Deutsches Ärzteblatt½½Jg. 98½½Heft 21½½25. Mai 2001 AA1345
S E I T E E I N S
W
eniger, dafür aber besser ausge- bildete Ärzte können die Effi- zienz der ambulanten Versorgung erhöhen. So sehen es zumindest die größten Ärzteverbände und Versi- cherer Frankreichs. Begrenzte Lei- stungen und die Verbesserung der Behandlungsqualität halten sie für die besten Mittel, um die Kostenent- wicklung im Gesundheitswesen zu bremsen. Nach den Ärztestreiks im Winter hatte die Regierung Ärzte- verbände, Kammern, Kassen und Versichertenorganisationen beauf- tragt, Vorschläge für eine Reform der Gesundheitspolitik zu machen.Künftig sollen sich Ärzte nur noch nach Bedarf niederlassen. Das for- dern Ärzte und Gewerkschaften in ei-
nem Arbeitspapier. Auch die Kran- kenversicherung hält jede fünfte Arzt- praxis in den Großstädten für über- flüssig. In vielen ländlichen Gebieten herrsche allerdings Ärztemangel. Wer eine unrentable Praxis führt, soll durch finanzielle Anreize motiviert werden, in unterversorgte Gebiete umzuziehen oder eine andere Tätig- keit aufzunehmen. Zudem sollten sich die Ärzte vermehrt um Prävention, die Koordination von Behandlungen und eine regelmäßige Fortbildung bemühen. Dafür sei eine deutliche Er- höhung der ärztlichen Pauschalho- norare nötig. Andererseits soll die Selbstbeteiligung der Patienten von derzeit 30 Prozent für alle Behandlun- gen auf 10 Prozent reduziert werden.
Zwar sind sich die Beteiligten be- wusst, dass eine solche Reform ihren Preis hat: Allein die Honorarer- höhungen, die Reduzierung der Selbstbeteiligung und die Subven- tionen für die Schließung von Pra- xen dürften jährlich zehn Milliarden DM kosten. Langfristig sei dies aber eine rentable Investition.
Qualitätspolitik statt Sparpolitik, das ist der springende Punkt, über den jetzt alle Partner des Gesund- heitswesens diskutieren sollten. Die Gespräche laufen, die Ärzte bleiben wachsam: Anfang Juni wollen sie er- neut streiken, um der Regierung zu zeigen, dass außer der Bildung von Expertengruppen bisher wenig ge- schehen ist. Denis Durand de Bousingen
Frankreich
Neue Konzepte A
ngeblich hat der Bundeskanzlerdie Parole ausgegeben, bis zur Wahl im Herbst 2002 die gesund- heitspolitische Front ruhig zu halten.
Aktionen, wie sie das Bündnis Ge- sundheit 2000 in Berlin veranstaltet hat, könnten die Bevölkerung gar zu sehr irritieren. Die neue Bundesge- sundheitsministerin, Ulla Schmidt, habe dementsprechend den Auftrag erhalten, insbesondere lieb zu den Ärzten zu sein.
Nun, wir gehören nicht zu den Magazinen, deren Redakteure so tun, als säßen sie mit am Kabinetts- tisch, wenn Gerhard Schröder zeigt, wo es langgeht. Das faktische Ver- halten der Bundesregierung stützt freilich die Gerüchte. Für die Ärzte hat der neue Stil der Gesundheits- politik einstweilen sein Gutes. Die Arznei- und Heilmittelbudgets samt Kollektivregress sollen in Kürze ab- gelöst werden. Die Budgets waren ohnehin politisch obsolet und recht- lich umstritten. Insofern schickt sich Frau Schmidt an, etwas abzuschaf-
fen, was auch der Bundesregierung letztendlich geschadet hätte. Von ih- rer Position, das Geld müsse aber reichen, rückt sie hingegen nicht ab.
Der nächste Schritt könnte in Kürze folgen: Die Ärzte im Osten müssen befriedet werden. Entweder werden Gelder mit Hilfe des Risiko- strukturausgleichs von West nach Ost verlagert (das wäre zwar Augen- wischerei, aber politisch erlaubt), oder zusätzliche Mittel der Kran- kenkassen, die aus dem neuen Min- destbeitrag herrühren, werden auch zugunsten der Ostärzte verwandt.
Und nun der dritte, besonders große Schritt, der zum Runden Tisch. An dem sollen die Umrisse ei- ner künftigen Gesundheitsreform beraten und aufgeschrieben werden.
Der Auftakt zum Runden Tisch hat bereits am 7. Mai stattgefunden, zur allseitigen Zufriedenheit der Akteu- re. Nun werden Arbeitsgruppen für die sechs größten Problemfelder etabliert. Da in diesen Arbeitsgrup- pen die wesentlichen Beteiligten des
Gesundheitswesens vertreten sein sollen, darf man damit rechnen, dass rund 300 Repräsentanten der Lei- stungserbringer auf diese Weise be- ratend bis zur nächsten Wahl einge- bunden sind.
Frau Schmidt hat versprochen, dass derweil keine Schubladenent- würfe für Reformgesetze erstellt werden, was wiederum bedeutet, dass die Arbeit am Runden Tisch nicht für die Katz sein soll.
Allerdings, am Runden Tisch wird auf Risiko gespielt: Was wird, wenn nach der Wahl eine Bundesre- gierung, in welcher Zusammenset- zung auch immer, sich tatsächlich mit Gesundheitsreform beschäftigt?
Gelten dann noch die Erwartungen, die von einer (anderen) Regierung vor der Wahl am Runden Tisch er- weckt wurden?
Doch setzen wir auf die Kraft der guten Argumente und vertrauen wir dem Versprechen, dass diese gehört werden. Sonst kämen wir ja nie ei- nen Schritt weiter. Norbert Jachertz