• Keine Ergebnisse gefunden

Frühkindliche Traumatisierungen Auf welche Faktoren müssen pädagogische Fachkräfte im Umgang mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen innerhalb der Traumapädagogik achten?

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2021

Aktie "Frühkindliche Traumatisierungen Auf welche Faktoren müssen pädagogische Fachkräfte im Umgang mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen innerhalb der Traumapädagogik achten?"

Copied!
66
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Fachbereich Soziale Arbeit, Bildung und Erziehung

Frühkindliche Traumatisierungen

-Auf welche Faktoren müssen pädagogische Fachkräfte im Umgang mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen innerhalb der Traumapädagogik

achten?

Bachelor-Thesis zur Erlangung eines akademischen Grades Bachelor of Arts

Studiengang: Soziale Arbeit - Bildung und Erziehung

vorgelegt von

Meyer, Michelle

Sommersemester 2020

Datum der Abgabe: 08. Juli 2020 Erstgutachter*in: Dr. phil. Matilde Heredia Zweitgutachter*in: Prof.´in Dr. Júlia Wéber

(2)

Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis ...II

1 Einleitung ...1

2 Definition Trauma ...6

3 Traumaformen ...8

4 Geistige und körperliche Reaktionen auf Traumata ... 10

5 Risiko- und Schutzfaktoren ... 13

6 Missbrauchsformen ... 16 6.1 Seelische Misshandlung ... 16 6.2 Vernachlässigung ... 17 6.3 Körperliche Misshandlung ... 18 6.4 Sexueller Missbrauch ... 19 6.5 Häusliche Gewalt ... 21 7 Traumafolgestörungen ... 22 7.1 Posttraumatische Belastungsstörung ... 23 7.2 Selbstverletzendes Verhalten ... 27 7.3 Depression ... 28 7.4 Abhängigkeit ... 29 8 Traumapädagogik ... 30

9 Haltung der Pädagogen*innen ... 32

10 Umgang mit Folgestörungen ... 37

10.1 Umgang mit Dissoziation ... 38

10.2 Umgang mit Übererregung... 40

10.3 Umgang mit Flashbacks ... 42

10.4 Umgang mit Vermeidungsverhalten... 43

11 Zusammenfassung ... 44

Quellenverzeichnis ... 57

(3)

Abkürzungsverzeichnis

ICD - 10 Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme

DSM - 5 diagnostischer und statistischer Leitfaden psychischer Störungen

StGB Strafgesetzbuch

(4)

Einleitung 1

1 Einleitung

Das Wort „Trauma“ wird durch die Medien immer populärer. In fast jeder Nachrichtensen-dung kommt zur Sprache, dass wieder traumatische Ereignisse, in Form von Kindeswohl-gefährdungen oder Naturkatastrophen, stattgefunden haben. Unter anderem werden auch Berichte über die traumatisierten Soldaten in Kriegsgebieten, aber auch über Kinder, wel-chen Missbräuwel-chen ausgesetzt waren, und den Folgen von Traumatisierungen getätigt. Ebenfalls wird in den Berichterstattungen erwähnt, dass Unfälle oder zivile Katastrophen von Tag zu Tag zunehmen (vgl. Bachhofen 2012, S. 15).

Im Hinblick auf traumatisierte Menschen sind das Wissen über einen hilfreichen Umgang mit Betroffenen eines Traumas und die dazugehörigen Handlungskompetenzen nicht nur im Therapiekontext, sondern auch in außertherapeutischen Settings wie der Soziale Ar-beit unabdingbar. In der Sozialen ArAr-beit werden vorwiegend Menschen betreut, welche bereits Schlimmes erlebt haben. Die belastenden oder auch traumatischen Erfahrungen sind zudem meist ein Eingangskriterium für die Aufnahme der Betreuung. Gerade im Hin-blick auf die stationäre Unterbringung von Kindern und Jugendlichen, also Kinderheime, Jugendwohngruppen oder Pflegefamilien, muss in Betracht gezogen werden, dass im Vorfeld der Unterbringung eine Kindeswohlgefährdung stattgefunden hat (vgl. Friedrich 2011, S. 12ff).

Jedoch ist zu beachten, dass nicht nur innerhalb von Pflegefamilien oder Heimunterbrin-gungen traumatische Kinder als Klienten*innen zu verzeichnen sind. Auch in der ambu-lanten Arbeit findet die Traumaarbeit eine wichtige Rolle. So gelten beispielsweise viele Jugendliche, welche im eigenen Wohnraum betreut werden, als Borderliner. Sie wirken instabil, ihre Einstellungen zu sich und der Welt sind schwankend, zudem zeigen sie ein selbstverletzendes Verhalten bis hin zur Suizidalität (ebd.).

Aus diesem Anlass ist es wichtig, zu schauen, welche Ereignisse, speziell bei Kindern und Jugendlichen ein Trauma hervorrufen können. Als Grund gilt die Gefahr für Leib und Le-ben oder die subjektiv erlebte LeLe-bensbedrohung der Jungen und Mädchen. Aber auch schwere körperliche Verletzungen, welche durch absichtsvolle, verletzende oder schädi-gende Verhaltensweisen der Bezugspersonen hervorgerufen werden (vgl. Deutsches Institut für Psychotraumatologie - DIPT e.V. 2015).

(5)

Einleitung 2

Um zu verdeutlichen, was Kindern und Jugendlichen in ihren Herkunftsfamilien zustoßen kann, möchte ich mich auf Zahlen des Jugendamtes aus dem Jahr 2018 beziehen. Die Jugendämter in Deutschland müssen immer öfter eine Gefährdung des Kindeswohls prü-fen. Im Jahr 2018 haben die Jugendämter in Deutschland bei rund 50 400 Kindern und Jugendlichen eine Kindeswohlgefährdung festgestellt. Das waren 10 % oder rund 4 700 Fälle mehr als im Vorjahr. Wie das Statistische Bundesamt 2018 mitgeteilt hat, wurde in Deutschland 24.900 Mal eindeutig eine akute Kindeswohl¬gefährdung festgestellt. Die meisten der rund 50.400 Kinder in einer akuten oder latenten Gefährdungslage wiesen Anzeichen von Vernachlässigung auf. Mit rund 60% traten dabei Vernachlässigungsfor-men und die psychische Misshandlung von Kindern am häufigsten als Grund auf. In 31% der Fälle seien Anzeichen für psychische Misshandlungen festgestellt worden. Bei 26% und damit ebenfalls mehr als 13.000 Kindern auch Anzeichen für körperliche Misshand-lungen. Anzeichen für sexuelle Gewalt gab es in 5% der Fälle (vgl. Statistisches Bundes-amt 2019). Besonders häufig traf es Kleinkinder, in fast jedem vierten Verfahren ging es um unter Dreijährige. Kinder im Grundschulalter zwischen sechs und neun Jahren waren in knapp 23% der Fälle „Opfer“ von traumatischen Ereignissen. Mit zunehmendem Alter nehmen die Gefährdungseinschätzungen der Statistik zufolge ab (ebd. 2018).

All diese Misshandlungsformen sind Gründe für die Entstehung von seelischen und psy-chischen Traumata, welche mit Ängsten und Folgen einhergehen.

Traumatische Ereignisse können beispielsweise Beeinträchtigungen in der Entwicklung der Kinder und Jugendlichen verursachen (vgl. Anda zit. nach Purtscher - Penz 2015, S. 95). Zudem können die vielfältigen Probleme der Jungen und Mädchen mit traumatischen Lebenserfahrungen in der frühen Kindheit zu psychiatrischen Erkrankungen, chronisch, somatischen Problemen, Lerneinschränkungen und zu Schul- und Berufsschwierigkeiten führen. Resultat des chronischen Stresserlebens können außerdem mit Symptomen wie depressiven Störungen, Angstzuständen oder auch Störungen im Sozialverhalten einher-gehen (vgl. Purtscher - Penz 2015, S. 95).

Die Entstehung der Folgestörungen hat mich dazu bewegt, mein Augenmerk in meiner Abschlussarbeit auf die Traumapädagogik und den Umgang der sozialpädagogischen Fachkräfte innerhalb der Pädagogikform zu legen. Daraus resultierte folgende Fragestel-lung: Frühkindliche Traumatisierungen - Auf welche Faktoren müssen pädagogische Fachkräfte im Umgang mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen innerhalb der Traumapädagogik achten?.

(6)

Einleitung 3

Um Missbrauchserfahrungen innerhalb der Kindheit zuordnen zu können, muss zunächst der Begriff erläutert werden. Kindheit beschreibt die Entwicklungsphase, welche mit der Geburt beginnt und mit Vollendung des 14. Lebensjahres beendet ist (vgl. Garbe 2015, S. 17). Es folgt die Adoleszenz, die durch tiefgreifende Wandlungen im subjektiven Erleben begleitet wird und ebenfalls eine normative Neuorientierung fordert. Das heißt, erlernte Werte und Normen werden hinterfragt und eventuell in einen neuen Zusammenhang ge-bracht. Zeitlich reicht die Adoleszenz vom 11. bis 21. Lebensjahr. Dabei wird als frühe Adoleszenz das Alter von 11 bis 14 Jahren angesehen, die mittlere Phase umgreift das 15. bis 18. Lebensjahr, die Spätadoleszenz die Jahre 18 bis 21. Im Jugendalter erfahren auch die Hirnfunktionen eine Neustrukturierung, neuronale Netzwerke werden umgebildet, Selektions- und Spezifikationsprozesse im Bereich der einzelnen neuronalen Verbindun-gen laufen ab (vgl. Fegert 2020).

Die Phase bis hin zur Vollendung des 21. Lebensjahres beschreibt etwas Dynamisches, Komplexes und sich ständig in Entwicklung befindliches. Dabei ist zu beachten, dass sich Kindheit und die Adoleszenz in unterschiedlichen gesellschaftlichen, sozialen, ökonomi-schen und kulturellen Lebenswelten abspielen. Die Kindheit beginnt mit einer Abhängig-keit der Kinder von deren Bezugspersonen, so mündet sie in zunehmender Selbststän-digkeit und Unabhängigkeit. Je früher dabei eine Traumatisierung hervorgerufen wird, desto mehr wird der Weg in die Unabhängigkeit beeinträchtigt. Traumaerfahrungen neh-men einen gravierenden Einfluss auf das neuronale System des Kindes (vgl. Garbe 2015, S. 17f).

Zudem möchte ich erwähnen, dass, wenn ich von Jungen und Mädchen in meiner Arbeit schreibe, alle weiteren Geschlechtsidentitäten miteinbeziehe.

Um traumatische Erfahrungen in der Kindheit und Jugend aufzeigen zu können, möchte ich in meiner Arbeit mit den Definitionen eines Traumas beginnen.

Dabei beziehe ich mich explizit auf die Definition des ICD-10, des Dudens und auf die Definition von Siegmund Freud. Danach erfolgt ein Überblick der Traumaformen. Abgelöst wird der Abschnitt von dem Kapitel zwei, in dem es um die körperlichen und geistigen Reaktionen auf traumatische Ereignisse geht. Im Mittelpunkt dieses Abschnittes soll ge-zeigt werden, wie traumatische Erlebnisse den Körper, aber auch die kognitiven Fähigkei-ten der Kinder und Jugendlichen belasFähigkei-ten. In diesem Zusammenhang werden ebenfalls die Risiko- und Schutzfaktoren der Jungen und Mädchen, welche ein traumatisches Er-eignis erlebt haben, beleuchtet, um aufzuzeigen, dass es körpereigene Prozesse gibt, welche ein Trauma verhindern, aber auch verschlimmern können.

(7)

Einleitung 4

Im Folgenden, dem dritten Kapitel, soll ein Einblick in die Misshandlungsformen gewähr-leistet werden. Hierzu werde ich mich kurz allgemein zu Formen der Misshandlung äu-ßern und aktuelle Zahlen mit anführen, welche meine Wahl für die explizit weiterführende Vertiefung einzelner Misshandlungsformen, wie Vernachlässigung, häusliche Gewalt oder auch sexuellem Missbrauch, begründen. Die eben genannten Misshandlungsformen wer-den neben weiteren Missbrauchstypen näher betrachtet. Hierzu werde ich aufzeigen, wie sich die einzelnen Missbräuche äußern und wie die Kinder und Jugendlichen davon be-troffen sind. Nachfolgend komme ich auf die Folgestörungen eines Traumas zu sprechen. Auch hier werde ich eine kurze allgemeine Einleitung anführen, um zu klären, was unter Folgestörungen gemeint ist und wie diese sich auf das Individuum auswirken. Danach werde ich, ähnlich wie bei den Misshandlungsformen, einzelne Folgestörungen näher beleuchten. Darunter fallen die Posttraumatische Belastungsstörung, das selbstverletzen-de Verhalten, die daraus resultierenselbstverletzen-de Depression und die Abhängigkeit. Innerhalb selbstverletzen-der Beschreibung der einzelnen Folgestörungen werde ich erklären, was unter den komple-xen Folgestörungen zu verstehen ist und wie diese im Zusammenhang mit der Entste-hung eines Traumas zusammenzuführen sind.

Im Zentrum meiner Arbeit steht die Traumapädagogik, auf die ich nach den Traumafolge-störungen näher eingehen werde. Dazu wird die Traumapädagogik geschichtlich einge-ordnet und aufgezeigt, welche Schwerpunkte in ihr verortet sind. Neben der Traumapäda-gogik steht ebenfalls der Umgang der sozialpädagogischen Fachkräfte im Mittelpunkt meiner Arbeit. Zusammen mit der Traumapädagogik soll betrachtet werden, welche Hal-tungen im Umgang mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen von den Pädago-gen*innen eingenommen werden sollen, um eine Heilung des Traumas heranzutreiben. Des Weiteren soll eine Beschreibung angeführt werden, in der darauf eingegangen wer-den soll, wie Pädagogen*innen im Umgang mit traumatisierten Jungen und Mädchen agieren. Das heißt, in diesem Abschnitt sollen zu den Haltungen auch Grundannahmen der Fachkräfte diskutiert werden.

Im Hinblick auf meine Fragestellung, wird in dem Kapitel „Umgang der Pädagogen*innen“ der Umgang der sozialpädagogischen Fachkräfte mit Traumafolgestörungen ausführlich beschrieben. Hierzu habe ich mir einige Traumafolgestörungen herausgesucht, an denen ich verdeutlichen möchte, wie Pädagogen*innen auf Traumatisierungen und deren Folge-erscheinungen geschult sind.

(8)

Einleitung 5

Dazu werde ich unter anderem den Umgang mit dissoziativen Verhaltensweisen, Überer-regung, Flashbacks und zuletzt auch mit Vermeidungsverhalten verdeutlichen und mich auf Methoden und Techniken der Traumapädagogik beziehen, die eine Verbesserung der Folgestörungen hervorrufen sollen. Exemplarisch für die Methoden und Techniken im Umgang mit traumatisierten Kindern und Jugendlichen werde ich einzelne Übungen zur Reduktion von Symptomen vorstellen.

Zuletzt erfolgt mein Fazit, in welchem ich meine in der Arbeit gewonnenen Erkenntnisse noch einmal zusammenfasse und die Relevanz des Themas für die Soziale Arbeit zu-sammenfassend diskutieren möchte. Anschließend erfolgt die Präsentation der Quellen.

(9)

Definition Trauma 6

2 Definition Trauma

Der Begriff Trauma stammt aus dem altgriechischen und bedeutet Verletzung oder Wun-de. Im medizinischen Bereich spricht man bei dem Begriff von einer Schädigung des Kör-pers. In der Psychologie wird unter einem Trauma die Verletzung der menschlichen Psy-che verstanden. Resultat ist ein Psychotrauma (vgl. Friedrich/ SPsy-cherwath 2016, S. 20f). Laut Duden ist die Bedeutung von Trauma in der Psychologie zunächst eine „starke psy-chische Erschütterung, die [im Unterbewusstsein] noch lange wirksam ist“ (Bibliographi-sches Institut GmbH 2020).

Wissenschaftlich definiert bedeutet ein Trauma nach der internationalen Klassifikation von Krankheiten der Weltgesundheitsorganisationen, im ICD-10, einem

„belastenden Ereignis oder einer Situation mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katast rophalem Ausmaß (kurz oder langhaltend) ausgesetzt zu sein, die bei fast jedem eine tiefe Verstörung hervorrufen würde.“ (World Health Organization zit. nach Friedrich/ Scherwath 2016, S. 20).

Innerhalb dieser Definition wird auf das Ereignis allein eingegangen, während die Be-griffsbestimmung „Wunde“ auf die Bedeutung und eventueller Folgen hinweist, welche im ICD-10 keine Nennung finden (vgl. Friedrich/ Scherwath 2016, S. 20).

Das Diagnostisches und Statistisches Manual psychischer Störungen definiert den Traumabegriff dahingehend wie folgt: Innerhalb der traumatischen Situation muss eine potenzielle oder reale Todesbedrohung oder eine ernsthafte Verletzung oder Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit bei sich oder anderen vorliegen, auf die mit intensiver Furcht, Hilflosigkeit oder Schrecken reagiert wird (vgl. Americian Psychiatric Association zit. nach Friedrich/ Scherwath 2016, S. 20f).

Neben der außergewöhnlichen Bedrohung am eigenen Leib, gibt es weitere Faktoren, die einen solchen Emotionszustand hervorrufen können. Weitere Faktoren wären, dass Men-schen als Zeugin oder Zeuge unmittelbar von Gewaltbeobachtungen, wie bei häuslicher Gewalt, oder der Beobachtung von einem menschlichen Massensterben bei Erdbeben, betroffen sind. Dies setzt voraus, dass Menschen, welche als Zeugen*innen fungieren, vor Ort waren, als einem anderen Menschen etwas sehr Belastendes zugestoßen ist. Mit-einhergeht, dass ein Trauma entstehen kann, wenn Betroffene aus zweiter Hand erfah-ren, dass einem nahestehenden Menschen etwas Lebensbedrohendes widerfahren ist.

(10)

Definition Trauma 7

Zudem genügen der ständige Kontakt und die Konfrontation mit Details traumatisierender Ereignisse. Dabei geht es nicht um Medienberichte, sondern um den kontinuierlichen di-rekten Kontakt mit traumatisierten Menschen und deren Schilderungen ihrer Erlebnisse (vgl. Herrmann 2019).

Diesen Vorgang kann als sekundäre Traumatisierung zusammengefasst werden (vgl. Friedrich, Schewath 2016, S. 189).

In ihrem Lehrbuch der Psychotraumatologie definieren Fischer und Riedesser das psychi-sche Trauma als:

„vitales Diskrepanzleben zwischen bedrohlichen Situationsfaktoren und den individuellen Bewältigungsmöglichkeiten, das mit Gefühlen von Hilflosigkeit und schutzloser Preisgabe einhergeht und so eine dauerhafte Erschütterung von Selbst- und Weltverständnis be-wirkt.“ (Fischer/ Riedesser zit. nach Friedrich/ Schewath 2016, S. 21).

Betroffenen Menschen ist es in dieser Situation nicht möglich im Rahmen ihrer eigentli-chen Anpassungs- und Bewältigungsstrategien zu handeln, somit stellt sich ein Ereignis dar, welches von unabsehbarerer Heftigkeit und Ausweglosigkeit geprägt ist. Resultat ist, dass übliche Selbstwirksamkeits- und Verarbeitungsmechanismen, welche im Menschen verankert sind, außer Kraft gesetzt werden (Vgl. Friedrich/ Schewath 2016, S. 20f). In-nerhalb dieser Situation erfahren traumatisierte Menschen einen akuten Kontrollverlust. Die Selbstschutzstrategien Flucht und Widerstand versagen, es bleibt nur noch der Weg der Dissoziation (vgl. Matten/ Pausch 2018, S. 16).

Das dissoziative Verhalten dient der Bewältigung von Belastungen. Die Psyche spaltet in diesem Vorgang bestimmte Gefühle, Gedanken, Handlungen und Körperempfindungen ab, sodass diese dem Bewusstsein nicht mehr zugänglich gemacht werden. Der dahinter-stehende Grund des Abspaltens liegt in der Verhinderung einer Reizüberflutung (ebd., S. 19f). Dissoziative Verhaltensweisen werden im Kapitel „Körperliche und geistige Reaktio-nen auf Traumata“ noch einmal vertiefend beschrieben. Im Folgenden konzentriere ich mich wieder auf die Definitionen eines Traumas.

Sigmund Freud geht mit seiner Definition eines Traumas auf die Begriffsbestimmung der Wunde, wie am Anfang beschrieben, ein. Hierzu schreibt er, dass ein Trauma ein Erlebnis ist, welches dem Seelenleben eines Menschen in kurzer Zeit einen starken Reizzuwachs bringt, somit ist die Aufarbeitung in normal gewohnter Weise nicht möglich.

(11)

Traumaformen 8

Folgen sind dauerhafte Störungen im Energiebetrieb (vgl. Freud zit. nach Feuervogel e.V. Verein für ein selbstbestimmtes Leben – frei von sexueller Gewalt 2014, S. 3).

Allgemein lässt sich sagen, dass ein Trauma auftreten kann, sofern die „normalen“ An-passungsstrategien des Menschen, wie Flucht oder Widerstand in unangenehmen Situa-tionen zu leisten, versagen. Traumata gehen intensive Bedrohungen für das eigene Le-ben und die körperliche Unversehrtheit voraus, welche mit Gefühlen von akuter Angst, Hilflosigkeit und Kontrollverlust verbunden sind. Das heißt, sofern das menschliche Han-deln innerhalb der traumatischen Situation keinen Sinn ergibt, also weder Widerstand noch Flucht möglich sind, ist das Selbstverteidigungssystem überfordert. Ergebnis ist eine traumatische Reaktion (vgl. Herman zit. nach Weiß 2016, S. 25).

Im Folgenden möchte ich auf die verschiedenen Traumaformen eingehen. Hierzu wird der Traumabegriff in Typ 1 und Typ 2- Trauma eingeteilt, aber auch weitere Traumaeinteilun-gen werden im nächsten Kapitel vertiefend beschrieben.

3 Traumaformen

Anhand der unterschiedlichen traumatischen Ereignisse wie Verkehrsunfällen, Naturkata-strophen und Gewalttaten, lassen sich ebenfalls unterschiedliche Formen an Traumata erkennen.

Die erste Einteilung von traumatischen Ereignissen erfolgt nach einmaligen oder mehrma-ligen Auftreten. Aus diesem Grund lassen sich Typ 1- und Typ 2- Trauma unterscheiden. Typ-1-Trauma bezeichnet einmalige, unvorhersehbare Ereignisse, sogenannte Monot-rauma. Darunter werden Folgen von Traumatisierungen verstanden, die einmal gesche-hen und einen Anfang und ein Ende haben, innerhalb eines sonst relativ normal verlau-fenden Lebens. Dazu gehören z. B. Unfälle, Operationen, Naturkatastrophen, einmalige Misshandlungen, Überfälle, Vergewaltigungen (vgl. Matten/ Pausch 2018, S. 5).

Hierzu zählt auch das sogenannte Schocktrauma. Darunter versteht man Ereignisse, wel-che das Individuum unvorbereitet und zeitlich überraswel-chend treffen. Völlig unvorbereitet zu sein, bedeutet, dass das Ereignis im Gesamtkontext des Lebens nicht einzuordnen ist. Ereignisse in eine logische Reihenfolge des Lebens zu bringen, ist jedoch eine Voraus-setzung, um das Geschehene verarbeiten zu können (vgl. Friedrich/ Scherwath 2016, S. 49). Corinna Scherwath, welche als Dipl.-Sozialpädagogin, Kinder- und Jugendsozialthe-rapeutin, Fachberaterin für Psychotraumatologie und Traumapädagogik arbeitet, zitiert in ihrem Buch „Soziale und Pädagogische Arbeit bei Traumatisierung“ Huber, welcher schreibt:

(12)

Traumaformen 9

„Wer sich keinen Reim auf das Erlebnis machen kann, steckt hinterher in größeren Schwierigkeiten als jemand, der dem Ereignis möglichst rasch danach eine Bedeutung im Leben geben kann.“ (Huber zit. nach Friedrich/ Scherwath 2016, S. 49).

Das heißt, wenn Ereignisse unseren Erwartungshorizont übersteigen, stehen dem Orga-nismus keine Handlungskompetenzen zur Verfügung (vgl. Friedrich/ Scherwath 2016, S. 50).

Typ-2-Trauma dagegen bezeichnet Erfahrungen chronischer und in der Regel früh einset-zender Traumatisierung. Es gibt oft keinen eindeutigen Anfang und kein wirkliches Ende. Traumatisierende Entwicklungsbedingungen in der Kindheit, wie körperliche und seeli-sche Misshandlungen, Vernachlässigungen, sexueller Missbrauch, häufige Wechsel der Beziehungspersonen und der Lebensmittelpunkte, Überleben mit misshandelnden und/ oder chronisch kranken Eltern oder Flucht und Vertreibung aus Heimatländern sind des-halb Teile von Komplextraumatisierungen (vgl. Matten/ Pausch 2018, S. 5).

Eine weitere Einteilung erfolgt über die verursachende Instanz. Beginnend mit non-intentionale/ akzidentielle Traumata. Hierunter fallen alle Traumata, welche zufällig und/ oder durch die Umwelt, in Form von Naturkatastrophen, verursacht werden. Dazu zählen wie beschrieben die Monotraumata.

Jedoch gibt es auch Ereignisse, welche durch einen Menschen verursacht werden. Die intentionalen Traumata entsprechen Traumatisierungen, welche vorsätzlich und absicht-lich einem Menschen zugefügt werden (ebd.). Ein Beispiel ist das Beziehungstrauma. Innerhalb dieser Konstellation stehen sich Opfer und Täter oft sehr nah. Hierzu zählen Szenarien häuslicher Gewalt sowie psychische und physische Vernachlässigung (vgl. Fischer/ Riedessern zit. nach Matten/ Pausch 2018, S. 51). Je näher sich die Personen sind, beispielsweise Vater und Tochter, desto gravierender sind die späteren Folgen. Re-sultat sind langfristige Verunsicherungen im Selbstbild und im Selbstwert sowie Störungen im späteren Bindungsleben der Kinder und Jugendlichen (vgl. Krüger zit. nach Matten/ Pausch 2018, S. 50).

Eine weitere Unterteilung kann noch einmal in, wie bereits beschreiben, Monotrauma, aber auch in Multitrauma und sequenzielle Traumatisierungen erfolgen.

Multitrauma entsprechen eher einer Aneinanderreihung von Traumata. Das heißt, es er-folgen mehrere Traumatisierungen innerhalb einer kurzen Zeit hintereinander. Dabei ist zu beachten, dass die einzelnen Traumata in keinen Bezug zueinanderstehen.

(13)

Geistige und körperliche Reaktionen auf Traumata 10

Sequenzielle Traumata, worunter ebenfalls das Entwicklungstrauma fällt, bezeichnen Er-eignisse, die länger andauern und/ oder in ihrem Verlauf immer wieder neue Bedrohun-gen enthalten. Ein Beispiel hierfür wäre eine Naturkatastrophe, welche mit dem traumati-schen Ereignis gleichzeitig lange Zeiten an Schutzlosigkeit, Niedergeschlagenheit und Perspektivlosigkeit mit sich bringt.

Ebenfalls können schwere Erkrankungen wie Krebs zu einer sequenziellen Traumatisie-rung führen, indem nach einem erfolgreichen Heilungsprozess erneut ein Tumor festge-stellt wird. Der Schweregrad der jeweiligen Traumata steigt von Monotrauma bis hin zu sequenzieller Traumatisierung stark an. Dazu bestimmen die Langfristigkeit an Traumata und mangelnde Schutzfaktoren das Ausmaß der Traumatisierungen und Folgesympto-men (vgl. Matten/ Pausch 2018, S. 48f).

Es gibt jedoch auch Traumata, welche sich innerhalb der Familie weitergeben lassen. Dieses wird transgenaritives Trauma genannt. Zu verstehen ist dies als Weitergabe traumatischer Erlebnisse von einer Generation in die Nächste. Dabei treten ähnliche Symptome wie bei einer Posttraumatischen Belastungsstörung auf, ohne jemals ein Trauma erlitten zu haben. Beispielsweise erleben Betroffene tiefe Trostlosigkeit, massive Ängste, Verunsicherungen, Leere und fehlende Selbstwirksamkeit, die sich nicht erklären lassen (ebd., 59f).

Im nächsten Kapitel möchte ich einen Überblick über die körperlichen und geistigen Reak-tionen des kindlichen Organismus, welche durch traumatische Ereignisse entstehen kön-nen, eingehen.

4 Geistige und körperliche Reaktionen auf Traumata

Tritt ein unerwartetes Ereignis auf, welches mit einem Gefühl von intensiver Bedrohung verbunden ist, entsteht eine sogenannte „Angst-Schock-Situation“. Ergebnis ist ein erhöh-ter innerer Stresszustand (vgl. Feuervogel e.V. Verein für ein selbstbestimmtes Leben – frei von sexueller Gewalt 2014, S. 4). Innerhalb der Schrecksituation wird die Herz- und Atemsequenz erhöht (vgl. Friedrich/ Scherwath 2016, S. 22f).

Innerhalb des „Angst-Schock-Momentes“ wird ebenfalls das Bindungssystem aktiviert. Das heißt, er sucht nach einer Person, welche unmittelbar in seiner Nähe ist, die ihm Trost, Schutz und Hilfe bietet. Ist keine Person in der Nähe, welche Hilfe bieten könnte, reagiert der Betroffene mit seinen Impulsen „fliehen oder kämpfen“ (vgl. Otto-Mainhardt 2017). Es erfolgt eine verstärkte Ausschüttung an Adrenalin, Noradrenalin, Dopamin und

(14)

Geistige und körperliche Reaktionen auf Traumata 11

Cortisol. Adrenalin, Noradrenalin und Dopamin sorgen innerhalb der Situation für die nöti-ge Körperspannung und Beweglichkeit für mögliche Flucht- und Kampfhandlunnöti-gen. Das Cortisol steigert in diesem Moment das Angstempfinden und lässt somit den Körper höchst wachsam auf mögliche Gefahren reagieren.

Kann ein Mensch innerhalb dieser Situation fliehen, ist es möglich, dass eine Traumatisie-rung verhindert werden kann (vgl. Friedrich/ Scherwath 2016, S. 22f).

Ist weder Fliehen noch Kämpfen möglich, befindet sich der Mensch in einer Situation, welche von Hilflosigkeit, Ohnmacht und Ausweglosigkeit geprägt ist (vgl. Otto-Mainhardt 2017). Innerhalb der traumatischen Situation wird das Gehirn ganz oder teilweise außer Kraft gesetzt, was zur Folge hat, dass die Fähigkeit des Frontalhirns Sinneswahrnehmung zu ordnen und zu verknüpfen nicht funktioniert (vgl. Feuervogel e.V. Verein für ein selbst-bestimmtes Leben – frei von sexueller Gewalt 2014, S. 4). Der Mensch befindet sich in der traumatischen Zange, da weder Handeln noch Denken möglich sind. Innerhalb der traumatischen Zange kommt es zu einer sogenannten Freeze Reaktion. Darunter versteht man eine Art Lähmung. Menschen in traumatischen Situationen distanzieren sich innerlich vom Geschehen, darunter fällt das dissoziative Verhalten. Körper und Gefühle wirken wie betäubt (vgl. Friedrich/ Scherwath 2016, S. 22f).

Das dissoziative Verhalten dient der Bewältigung von Belastungen. Die Psyche spaltet in diesem Vorgang bestimmte Gefühle, Gedanken, Handlungen und Körperempfindungen ab, sodass diese dem Bewusstsein nicht mehr zugänglich gemacht werden. Der dahinter-stehende Grund des Abspaltens liegt in der Verhinderung einer Reizüberflutung. Der Kör-per konzentriert sich auf die überlebenswichtigen Sinne, somit wird die Reaktion auf mög-liche Gefahren verschärft.

Die Fähigkeit zur Dissoziation ist jedoch bei jedem unterschiedlich entwickelt. Bei Kindern im Vorschul- und Grundschulalter ist diese Anlage am stärksten ausgeprägt, jedoch nimmt die Fähigkeit mit steigendem Alter ab. Mithilfe der Dissoziation wird die Belastung bewältigt, doch es erfolgt keine Verarbeitung der erlebten Situation (vgl. Matten/ Pausch 2018, S. 19f). Diesen Verlauf kann man allgemein der Schockphase zu ordnen, welche von einer Stunde bis hin zu einer Woche andauern kann.

Nach zwei Wochen ist die erste Erregung abgeklungen. Der Mensch befindet sich nun in der Einwirkungsphase. Die Betroffenen sind jedoch immer noch von den Ereignissen voll-kommen in Anspruch genommen. Wie unter Zwang berichten sie immer wieder von den Vorfällen. Es kann innerhalb dieser Phase zu Selbstzweifeln, Wutanfällen und Anklagen gegenüber möglichen Verursachern der traumatischen Situation kommen.

(15)

Geistige und körperliche Reaktionen auf Traumata 12

Weitere Symptome, welche auftreten können, sind Einschlafstörungen, Übererregbarkeit, Überwachheit, erhöhte Schreckhaftigkeit, Gedächtnisstörungen, Konzentrationsschwierig-keiten und Alpträume. Begleitet werden die Symptome durch mögliche Flashbacks, auch Nachhallerin-nerungen genannt. Das heißt, Menschen erleben die traumatische Situation wieder und wieder von vorne.

Nachhallerinnerungen können durch sogenannte Trigger ausgelöst werden. Hierbei reicht ein Geräusch oder Geruch, welcher mit dem traumatischen Erlebnis in Verbindung ge-bracht wird. Der Betroffene ist in Gedanken sofort wieder bei der traumatischen Situation. Zuletzt kann in der Phase ein Vermeidungsverhalten entstehen. So werden beispielswei-se Orte, Verkehrsmittel oder auch Personen vermieden, welche das Trauma verursacht haben, oder an das Ereignis erinnern.

Nach ungefähr 14 Tage setzt die Erholungsphase ein. Jedoch kann sich eine Erholung auch erst nach 4 Wochen einstellen. Grund dafür können weitere erschreckende Nach-richten, wie der Bericht über den Tod der Eltern nach einem Verkehrsunfall sein oder be-lastende Ereignisse, wie das weitere Zusehen von häuslicher Gewalt in der Familie, bei den Kindern und Jugendlichen sein, welche die Erholungsphase verzögern. Günstigsten-falls sinkt die Dauererregung immer weiter ab und nicht jeder Gedanke an das traumati-sche Ereignis löst einen Schrecken aus. Das Interesse am normalen Leben und Freizeit-aktivitäten kehrt wieder zurück.

Durch schwerwiegende körperliche und/ oder seelischen Verletzungen kann die Erho-lungsphase jedoch auch ganz ausbleiben (vgl. Deutsches Institut für Psychotraumatologie - DIPT e.V. 2015).

Die oben genannten Symptome können bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen gleichermaßen auftreten. Im Folgenden möchte ich explizit noch einmal auf Symptome und Störungsbilder hinweisen, welche sich bei Kindern und Jugendlichen nach traumati-schen Ereignissen entwickeln können.

Sie weisen beispielsweise häufig regressives Verhalten auf, indem sie z. B. einnässen, am Daumen lutschen und/oder Trennungsängste haben. Zudem kann es vorkommen, dass Kinder bereits Erlerntes wieder vergessen. Beispielsweise fallen Kinder, welche schon einen bestimmten Wortschatz besitzen, wieder in Babysprache zurück. Aber auch aggressive Verhaltensweisen sind anzunehmen.

Säuglinge und Kleinkindern leiden besonders unter den Folgen von Traumatisierungen, da sie das Erlebte noch nicht verstehen und verarbeiten können. Probleme lassen sich im Schlafen, in Form von Einschlaf- oder Durchschlafstörungen, im Essen oder Trennungs- und im Bindungsverhalten verorten (vgl. Herrmann 2019). Beispielshaft dafür wären Ver-

(16)

Risiko- und Schutzfaktoren 13

haltensweisen wie Klammern oder Weinen, sobald die Bezugsperson, eine nahestehende Person oder auch die sozialpädagogischen Fachkräfte das Zimmer verlassen.

Zudem gibt es bei Kindern bis zum zehnten Lebensjahr eine weitere Verarbeitungsmög-lichkeit, das sogenannte posttraumatische Spiel. Die traumatisierten Jungen und Mäd-chen versuMäd-chen durch spielerisches in Szene setzen das traumatische Ereignis zu bewäl-tigen. Hierbei finden alle Parteien des Erlebnisses, also die verursachende Instanz und das „Opfer“ einen hohen Stellenwert im Spiel. Das Kind versucht sich mithilfe des Spieles in die Instanzen hineinzuversetzen und somit das Erlebte zu verarbeiten (vgl. Garbe 2015, S. 25).

Im Folgenden möchte ich nun auf Schutz- und Risikofaktoren eingehen, welche die ge-nannten Symptome verstärken, aber auch lindern können und somit einen Einfluss auf die Entstehung eines Traumas haben.

5 Risiko- und Schutzfaktoren

Menschen, die traumatische Erfahrungen gemacht haben, können durch Ressourcen, die ihnen zur Verfügung gestellt werden, ihre Folgen günstig bewältigen. Diese Ressourcen zählen zu den günstigen Faktoren, die einer Traumafolgestörung entgegenwirken. Jedoch bestehen ebenfalls ungünstige Faktoren, auch Risikofaktoren genannt, welche die belas-tende oder traumatische Situation negativ beeinflussen. Die Risikofaktoren behindern den Bewältigungsprozess und erhöhen die Wahrscheinlichkeit des Eintretens von Traumafol-gestörungen. Somit versteht man unter Risikofaktoren, Komponenten, welche traumatisie-rende Situationen negativ beeinflussen. Durch destabilisietraumatisie-rende Effekte wird die Wahr-scheinlichkeit von Folgestörungen erhöht. Zu beachten ist, dass sich Risikofaktoren auf lebensgeschichtliche oder psychosoziale Umstände, welche situationsverschlimmernd wirken, beziehen. Dabei hängen Grad und Schwere der Traumafolgen davon ab, auf wel-chen situativen und biografiswel-chen Boden ein traumatisches Ereignis trifft (vgl. Friedrich/ Scherwath 2016, S. 53ff).

Wird keine Folgestörung entwickelt, nennt man dieses Salutogenese (vgl. Matten/ Pausch 2018, S. 23).

Im Folgenden sollen unterschiedliche Faktoren verdeutlicht werden, die ein Trauma ver-stärken oder auch lindern.

(17)

Risiko- und Schutzfaktoren 14

In erster Linie ist es ausschlaggebend, in welcher Art und Weise eine Traumatisierung auftritt und wie lange sie andauert. Kinder sind im Gegensatz zu Erwachsenen von einem besonders hohen Risiko für komplexe Traumafolgestörungen betroffen, weil sie in frühem Alter anfälliger und sensibler für belastende Situationen sind. Dazu kommt, je schwerer ein Trauma war und je länger es andauerte, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit schwe-re Traumafolgestörungen zu entwickeln. Des Weiteschwe-ren werden Risikofaktoschwe-ren dadurch bestimmt, ob ein Trauma durch einen Menschen verursacht wurde oder nicht (vgl. Fried-rich/ Scherwath 2016, S. 53f). Wenn die Ursache eines traumatischen Ereignisses von einem Menschen ausging, ist die Gefahr höher Folgestörungen zu entwickeln, da Be-zugspersonen fehlen, die ihnen nach traumatischen Erlebnissen zur Seite stehen, die ihnen Geborgenheit und Schutz bieten sowie sich um ihre Nachsorge kümmern. Somit können Traumafolgestörungen nicht vermieden werden.

Ebenfalls ist es wichtig frühere Traumata zu betrachten. Je mehr traumatischen Erfahrun-gen man ausgesetzt war, desto höher ist das Risiko an einer Komplexen posttraumati-schen Belastungsstörung zu leiden. Andere schwerwiegende Erkrankungen können eben-falls durch mehrere Traumata ausgelöst werden.

Zuletzt spielen auch Faktoren wie Vorerkrankungen oder psychische Erkrankungen, we-nig soziale Unterstützung und weitere belastende Ereignisse eine Rolle in der Auswirkung von Traumatisierungen und deren Folgen (Vgl. Matten/ Pausch 2018, S. 25f). Indem traumatische Ereignisse durch zum Beispiel einen Arbeitsverlust, Gerichtsprozess oder bleibende körperliche Schäden, oder mangelnder Unterstützung direkt nach dem Trauma begleitet werden, bleibt die Weltansicht der Menschen oft negativ, da keine Verbesserung der Situation in Sicht ist oder sie durch Gerichtsprozesse immer wieder an das traumati-sche Ereignis erinnert werden.

Neben Risikofaktoren gibt es auch Vulnerabilitätsfaktoren, welche im Zusammenhang mit Risikofaktoren oder traumatischen Erlebnissen risikoerhöhend wirken. Diese Faktoren beziehen sich innerhalb traumatischer Situationen auf die individuellen Merkmale und Voraussetzungen einer Person. Grundlegende Vulnerabilitätsfaktoren sind unsichere so-ziale Netzwerke, fehlende Entlastungsmöglichkeiten und negative Selbstkonzepte (vgl. Friedrich/ Scherwath 2016, S. 54).

(18)

Risiko- und Schutzfaktoren 15

Schutzfaktoren hingehen wirken abwehrend, mildernd und heilend auf das Individuum. Hierunter versteht man Prozesse, welche die Wucht von Belastungen abmildern und Menschen in ihr ursprüngliches Gleichgewicht zurückbringen können.

Unterschieden werden personale, resilienz- und umgebungsbezogene Faktoren.

Personale Faktoren sind Komponenten, welche im Menschen verankert sind. Dazu zählen Intelligenz, angeeignete Bewältigungsstrategien und Ausdauer (ebd., S. 62f).

Unter dem Begriff Resilienz versteht man eine Widerstandskraft gegenüber psychischen Belastungen. Es handelt sich dabei also nicht um eine Persönlichkeitseigenschaft, viel-mehr bedeutet es, dass Menschen in der Lage sind, sich an veränderte Situationen anzu-passen und ihre Lebenskonzepte so zu erweitern, dass traumatische Erlebnisse gut ver-arbeitet werden können.

Zur Resilienzentwicklung tragen beispielsweise Faktoren wie Eigenschaften und Fähigkei-ten bei, die in einem Menschen selbst liegen.

Darunter zählen unter anderem Erfahrungen bezüglich der Selbstwirksamkeit, des Selbst-vertrauens und ein positives Selbstbild, aber auch soziale Kompetenzen wie Empathie und das Übernehmen von Verantwortung. Eine gute Schulbildung und das Vorhandensein von bereits erlernten Bewältigungsstrategien zählen ebenfalls dazu.

Es bestehen jedoch auch äußere Faktoren, welche zur Resilienz beitragen. Äußere Fak-toren wären stabile Beziehungen und ein gutes soziales Netz, wie Familie und Freunde, unterstützende Eltern und Lehrer, welche eine realistische Selbsteinschätzung fördern. Daraus resultiert, dass resiliente Menschen folgende Fertigkeiten innerhalb der Entwick-lung ausbauen können. Die Jungen und Mädchen können aktiv für sich sorgen und eige-ne Bedürfnisse erkeneige-nen, wahreige-nehmen und erfüllen. Zudem sind sie in der Lage, sich selbst regelmäßig zu entspannen. Außerdem sind die Kinder und Jugendlichen in der Lage eigene Grenzen und deren Anderer zu erkennen und zu akzeptieren. Dies setzt ei-nen Perspektivwechsel voraus und die Fähigkeit sich in andere hineinzufühlen.

Seine eigene Resilienz kann man jederzeit ausbauen (vgl. Matten/ Pausch 2018, S. 24). Die Resilienzfaktoren lassen sich mit den umgebungsbezogenen Faktoren gleichsetzen. Auch hier geht es um zwischenmenschliche Bindungen und das Erleben sozialer Unter-stützung (vgl. Friedrich/ Scherwath 2016, S. 63).

(19)

Missbrauchsformen 16

6 Missbrauchsformen

Zu betrachten ist, dass Kinder und Jugendliche in bedrohlichen Lebensverhältnissen auf-wachsen können. Sie werden beispielsweise geschlagen, vernachlässigt oder sexuell missbraucht. Kinder dienen in diesen Situationen als Objekte der Befriedigung und zur Affektregulierung Erwachsener (vgl. Garbe 2015, S. 18f).

Innerhalb traumatischer Ereignisse unterscheidet man in psychische und physische Miss-handlungen. So zählen das Schlagen mit Gegenständen, Verbrennen, Kneifen, Schubsen und Einsperren zu physischen Misshandlungsformen. Unter psychischen Misshandlungen versteht man hingegen verbale oder nonverbale Entwertungen, Missachtungen, Ausgren-zungen und Beschimpfungen. Dabei ist zu verzeichnen, dass mit 25% verbale Misshand-lungen innerhalb der Kindheit auftreten. Es ist davon auszugehen, dass MisshandMisshand-lungen innerhalb der Kindheit eine Vielzahl an Folgestörungen mit sich bringen können (ebd., S. 41).

Im Folgenden soll auf bestimmte Misshandlungsformen eingegangen werden. Dazu wer-den seelische und körperliche Misshandlungen, häusliche Gewalt, die Vernachlässigung und der sexuelle Missbrauch beleuchtet.

6.1 Seelische Misshandlung

Seelische oder auch emotionale Misshandlung genannt, kann als Begleiterscheinung in weiteren Missbrauchsformen vorkommen. Jedoch ist sie als Missbrauchsform auch allein vertreten. Beispiele für seelische Misshandlungen wären Erniedrigungen, Entwürdigun-gen, Zurückweisung, emotionale Unerreichbarkeit der Bezugspersonen oder der Ge-brauch des Kindes für die Bedürfnisse des Erwachsenen. Dies äußert sich wie folgt: El-tern üben ständige Kritik am Kind, es kann seinen ElEl-tern nichts recht machen und wird als Sündenbock für mögliche schlechte Nachrichten verantwortlich gemacht. Zudem wird das Kind mithilfe von Drohungen verängstigt und eingeschüchtert. Ein weiterer Aspekt kann das Verhindern von Außenkontakten sein, somit entsteht das Gefühl von Einsamkeit und Verlassenheit.

Das heißt, seelische Misshandlungen werden durch Beziehungen und Personen geprägt, nicht durch die Tat allein (vgl. Weiß 2016, S. 30). Aktiv feindselige, entwürdigende und verbal schädigende Verhaltensweisen stellen ein durchgehendes Muster innerhalb dieser Misshandlungsform dar (vgl. Herrmann zit. nach Weiß 2016, S. 30).

(20)

Missbrauchsformen 17

Die Schwelle zur Traumatisierung ist dann erreicht, wenn es kein Gleichgewicht mehr zwischen guter und inakzeptabler Interaktion gibt. Charakteristisch für seelische Miss-handlung ist, dass die inakzeptablen Interaktionen innerhalb der Erziehung überwiegen. Folgen sind unter anderem Entwicklungsverzögerungen, dissoziales Verhalten und ein geringes Selbstwertgefühl (vgl. Glaser/ Prior zit. nach Weiß 2016, S. 31).

6.2 Vernachlässigung

Die Vernachlässigung kann als Beispiel der seelischen Misshandlung verstanden werden. Da es sich hierbei jedoch um die häufigste Misshandlungsform gegen Kinder handelt, möchte ich diese explizit noch einmal näher beleuchten.

Dabei ist zu beachten, dass 10 bis 12% aller Kinder durch ihre Eltern abgelehnt oder ver-nachlässigt werden (vgl. Egle u. Hoffmann zit. nach Weiß 2016, S. 28). Bei den bis zu 3-Jährigen ist die Vernachlässigung mit der häufigste Grund einer Fremdunterbringung (vgl. Hédervári zit. nach Weiß 2016, S. 28).

Vernachlässigung wird als eine Art von Missbrauch definiert, bei dem die Erziehungsbe-rechtigen dahingehend versagen, die körperlichen oder emotionalen Bedürfnisse des Kin-des zu stillen. Das heißt, es bleiben auf längerer Sicht Versorgungsleistungen materieller, emotionaler und kognitiver Art aus (vgl. Schone zit. nach Weiß 2016, S. 28). Die emotio-nale Vernachlässigung tritt dabei am häufigsten in Erscheinung. Beispiele wären: Desinte-resse, Apathie und Kälte gegenüber dem Kind (vgl. Gedankenwelt 2020). Verhaltenswei-sen, welche eine Vernachlässigung erahnen lasVerhaltenswei-sen, können aktiv, aber auch passiv, auf-grund von fehlender Einsicht oder Wissen, von den Eltern ausgehen. Oft werden Kinder in der Familie auch gar nicht erst wahrgenommen. Es entsteht somit ein Mangel an Auf-merksamkeit und emotionaler sowie körperlicher Zuwendung. Außerdem äußert sich Ver-nachlässigung meist in unzureichender Pflege der Kinder. Sie erleiden einen Mangel an Kleidung und Nahrung. Die Förderung motorischer und geistigen Fähigkeiten bleibt aus (vgl. Weiß 2016, S. 28f).

Kinder benötigen für ihre Entwicklung eine Art Stimulierung von außen. Das heißt, Kinder benötigen die Hilfe von Bezugspersonen, um in ihrer Entwicklung voranzuschreiten und sich Fähigkeiten und Fertigkeiten anzueignen. Geschieht dies nicht, kommt es zu einem gravierenden Einschnitt der kindlichen Entwicklung (vgl. Garbe 2015, S. 45).

(21)

Missbrauchsformen 18

Entsteht innerhalb der Partnerschaft eine Vernachlässigung durch den eigenen Partner, kann dies dazu führen, dass er sich selbst sabotiert. Die Person denkt zum Beispiel, dass sie es nicht verdient glücklich zu sein oder geliebt zu werden, dass sie nichts kann oder, dass es keine Gründe gibt, für seine Träume zu kämpfen.

Wer in der Kindheit unter Vernachlässigung litt, hat im Öfteren Schwierigkeiten beim Auf-bau stabiler Beziehungen, welches bis hin ins Erwachsenenalter andauern kann. Oft tre-ten Misstrauen, Gefühle von Verletzlichkeit oder Perioden einer gewissen Apathie auf, in denen es sehr schwer ist mit Wut oder Traurigkeit umzugehen (vgl. Gedankenwelt 2020). Weitere Folgen sind zum Beispiel der Einschnitt in die Entwicklung des Kindes. Vernach-lässigte Kinder, welche in den frühen Jahren ihrer Entwicklung ein traumatisches Erlebnis widerfahren ist, weisen meist Rückstände in ihrer kognitiven und sozialemotionalen Welt auf. Wie bereits beschrieben, sind sie oft nicht in der Lage positive Bindungen aufzubau-en. Des Weiteren kann eine Folge sein, dass den Kindern und Jugendlichen die Möglich-keit zur Selbstreflexion fehlt, da sie in den seltensten Fällen Feedback von ihren Bezugs-personen, wie den Eltern, erfahren haben. Zuletzt können Vernachlässigungen die Selbstwirksamkeit des Kindes einschränken. Kindern sind ihre eigenen Gefühle und den resultierenden Verhaltensweisen unzugänglich (vgl. Weiß 2016, S. 29f).

6.3 Körperliche Misshandlung

Diese Misshandlungsform ist von allen die Offensichtlichste. Sie ist durch eine überstimu-lierende und verletzende Beziehung geprägt. Anlässe bieten körperliche und seelische Willens- und Bedürfnisäußerungen der Kinder, welche seitens der Bindungspersonen falsch interpretiert werde. Beispiel hierfür wäre, dass Kinder geschlagen werden, weil sie neugierig sind, Fragen stellen oder sich gegebenfalls beschweren.

Körperliche Misshandlung führt zu Einschränkungen in der kognitiven und sprachlichen Entwicklung des Kindes. Kinder lernen beispielsweise später als andere sich zu artikulie-ren. Meist werden weiterführende Beziehungen zu Gleichaltrigen oder Beziehungen im Erwachsenenalter als problematisch wahrgenommen.

Körperlich misshandelte Kinder sind anpassungsfähig. Mit ihrem ruhigen Verhalten versu-chen sie keinen Ärger zu provozieren. Weiterführende Folgen können Suchterkrankungen oder suizidale Handlungen sein (vgl. Weiß 2016, S. 32).

(22)

Missbrauchsformen 19

6.4 Sexueller Missbrauch

Als Beispiel für körperliche Misshandlung habe ich mich für den sexuellen Missbrauch entschieden, da er meines Erachtens die schwerwiegendste Missbrauchsform ist. Zudem wird diese Missbrauchsform im allgemeinen durch nahestehende Personen, oder sogar durch die Eltern oder weitere Bezugspersonen verursacht, was wiederum Folgen im Ent-wicklungsprozess der Kinder aufweist.

Im Folgenden soll der sexuelle Missbrauch und seine Folgen vertieft werden.

Im Jahr 2019 wurden in der Polizeilichen Kriminalstatistik insgesamt knapp 1.382 re-gistrierte Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung Minderjähriger allein in Meck-lenburg-Vorpommern verzeichnet (vgl. Müritzportal 2020).

Unter sexuellem Missbrauch oder sexueller Gewalt an Kindern wird jede sexuelle Hand-lung, die gegen deren Willen vorgenommen wird oder der sie aufgrund körperlicher, seeli-scher, geistiger oder sprachlicher Unterlegenheit nicht zustimmen können, zusammenge-fasst. Die Täter*innen nutzen dabei ihre Macht- und Autoritätsposition aus, um eigene Bedürfnisse auf Kosten des Kindes zu befriedigen.

Diese Definition bezieht sich auf alle minderjährigen Kinder. Bei unter 14-Jährigen ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sie sexuellen Handlungen nicht zustimmen kön-nen (vgl. Röhrig 2020). Das heißt, dass Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung immer strafrechtlich verfolgt (§§ 174, 176f, 179 und 182 StGB) werden (vgl. Garbe 2015, S. 43).

Grund dafür kann sein, dass Kinder oft noch nicht wissen, was unter sexuellen Handlun-gen zu verstehen ist und sie die überstimulierenden Verhaltensweisen der Erwachsenen noch nicht zuordnen können.

Sexuelle Handlungen gegen Kinder beginnen meist nicht abrupt, sondern durch einen schleichenden Prozess. Kinder bemerken zunächst keine Veränderung in einzelnen kör-perlichen Zuwendungen des Erwachsenen. Das Kind befindet sich in einer Situation, in der die anfänglich gut anfühlende körperliche Zuwendung zunehmender seltsamer und unangenehmer wird (ebd., S. 44). Sexuelle Gewalt beginnt dahingegen bei sexuellen Übergriffen wie verbaler Belästigung, voyeuristischem Taxieren des kindlichen Körpers, aber auch flüchtigen Berührungen des Genitalbereichs oder der Brust über der Kleidung. Passiert die Berührung aus Versehen, spricht man nur von einer Grenzverletzung, die mit einer Entschuldigung aus der Welt geschafft werden kann.

Um strafbaren Missbrauch handelt es sich, wenn sexuelle Handlungen am Körper des Kindes stattfinden oder es sich entsprechend anfassen lässt. Beispiele dafür wären: Zun-genküsse geben oder, dass sich der Erwachsene vom Kind befriedigen lässt. Zu den schweren Formen zählen Vergewaltigungen aller Art: vaginal, oral, anal.

(23)

Missbrauchsformen 20

Es gibt auch Missbrauchshandlungen, die den Körper des Kindes nicht direkt einbezie-hen, z.B. wenn jemand vor einem Kind masturbiert, sich exhibitioniert, dem Kind gezielt pornografische Darstellungen zeigt oder es zu sexuellen Handlungen an sich selbst, bei-spielsweise auch vor der Webcam, auffordert (vgl. Röhrig 2020).

Die Schädigungen, welche aus sexuellen Missbräuchen resultieren, sind in ihrem Grad schwerwiegender:

- Je größer der Altersunterschied zwischen Täter und Opfer ist. - Je größer die verwandtschaftliche Nähe ist.

- Je jünger ein Kind bei Beginn des Missbrauches ist. - Desto mehr Gewalt neben dem Missbrauch auftritt. - Desto mehr das Kind zur Geheimhaltung gezwungen wird.

- Und je weniger schützende Personen dem Kind beistehen (vgl. Kehl 2001).

Zu beachten ist, dass sexueller Missbrauch in allen Institutionen, in denen Kindern betreut werden, vorkommen kann (vgl. Fegert zit. nach Garbe 2015, S. 43).

Oft wird das Vergehen nicht angezeigt, da Kinder die einzigen Zeugen sind und somit die Glaubwürdigkeit bei einer Anzeige, oder auch innerhalb eines Gerichtsprozesses gegen-über der Polizei oder Richtern, eingeschränkt sein kann. Zudem muss in Betracht gezo-gen werden, dass es zu einem Gerichtsprozess kommen kann, sofern die Tat zur Anzeige gebracht wurde und die Beweislast eindeutig ist, um eine Anklage gegenüber dem Täter zu erheben. Beginnt ein Prozess, kann es sein, dass das Kind die Tat nicht verarbeiten kann, da es aufgrund des Gerichtsverfahrens immer wieder an die Tat erinnert wird, es wird sozusagen getriggert und somit keine Ruhe des Organismus eintreten kann (vgl. Garbe 2015, S. 44).

Die grundlegende Missachtung des Kindeswillens und der dazugehörigen Verletzung sei-ner körperlichen Unversehrtheit haben Gefühle der Ohnmacht und des Ausgeliefertseins als Folge. Daraus resultiert, dass sexuell missbrauchte Kinder in deren Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen geschädigt werden. Zudem häufen sich Gefühle der Scham, welche in Verbindung mit Schuldgefühlen auftreten. Das Kind gibt sich die Schuld für einen mög-lichen sexuellen Übergriff und gleichzeitig macht es sich Vorwürfe, dass es den Miss-brauch nicht beenden konnte. Folge ist, dass sich das Kind wertlos fühlt, da es in seiner menschlichen Vollkommenheit verletzt wurde.

(24)

Missbrauchsformen 21

Als langfristige Folgen sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen treten im Erwachsenenalter häufig Störungen der Sexualität und Partnerschaftsprobleme auf. Das zeigt sich in Verwechslungen von Affektivität und Sexualität. Oft lehnen Betroffene aus Scham ihren eigenen Körper ab, es erfolgt ein selbstdestruktives Verhalten, welches sich in selbstverletzendem Verhalten oder suizidalen Zügen äußert. Weitere Folgen in diesem Zusammenhang können depressive Verhaltensweisen sein. Außerdem können sich Angstzustände, Schlaf- und Essstörungen entwickeln. Der letzte Weg, den Schmerz zu ertragen, ist oft ein emotionaler Rückzug und die soziale Isolation, aber auch Suizide sind nicht auszuschließen. Durch die Isolation werden zwischenmenschliche Beziehungen gemieden, da in jedem Menschen ein potenzieller Täter gesehen wird und durch die Tat das Vertrauen in Menschen erschüttert wurde (vgl. Kehl 2001).

6.5 Häusliche Gewalt

Häusliche Gewalt betrifft meist die Bezugspersonen untereinander. Das heißt, es kommt zu einer Gewalthandlung zwischen erwachsenen Personen. Meist betrifft dies Frauen (vgl. Weiß 2016, S. 33). Bei der Misshandlung gegenüber der Mutter sind Kinder in 90% der Fälle anwesend oder bekommen dies durch lautstarke Streitereien im Nachbarraum mit. Ein Drittel der Kinder wird jedoch selbst Opfer von häuslicher Gewalt (vgl. Hanmer zit. nach Weiß 2016, S. 33).

Folgen sind unter anderem Schuldgefühle, da Kinder das geschehene nicht verhindern konnten, aber auch Schlafstörungen und Entwicklungsverzögerungen sind anzunehmen (vgl. Weiß 2016, S. 34).

(25)

Traumafolgestörungen 22

7 Traumafolgestörungen

Traumafolgen entwickeln sich aus dem Zusammentreffen von, wie Fischer und Riedesser beschreiben, „bedrohlichen Situationsfaktoren“ und der daraus resultierenden, individuel-len Reaktion eines Individuums. Wie die Reaktion des jeweiligen Menschen ausfällt und ob daraus Traumafolgen zu erwarten sind, hängt von den Schutz- und Risikofaktoren ab. Darunter fallen, wie bereits im Kapitel „Risiko- und Schutzfaktoren bei einem Trauma“ beschreiben, Ressourcen, Resilienz, traumatische Vorerfahrungen und persönliche Be-wältigungsstrategien (vgl. Fischer/ Riesesser zit. nach Garbe 2015, S. 21). Zudem kann man Traumafolgestörungen als einen Prozess ansehen, welcher sich infolge einer tief-greifenden Schädigung der Gesamtentwicklung entfaltet (vgl. Weinberg zit. nach Fried-rich/ Scherwath 2016, S. 33). Je früher dabei die Schädigung, durch Vernachlässigung oder sexuellem Missbrauch, im Kindesalter beginnt, desto gravierender sind die Folgen in der körperlichen, kognitiven und persönlichen Entwicklung. Aus diesem Grund wirken traumatisierte Kinder oft entwicklungsverzögert. Jedoch können sich auch Folgen im So-zialverhalten entwickeln, wie beispielsweise ein aggressives Verhalten im Erwachsenenal-ter (vgl. Friedrich/ Scherwath 2016, S. 36). WeiErwachsenenal-tere Folgen wären eine eingeschränkte Aufmerksamkeitsregulation und Impulsausbrüche. Oft treten auch depressive Verhal-tensweisen auf, welche begleitet werden von selbstverletzendem Verhalten. Aber auch Schlafstörungen und innere Unruhe sind Folgen von Traumatisierungen. Somit können Traumafolgen in allen Bereichen des menschlichen Körpers, wie beispielsweise im Füh-len, Denken und Handeln aufzufinden sein (ebd., S. 45f).

Außerdem können traumatische Erfahrungen Auswirkungen auf die Identitätsbildung ha-ben. Das heißt, das Selbstwertgefühl ist beeinträchtigt (vgl. Weiß 2016, S. 48). Kinder können im Verlauf ihrer Entwicklung ein negatives Selbstbild sich gegenüber entwickeln. Zudem sind die Selbstwirksamkeit, Selbstwahrnehmung und Selbstregulation einge-schränkt. Weitere Folgen können sein, dass den Kindern in ihrer späteren Entwicklung ihre eigenen Körperempfindungen nicht mehr bewusst werden. Darunter kann man sich vorstellen, dass bestimmte Reaktionen und Verhaltensweisen auf Situationen nicht zu erklären sind, oder auch, dass Körpergrenzen nicht wahrgenommen werden und somit ein risikobehaftetes Verhalten an den Tag gelegt wird. Es kann aber auch sein, dass trauma-tisierte Kinder in ihrem späteren Leben, gerade bei einem sexuellen Missbrauch, Proble-me entwickeln Beziehungen aufzubauen, einzugehen und aufrechtzuerhalten (ebd.).

(26)

Traumafolgestörungen 23

Rupperts Modell der gespaltenen Psyche behauptet, dass die Persönlichkeitsstruktur ei-nes traumatisierten Menschen aus mehreren Ich-Zuständen besteht. Es ist also davon auszugehen, dass Menschen ein traumatisiertes Ich, ein Ich der psychischen Überle-bensstrategien und ein gesundes Ich innerhalb traumatischer Ereignisse entwickeln. Das Ich der psychischen Überlebensstrategien leugnet traumatische Situationen und versucht Erlebtes ungeschehen zu machen. Das äußert sich in Verhaltensweisen wie Nichtaner-kennung, Ausgleichen traumatischer Situationen und Reinszenierung. Beispiele wären, dass Opfer von sexuellem Missbrauch Berufe wählen, welche dem traumatischen Ereig-nis nahekommen, wie Prostitution (vgl. Hartung 2019, S. 19).

In diesem Abschnitt bin ich auf die allgemeinen Folgen von Traumatisierungen eingegan-gen. Im nächsten Abschnitt sollen daher komplexe Traumafolgestörungen erwähnt wer-den, welche sich speziell nach mehrmaligen, langandauernden Traumatisierungen entwi-ckeln können. Einzelne Faktoren, wie eventuelle Bindungsstörungen, depressive und selbstverletzende Verhaltensweisen, habe ich kurz angeschnitten. Im Folgenden möchte ich daher explizit noch einmal auf die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), selbstverletzendes Verhalten sowie Depressionen und Abhängigkeiten eingehen. Begin-nen werde ich mit der häufigsten Traumafolge, der PTBS.

7.1 Posttraumatische Belastungsstörung

Die Wahrscheinlichkeit einmal in seinem Leben einer traumatischen Situation ausgesetzt zu sein, liegt in Deutschland prozentual zwischen einem Viertel und einem Drittel in Be-tracht auf die Gesamtbevölkerung (vgl. Maercker zit. nach Matten/ Pausch 2018, S. 10). Zu beachten ist, dass der Körper eines Individuums bei einer traumatischen Situation je-weils bei jedem Individuum anders reagiert. So entwickeln am häufigsten, mit 80%, Men-schen nach einer Vergewaltigung eine PTBS. Die zweithäufigste Ursache einer PTBS wird in Kriegs- und Foltererfahrungen gesehen. 50% bis 70% entwickeln dahingehend eine Posttraumatische Belastungsstörung. Am wenigsten werden als Gründe Verkehrsun-fälle und schwere Erkrankungen genannt (vgl. Matten/ Pausch 2018, S.10f). Die Zahlen sind alarmierend und zeigen den Pädagogen*innen auf, dass in diesem Zusammenhang gehandelt werden muss.

(27)

Traumafolgestörungen 24

Neben der Ursachenerforschung ist es wichtig, zu hinterfragen woher die Symptome einer PTBS kommen, ob eventuell ein traumatisches Ereignis hervorgegangen ist, oder ob an-dere Ursachen der Auslöser waren. Sobald traumatische Erfahrungen die Ursachen für eine Posttraumatische Belastungsstörung sind, ist es wichtig, den Kindern und Jugendli-chen im Umgang als Begleitperson zur Seite zu stehen und Methoden und Techniken zu vermitteln, welche eine Besserung des Gemütszustandes, in Form von Beruhigungsü-bungen des Organismus, hervorrufen. Im Kapitel „Umgang der Pädagogen*innen mit Traumafolgestörungen“ werde ich noch einmal explizit darauf eingehen, wie die sozialpä-dagogischen Fachkräfte mit den zentralen Merkmalen, wie Wiedererleben, Übererregung und dem Vermeidungsverhalten umgehen und welche Techniken zur Besserung der Fol-gestörungen eingesetzt werden.

Im Folgenden möchte ich mein Augenmerk wieder auf die Posttraumatische Belastungs-störung legen.

Innerhalb des ICD-10 wird die PTBS als Reaktion auf Belastungen und als Anpassungs-störungen verstanden (ebd., S. 7). Dabei ist zu beachten, dass man jedoch erst von ei-ner Belastungsreaktion spricht, wenn die unter Stress entstandenen Symptome länger als vier Wochen anhalten (v gl. Huber zit. nach Friedrich/ Scherwath 2016, S. 26). Die zent-ralen Aspekte sind dabei die Übererregung, das Wiedererleben und das Vermeidungsver-halten (vgl. Friedrich/ Scherwath 2016, S. 27).

Als Übererregung, auch Hyperarousel genannt, versteht man eine erhöhte Wachsamkeit des Organismus. Der Körper ist in ständiger Angst, wieder einer traumatischen Situation zu begegnen. Er versucht durch die erhöhte Wachsamkeit eventuelle Gefahren schnellstmöglich zu erkennen und somit auch schnell zu handeln. Aus diesem Grund werden auch zu viele Stresshormone freigesetzt, somit wird die Überängstlichkeit und Stresssensibilität gefördert.

Folgen sind Unruhe, Konzentrationsschwäche, aber auch aggressive Impulsausbrüche, welche als Versuch des Organismus verstanden werden können, die überschüssige Energie zu entladen. Aufgrund der unvorhersehbaren und für andere Menschen grundlo-sen Gefühlsausbrühen sind Abwertungen von Mitmenschen möglich (vgl. Krüger zit. nach Friedrich/ Scherwath 2016, S. 28).

(28)

Traumafolgestörungen 25

Ebenfalls ist, wie beschrieben, das Wiedererleben, auch Flashbacks oder Intrusion ge-nannt, ein zentrales Merkmal einer PTBS. Hierunter versteht man das vollständige Wie-dererleben der traumatischen Situation. Dies geschieht in Form von Bildern, körperlichen Empfindungen, wie beispielsweise das Gefühl wieder vom Täter berührt zu werden, aber auch in Gedanken, wie Alpträumen. Auslöser, sogenannte Trigger, können sehr unter-schiedlich sein. Beispielsweise können Gerüche ein Wieder-erleben des Geschehenen hervorrufen. Das „Opfer“ riecht das Parfüm des Täters und erinnert sich an die Vergewal-tigung, welche dem Individuum widerfahren ist. Aber auch Bilder, bestimmte Orte und, wie bereits beschrieben, versehentliche Berührungen können Erinnerungen an das traumati-sche Ereignis hervorrufen. Oft sind diese aber nicht zuordbar, sodass nur einzelne Frag-mente und nie die ganze Traumatische Situation getriggert werden. Zudem gibt es neben der Intrusion ebenfalls Begleiterscheinungen, welche gleichzeitig neben dem Wiedererin-nern auftreten können. Dazu zählen Panikzustände, Schwitzen, erhöhter Herzschlag, Zit-tern und Schwindel (vgl. Friedrich/ Scherwath 2016, S. 28f).

Ein weiterer Aspekt dieser Folgestörung ist das willkürliche und teilweise bewusste Ver-meiden, auch Konstriktion genannt, von bestimmten Situationen, Orten und Menschen, die einen an das Trauma erinnern könnten (ebd., S. 31). Es kann jedoch auch vorkom-men, dass der Betroffene nicht über das traumatische Ereignis spricht und es somit ver-sucht zu vermeiden. Kurzzeitig hat das Individuum mit seinem Vermeidungsverhalten auch Erfolg. Die Anspannung nimmt ab, nicht jeder Gedanke an das Trauma löst einen Flashback aus. Dadurch erlernt der Betroffene, dass sein derzeitiges Verhalten dem Kör-per guttut. Resultat ist, dass der soziale Radius des traumatisierten Menschen immer kleiner wird. Erst werden einzelne Personen vermieden, bis hin zu großen Menschen-mengen, da jeder Kontakt mit Mitmenschen Stress im Organismus verursacht und eine Möglichkeit des Wiedererlebens bietet. Das heißt, zuletzt geht man nicht einmal mehr einkaufen oder verlässt das Haus gar nicht. Resultat ist die soziale Isolation (vgl. Matten/ Pausch 2018, S. 32f).

(29)

Traumafolgestörungen 26

Somit erfolgt ebenfalls eine Einengung der Lebensgestaltung, da der Betroffene sich in-nerhalb seines Zuhauses verschanzt. Jedoch können Menschen auch durch andere Wei-sen, wie Drogenkonsum, den traumatischen Erinnerungen entkommen. Durch die Ein-nahme von Drogen oder auch Alkohol hat sich das Individuum eine Bewältigungsstrategie angeeignet, welche durch die berauschende Wirkung dem Betroffenen das Gefühl gibt, Abstand zu unverarbeiteten Gefühlen zu gewinnen (vgl. Friedrich/ Scherwath 2016, S. 31). Folge der Konstruktion sind dissoziative Zustände. Das heißt, der Betroffene ist nicht im vollen Alltagsleben anwesend, da einzelne Teile des Tages verdrängt werden (vgl. Krüger zit. nach Friedrich/ Scherwath 2016, S. 31). Aber auch Amnesien von bereits er-lebten Situationen oder Gesprächen sind möglich. Oft zeigen traumatisierte Menschen auch verzögerte Reaktionsweisen auf gestellte Fragen, da sie sich in diesem Moment in einem dissoziativen Zustand befinden.

Neben der „einfachen PTBS“ gibt es auch die komplexe Posttraumatische Belastungsstö-rung. Diese entwickelt sich oftmals bei chronisch traumatisierten Menschen, wie bei-spielsweise bei Individuen, welche Misshandlungen, Vernachlässigung oder sexuellen Missbrauch erfahren haben.

Neben den Hauptmerkmalen einer PTBS haben Betroffene einer komplexen PTBS das Gefühl von Sinn- und Hoffnungslosigkeit. Begleitet werden die Gedanken von selbstver-letzenden Verhaltensweisen, Suizidgedanken oder auch im schlimmsten Fall mit dem Suizid (vgl. Friedrich/ Scherwath 2016, S. 31f).

Bis jetzt gibt es für die komplexe Form dieser Folgestörung kein eigenes Diagnosekriteri-um (vgl. Fischer/ Riedesser zit. nach Friedrich/ Scherwath 2016, S. 32). Innerhalb des ICD-10 fällt diese Form der Folgestörung unter die Diagnose der „andauernden Persön-lichkeitsänderung nach Extrembelastung“ (vgl. Dilling 2015, S. 286). Aus diesem Grund kommt es bei er Diagnose oft zu Fehleinschätzungen, da die Symptome auch anderen Krankheiten, wie beispielsweise einer Borderline-Persönlichkeitsstörung gleichen. Dadurch wird der traumatische Hintergrund als Auslöser oft außer Acht gelassen (vgl. Friedrich/ Scherwath 2016, S. 33).

Im Folgenden möchte ich explizit noch einmal auf einzelne Merkmale der Posttraumati-schen Belastungsstörung bei Kindern und Jugendlichen eingehen. Daher werde ich einen Einblick in die Thematiken selbstverletzendes Verhalten, Depression, Abhängigkeiten und Angststörungen gewähren. All diese Teilaspekte der PTBS können ebenfalls als eigen-ständige Folgestörungen verstanden werden.

(30)

Traumafolgestörungen 27

7.2 Selbstverletzendes Verhalten

Wie ich bereits beschrieben habe, sind selbstverletzende Verhaltensweisen Teil der kom-plexen Posttraumatischen Belastungsstörung. Im DSM-5 wird das Verhalten als "Nicht-suizidales Selbstverletzungssyndrom" bezeichnet. Es liegt vor, wenn sich Betroffene in-nerhalb eines Jahres an fünf oder mehreren Tagen bewusst selbst eine Schädigung des eigenen Körpergewebes zufügen.

Im ICD-10 wird selbstverletzendes Verhalten unter anderem als "Vorsätzliche Selbstschä-digung auf nicht näher bezeichnete Art und Weise" klassifiziert (vgl. Unterberger 2017). Allgemein versteht man unter selbstverletzendem Verhalten Handlungen, bei denen sich Betroffene bewusst Verletzungen oder Wunden z.B. durch Aufschneiden, Aufritzen oder Aufkratzen der Hautoberfläche zufügen (vgl. Matten/ Pausch 2018, S. 50).

Selbstverletzendes Verhalten kann aufgrund von länger andauernden seelischen Belas-tungen, wie Vernachlässigung oder auch Missbrauch des Kindes, entstehen. Am häufigs-ten werden Selbstverletzungen eingesetzt, um unangenehmen Gefühlen, wie beispiels-weise Verzweiflung, Selbsthass, Depression, Angst oder Erinnerungen, von denen die Betroffenen überwältigt werden, zu unterbrechen. Die Selbstverletzung bewirkt eine Un-terbrechung oder Linderung des intensiven, unangenehmen Zustandes. Selbstverletzen-des Verhalten dient somit als eine Art Bewältigungsstrategie (vgl. Unterberger 2017). Neben den Selbstverletzungen kann aber auch ein Hochrisikoverhalten unter die selbst-verletzenden Verhaltensweisen fallen. Das heißt, es werden von den Betroffenen bewusst Situationen aufgesucht, bei denen die Gefahr einer eigenen Schädigung sehr hoch ist. Darunter fällt beispielsweise ein promiskes Sexualleben, bei dem keine Rücksicht auf adäquaten Schutz vor Infektionskrankheiten genommen wird. Ein weiteres Beispiel wäre, dass sich bewusst Situationen herausgesucht werden, bei denen es zu einer Gewalteska-lation in Form einer Schlägerei kommen könnte. Innerhalb des Hochrisikoverhaltens ist man ebenfalls gewillt, dem Körper Schaden zuzufügen (vgl. Matten/ Pausch 2018, S. 50).

(31)

Traumafolgestörungen 28

7.3 Depression

Mit dem selbstverletzenden Verhalten kann eine Depression einhergehen, daher möchte ich mich in diesem Abschnitt auf diese Folgeerscheinung beziehen.

Wer an einer Depression erkrankt, leidet unter einer anhaltenden tiefen Herabgestimmt-heit, aus der er sich in der Regel nicht mehr selbst befreien kann. Dabei ist zu beachten, dass es neben der tiefen Herabstimmigkeit auch drei weitere zentrale Kriterien einer De-pression gibt. Darunter fallen eine Art der gedrückten Stimmung, Freudlosigkeit und An-triebsmangel. Neben den Hauptkriterien gibt es noch weitere Symptome, welche zur Di-agnose beitragen. Diese wären, dass Betroffene innerhalb der depressiven Verstimmung Konzentrationsschwierigkeiten und ein vermindertes Selbstwertgefühl haben. Oft werden die Zukunftspläne der betroffenen Individuen negativ wahrgenommen. Zudem folgen Schlafstörungen und ein verminderter Appetit. Zuletzt können weitere Zusatzsymptome, wie beschrieben, selbstverletzendes Verhalten und auch Suizidgedanken sein.

Um eine Depression diagnostizieren zu können, müssen innerhalb von zwei Wochen, zwei oder mehreren Hauptkriterien und eventuelle Zusatzsymptome aufgetreten sein. Erst dann spricht man von einer Depression.

Ebenfalls lässt sich eine Depression in drei Bereiche gliedern. Von einer leichten depres-siven Phase spricht man, wenn zwei Hauptkriterien und zwei Zusatzkriterien erfüllt wer-den. Danach erfolgt die Einteilung in eine mittelgradige Depression. Hierbei müssen zwei Hauptkriterien und drei Zusatzsymptome erfüllt werden. Von einer schweren Depression ist die Rede, wenn drei Hauptkriterien und vier Zusatzsymptome aufzuweisen sind (vgl. Matten/ Pausch 2018, S. 44).

Innerhalb der schweren depressiven Phase hält die depressive Stimmung des Betroffe-nen an fast allen Tagen und für die meiste Zeit des Tages an. Betroffene haben ein deut-lich vermindertes Interesse oder verminderte Freude an allen oder fast allen Aktivitäten des Tages. Das heißt ebenfalls, dass das eigene Haus in den seltensten Fällen noch ver-lassen wird und auch innerhalb des Zuhauses keine weiteren Aktivitäten stattfinden. Es folgt ein deutlicher Gewichtsverlust ohne Diät. Jedoch kann auch das Gegenteil eintreten: eine Gewichtszunahme. Betroffene einer schweren Depression haben Probleme beim Einschlafen, zudem werden die bisher beschriebenen Symptome von Gefühlen der Wert-losigkeit überschattet. Zuletzt erfolgen vermehrte Gedanken an den Tod. Es kann zu im-mer wiederkehrenden Suizidvorstellungen kommen, bis schließlich ein Suizidversuch vor-genommen wird (vgl. Funk 2019).

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Es ist bewundernswert, wie viele Menschen hierzulande sich auf den Weg zu diesen Neuankömmlingen gemacht haben und ihnen beistehen. Viele die kommen sind

Unsichere Beschäftigungs- verhältnisse, wie beispielsweise befristete Verträge, sorgen für große Verunsiche- rungen bei den PädagogInnen (vgl. 2013), sind aber

Master-AbsolventInnen weisen relativ zu Bachelor-AbsolventInnen neben einer signifikant höheren Zustimmung mittlerer Effektstärke zur Erwünschtheit ‚erfolgreichen

Und es können aber auch so Kleinigkeiten sein, ähm, wenn jemand am Tisch zappelt und das nicht aushält, dass man einfach mehr über die Hintergründe weiß und

mit Freunden, dem Sportverein oder der Schulklasse (Kuchenverkauf, Kleidung/Spielzeug sammeln) oder auch gemeinsam auf eine Demo zu gehen. Kinder benötigen in diesem Alter

In der Weiterbildung qualifizieren sich pädagogische Fachkräfte und pädagogische Ergänzungskräfte für eine pro- fessionelle Bildungs- und Erziehungsarbeit im

Alle pädagogischen Fachkräfte, die sich vertieft mit der Arbeit mit Kindern unter 3 Jahren beschäftigen möch- ten, haben die Möglichkeit, ein fachliches Zertifikat „Fachkraft

Die Regel: Unter 18-jährige brauchen die Zustimmung der Eltern, wenn sie einen (Kauf-) Vertrag abschliessen wollen. Auch bei elterlicher Zustimmung ist nur das Kind