_________________________________________________________________________________________________________________
DGB-Bundesvorstand, Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik
Verantwortlich: Stefan Körzell, Henriette-Herz-Platz 2, 10178 Berlin, Kontakt: carina.ortmann@dgb.de Abonnement für „klartext“ und „standpunkt“ unter: http://www.dgb.de/service/newsletter Nr. 23/2014 11. Juli 2014
DGB-Bundesvorstand, Abteilung Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik
Europa: Der neue Ratspräsident setzt auf Wachstum
Anfang Juli hat Italien die EU-Ratspräsidentschaft von Griechenland übernommen. In sechs Monaten geht der Vorsitz im Rat der EU dann an Lettland über. Oft be- merkt man diesen turnusmäßigen Wechsel kaum. Die Personen ändern sich, aber die Politik der EU bleibt die gleiche. Der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi will das jetzt ändern. Er fordert einen Kurswechsel, will Arbeitsplätze schaffen statt Europa weiter kaputt zu sparen. Hoffentlich ist er erfolgreich!
Unterstützt von Frankreich und Spanien will der neue Ratspräsident eine andere Lesart des Stabilitäts- und Wachstumspakts, der die strengen Regeln für Staats- schulden vorgibt, etablieren: Der Spardruck soll gelo- ckert und öffentliche wie private Investitionen sollen gestärkt werden – notfalls kreditfinanziert. So könnten staatliche fiskalische Impulse endlich das Wachstum anregen und damit auch mehr private Investitionen nach sich ziehen. Die ökonomische Logik dahinter:
Wachstum ist auch die beste Grundlage für höhere Steuereinnahmen und den Schuldenabbau.
Der italienische Vorstoß ist ein sinnvoller Wendepunkt in der europäischen Wirtschafts- und Finanzpolitik. DGB und europäische Gewerkschaften fordern Ähnliches seit Ausbruch der Krise. Bis heute beherrscht allerdings die strenge Lesart des Stabilitätspakts das Krisenmanage- ment. Sie setzt auf einen strikten Sparkurs und „Struk- turreformen“. Letztere bestehen meist aus Flexibilisie- rung und Liberalisierung des Arbeitsmarktes und einer Schwächung der Arbeitnehmerrechte um die Lohnent- wicklung zu drücken. Wachstum auf Pump soll verhin- dert werden. Doch ein Blick auf die makroökonomi- schen Eckdaten zeigt, wie erfolglos die bisherige Strate- gie war: Die Politik des harten Sparens hat die Krisen- länder und mit ihnen den ganzen Kontinent in eine
Rezession gestürzt. Arbeitslosigkeit und Deflationsge- fahr stiegen immer weiter.
Nur langsam wird erkannt, dass eine schrumpfende Wirtschaft im Sparmodus kein Nährboden für Investitio- nen und Innovationen ist. Egal, was für „Strukturrefor- men“ angegangen wurden: Wenn Aufträge ausbleiben, wird die Produktion zurückgefahren, Arbeitsplätze wer- den abgebaut und die Kaufkraft weiter abgewürgt. Die Abwärtsspirale geht weiter: Lokale Märkte brechen zusammen, Unternehmen sehen keinen Sinn mehr in Neuinvestitionen. Das belegt der Rückgang der Anlage- investitionen in Griechenland (siehe Grafik), gilt aber auch für Staaten, die weit günstigere Finanzierungsbe- dingungen für Unternehmen aufweisen.
Es wird Zeit für einen Kurswechsel! Der Vorstoß Italiens könnte Europa auf einen vernünftigeren Pfad führen.
Doch es genügt nicht, wenn der Sparzwang gelockert und die Ausgaben ein bisschen weniger gekürzt wer- den. Dazu ist der Investitionsbedarf in Europa mittler- weile viel zu groß. Wir brauchen auch eine langfristig angelegte Investitionsoffensive für ein ressourcenscho- nendes, soziales und innovatives Wirtschaften.
Die neue Ratspräsidentschaft muss jetzt für mehr Ar- beitsplätze sorgen. Italien muss sich durchsetzen.