• Keine Ergebnisse gefunden

Traumapädagogik basiert auf einer wertschätzenden und verständnisvollen Haltung der Pädagogen*innen. Dabei fokussiert sich die Traumapädagogik auf die Ressourcen und die Resilienz der Kinder und Jugendlichen. Innerhalb der pädagogischen Fachrichtung ist der erste Schritt der Fachkräfte, wie ich bereits im vorherigen Kapitel beschrieben habe, die Trennung der Kinder und Jugendlichen von den Täter*innen.

Zudem ist es wichtig zwischenmenschliche Bindungen zwischen Pädagogen*innen und den traumatisierten Jungen und Mädchen herzustellen, um Vertrauen für weitere Maß-nahmen zu schaffen (vgl. Garbe 2015, S. 191f).

Bei eventuell anstehenden Gerichtsverfahren, wegen beispielsweise sexuellem Miss-brauch, ist es von Bedeutung den Kindern und Jugendlichen zu erklären, was innerhalb eines Prozesses geschieht und was auf sie zukommen kann (ebd., S. 194).

Im weiteren Verlauf geht es um die Stabilisierung der Kinder und Jugendlichen (ebd., S.

197). Außerdem ist es innerhalb des Vorgehens wichtig, Respekt und Verständnis gegen-über den betroffenen Jungen und Mädchen zu schaffen. Dies fordert von den Pädago-gen*innen die Bereitschaft die Kinder und Jugendlichen nach besten Gewissen bestmög-lich in ihrer derzeitigen Lebenslage zu unterstützen (vgl. Weiß 2016, S. 92f).

Zudem beinhaltet es das Konzept der Feinfühligkeit. Darunter wird ein entscheidender Faktor für eine positive Bindungsentwicklung verstanden (vgl. Friedrich/ Scherwath 2016, S. 90). Unter Feinfühligkeit versteht man eine fachlich kompetente Aufmerksamkeit der Fachkräfte gegenüber den Kindern und Jugendlichen, welches das Wahrnehmen von traumabezogenen Signalen und deren Interpretation bedarf (vgl. Brisch zit, nach Fried-rich/ Scherwath 2016, S. 90).

Feinfühligkeit und Aufmerksamkeit gegenüber den Kindern und Jugendlichen und die Entwicklung von Bindungen hat in den Techniken und Grundannahmen, welche im Fol-genden beschrieben werden sollen, noch eine tiefgreifende Bedeutung.

Wie beschrieben, möchte ich in diesem Abschnitt auf die unterschiedlichen Haltungen und Hilfestellungen der Pädagogen*innen eingehen. Beginnen werde ich mit der „Annahme des guten Grundes“ (vgl. Friedrich/ Scherwath 2016, S. 67).

Um Traumata zu überleben oder zu ertragen, entwickeln Kinder und Jugendliche be-stimmte Bewältigungsstrategien. Diese Verhaltensweisen wirken sich des Öfteren belas-tend auf die Pädagogen*innen und die anderen Gruppenteilnehmer*innen aus. Durch die auftretende Belastung kann es passieren, dass die Würdigung und Wertschätzung eines Verhaltens als notwendige Überlebensstrategie verloren geht. Traumapädagogik versteht

Haltung der Pädagogen*innen 33

sich als Maßnahme, dieser Entwicklung/Haltung entgegenzuwirken (vgl. Arbeitsgruppe Traumpädagogische Standards in stationären Einrichtungen der Jugendhilfe 2013, S. 86).

Die Annahme des guten Grundes setzt daher die Grundhaltung voraus, dass das Verhal-ten der Kinder nicht als destruktiv motiviert bewertet werden darf, sondern dass es aus Sicht der Jungen und Mädchen und deren inneren Systemen Sinn ergibt (vgl. Friedrich/

Scherwath 2016, S. 67). Grund für bestimmte „unangepasste“ Verhaltensweisen sind die in der traumatischen Situation erlernten Bewältigungsstrategien. Mithilfe der Pädago-gen*innen wird versucht, die erlernten Bewältigungsstrategien in ein Gleichgewicht zu bringen.

Um Verständnis für die Verhaltensweisen zu erreichen, helfen folgende Axiome. Zuerst ist zu erwähnen, dass in diesem Zusammenhang ein traumaspezifisches Symptomverstehen wichtig ist. Besser geht davon aus, dass die präsentierten Symptome der Kinder im Zu-sammenhang mit traumatischen Erfahrungen stehen. Daraus resultiert folgende Frage:

Könnte die Reaktion ein fragmentierter Teil einer traumatischen Erfahrung sein?.

Dies bedeutet, dass Pädagogen*innen beispielsweise kämpferisches Verhalten nicht als Tyrannenverhalten einordnen, sondern es alten Situationen zuzuordnen (vgl. Besser zit.

nach Friedrich/ Scherwath 2016, S. 70f).

Ein weiteres Axiom beinhaltet die Grundhaltung, dass sich Menschen aus ihren Bedürf-nissen heraus verhalten. Dieses Prinzip verbindet das Verhalten mit den BedürfBedürf-nissen.

Auffälligkeiten werden nicht als Störung wahrgenommen, sondern als besonderes Be-dürfnis interpretiert. Die Frage, die sich daraus bildet, ist: Welches BeBe-dürfnis, das in der Vergangenheit nicht genügend befriedigt wurde, möchte das Kind mit seinem Verhalten zum Ausdruck bringen?. Ziel der Pädagogen*innen sollte es sein, dieses Mangelerleben zu bearbeiten und soweit wie möglich zu beseitigen.

Zudem ist ein verhaltensorientierter Ansatz für die Arbeit von Vorteil. Zusammen mit den Kindern werden die Verhaltensweisen versucht zu enträtseln und einzuordnen, um dem Kind sein Verhalten widerzuspiegeln. In diesem Zusammenhang können mögliche Bewäl-tigungsstrategien transparent gemacht werden und das Verständnis für mögliches Fehl-verhalten wächst. Dies bedeutet nicht, dass jedes Verhalten gutgeheißen wird, jedoch versucht dieser Ansatz an den Wurzeln des Verhaltens und nicht nur an den Symptomen zu arbeiten (ebd., S. 65f).

Des Weiteren besteht die Annahme, dass hinter jedem Verhalten der Kinder eine positive Absicht zu verzeichnen ist. Diese Grundannahme erfordert einen Perspektivwechsel der Pädagogen*innen. Die Aufmerksamkeit wird von den negativen Effekten des Verhaltens weggelenkt und das Augenmerk wird auf die inneren Ziele der Jungen und Mädchen ge-

Haltung der Pädagogen*innen 34

legt. Die Kernfrage ist in diesem Zusammenhang, was mit dem jeweiligen Verhalten des Kindes erreicht werden soll. Sobald das Verhalten und die daraus resultierenden Ziele eingeordnet werden konnten, ist es wichtig an Alternativen der Verhaltensweisen zu arbei-ten. Kindern kann somit gezeigt werden, wie sie mit möglichen Affektausbrüchen umge-hen können (ebd., S. 68).

Neben dem Verständnis der Pädagogen*innen gegenüber traumabedingten Verhaltens-weisen, ist es auch wichtig, den Kindern und Jugendlichen wieder den Zugang zu sich und ihren Gefühlen und Gedanken zu ebnen. Grund dafür ist, dass die Selbstwahrneh-mungen der Jungen und Mädchen oft durch Schuldzuweisen der Personen, welche das Trauma hervorgerufen haben, verzerrt wurden. Zusammen mit den Kindern ist daher wichtig, eine Differenzierung und eine positive Festigung der Wahrnehmungen zu schu-len, somit wird den Kindern die Chance gegeben, wieder Selbstkontrolle und -regulation zu erlangen. So ist es möglich, dass den Kindern bewusst wird, warum sie beispielsweise in besonderen Situationen mit Wut reagieren (vgl. Weiß 2016, S. 126). Den Kindern wird in diesem Setting verdeutlicht, dass ihr Verhalten eine „normale“ Reaktion auf ein „unnor-males“ Ereignis war und diese als Muster notwendiger Bewältigungsstrategien anzusehen sind (vgl. Friedrich/ Scherwath 2016, S. 128).

Die subjektiv erlebte Kontrolle im Erleben oder auch im Handeln führt bei den Kindern zu einer Persönlichkeits- und Autonomieentwicklung (vgl. Weiß 2016, S. 130). Zudem schafft die Wiedererlangung der Selbstwahrnehmung einen inneren sicheren Ort. Das heißt, die Kinder und Jugendlichen erlernen wieder selbst Methoden und Techniken, wie sie mögli-che Gefühlsausbrümögli-che kontrollieren und sich selbst zur Ruhe bringen können (vgl. Besser zit. nach Weiß 2016, S. 130).

Außerdem ist es wichtig, den Jungen und Mädchen einen selbstschützenden und selbst-stärkenden Umgang mit sich und ihren Gefühlslagen beizubringen. Dies bedeutet eine Identifizierung der Stimuli zu schaffen, welche beispielsweise zu Wutausbrüchen führen können und auch einen Umgang mit Rückblenden und anderen Folgeerscheinungen von Traumata zu schaffen. Es ist daher notwendig mit den Kindern zu analysieren, in welchen Situationen der Stresspegel steigt und was zu diesem Stress beiträgt. So können die traumatisierten Kinder lernen ihre Verhaltensweisen nachzuvollziehen (vgl. Weiß 2016, S.

130ff).

Haltung der Pädagogen*innen 35

Voraussetzung für die neuerlernte Selbstwahrnehmung und -regulation sind ein einfühl-sames und professionelles Verständnis sowie die Versicherung gegenüber den Kindern, dass ihre Verhaltensweisen und Reaktionen verständlich und begreiflich sind (vgl. Renne-feldt zit. nach Weiß 2016, S. 121).

Es ist notwendig das Verhalten als Bewältigungsstrategie auf vorhergegangene Ereignis-se wahrzunehmen und somit den Kindern zu verdeutlichen, dass ihre VerhaltensweiEreignis-sen in der Vergangenheit ihren Sinn hatten (vgl. Weiß 2016, S. 122).

Um den Kindern das Verständnis für ihre Körperempfindungen zu erklären, ist die Psychoedukation von Vorteil. Dies bedeutet, dass eine Aufklärung über Symptome, Dy-namiken und Verläufe bei traumatischen Ereignissen stattfindet. Zudem werden Betroffene auch über mögliche Hilfen zur Wiedererlangung von SelbstwahrBetroffenehmung und -regulation aufgeklärt. Dies bedeutet für die pädagogischen Fachkräfte, dass sie sich mit traumabezogenen Inhalten und deren Folgen auseinanderzusetzen haben.

Je besser Pädagogen*innen traumabezogene Inhalte verstehen, desto besser und einfa-cher können diese an die Kinder weitergegeben werden (vgl. Baierl 2014, S. 84). Je bes-ser also die Fachkräfte ein Verständnis für traumatische Erlebnisse aufbringen, desto leichter können auch die Kinder ein Verständnis dafür und Selbstakzeptanz entwickeln (vgl. Friedrich/ Scherwath 2016, S. 126).

Ein weiterer wichtiger Aspekt, um die Selbstwahrnehmung der betroffenen Kinder zu stär-ken, ist die Wertschätzung. Das heißt, traumapädagogische Arbeit zielt auf die Schaffung eines sicheren Ortes ab, in dem die Kinder und Jugendlichen ein positives Selbstbild von sich entwickeln können. Selbstwertgefühl und Selbstbewusstsein der Kinder und Jugend-lichen sollen durch die Wertschätzung der Traumapädagogen*innen wachsen. Gleichzei-tig sollen verzerrte Kognitionen und Einstellungen im Prozess der traumapädagogischen Arbeit korrigiert werden.

Mit einher geht die Partizipation. Um geringen Selbstwirksamkeitserwartungen und dem Gefühl von Kontrollverlust entgegenzuwirken, ist es wichtig, dass die Kinder und Jugend-lichen aktiv an ihren Lebensbedingungen arbeiten. Das Erleben von Autonomie, Kompe-tenz und Zugehörigkeit dient als notwendige Motivation und muss von den Traumapäda-gogen und -pädagoginnen vermittelt werden (vgl. Arbeitsgruppe Traumpädagogische Standards in stationären Einrichtungen der Jugendhilfe 2013, S. 88).

Haltung der Pädagogen*innen 36

Um die Selbstwirksamkeit zu stärken, ist es daher wichtig, innerhalb der Traumapädago-gik Aktivitäten zu wählen, welche eventuell außerhalb der Komfortzone der Kinder und Jugendlichen liegen, um ihnen das Gefühl zu geben, dass sie sich etwas zutrauen und neue Sachen erlernen können.

Zudem ist es in Prozessen der Partizipation von Vorteil, die Jungen und Mädchen in Ent-scheidungsverläufen miteinzubeziehen, sofern dies möglich ist. Möglichkeiten der Mit-sprache erhöhen das Selbstbewusstsein und Selbstwertgefühl der Kinder und Jugendli-chen. Außerdem haben die betroffenen Jungen und Mädchen das Gefühl der Kontrolliert-heit. Ihnen wird wieder bewusst, dass sie ihr Leben selbst bestimmen können. Zudem heißt eine Art der Mitbestimmung auch das Wiedererlangen von Verantwortung. Kinder und Jugendliche erlernen somit auch, dass ihr Verhalten und ihre Entscheidungen wert-voll sind, aber auch, dass die Konsequenzen mit sich tragen können. Die Jungen und Mädchen werden langsam in den Prozess der Partizipation herangeführt, da es einige Zeit dauert, bis ihr Selbstvertrauen zurückkehrt und sie sich trauen, Entscheidungen zu treffen (vgl. Friedrich/ Scherwath 2016, S. 114ff).

Im Zusammenhang mit der Partizipation, aber auch im gesamten Kontext der Traumapä-dagogik ist Transparenz wichtig. Es ist notwendig, dass die Kinder und Jugendlichen ein Gefühl von Berechenbarkeit und Transparenz vermittelt bekommen. Dies gilt vor allem in Bezug auf ihre eigenen Verhaltensweisen. Werden den Kindern keine Erklärungsansätze und Interpretationen ihres eignen Verhaltens geboten, laufen diese Gefahr, sich selbst abzuwerten (vgl. Arbeitsgruppe Traumpädagogische Standards in stationären Einrichtun-gen der JuEinrichtun-gendhilfe 2013, S. 89).

Erfahrungen von Unberechenbarkeit lösen in den Kindern und Jugendlichen das Gefühl von Kontrollverlust aus, daher ist es wichtig, den Jungen und Mädchen Regeln mit auf dem Weg zu geben, um ihnen in erster Linie die Berechenbarkeit zugutekommen zu las-sen, die sie nach traumatisierten Ereignissen benötigen. Durch das Transparenzmachen von Wochenplänen und Dienstplänen können traumatisierte Jungen und Mädchen ihre Umgebung als verlässlich wahrnehmen. Durch die klaren Tagesstrukturen erleben die Kinder und Jugendlichen eine Art der Ritualisierung und eine sogenannte Sicherheitsin-sel. Die durch Traumatisierungen entstandenen Ohnmachtsgefühle werden korrigiert und die Kinder und Jugendlichen werden langsam an den Alltag gewöhnt. Ihnen wird mithilfe der strukturierten Tagesabläufe die Chance geebnet wieder im Alltagsleben teilzuhaben.

Wichtig ist ebenfalls, dass Rituale, wie zum Beispiel das „gute Nacht“ sagen, nicht an das Verhalten der Kinder gekoppelt sind, sondern als Angebot jeden Abend vorhanden sind (vgl. Friedrich/ Scherwath 2016, S. 76). Neben Verpflichtungen und den bestehenden

Umgang mit Folgestörungen 37

Alltagssorgen ist es auch wichtig, dass die sozialpädagogischen Fachkräfte gegenüber den jungen Heranwachsenden Spaß und Freude verbreiten.

Um Belastungen und Gefühlen wie Angst und Scham entgegenzuwirken, ist es unabding-bar, Spaß und Freude im Alltag zu schaffen. Vorhandene Ressourcen müssen gestärkt und neue entdeckt werden (vgl. Arbeitsgruppe Traumpädagogische Standards in stationä-ren Einrichtungen der Jugendhilfe 2013, S. 89).

Zudem ist es wichtig Positive-Life-Events zu schaffen. Darunter versteht man Ereignisse, welche mit Gefühlen von Glück, Freude und Stolz verbunden sind. Dies sind Erlebnisse, die sich von den alltäglichen Situationen unterscheiden, beispielsweise im Kletterwald zu klettern. Das Erleben von neuen Erfahrungen und dem Gefühl, sich etwas zuzutrauen, stärkt das Selbstbewusstsein der Jungen und Mädchen. Besondere Erlebnisse lassen sich am besten in Verbindung mit der Erlebnispädagogik bringen (vgl. Friedrich/ Scher-wath 2016, S. 117f).