen Haus- haltsziel und der Einbeziehung von Struktur- reformen sollen länderspezifische Besonder- heiten berücksichtigt und Abweichungen in geringem Umfang toleriert werden. Auch die Neudefinition eines schwerwiegenden wirt- schaftlichen Abschwungs sowie die neuen Fristen zur Korrektur von übermäßigen Defi- ziten sollen der tatsächlichen Wirtschafts- entwicklung besser Rechnung tragen.

Doch auch diese im Wesentlichen zu begrü- ßenden Reformen des SWP sind allein nicht geeignet, die grundsätzliche Fehlkonzeption zu heilen. Der Pakt bietet Ländern wie Deutschland und Frankreich, die sich aktuell in einer schwachen Konjunkturlage befinden, nach wie vor nicht genügend Spielraum, expansive fiskalpolitische Impulse zu setzen.

Der SWP lässt sich ohne die Möglichkeit zu öffentlichen Investitionen, die durch die so genannte Goldene Regel – golden rule – beschrieben werden, nicht mit den Zielen von Lissabon vereinbaren. Gleichzeitig findet ein Zusammenspiel mit der Geldpolitik beispiels- weise durch eine Betrachtung der nationalen Inflationsentwicklung weiterhin keine Berück- sichtigung. Damit bleibt der SWP auch nach seiner Reform ungeeignet, die Ziele von Lissabon zu stützen.

Ebenfalls im Fokus der Empfehlungen zur Wirtschaftspolitik steht die Lohnentwicklung.

Diese soll sich konsistent zum Ziel der Preis- niveaustabilität verhalten. Bei hoher Arbeits- losigkeit wird sogar empfohlen, dass die Lohnzuwächse hinter dem Produktivitäts- wachstum zurückbleiben sollen. Um die

Makroökonomische Zielvariablen

EWU USA

1984–1993 1994–2003 1984–1993 1994–2003

Reales BIP 2,7 % 2,1 % 3,3 % 3,3 %

Arbeitslosenquote 8,7 % 9,6 % 6,6 % 5,1 %

Inflation 4,5 % 2,1 % 3,8 % 2,4 %

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Arbeitsplatzproduktivität besser zu spiegeln, brauche es eine weitere Differenzierung der Lohnhöhe. Die hohe Arbeitslosigkeit wird in erster Linie auf ein Arbeitskostenproblem zurückgeführt.

Zieht man Deutschland als Beispiel für eine langanhaltende Stagnation mit einer sich stets verschlechternden Arbeitsmarktsituation als Beispiel heran, lässt sich diese These empirisch nicht belegen. Beim Zuwachs von Nominal- und Reallöhnen befindet sich Deutschland international im unteren Mittel- feld. Seit zwölf Jahren wurde der neutrale Verteilungsspielraum (Durchschnittsproduk- tivität + BIP-Deflator) durch die Effektivlöhne nicht mehr ausgeschöpft. Die Europäische Kommission selbst kommt zu dem Schluss, dass die preisliche Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Volkswirtschaft seit Mitte der 90er Jahre stetig zugenommen hat.1 Im Zeitraum 1991 bis 2003 stiegen die Nominallöhne in der EWU um 40 %, in den USA hingegen um 46 %.2 Unter den führen- den OECD-Staaten weisen lediglich Japan, Kanada und Frankreich ein geringeres Wachs- tum der Nominallöhne als Deutschland aus.

Bei der Entwicklung der Reallöhne ergibt sich ein ähnliches Bild: Zwar liegt Deutsch- land (aufgrund der geringen Preissteigerungs- rate) mit einem Zuwachs von 13 % über dem EWU-Durchschnitt von 9 %. Die USA liegen mit 17 % jedoch deutlich darüber.

Was die nominalen Lohnstückkosten betrifft, liegen sowohl Deutschland mit 17 % als auch die USA mit 19 % im internationalen Vergleich im hinteren Mittelfeld und weit unter dem Durchschnitt der EWU von 24 %.

Stellt man diese Ergebnisse der Beschäfti- gungsentwicklung gegenüber, wird deutlich, dass sich kein empirischer Beleg für den direkten Zusammenhang von Lohnzurück- haltung und Beschäftigung herleiten lässt.

Von 1991 bis 2003 sank die Beschäftigung in Deutschland um 3 %, während sie in der EWU um 9 % und den USA um 20 % stieg.

Der von der Kommission unterstellte direkte Zusammenhang von Lohnkostenniveau und Beschäftigung lässt sich nicht belegen. Die Kommission folgt ausschließlich einer einzel- wirtschaftlichen Betrachtung und blendet den Zusammenhang zwischen Arbeitsnach- frage von Unternehmen und der Nachfrage an den Gütermärkten vollständig aus.

Strukturreformen, insbesondere Arbeits- marktreformen, gelten in der europäischen Konzeption ebenfalls als wichtiger Schlüssel für mehr Beschäftigung. Sie sollen die Anreize, eine Beschäftigung anzunehmen, erhöhen und sich positiv auf die Produktivität aus- wirken. Doch ob solche Strukturreformen tatsächlich diese erhofften positiven Wir- kungen zeigen, ist fraglich, insbesondere dann, wenn sie nicht in einem sich positiv

1) European Commission (2003): The EU Economy 2003 Review, Brüssel 2) Die USA überholen die Eurozone in der zweiten Hälfte der 1990er Jahre.

entwickelnden wirtschaftlichen Umfeld durchgesetzt werden.

Strukturreformen der Arbeitsmarktinstitu- tionen (Kündigungsschutz, Lohnersatzleis- tungsquote, Dauer der Lohnersatzleistungen, gewerkschaftlicher Organisationsgrad, Koordinierungsgrad der Lohnverhandlungen) sowie der sozialen Sicherungssysteme (Steuer- und Abgabenkeil) wurden in den Ländern der EWU in unterschiedlichem Aus- maß umgesetzt. Während in Finnland, Italien und Irland die „Verkrustung“ zugenommen hat, wurde sie in Deutschland, Dänemark, Spanien und Belgien erheblich abgebaut. Vor allem zeigen aber verschiedene Untersuchun- gen, dass kein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Rigidität der Arbeitsmarkt- institutionen bzw. der sozialen Sicherungs- systeme und der Entwicklung der Arbeits- losigkeit hergestellt werden kann. So ist bei gleichem Umfang struktureller Reformen die Arbeitslosigkeit in Großbritannien um mehr als 2 % gefallen, in Deutschland hingegen um 4 % gestiegen ist.

Einschnitte etwa bei Lohnersatzleistungen wirken in dreifacher Hinsicht negativ, wenn sie nicht von einem die Nachfrageseite stimulierenden Policy-Mix begleitet werden.

In ihrer Eigenschaft als automatische Stabili- satoren wird ihre Wirkung im Abschwung reduziert und in geringerem Ausmaß gegen- gesteuert. In einer Phase ohnehin geringen Vertrauens führen die (angekündigten) Reformen zu Unsicherheit, vermehrtem (Angst-)Sparen, verminderter Nachfrage und letztlich mehr Arbeitslosigkeit. Oftmals wird

das Argument angeführt, dass den möglicher- weise kurzfristigen negativen Wirkungen solcher Strukturreformen langfristige Wohl- fahrtsgewinne gegenüber stehen. Doch auch dieses Argument ist kaum überzeugend.

Lohnmoderation und Arbeitsanreize führen zu einer verminderten Substitution von Arbeit durch Kapital, wobei nicht nur unmittelbar die Produktivität (beispielsweise durch gering qualifizierte Arbeit), sondern auch langfristig das Produktionspotenzial vermin- dert wird.

Viele der am Arbeitsmarkt durchgeführten Reformen haben sowohl dazu beigetragen, die Binnennachfrage zu schwächen, als auch den bereits durch den Abschwung induzier- ten Produktivitätsrückgang noch weiter zu verstärken. Den globalen Wettbewerb um die niedrigsten Lohnkosten wird Europa jedoch nicht gewinnen können. Nachhaltige Wett- bewerbsvorteile können in globalen Märkten nur durch eine Stärkung der Innovations- fähigkeit erreicht werden. Dabei vertritt der DGB einen umfassenden Innovationsbegriff, der den Menschen in den Mittelpunkt stellt und daher neben der Forschung und Ent- wicklung auch Bildung und Qualifizierung für zentral hält (siehe Kapitel 2 und 3).

Durch die einseitige Fixierung auf das Ziel der Geldwertstabilität hat die Geldpolitik es bislang versäumt, die vorhandenen Wachs- tumspotenziale auszuschöpfen und Europa dem Ziel näher zu bringen, zum wettbe- werbsfähigsten Wirtschaftsraum der Welt zu werden. Auf den im Jahr 2001 einsetzenden

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Abschwung hat die EZB verglichen mit der amerikanischen Geldpolitik verzögert und in zu geringem Ausmaß reagiert. Auch im wei- teren Verlauf des Jahres 2002 wurden expan- sive Impulse als Antwort auf den eingetrüb- ten Konjunkturverlauf mit Verweis auf Ver- fehlungen des Inflationszieles abgelehnt. Die Preisschübe waren jedoch im Wesentlichen auf einen Anstieg der Rohölprodukte zurück- zuführen. Die von der EZB heraufbeschwore- nen Zweitrundeneffekte durch die Lohnpoli- tik blieben aus, nicht zuletzt aufgrund der gesamtwirtschaftlichen Verantwortung der Gewerkschaften im zentralisierten Lohnfin- dungssystem. Der restriktive Kurs hat jedoch wesentlich dazu beigetragen, die Wachs- tumsdynamik innerhalb des Euroraums einzu- schränken. Gleiches wiederholt sich aktuell:

In Anbetracht der gestiegenen Rohölpreise kommuniziert die EZB Gefahren für die Preis- niveaustabilität durch Zweitrundeneffekte, während die lohnpolitische Realität Europas von Nullrunden und Reallohnkürzungen durch Arbeitszeitverlängerungen geprägt ist.

Seit dem Vertrag von Maastricht ist sowohl die supranationale Geldpolitik mit ihrer Defi- nition von Preisstabilität bei 2 % als auch die Fiskalpolitik durch den SWP kaum auf Wachstum und fast ausschließlich auf Stabi- lität ausgerichtet. Damit besteht innerhalb des europäischen Rahmens keine Möglich- keit, die Nachfrage durch Wirtschaftspolitik zu stabilisieren. Dies spiegelt sich nicht nur in der aktuellen wirtschaftlichen Situation Europas wider, in der das Wirtschaftswachs- tum im Wesentlichen auf die gestiegene

Auslandsnachfrage aufgrund der positiven weltwirtschaftlichen Entwicklung zurückzu- führen ist. Bereits seit Beginn der 90er Jahre (mit Ausnahme 2000) ist die Outputlücke in Europa negativ. Insofern kann nicht mehr von kurzfristig negativen Wirkungen des wirtschaftspolitischen Konzepts gesprochen werden, sondern es muss von langfristigen Kosten hinsichtlich der sozialen und ökologi- schen Nachhaltigkeit ausgegangen werden.

Die EU hat, vergleichbar mit den USA, einen nahezu geschlossenen Binnenmarkt. Weniger als 10 % der europäischen Nachfrage entfal- len auf Importe. Damit ist seit der Währungs- union die wichtigste Voraussetzung für eine aktive Geld- und Fiskalpolitik erfüllt. Neben dem bisher einzig verfolgten Ziel der Preis- niveaustabilisierung muss die EZB aber auch ihrer Verantwortung hinsichtlich der Beschäf- tigung gerecht werden. Die konjunkturelle Stabilisierung der Beschäftigung sowie die Bereitstellung einer wachstumsförderlichen Infrastruktur obliegen der Finanzpolitik.

Aufgabe der Sozialpartner ist es, die gesamt- wirtschaftliche Nachfrage zu stabilisieren. So lange der verteilungsneutrale Spielraum aus Produktivitätszuwachs und Preissteigerungs- rate berücksichtigt wird, gehen von den Löhnen keine inflationären Impulse aus.

Zurzeit ist Europa weit davon entfernt, die Ziele von Lissabon bis 2010 erreichen zu können. Die Halbzeitbilanz der Lissabon- Strategie ist aber eine Chance. Wenn Europa erkennt, dass nicht eine höhere Dosierung der bisherigen Politiken, sondern eine andere

Zusammensetzung der politischen Rezeptur zu Wachstum führt, bleiben die Ziele von Lissabon möglich und erreichbar.

Makroökonomischer Policy-Mix als Schlüssel für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung

Um die Lissabonziele zu erreichen und Wachs- tum und Beschäftigung zu fördern, benötigt Europa eine Neuausrichtung der Economic Governance. Wachstum, sozialer Zusammen- halt und Nachhaltigkeit müssen in das Zen- trum aller Bemühungen gestellt werden. Sie sind gleichberechtigte Elemente des makro- ökonomischen Kontextes, aus dem Politik- empfehlungen abzuleiten sind. Die wirtschaft- liche Entwicklung Europas krankt aktuell an der Schwäche der Binnennachfrage, insbeson- dere der Konsumnachfrage. Aus Sicht des DGB ist dies das Ergebnis einer systematisch und einseitig auf Stabilität ausgerichteten wirt- schaftspolitischen Konzeption. Eine angebots- orientierte Politik der Strukturreformen führt nur dann zu mehr Wachstum und Beschäfti- gung, wenn sie in einem ausgewogenen Verhältnis zu qualitativen Maßnahmen steht, die das Vertrauen und die Nachfrageseite stärken. Nicht die Wachstumsfähigkeit schafft mehr Beschäftigung, sondern das tatsächlich realisierte Wachstum. Europas wirtschafts- politischer Konzeption mangelt es an der Aus- schöpfung der Politikpotenziale, insbesondere in Phasen des wirtschaftlichen Abschwungs und der Stagnation (siehe auch Kapitel 7).

Zentrale Elemente für eine wachstums- und

beschäftigungsorientierte Neuausrichtung der europäischen Wirtschaftspolitik aus Sicht des DGB sind:

Die Verantwortung der Geldpolitik ausweiten

Das Zinsniveau ist die wichtigste Determi- nante der gesamtwirtschaftlichen Nach- frage. Die Geldpolitik wurde dieser Verant- wortung für Wachstum und Beschäftigung jedoch nur unzureichend gerecht, indem sie die Preisniveaustabilität als zentrales Anliegen verstand und gerade in stabili- tätsorientierten Ländern die Wachstums- dynamik durch die hohen Realzinsen drosselte. Vielmehr noch steht der restrik- tive Pfad der Geldpolitik durch die Festle- gung des Wachstumspotenzials auf 2 % des BIP durch die EZB im Widerspruch zu dem von den Staats- und Regierungschefs in Lissabon festgelegten Wachstumsziel von 3 %. Nach drei Jahren Stagnation

„darf“ das Wachstum auch einmal über- schießen. Im Sinne einer koordinierten makroökonomischen Politik tragen die Geld-, Fiskal- und Lohnpolitik gleicher- maßen die Verantwortung für die Preis- niveaustabilität. Die Definition von Preisstabilität bei 2 % darf nicht länger als Dogma verstanden werden, sondern muss als ein Element eines makroöko- nomischen Policy-Mix aller Akteure aus den Erfordernissen der jeweiligen wirt- schaftlichen Situation abgeleitet werden.

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Die Fiskalpolitik handlungsfähig machen

Weil die Geldpolitik an der gesamtwirt- schaftlichen Entwicklung des Euroraums ausgerichtet ist, bleibt die Fiskalpolitik als alleiniges Instrument, um stabilisierend auf nationale konjunkturelle Entwicklun- gen zu reagieren. Der DGB begrüßt die vom Rat im Frühjahr 2005 beschlossenen Neuregelungen zur Stärkung des SWP.

Doch auch unter dem Regime des refor- mierten SWP sind der konjunkturstabili- sierenden Aufgabe der Fiskalpolitik unnö- tige Grenzen gesetzt. Doch gerade im Hinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit Europas reichen diese Maßnahmen allein noch nicht aus. Entsprechend der Golde- nen Regel sind wachstumsförderliche und nachhaltige Investitionen in die Infra- struktur, insbesondere zur Stärkung des Innovationspotenzials, sowie in Bildung und Qualifizierung, aus der Defizitberech- nung auszunehmen. Vor dem Hintergrund der eigentlichen Zielsetzung des Paktes sowie der Rückkopplung mit der Geld- politik muss die inflationäre Entwicklung zur Beurteilung der Haushaltssituation der Mitgliedstaaten als Indikator berück- sichtigt werden. Weiterhin sollte zur genaueren Bestimmung einer wachstums- hemmenden Nachfrageschwäche die Sparquote als Indikator in die Beurteilung der Haushaltslage einbezogen werden.

Den Schwerpunkt auf Reformen legen, die zu Wachstum und Beschäf- tigung führen und die Nachhaltig- keitspotenziale heben

Der bisherige Reformansatz war zu sehr auf das Wachstumspotenzial Europas ausgelegt. Dabei wurden die kontra- produktiven Auswirkungen sowohl des unzureichenden Wachstums auf das Wachstumspotenzial als auch die vieler Reformen auf Wachstum und Beschäf- tigung ausgeblendet. Um die Talfahrt wirksam zu stoppen, braucht Europa zuerst solche Reformen, die empirisch nachweisbar Wachstum und Beschäfti- gung fördern. Hierzu bedarf es auch einer Neuausrichtung des Cardiff-Prozesses.

Die dreijährige Ausrichtung der wirtschafts- politischen Grundzüge auf eine bessere Koordinierung mit den beschäftigungs- politischen Leitlinien war eine richtige Entscheidung. Jedoch müssen die Grund- züge hinreichend flexibel sein und bei Abweichungen von der prognostizierten Konjunkturentwicklung entsprechend angepasst werden können. Die regel- mäßig wiederholte Aufforderung nach moderaten Lohnabschlüssen überschreitet nicht nur den Kompetenzbereich der wirtschaftspolitischen Grundzüge. Sie ist Ausdruck einer theoretischen Auffassung über den Zusammenhang von Arbeits- kosten und Beschäftigung, die zur syste- matischen Schwäche der europäischen Binnennachfrage beigetragen hat. Gerade im Hinblick auf die Wettbewerbsfähig- keit im Sinne einer global nachhaltigen

Entwicklung sind die Potenziale einer sozialen und ökologischen Modernisierung des europäischen Wirtschaftsraumes bislang nur unzureichend ausgeschöpft.

Die Implementierung von Zukunftstech- nologien oder die langfristige Weiterent- wicklung der Infrastruktur stellen in diesem Zusammenhang unverzichtbare Elemente, aber auch potenzielle Wachs- tumsimpulse dar. Ob in der Industrie- politik, im Energie-, im Verkehrs- oder im Chemiesektor, bei der Energie- oder der Materialeffizienz, in allen Bereichen muss Nachhaltigkeit zur Richtschnur für die Entwicklung neuer Produkte, Märkte und Beschäftigungsfelder werden (siehe Kapi- tel 4). Hier gilt es, die Stärken des euro- päischen Modells der Kooperation und des sozialen Dialogs zu nutzen, um mit der Gestaltung des Ordnungsrahmens, durch Forschungsförderung oder gezielte Marktanreize der wirtschaftlichen Ent- wicklung eine nachhaltige Richtung zu geben. Sozialer Zusammenhalt und Mit- bestimmungsstrukturen sind wichtige Voraussetzungen, um eine positive gesell- schaftliche Dynamik für nachhaltiges Wachstum und Beschäftigung zu entfalten (siehe Kapitel 6).

Die makroökonomischen Disziplinen koordinieren

Der Makroökonomische Dialog als einzige Institution der makroökonomischen Koordinierung beschränkt sich bislang zu sehr auf den Austausch von Positionen.

Die Chancen, die Politiken aufeinander

abzustimmen und besser zusammen zu arbeiten, werden nur unzureichend genutzt.

Der DGB unterstützt die im Makroökono- mischen Dialog entwickelten Vorschläge zur Verbesserung der Zusammenarbeit.

Darüber hinaus ist die Einrichtung natio- naler Makroökonomischer Dialoge sowohl auf technischer als auch politischer Ebene ein geeignetes Mittel, die europäische Dimension stärker in der nationalen Politik zu verankern.

Das Vertrauen in Europas Wirtschaft stärken

Das Vertrauen in die europäische Wirt- schaft ist nach drei Jahren Stagnation und aufgrund des sich nur zögerlich ent- wickelnden Aufschwungs unzureichend.

Es bedarf deshalb vertrauensstärkender Impulse auf allen Ebenen.

Auch auf europäischer Ebene sind Impulse möglich. Die Umsetzung der europäischen Wachstumsinitiative mit Investitionen in Netze und Wissen ist ein richtiges Zeichen, um das Vertrauen der Wirtschaftsakteure wieder zu stärken (siehe Kapitel 2). Die Förderung neuer Finanzierungsmodelle wie Contracting oder Public Private Partnership kann bislang ungenutzte staatliche Einsparpotenziale freisetzen und für die Zukunftsaufgaben nutzbar machen. Sie reichen aber allein nicht aus und können erforderliche nationale Inves- titionsprogramme allenfalls ergänzen.

(12)

2. Innovation:

Der Mensch im Mittelpunkt

I. Vorgaben des Lissabon-Prozesses In den Schlussfolgerungen des Rates von Lissabon wurde zur Verwirklichung der Ziele der Gesamtstrategie die „Schaffung eines europäischen Raums der Forschung und Innovation“ als Aufgabe definiert. Um zu überprüfen, ob die Ziele erreicht werden, sind eine Reihe von Kriterien aufgestellt worden, die als „Benchmarks“ bezeichnet werden.

Dazu gehören unter anderem:

die Entwicklung geeigneter Mechanismen für die Vernetzung von nationalen und gemeinsamen Forschungsprogrammen die Verbesserung des Umfeldes für Forschungsinvestitionen

der Aufbau eines Hochgeschwindigkeits- netzes für elektronische wissenschaftliche Kommunikation bis Ende 2001

die Beseitigung der Hindernisse für die Mobilität der Forscher

die Schaffung des Gemeinschaftspatentes Zum Ziel wurde auch erklärt, „ein günstiges Umfeldes für die Gründung und Entwicklung innovativer Unternehmen, insbesondere von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU)“

zu schaffen.

Zur Realisierung dieses Ziels sollen die Methode der offenen Koordinierung ange- wendet und folgende Benchmarks erreicht werden:

die Einführung eines Benchmarking- Prozesses zum Thema „Unternehmens- gründung“

die Veröffentlichung einer Mitteilung der Kommission zu Unternehmergeist und Innovation

die Veröffentlichung einer Charta für KMU

die Verbesserung der finanziellen Unter- stützung von KMU

II. Bewertung der Kriterien und ihrer Umsetzungsmaßnahmen aus Sicht des DGB

Erweiterter Innovationsbegriff

In der Mitteilung der Kommission zur Inno- vationspolitik von 20031 heißt es, Innovation sei ein Schlüssel, um die Lissabon-Ziele zu erreichen. Dabei wird gefordert, dass die Komplexität des Phänomens „Innovation“

erkannt wird. Es müsse von einem Innova- tionsbegriff ausgegangen werden, der weit über Forschungs- und Technologieförderung hinausgehe. Innovation, so die EU-Kommis- sion, bedeute, in Wirtschaft und Gesellschaft Neuerungen hervorzubringen und diese zu adaptieren und erfolgreich zu nutzen.

Der DGB stimmt der Kommission in ihrer weiten Definition des Begriffs der Innovation zu. Innovation wird nicht von Maschinen gemacht, sondern von Menschen. Ziel von Innovationspolitik muss sein, Freiräume zu schaffen, in denen Menschen ihre Kreativität zur Entfaltung bringen können. Das kann nicht nur im Rahmen von Bildung und Forschung gelten, sondern muss auch die Arbeitswelt, das heißt, die Arbeitsbedin- gungen und das Innovationsmanagement in Unternehmen betreffen. Die Kommission sagt ebenfalls zu Recht, dass die Arbeitsab- läufe in Unternehmen eine wichtige Ebene der Innovationspolitik darstellen.

1) KOM(2003)112

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Der DGB unterstützt die Kommission in ihrer Absicht, Innovationspolitik an der Komplexität des Innovationsgeschehens auszurichten. Aber naturgemäß stoßen die Maßnahmen, die die Kommission und die anderen EU-Organe in diesem Zusammenhang ergreifen können, an die Grenzen, die durch den Kompetenzrahmen der EU gesetzt sind. In diesem Sinne sind die im Rahmen der Lissabon-Strategie gesetzten Kriterien sicherlich Schritte auf dem Weg zu einer innovationsbasierten Wirtschaft. Gegen- über der Komplexität des Innovationsgesche- hens greifen sie aber zu kurz.

Unbestritten ist Forschung ein wichtiger Bestandteil von Innovationsprozessen. Mit ihren Forschungsrahmenprogrammen, die Grundlagenforschung und anwendungs- orientierte Forschung umfassen, setzt die EU wichtige Akzente. Sie sollte dies im Rahmen der Lissabon-Strategie auch weiterhin tun.

Die EU kann Maßnahmen ergreifen, um die schrittweise europaweite Öffnung nationaler Forschungsprogramme und die Mobilität der Forscher in Europa zu fördern. Das ist sinn- voll, um europaweit zur Vernetzung von Menschen und Ideen beizutragen. Dabei bleibt die zentrale Schwierigkeit, dass alle diese Maßnahmen vom politischen Willen der Mitgliedstaaten und insbesondere von ihrer Bereitschaft zum Einsatz von Forschungs- mitteln abhängen. Der DGB unterstützt das im Rahmen des Barcelona-Prozesses verein- barte Ziel, dass jeder Mitgliedstaat 3 % seines Bruttoinlandsproduktes (BIP) für Forschung einsetzen soll. Er fordert, dass die Regierun- gen der Mitgliedstaaten dieses Ziel einhalten.

Der Kommission und den Gemeinschafts- organen stehen Finanzierungsinstrumente, die Gesetzgebung im Bereich des Binnen- marktes und die Methode der offenen Koor- dinierung zur Verfügung. Doch sollten sie in Anbetracht der grundlegenden Schwierigkeit europäischer Innovationspolitik nicht der Versuchung erliegen, diese Instrumente zur Erreichung aller gesteckten Ziele einzusetzen.

Im Bereich der Gesetzgebung betrifft das insbesondere den Bereich der Patentierung:

Das Gemeinschaftspatent als solches kann im Sinne von Transparenz und Verbreitung von Forschung sinnvoll sein, schwieriger sind die Vorhaben im Bereich der Software- oder Biopatentierung, bei denen eine Balance zwischen kommerziellen Interessen und Schutzinteressen erst noch gefunden werden muss. Voraussetzung für eine ausgewogene gemeinsame Politik im Bereich der Paten- tierung wäre eine kritische Evaluation der Praxis des Europäischen Patentamtes mit dem Ziel, aus der Praxis Kriterien für eine angemessene Balance der verschiedenen Schutzinteressen zu definieren.

Programme für KMU

So wichtig die Möglichkeiten des Zugangs zu Informationstechniken (IT) sind: Eine Schwerpunktbildung für den Einsatz euro- päischer Mittel, insbesondere der Struktur- fondsmittel, in diesem Bereich macht nur dann Sinn, wenn über die Ermöglichung des Zugangs hinaus auch die Entwicklung und Bildung von IT-Kompetenzen gefördert wird.

Ebenso wichtig wie der Internet-Zugang sind Mitarbeiter/innen, die diese Technologien auch optimal nutzen können – gerade für KMU. In der Praxis der Strukturförderung wird jedoch der Schwerpunkt einseitig bei der Bereitstellung der Technologie gesehen.

Dieses ist aber auch allein mit nationaler Förderung machbar. Es muss deutlich sein, dass der Mehrwert europäischer Förderung die Ausrichtung an einem weiten Innova- tionsbegriff ist. Entsprechend muss die Struk- turförderung auch die Kompetenz fördern, die bereit gestellte IT nutzen zu können.

Ähnlich verhält es sich mit der Prioritäten- setzung auf KMU im Rahmen der Strukturför- derung und mit den anderen Instrumenten europäischer KMU-Förderung. KMU sind nicht per se innovativ, nur weil sie klein sind. Diese Annahme liegt zwar vielen Programmen zu Grunde, sie trifft aber keineswegs immer zu.

Tatsächlich ist zumindest in Deutschland zu beobachten, dass der Anteil der innovativen KMU sinkt.2

Parallelstrukturen abschaffen – ergän- zend fördern

KMU brauchen, um innovativ sein zu können und Arbeitsplätze zu schaffen, zunächst eine solide Grundfinanzierung und Zugang zu Risikokapital. Dafür gibt es viele nationale Programme. Europäische Förderung, insbe- sondere die Strukturfonds, sollte sich weniger

auf die Grundfinanzierung als auf zusätzliche Elemente beziehen.

Der Mehrwert der KMU-Förderung durch die EU im Rahmen der Strukturförderung ist hauptsächlich darin zu sehen, dass sie KMU in eine innovationsförderliche regionale Strukturpolitik einbinden kann. EU-geför- derte Projekte setzen auf die Einrichtung regionaler Kooperationsnetzwerke, Zusam- menarbeit zwischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen sowie die Defini- tion regionaler Entwicklungspläne unter Ein- beziehung aller regionalen Akteure. Dieser beteiligungsorientierte Ansatz kann in seiner Bedeutung für die Förderung ganzheitlicher Innovationsprozesse keinesfalls unterschätzt werden. Die EU sollte diese regionale Dimen- sion der Innovationspolitik als Priorität der EU-Strukturpolitik erhalten und die Fonds nicht in unspezifische Instrumente zur För- derung einzelner Vorhaben mit mittelbarer Lissabon-Relevanz zerlegen.

Auf EU-Ebene ist darüber hinaus zu beach- ten, dass die gesetzlichen Rahmenbedingun- gen für KMU in einer Weise gestaltet werden, die die innovativen Potenziale von KMU zur Geltung kommen lässt. Konkret bedeutet dies, dass viele Richtlinien im Bereich des Binnenmarktes, insbesondere zur Liberali- sierung der Finanzmärkte, auf ihre Auswir- kungen auf KMU überprüft werden müssen.

Im Zuge der Revision der Eigenkapitalricht- linien in Folge von Basel II ist dies begonnen worden.

2) s. dazu ZEW, März 2004

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In anderen Bereichen, zum Beispiel beim Aktionsplan Finanzdienstleistungen, steht dies noch aus.

Sozialpartnerschaft in der Innovations- strategie

Im Rahmen einer Innovationsstrategie sollte es ferner europäische Aufgabe sein, die Sozialpartnerbeteiligung konsequent auf allen Ebenen durchzuhalten und zu fördern.

Das bedeutet zum einen, dass im Rahmen der vorhandenen Förderinstrumente Mittel zur Verfügung stehen müssen, mit deren Hilfe die Sozialpartner ihre Mitarbeiter/innen zur Mitwirkung in Innovationsprozessen weiterbilden können. Damit wäre auf einer praktischen Ebene viel zu erreichen. Die von der Kommission initiierten Internet-Konsul- tationen sind dagegen wenig effizient und sollten in ihrer Bedeutung als Element der Kooperation nicht überschätzt werden. Die Sozialpartner in Deutschland können sich an der Berichterstattung zur Umsetzung des KMU-Mehrjahresplans zwar beteiligen, indem sie ihre Kommentare unmittelbar an die Kommission senden. Doch gibt es in Deutschland selbst keine zentrale Konsul- tation zu diesem Thema. Insofern bedeutet die Anwendung der Methode der offenen Koordinierung in diesem Bereich für die Sozialpartner keinen praktischen Gewinn.

Einbeziehung der Partner muss des Weiteren auch bedeuten, dass Arbeitnehmervertretun- gen in Unternehmen ihre Mitbestimmungs-

und Mitsprache-Rechte weiterhin im vollen Umfang ausüben können und in einigen euro- päischen Ländern diese Rechte weiter ausge- baut werden. Die Gestaltung von Arbeitspro- zessen in Unternehmen ist ein wesentliches Element von Innovation. In ihrem Grünbuch von 1995 hatte die Kommission dies noch deutlicher ausgeführt als in der Mitteilung von 2003. Mitbestimmung im Unternehmen hat somit unmittelbare Relevanz. Innova- tionspolitik muss deswegen auch bedeuten, gesetzgeberische Maßnahmen in ihrer Aus- wirkung für die Mitbestimmungsrechte zu überprüfen. Europäische Richtlinien, die auf die Schaffung eines europäischen Gesell- schaftsrechtes und auf die Liberalisierung der Finanzmärkte zielen, sind in diesem Zusam- menhang besonders kritisch zu überprüfen.

Schließlich greifen die genannten Kriterien vor allem dann zu kurz, wenn sie ohne Bezug zur Förderung neuer Beschäftigung und damit zur europäischen Beschäftigungs- strategie und den beschäftigungspolitischen Leitlinien bleiben (siehe Kapitel 5). Ziel von Innovationspolitik muss die Erschließung neuer Beschäftigungsmöglichkeiten sein.

Dazu gehört die Erschließung neuer Märkte ebenso wie die Weiterbildung und -qualifi- zierung von Beschäftigten. Die Gründung neuer Unternehmen allein bedeutet noch nicht, dass dadurch auch dauerhaft neue Arbeitsplätze entstehen. Die Kriterien im Bereich Forschung und Unternehmen müssen in der Folge der Halbzeit-Bilanz von Lissabon deshalb auf ihre beschäftigungspolitische Relevanz hin überprüft werden.

III. Umsetzung der Kriterien und Forderungen des DGB

Die Kriterien wurden in beiden genannten Bereichen wie folgt umgesetzt:

Die Kommission hat seit 2000 mehrere Mit- teilungen veröffentlicht, die zur Realisierung einiger der unter I. aufgeführten Benchmarks – Vernetzung von nationalen und gemeinsa- men Forschungsprogrammen, Verbesserung des Umfelds von Forschungsinvestitionen, Beseitigung der Hindernisse für die Mobilität der Forscher – beitragen sollen.3

Das Hochgeschwindigkeitsnetz für elektroni- sche Kommunikation ist Teil des „Aktions- plans eEurope“. Mit Hilfe der Strukturfonds werden IT-Projekte gefördert. Zum Gemein- schaftspatent wurde jedoch keine Einigung erzielt.

Zum Bereich Unternehmen und KMU wurde eine KMU-Charta verabschiedet.4 Auf dieser Grundlage verabschiedete der Rat außerdem ein Mehrjahresprogramm für die KMU-Poli- tik5, auf dessen Grundlage jährliche Fort- schrittsberichte erstellt werden. Insofern fin- det hier die „offene Koordinierung“ Anwen- dung. Das Benchmarking für Unternehmens- gründungen wurde eingerichtet. KMU-Finan-

zierung erhielt Priorität im Rahmen der Strukturfonds, Finanzierungsinstrumente der Europäischen Investitionsbank (EIB) wurden verbessert. Es wurden mehrere Mitteilungen zur Innovationspolitik verabschiedet6, ver- schiedene Maßnahmen wie ein „Innovation Scoreboard“ wurden umgesetzt. Schließlich wurde eine Internet-Konsultation zu einem künftigen „Aktionsplan Innovation“ durch- geführt.

Diese Maßnahmen können erwartungsge- mäß nicht den gewünschten durchschlagen- den Erfolg haben, wenn sie nicht unterein- ander koordiniert und vor allem mit anderen relevanten Politikfeldern vernetzt werden.

Innovation ist ein komplexer Prozess.

Innovationspolitik im Zeitalter der Globa- lisierung und des Strukturwandels von der Industrie- zur Dienstleistungs- und Wissensgesellschaft muss deswegen die richtigen Zusammenhänge herstellen zwischen Wachstum, technologischer Entwicklung, sozialer Sicherheit, Arbeit, Mitbestimmung, Lebensgestaltung und Beschäftigung. Innovationsstrategien dürfen nicht als Selbstzweck Forschung, Entwicklung und technologische Leistungs- fähigkeit vorantreiben. Sie müssen als komplexe Prozesse verstanden werden,

3) Unter anderem: Mitteilung KOM(2000)6 „Hin zu einem europäischen Forschungsraum“, Mitteilung KOM(2000)612 „Verwirklichung des Europäischen Forschungsraums“, Mitteilung KOM(2001)331 „Eine Mobilitätsstrategie für den europäischen Forschungsraum“

4) Anhang III der Schlussfolgerungen des Vorsitzes des Europäischen Rates (Santa Maria da Feira, 19. und 20. Juni 2000)

5) Entscheidung des Rates vom 20. Dezember 2000 über ein Mehrjahresprogramm für Unternehmen und unternehmerische Initiative, insbesondere für die KMU, 2001-2005

6) zuletzt Mitteilung KOM(2003)112

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die zu dem führen, was die Menschen in Europa brauchen: sichere und qualitativ hochwertige Beschäftigung. Deswegen muss für den Bereich der Innovationspolitik ein Weg gefunden werden, wie EU-Institu- tionen, Mitgliedstaaten und Wirtschafts- und Sozialpartner in einer abgestimmten Strategie gemeinsam eine Innovations- politik betreiben können, in der alle not- wendigen Bereiche angemessen enthalten sind.

Die Menschen mit ihrem Wissen und ihren Fähigkeiten stellen das Potenzial für Innovation dar und sind die bedeutendste

Ressource für Fortschritt in der Wissens- gesellschaft. Europa muss Wege finden, sein Potenzial an qualifizierten Menschen, an Wissenschaft, Forschung und Techno- logie auszubauen und in marktgängige neue Produkte und Dienstleistungen und damit in Beschäftigung umzusetzen. Das erfordert eine hohe Bildungsbeteiligung aller Bevölkerungsgruppen ebenso wie einen breit gestreuten hohen Bildungs- stand. Das gesellschaftliche Klima muss so entwickelt werden, dass Bildung zur Selbstverständlichkeit und höhere Bildung nicht als Privileg verstanden wird. Aktu- elle OECD-Studien haben abermals die

7) siehe auch: Bericht der Hochrangigen Gruppe über die Zukunft der Sozialpolitik in der erweiterten EU, Brüssel 2004 Die EU-Staats- und Regierungschefs halten an dem Ziel der ursprünglichen Lissabon-Agenda fest, bis 2010 die

Forschungsausgaben auf drei Prozent des Bruttosozialproduktes zu erhöhen.

Schweden und Finnland vorn

Schwächen im Bildungs- und Ausbildungs- system zahlreicher Mitgliedstaaten vor Augen geführt. Akademiker- und Fach- kräftemangel zeichnen sich als wirtschaft- licher Engpass ab und sind zugleich Spie- gelbild verstellter Bildungszugänge.

Der Handlungsbedarf in der Aus- und Weiterbildungspolitik ist augenfällig (siehe Kapitel 3).

Bei aller Bedeutung, die der Industriepoli- tik für die Prosperität der europäischen Wirtschaft auch heute zukommt, darf die Innovationsorientierung gerade unter dem Gesichtspunkt der Ausschöpfung neuer Beschäftigungsfelder nicht nur auf traditionell führende Positionen im Bereich der verarbeitenden Industrie gelegt werden. Innovationsraum heißt auch, Forschung und Entwicklung gezielt auf den Bedarf der Wissens- und Dienst- leistungsgesellschaft auszurichten.

Lissabon verlangt neben der Förderung von Spitzentechnologie, vermehrt auch das Augenmerk auf die Dienstleistungs- wirtschaft zu legen. Als Voraussetzung dafür müssen gesellschaftsbezogene Dienste neu bewertet, der Druck auf die öffentlichen Haushalte entschärft und die Bedeutung leistungsfähiger öffentlicher Verwaltungen für die Wirtschaftsentwick- lung gewürdigt werden. Stichworte wie Bildung, Mobilität, Individualisierung, Anforderungen an demografische Ent-

wicklung, an Pflege und Gesundheit, Ver- einbarkeit von Familie und Beruf sowie veränderte Kommunikations- und Freizeit- gewohnheiten weisen auf zusätzlichen und neuen Bedarf an sozialen, personen- bezogenen aber auch kommerziellen Diensten hin. Sie stehen oft erst am An- fang einer professionellen Entwicklung.7 Bei Innovation kommt es zuerst auf die Menschen an. Im Übergang zur wissens- basierten Industriegesellschaft kommt der Mitbestimmung eine Schüsselrolle zu. In der zukünftigen Wissensgesellschaft wer- den Unternehmen nicht ohne und schon gar nicht gegen die Beschäftigten geführt werden können. Mitbestimmung spiegelt die demokratischen Strukturen der Gesell- schaft, in denen sich die Unternehmen bewegen. Betriebsräte und Arbeitnehmer- vertreterinnen und -vertreter in den Auf- sichtsräten kennen Unternehmensabläufe, können Managementfehler und unter- nehmerische Fehlentscheidungen erken- nen und benennen – und haben die Mög- lichkeit, mit allen Hierarchieebenen im Unternehmen zu kommunizieren. Sie kön- nen dazu beitragen, „Informationsfilter“

vor den Vorständen von Unternehmen abzubauen. Mitbestimmung unterstützt die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen, weil durch sie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer den betrieblichen Struktur- wandel verantwortlich mitgestalten.

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Mitbestimmung steht für ein kooperatives Unternehmensprofil sowie für ein posi- tives Betriebsklima und ist damit die Voraussetzung für einen erfolgreichen Innovationsprozess. Betriebsräte und Arbeitnehmervertreterinnen und -vertreter in den Aufsichtsräten erfüllen als demo- kratisch legitimierte Institutionen eine wichtige vermittelnde und konfliktbewäl- tigende Rolle. Beschäftigten wird die Sicherheit gegeben, dass sich die Unwäg- barkeiten des Innovationsprozesses nicht gegen sie selbst richten werden. Die Akzeptanz der mit Innovationen einher- gehenden Veränderungen kann auf diese Weise nachhaltig gestärkt werden. Wer darauf setzt, Interessenvertretung und Gestaltungsmöglichkeit der Arbeitsbezie- hungen und damit Souveränitätsrechte der Beschäftigten einzuschränken statt sie zu stärken, schafft neue Innovations- bremsen.

Die Organe der Mitbestimmung, insbeson- dere die Vertretung der Arbeitnehme- rinnen und Arbeitnehmer in den Aufsichts- räten, müssen stattdessen als wesentliche Instrumente einer innovationsfreundlichen Unternehmenskultur erhalten bleiben.

Sie sind alles andere als ein nationales Auslaufmodell des Industriezeitalters.

Mitbestimmung ist ein positiver Faktor im globalen Wettbewerb. Daher gilt es, die demokratische Teilhabe der Beschäftigten – gerade auch vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte – im europäischen Gesellschaftsrecht zu verankern. Der his-

torische Kompromiss bei der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) stellt in diesem Zusammenhang einen wichtigen ersten Schritt dar.

Die Möglichkeiten der Einbeziehung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Nutzung des „Goldes in den Köpfen“ der Beschäftigten müssen auf allen Ebenen gewährleistet sein und aus- gebaut werden. Anhörung sowie Mitbe- stimmung am Arbeitsplatz, im Betrieb sowie im Unternehmen sind zu fördern.

In diesem Zusammenhang geht der vorlie- gende Vorschlag einer Rahmenrichtlinie zum Binnenmarkt für Dienstleistungen in die falsche Richtung und wird dem skizzierten Anspruch nach hoher Arbeitsqualität nicht gerecht, der als Nährboden für die Schaffung eines echten „Innovationsmilieus“ gesehen werden muss. Dienstleistungsmärkte sind nicht das gleiche wie Warenmärkte. Die Richtlinie darf nicht zu einer Senkung beste- hender Sozial-, Lohn und Sicherheitsstan- dards führen. Für einen leistungsstarken Binnenmarkt für Dienstleistungen ist es zunächst erforderlich, einen funktionie- renden europäischen Ordnungsrahmen zu schaffen. Nur dann kann Bürokratie abgebaut und die Wettbewerbsfähigkeit durch qualitativ hochwertige Dienstleistungen erreicht werden, statt völlig einseitig und teilweise ersatzlos Regulierungen der Mitgliedstaaten abzubauen. Nicht zuletzt behindern die unterschiedlichen Körperschaftssteuersätze

den fairen Wettbewerb – gerade wenn man die neuen EU-Länder berücksichtigt. Aus unserer Sicht darf die EU-Dienstleistungs- richtlinie nicht dazu führen, dass die Bestre- bungen zur Harmonisierung im Hinblick auf die Arbeits-, Sozial- und Steuerfragen aufgegeben werden.

(17)

3. Bildung und

Qualifizierung für alle lebenslang

Der Europäischen Rat von Lissabon hat den Politikfeldern Bildung und Qualifizierung eine entscheidende Schnittstellenfunktion zuerkannt, um die Ziele von Lissabon zu erreichen und einen europäischen Bildungs- und Beschäftigungsraum zu schaffen. Bis 2010 soll die Qualität der Bildungssysteme in Europa weltweit führend sein. Weil Brüssel im Bildungsbereich über keine Richt- linienkompetenz verfügt, war von Beginn an klar, dass eine Kooperation der Mitglied- staaten auf europäischer Ebene alleine nicht ausreicht. Sie muss vielmehr eng mit der Bildungspolitik der Mitgliedstaaten verbun- den werden; deren nationalen Rahmenbe- dingungen, Traditionen und Akteure sollten aktiv einbezogen werden. Dies ist bisher nur unzureichend geschehen. Außerdem sind die von den Mitgliedstaaten mitbeschlos- senen Ziele im nationalen Kontext nicht im erforderlichen Umfang umgesetzt worden.

In einigen Ländern der EU fehlt es jedoch nicht nur an Mitwirkungsakteuren, die eine Gestaltung und die notwendige Akzeptanz für einen europäischen Bildungsraum voran bringen können. Es herrscht schlicht Skepsis, ob mit den vorgeschlagenen Verfahren und Maßnahmen die Ziele gut erreicht werden können. Vielfach bleibt unklar, wo tatsächlich Verbesserungen im Sinne der Bürgerinnen und Bürger liegen werden, wo die Arbeitneh- merinnen und Arbeitnehmer Vorteile durch die europäische Kooperation im Bildungsbe- reich haben. Zugleich werden Risiken gese- hen, die sich nachteilig auf die bestehende Qualität und Besonderheit der beruflichen Bildung in Deutschland auswirken können.

Mit Lissabon begann aber eine neuartige und intensive Zusammenarbeit in der all- gemeinen und in der beruflichen Bildung.

Zahlreiche Aktionen wurden gestartet, Ministerräte einberufen, „Benchmarks“

installiert und Konferenzen durchgeführt.

Die im Zuge dieses Prozesses vereinbar- ten bildungspolitischen Leitlinien und die Methode der offenen Koordinierung führten zu einer Fülle von Benchmarks, die zwar Zahlen, Daten und Statistiken beförderten, qualitative Fakten und Prozesse aber eher aussparten. Gleichzeitig hat es sich für die mit Lissabon verbundenen bildungspoliti- schen Prozesse – Bologna-Prozess für den Hochschulbereich und Kopenhagen-Prozess für das berufsbildungspolitische Feld – als ungünstig erwiesen, dass sie unabhängig und zeitversetzt gestartet sind. Beide Pro- zesse stehen nicht nur unverbunden neben- einander, sondern sind mit weiteren jeweils spezifischen Aktionszielen verknüpft.

Aus Sicht des DGB sind die berufsbildungs- politischen Ziele des so genannten Kopen- hagen-Prozesses von besonderer Bedeutung.

Zum einen sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nach ihrer Ausbildung auf eine qualitativ hochwertige betriebliche und berufliche Weiterbildung im Sinne des lebenslangen Lernens angewiesen. Zum anderen besteht im Bereich der beruflichen Aus- und Weiterbildung auf nationaler Ebene für die Sozialpartner eine weitreichende Mit- wirkungs- und Gestaltungsverantwortung.

Anders als bei der überwiegenden Mehrheit der Mitgliedstaaten legen in Deutschland

Wirtschaft, Gewerkschaften und der Staat im Konsensprinzip die beruflichen Aus- und Fortbildungsprofile fest. Die hohe berufliche Handlungskompetenz, die Praxistauglichkeit, die Branchen- und Arbeitsmarktmobilität, die mit dem Beruflichkeitskonzept verbunden sind, schaffen Akzeptanz in der Wirtschaft und stärken die Wettbewerbsfähigkeit. Auch bietet das Beruflichkeitskonzept die soliden Voraussetzungen für eine dynamische berufs- biographische Entwicklung und Mobilität im Sinne der Beschäftigten. Der DGB wird des- halb in Übereinstimmung mit Wirtschaft und Bundesregierung weiterhin darauf drängen, diesen erfolgreichen Ansatz des „deutschen Modells“ bei der Umsetzung eines europä- ischen Raumes des lebenslangen Lernens energischer als bisher zu berücksichtigen.

Die (berufs-) bildungspolitische Zielperspektive der Lissabon- Strategie

Um die europäischen Bildungssysteme bis 2010 zu einer weltweiten Referenz zu entwi- ckeln, haben sich die Bildungsminister/innen Anfang 2001 auf drei übergeordnete Ziele geeinigt, die vom Europäischen Rat in Stock- holm (2001) wenig später angenommen wurden:

Erhöhung der Qualität und Wirksamkeit der Bildungssysteme in der EU

leichterer Zugang zur allgemeinen und beruflichen Bildung für alle

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Öffnung der Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung gegenüber der Welt 1

Bereits ein Jahr später haben sich der Rat der Bildungsminister und die Kommission in Barcelona auf ein detailliertes Arbeitspro- gramm verständigt, das durch den Europä- ischen Rat gebilligt wurde und seitdem als neuer strategischer Rahmen für die Zusam- menarbeit im Bildungsbereich gilt. Dazu wurden 13 konkrete Handlungsziele festge- legt, die sich auf die verschiedenen Arten und Ebenen der Bildung beziehen – formelle, nicht formelle und informelle Bildung. Sie sollen das lebenslange Lernen in einem europäischen Bildungsraum Wirklichkeit werden lassen. Folgende Handlungsziele stehen dabei im Vordergrund:

Steigerung der Investitionen in die allgemeine und berufliche Bildung Verbesserung der Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften

Umsetzung des Konzeptes zum lebens- langen Lernens, einschließlich Beratung Anerkennung und Akkreditierung von Qualifikationen

Validierung von nicht formeller und informeller Bildung

Entwicklung von Qualifikationen auf sektoraler Ebene

Zugang zu Informations- und Kommuni- kationstechnologien für alle

Förderung des Fremdsprachenerwerbs Förderung von Mobilität und Austausch Förderung des Interesses an wissen- schaftlichen und technischen Studien Entwicklung des Unternehmergeistes 2 Was die Verfahren betrifft, hat man sich auf den Einsatz von Bezugsgrößen – Benchmar- king – sowie auf eine weiche Regulierung – Methode der offenen Koordinierung – verständigt.

Der berufsbildungspolitische Teil des Lissa- bon-Folgeprozesses – der Kopenhagen-Pro- zess – wurde im Spätherbst 2002 mit einem begleitenden Übereinkommen der europä- ischen Sozialpartner eröffnet. Die Sozial- partner haben mit dem „Aktionsrahmen für eine lebenslange Weiterentwicklung von beruflichen Fähigkeiten und Qualifika- tionen“3 nicht nur die wachsende Bedeu- tung der beruflichen Bildung im Verhältnis zur akademischen Bildung unterstrichen,

sondern die Entwicklung des lebenslangen Lernens als eine gemeinsame Verantwortung der Betriebe, der Arbeitgeber, der Arbeitneh- mer/innen und des Staates hervorgehoben.

Die Umsetzung des Aktionsrahmens ist eng verknüpft mit dem Kopenhagen-Prozess und soll die bestehenden EU-Bildungsprogramme, insbesondere „Leonardo da Vinci“, für die berufliche Bildung nutzen.

Die bisherigen Aktivitäten der Sozialpartner in den Mitgliedstaaten werden seither in jährlichen Follow-ups zusammengestellt und im Rahmen des Sozialen Dialogs mit der Kommission weiter beraten.

Es sind vor allem drei zentrale Ansätze, die seit dem Gipfel in Kopenhagen als neue Instrumente der europäischen Berufsbil- dungspolitik für die weitere Entwicklung der beruflichen Bildung von Bedeutung sind:

Schaffung eines gemeinsamen Rahmens für die Transparenz von Qualifikationen und Kompetenzen, Europass II 4 Formulierung von Kriterien für die Qualität von Berufsbildungsangeboten und -anbietern

Erarbeitung eines Systems zur Anrech- nung und Übertragung von Leistungen in der beruflichen Bildung (Credit System, ECVET)

Insgesamt haben Ministerrat und Kommis- sion in der Bildungspolitik seit 2001 ein komplexes Bündel von Zielen, Maßnahmen und Aktionen geschnürt, das kaum zu über- schauen ist, erheblichen Abstimmungsbedarf erfordert und in seinen Auswirkungen auf die nationalen (Berufs-)Bildungssysteme schwer einschätzbar ist. In ihrem Zwischen- bericht vom Frühjahr 2004 kommt die Kommission selbst zu der Einschätzung, dass beim bisherigen Tempo der Umsetzung die Erreichung der Ziele bis 2010 gefährdet sei.

Die Auffassung der Kommission, dass es eine Verständigung mit den Mitgliedstaaten, aber auch mit den Sozialpartnern geben muss, welche zentralen Aufgaben angepackt werden müssen, teilt der DGB. Für den DGB stehen die folgenden Schwerpunkte im Vordergrund, weil sie eine nachhaltige und qualitative Entwicklungsperspektive in der (Berufs-)Bildung bieten und als Maßstab tatsächlicher Verbesserungen für die Arbeit- nehmerinnen und Arbeitnehmer gelten können.

1) vgl. Stockholm, 2001, Report from the Education Council to the European Council, 5980/01, EDUC 23, S. 7ff

2) vgl. ebenda, S.12ff. Die dafür eingerichteten Arbeitsgruppen bestehen aus Vertretern der Mitgliedstaaten und der europäischen Sozialpartner.

3) EGB, UNICE, UEAPME: Aktionsrahmen für eine lebenslange Weiterentwicklung von beruflichen Fähigkeiten und Qualifikationen, März 2002. Die Sozialparteien haben sich auf vier zentrale Aktionsfelder verständigt, die bei verstärkter Zusammenarbeit in der europäischen Berufsbildung vorrangig zu behandeln sind:

- Frühzeitige Erkennung und Identifizierung des Bedarfs an beruflichen Fähigkeiten und Qualifikationen, - Anerkennung und Bewertung beruflicher Fähigkeiten und Qualifikationen,

- Information, Beratung und Orientierung, - Ressourcen.

4) Der Europass II integriert die bisher unverbundenen Teilinstrumente, dient der allgemeinen und beruflichen Bildung sowie der Sichtbarmachung eines individuellen Qualifikations- und Kompetenzprofils. Die Anlage als Portfolio umfasst fünf Teilinstrumente:

Mobilitätspass (Auslandsaufenthalte), Diplomzusatz (für die Hochschulen), Zeugniserläuterung (für die Berufsbildung), Europäischer CV, Sprachenportfolio.

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