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Klausurarbeit Rechtslehre gemäß 22 Abs. 4 WTBG September 2021 Angabe

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Klausurarbeit

Rechtslehre

gemäß § 22 Abs. 4 WTBG 2017 1. September 2021

Angabe

(2)

1 Klausur Rechtslehre 1.9.2021 - WTBG 2017

Hinweis: Arbeiten Sie mit dem Kodex und führen Sie jeweils die Ihnen maßgebend erscheinenden Rechtsgrundlagen an! Begründen Sie Ihre rechtlichen Ausführungen nachvollziehbar!

Beispiel 1 25 Punkte

Die Immobilienentwicklerin Sonnenland GmbH lässt auf einem relativ kleinen Grundstück eine Wohnhausanlage mit 14 Häusern errichten. Durch - scheinbare - Verbindung der Einzelhäuser gelingt es, die Baudichte deutlich zu erhöhen und dadurch drei Häuser mehr auf das Grundstück zu stellen. Zudem wird nicht, wie im ursprünglichen Plan vorgesehen, einstöckig, sondern zweistöckig gebaut. Die zusätzliche Verdichtung und Abweichung vom Plan beruhen auf einem Gutachten der Architektin und Bausachverständigen Rosa Rotlauer. Das Gutachten ist auch Teil der Verkaufsunterlagen der Sonnenland GmbH.

Die einzelnen Häuser werden innerhalb eines Jahres verkauft. Vier Monate nach Abschluss des letzten Vertrages stellt sich heraus, dass das Gutachten der Rosa Rotlauer eine unrichtige (rechtliche) Beurteilung zugrunde legte, nämlich Scheinverbindung der Häuser anstatt von echten Verbindungsgängen., Zudem hat Rosa Rotlauer die geänderte – und offengelegte – rechtmäßige Verwaltungspraxis der Gemeinde bei Aufbauten nicht berücksichtigt. Die Gemeinde verfügt darauf die Abstockung der zu hoch gebauten Häuser und Rückbau der Verbindungsflächen. Anton Grei ist einer der betroffenen Käufer, der ein nun abzustockendes Haus erworben hat und bereits an die Sonnenland GmbH bezahlt hat.

Aufgabenstellung:

1. Hat Anton Grei einen Anspruch gegen die Sonnenland GmbH und worauf kann er diesen stützen? Bitte prüfen Sie mehrere Ansprüche!

(14 Punkte) 2. Kann die Sonnenland GmbH einfach eine Preisreduktion anbieten?

(2 Punkte) 3. Kann die Sonnenland GmbH einen Anspruch gegen Rosa Rotlauer geltend machen?

(4 Punkte) 4. Kann der Hauskäufer Anton Grei einen Anspruch gegen Rosa Rotlauer geltend

machen? (5 Punkte)

(3)

2

Beispiel 2 35 Punkte

Die Vusik GmbH ist ein aufstrebendes Technologieunternehmen, das Computeranzeigegeräte und -software produziert und vertreibt. Sie wurde 2009 als Joint-Venture von Ulrich, einem begabten Erfinder (20 %), und der Multizack AG gegründet (80 %). Die Multizack AG hält die Beteiligung als strategisches Investment. Die Beteiligungsverhältnisse sind seitdem unverändert. Die Geschäfte werden durch den Fremdgeschäftsführer Markus geführt.

Zum Sortiment der Vusik GmbH zählen unter anderem sog Smart-Glasses, die dem Benutzer/Träger eine Verknüpfung mit dem Smartphone erlauben. Sie zeigen Informationen im Sichtfeld des Benutzers an, die sich auch über die Brille steuern lassen (Augmented Reality).

Bei der Einrichtung und Verwendung sammelt die Software unterschiedliche Daten von den Benutzern der Smart-Glasses (Namen, GPS-Daten, Geschlecht, Alter, Telefonkontakte, etc).

Diese Kundendaten werden von der Vusik GmbH gesammelt, verarbeitet und in regelmäßigen Abständen in anonymisierter und datenschutzkonformer Form an die Multizack AG weitergeleitet. Dort werden die Datensätze an Vertragspartner der Multizack AG verkauft.

Dadurch erzielt die Multizack AG quartalsmäßige Einnahmen von rund 150.000 €.

Ulrich war in diese Kooperation nicht eingebunden. Auch aus der Bilanz ist der Datentransfer nicht ersichtlich, zumal die Multizack AG für die Datensätze nicht zahlt und auch sonst keine Gegenleistung erbringt. Dennoch hat Ulrich – aufgrund mehrerer Gespräche mit MitarbeiterInnen der Vusik GmbH – die Vermutung, dass mit den gesammelten Daten „etwas passiert“. Er möchte sich Gewissheit verschaffen.

Aufgabenstellung:

1. Was könnte Ulrich unternehmen, um weitere Informationen über den Datentransfer zu

bekommen? (5 Punkte)

Fortsetzung des Sachverhalts:

Nachdem sich Ulrichs Vermutungen bestätigt haben, überlegt er rechtliche Schritte einzuleiten. Er meint, dass durch den Datentransfer an die Multizack AG nicht nur seine Beteiligung weniger Wert sei, sondern auch, dass andere Unternehmen für die Daten hohe Preise zahlen würden, die der Vusik GmbH entgangen seien. Die Multizack AG habe sich unrechtmäßig bereichert. In der Generalversammlung hat Ulrich mit seinen Vorwürfen wenig Erfolg. Alle von ihm eingeleiteten Beschlussanträge, um gegen Markus und die Multizack AG vorzugehen, werden abgelehnt.

Aufgabenstellung:

2. Was beanstandet Ulrich damit? (7 Punkte)

3. Welche rechtlichen Schritte kann Ulrich (i) gegen den Geschäftsführer Markus und

(ii)gegen die Multizack AG einleiten? (15 Punkte)

(4)

3 Fortsetzung des Sachverhalts:

Nachdem sich die Lage geklärt und wieder entspannt hat, wird ein Rahmenvertrag zwischen der Multizack AG und der Vusik GmbH über den künftigen Datenaustausch geschlossen. Darin wird eine marktübliche Gegenleistung der Multizack AG für die Datensätze in quartalsmäßigen Abständen vereinbart.

Da die Multizack AG ihre Liquidität nicht gefährden möchte, wendet sie sich gleich im ersten Quartal an Walter, den Geschäftsführer der AIA GmbH, an der die Multizack AG 100% der Anteile hält. Sie weist ihn formal ordnungsgemäß an, die erste marktkonforme Zahlung an die Vusik GmbH zu erbringen.

Walter ist sich unsicher, ob ein derartiges Vorgehen rechtens ist. Auf Nachfrage wird ihm vom Vorstand der Multizack AG kommuniziert, dass es sich bei der Zahlung um eine solche innerhalb des Konzerns handle und somit bloß um ein Verschieben „von der linken auf die rechte Seite“. Dies sei im Konzern „durchaus üblich“.

Aufgabenstellung:

4. Was raten Sie dem Geschäftsführer Walter für den Umgang mit der Weisung von der

Multizack AG? (8 Punkte)

(5)

4

Beispiel 3 30 Punkte

Anna, Bianca und Claudia beschließen in der Gastronomie Fuß zu fassen. Sie gründen dafür die Best Burger & Poutine KG (in Folge KG). Anna ist Komplementärin, Bianca und Claudia sind Kommanditistinnen (ihre Haftsumme beträgt je 10.000 €). Anna ist begeisterte Hobbyköchin und soll ihr Know-How als Arbeitsgesellschafterin einbringen. Bianca erbringt ihre Pflichteinlage iHv 10.000 € durch die Einbringung von Küchengeräten. Trotz des objektiven Werts von 8.000 € sehen die Gesellschafterinnen die Pflichteinlage damit als vollständig erbracht an. Claudias Pflichteinlage beträgt 20.000 €, wobei sie bisher nur 10.000 € in bar eingezahlt hat.

Aufgrund von Anlaufschwierigkeiten erleidet die KG im ersten Geschäftsjahr einen Verlust iHv 9.000 €. Im zweiten Geschäftsjahr läuft es bereits deutlich besser und die KG erwirtschaftet einen Gewinn iHv 45.000 €. Alle Gesellschafterinnen entnehmen einvernehmlich ihren Gewinnanteil aus dem zweiten Geschäftsjahr vollständig.

Im dritten Geschäftsjahr kauft die KG neue Küchengeräte um 15.000 € bei Xaver. Als Xavers Rechnung nicht fristgerecht nach Lieferung beglichen wird, wendet sich dieser mit seiner Kaufpreisforderung direkt an die Gesellschafterinnen.

Aufgabenstellung:

1. Gehen Sie davon aus, dass der angemessene Betrag für die Arbeitsleistung von Anna 27.000 € pro Jahr beträgt. Prüfen Sie

(a) wie Gewinn und Verlust verteilt werden und (8 Punkte) (b) wer den Gewinn am Ende des zweiten Geschäftsjahres entnehmen durfte.

(7 Punkte) 2. An wen kann sich Xaver mit seiner Kaufpreisforderung wenden und wird er damit Erfolg

haben? (15 Punkte)

(6)

5

Beispiel 4 20 Punkte

Die RT Privatstiftung wurde zu Lebzeiten des Robert Tüngler gegründet. Nach Ableben des Stifters wird sie vom Vorstand geleitet. Ein Aufsichtsrat existiert nicht. Der Stiftungsvorstand besteht aus drei Personen, Anton, Bettina und Christian, die hauptberuflich in der Immobilienentwicklung tätig sind. Sie betreiben mit ihrer GmbH, an der sie jeweils zu einem Drittel beteiligt sowie geschäftsführend tätig sind, unterschiedliche Entwicklungsprojekte in Wien und Niederösterreich. Zur Finanzierung einzelner Projekte erhält die GmbH von der Privatstiftung aus deren Stiftungsvermögen einen zu durchschnittlichen Konditionen eingeräumten Kredit. Die Kreditvaluta wird auch immer zur vereinbarten Zeit ordnungsgemäß zurückgezahlt.

Der Begünstigte Andreas hält die Investition für nicht ideal, zumal es alternative Veranlagungsformen gäbe, die mehr Rendite versprechen würden. Außerdem beanstandet er, dass über die Kreditvergabe der Stiftungsvorstand allein entschieden habe. Er wendet sich daher an den Stiftungsprüfer Herbert, Steuerberater und Ehegatte von Bettina. Herbert sieht keine Probleme, liege doch die Entscheidung über Investitionen aus dem Stiftungsvermögen eindeutig beim Stiftungsvorstand. Aktuellen Handlungsbedarf sehe er keinen.

Die Stiftungsurkunde der RT Privatstiftung enthält hinsichtlich der Bestellung des Stiftungsprüfers folgende Regelung: „XI. Der Stifter bestimmt, dass der Stiftungsprüfer durch den Vorstand jeweils auf fünf Jahre zu bestellen ist.“

Aufgabenstellung:

1. Beschreiben Sie den Umfang der Prüfung des Stiftungsprüfers? (7 Punkte) 2. Was beanstandet der Begünstigte Andreas und welche Kontrollinstrumente stünden

dem Stiftungsprüfer dafür zur Verfügung? (7 Punkte) 3. Wie beurteilen Sie die Bestellung von Herbert zum Stiftungsprüfer? (6 Punkte)

(7)

6

Beispiel 5 30 Punkte

Karl ist geschäftsführender Alleingesellschafter der prüfungspflichtigen K-GmbH, die seit Jahren mehrere Tankstellenbetriebe in Salzburg und Umgebung betreibt. Aufgrund der idealen Standorte der Betriebe hat der deutsche MG-Konzern schon mehrfach Interesse an einer Übernahme bekundet. Da sich Karl langsam zur Ruhe setzen möchte, willigt er letztlich in den Zusammenschluss ein. Geplant ist die Verschmelzung der K-GmbH auf die österreichische MG-GmbH, die Tochter der deutschen Konzernmutter MG-AG ist. Karl soll als Gegenleistung Aktien an der deutschen Konzernmutter erhalten.

Aufgabenstellung:

1. Welche Schritte muss Karl gesellschaftsrechtlich für die Verschmelzung setzen?

(10 Punkte) 2. Unter welchen Voraussetzungen ist die Gegenleistung, die Karl erhalten soll,

rechtmäßig? (10 Punkte)

Fortsetzung des Sachverhalts:

Die Übernahme der K-GmbH ist für den deutschen Konzern auch deswegen interessant, da die GmbH mehrere Wiederkaufsrechte an einzelnen gut gelegenen Liegenschaften hat, die sich für den Tankstellenbetrieb optimal eignen würden. Nachdem die Verschmelzung im Firmenbuch eingetragen ist, wendet sich die MG-GmbH daher an Josef, einer der Wiederkaufsverpflichteten, und begehrt die Herausgabe der Liegenschaft Zug um Zug gegen Leistung des vereinbarten Kaufpreises.

Aufgabenstellung:

3. Was versteht man unter einem Wiederkaufsrecht und wo liegen seine Grenzen?

(5 Punkte) 4. Wird die MG-GmbH mit ihrem Begehren Erfolg haben? (5 Punkte)

(8)

7

Beispiel 6 40 Punkte

Über das Vermögen der Auerthal Real Estate GmbH mit Sitz in Wien wurde mit Beschluss vom 15.12.2019 das Konkursverfahren eröffnet. Gesellschafter sind die Vienna Property GmbH (VP-GmbH) mit 90% und die Vienna Universal Asset GmbH (VUA-GmbH) mit 10% der Stammeinlagen.

Die letzte im Firmenbuch veröffentlichte Bilanz der Auerthal Real Estate GmbH zum 31.12.2018 zeigt folgendes Bild:

Aktiva Passiva

EUR 2018 TEUR

2017 EUR 2018 TEUR

2017

Anlagevermögen Eigenkapital (Negatives

Eigenkapital)

Sachanlagen 8.298.959,51 8.571 eingefordertes Stammkapital

Summe 8.298.959,51 8.571 Stammkapital 35.000,00 35,00

Umlaufvermögen eingezahlt 35.000,00 35,00

Vorräte 0 0,00 Summe 35.000,00 35,00

Forderungen und sonstige

Vermögensgegenstände 300.320,23 483,00 Bilanzgewinn (Bilanzverlust) -26 550.965,68 -24.709 Kassenbestand, Schecks,

Guthaben bei Kreditinstituten 52.573,83 76,00 davon

Gewinnvortrag/Verlustvortrag -24.708.834,89 -21.652

Summe 352.894,06 559,00 Summe -26.515.965,68 -24.674

Rechnungsabgrenzungsposten 2.400,00 4,00

Rückstellungen 13.522.076,50 13.470

Verbindlichkeiten 21.648.142,75 20.338 davon mit einer Restlaufzeit

von mehr als einem Jahr 21.456.590,36 19.653

Bilanzsumme 8.654.253,57 9.134 Bilanzsumme 8.654.253,57 9.134

Das in der Bilanz ausgewiesene Sachanlagevermögen iHv rd 8,3 Mio € besteht aus einer Liegenschaft mit barockem Stadtpalais in Wien 1.

Zur Frage der insolvenzrechtlichen Überschuldung nahm der Geschäftsführer per 31.12.2018 wie folgt Stellung:

„Eine Überschuldung im Sinne des Insolvenzrechts besteht nicht. Die stillen Reserven im Sachanlagevermögen (Palais Auerthal, gutachterlich ermittelter Verkehrswert in 04/2012 rund 29,9 Mio €) übersteigen das negative Eigenkapital. Gemäß der heutigen Marktentwicklung bewertet die Geschäftsführung den Verkehrswert der Immobilie per Ende 2018 mit 20% über dem Wert laut letztem Gutachten liegend und beziffert diesen mit rund 35,9 Mio €. Das negative Eigenkapital findet somit in der Bewertung des Unternehmens auf Basis von gutachterlich ermittelten Liegenschaftsverkehrswerten Deckung.“

Exakt idente Formulierungen finden sich bereits im Anhang zu den veröffentlichten Bilanzen der Jahre 2015, 2016 und 2017.

(9)

8 Eine nunmehrige Verwertung der Liegenschaft durch den Masseverwalter gestaltet sich schwierig, da das Palais komplett sanierungsbedürftig ist und auf der Liegenschaft Realservituten zugunsten der Nachbarliegenschaft bestehen, die eine Nutzung des Palais erheblich einschränken. Das vom Masseverwalter eingeholte Schätzgutachten weist - unter Berücksichtigung dieser bereits 2015 vorliegenden Umstände - einen Verkehrswert der Liegenschaft per 31.12.2015 von 12 Mio € aus. Zum 31.12.2018 beträgt der Verkehrswert laut Schätzgutachten 13 Mio €.

Von den angemeldeten Forderungen wurde eine Forderung der VP GmbH iHv 5 Mio € vom 1.7.2019 für ein für 12 Monate eingeräumtes Darlehen sowie ein langfristiges Darlehen der VUA GmbH vom 30.3.2019 iHv 200 tsd € vom Masseverwalter bestritten.

Der finanzierenden Hausbank Raba AG wurde am 1.7.2019 für ihre Alt-Forderungen in Höhe von 13 Mio € ein grundbücherliches Höchstbetragspfandrecht in Höhe von 15 Mio € auf die Liegenschaft Palais Auerthal der Gesellschaft eingeräumt. Sie hat nicht nur die Bilanzen, sondern auch laufende, Verluste ausweisende Saldenlisten von der Auerthal Real Estate GmbH erhalten, jedoch ungelesen in ihren Kreditakten abgelegt.

Aufgabenstellung:

1. Was sind die Voraussetzungen für das Vorliegen einer insolvenzrechtlichen

Überschuldung? (10 Punkte)

2. Wie beurteilen Sie die Erläuterungen des Geschäftsführers der Gesellschaft zur Frage des Vorliegens einer insolvenzrechtlichen Überschuldung? Welche haftungsrechtlichen Tatbestände wird der Masseverwalter in Hinblick auf den Geschäftsführer der Auerthal Real Estate GmbH prüfen? (10 Punkte) 3. Wie geht es mit den vom Masseverwalter bestrittenen Forderungen weiter? Wie

qualifizieren Sie die Forderungen der VP GmbH und der VUA GmbH? (10 Punkte) 4. Die Raba AG ist über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihrer Kundin nicht sehr

beunruhigt, hat sie doch ein Pfandrecht als Sicherheit. Teilen Sie die Sorglosigkeit der

Raba AG? (5 Punkte)

5. Aus welchen Komponenten setzt sich die Entlohnung des Insolvenzverwalters zusammen und um welche Art der Forderung handelt es sich? (5 Punkte)

(10)

Klausurarbeit

Rechtslehre

gemäß § 22 Abs. 4 WTBG 2017 1. September 2021

Lösung

(11)

1 Klausur Rechtslehre 1.9.2021 - WTBG 2017 - MUSTERLÖSUNG

Hinweis: Arbeiten Sie mit dem Kodex und führen Sie jeweils die Ihnen maßgebend erscheinenden Rechtsgrundlagen an! Begründen Sie Ihre rechtlichen Ausführungen nachvollziehbar!

Beispiel 1 25 Punkte

Die Immobilienentwicklerin Sonnenland GmbH lässt auf einem relativ kleinen Grundstück eine Wohnhausanlage mit 14 Häusern errichten. Durch - scheinbare - Verbindung der Einzelhäuser gelingt es, die Baudichte deutlich zu erhöhen und dadurch drei Häuser mehr auf das Grundstück zu stellen. Zudem wird nicht, wie im ursprünglichen Plan vorgesehen, einstöckig, sondern zweistöckig gebaut. Die zusätzliche Verdichtung und Abweichung vom Plan beruhen auf einem Gutachten der Architektin und Bausachverständigen Rosa Rotlauer. Das Gutachten ist auch Teil der Verkaufsunterlagen der Sonnenland GmbH.

Die einzelnen Häuser werden innerhalb eines Jahres verkauft. Vier Monate nach Abschluss des letzten Vertrages stellt sich heraus, dass das Gutachten der Rosa Rotlauer eine unrichtige (rechtliche) Beurteilung zugrunde legte, nämlich Scheinverbindung der Häuser anstatt von echten Verbindungsgängen., Zudem hat Rosa Rotlauer die geänderte – und offengelegte – rechtmäßige Verwaltungspraxis der Gemeinde bei Aufbauten nicht berücksichtigt. Die Gemeinde verfügt darauf die Abstockung der zu hoch gebauten Häuser und Rückbau der Verbindungsflächen. Anton Grei ist einer der betroffenen Käufer, der ein nun abzustockendes Haus erworben hat und bereits an die Sonnenland GmbH bezahlt hat.

Aufgabenstellung:

1. Hat Anton Grei einen Anspruch gegen die Sonnenland GmbH und worauf kann er diesen stützen? Bitte prüfen Sie mehrere Ansprüche! (14 Punkte)

Anton Grei gegen Sonnenland GmbH auf Rückzahlung des Kaufpreises gem §§ 932 ff ABGB Mit dem Kaufvertrag liegt ein entgeltliches Geschäft vor. Es handelt sich um eine Schlechterfüllung des Kaufvertrages, da das Haus nicht die gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften – in diesem Fall die rechtskonforme Bauweise – aufweist (Sachmangel). Dieser war bereits bei der Übergabe des Hauses angelegt.

Rechtsfolgen wären primär Austausch oder Verbesserung. Da sowohl Austausch oder Verbesserung unmöglich sind, kommt es zu den sekundären Gewährleistungsbehelfen, somit Preisminderung oder Wandlung des Kaufpreises. Da es sich um keinen geringfügigen Mangel handelt, kann Anton Grei die Wandlung des Kaufvertrages sowie Zug um Zug die Rückzahlung des Kaufpreises verlangen. Die Verjährungsfrist beträgt drei Jahre ab Übergabe des Hauses.

(5 Punkte) Anton Grei gegen Sonnenland GmbH auf Rückzahlung des Kaufpreises gem §§ 871 iVm § 877 ABGB

Anton Grei kann den Kaufvertrag ex tunc anfechten, da er beim Vertragsabschluss einem – beachtlichen und wesentlichen - Geschäftsirrtum unterliegt, da er von der gesetzeskonformen Bauweise des Hauses ausgeht.

(12)

2 Der Irrtum war kausal für den Vertragsabschluss, denn wenn er von der mangelhaften Bauweise gewusst hätte, dann hätte er den Vertrag nicht abgeschlossen.

Der Irrtum war auch von der Verkäuferin oder von deren beauftragen Sachverständigen veranlasst.

Verjährung: 3 Jahre ab Vertragsabschluss

(5 Punkte) Anton Grei gegen Sonnenland GmbH auf Rückzahlung des Kaufpreises gem §§ 1293 ff ABGB/

§ 933a ABGB

Alternativ kann Anton Grei auch Schadenersatz statt Gewährleistung geltend machen. Im Unterschied zum Anspruch Nr 1 ist allerdings auch Verschulden seitens der Verkäuferin erforderlich. Der Schaden besteht im mangelhaften, nicht rechtskonformen Haus. Die Rechtswidrigkeit besteht in einem Verstoß gegen den Kaufvertrag. Die rechtswidrige Handlung war außerdem kausal für den Eintritt des Schadens. Die Verkäuferin handelt sorgfaltswidrig, sodass auch das Verschulden seitens der Gesellschaft vorliegt.

[Eine alternative Argumentation, nämlich, dass kein Verschulden der Sonnenland GmbH vorliegt, da sie sich auf eine ausgewiesene Sachverständige verlassen hat, sollte ebenso bepunktet werden.]

Der Ersatz des Schadens umfasst auch Aufwendungen für eine besondere Ausgestaltung (etwa des Badezimmers, der Fußböden …), die nicht im Kaufpreis inbegriffen waren und vom Käufer extra getragen wurden (frustrierte Aufwendungen).

Es kommen aus der gewährleistungsrechtlichen Schadenersatzhaftung ebenso das Gewährleistungsregime zur Anwendung (s dazu oben). Dh auch aus diesem Anspruch kann Anton Grei die schadenersatzrechtliche Wandlung des Kaufvertrages fordern. Der Anspruch verjährt in drei Jahren ab Kenntnis von Schaden und Schädiger.1

(4 Punkte) 2. Kann die Sonnenland GmbH einfach eine Preisreduktion anbieten?

Die Sonnenland GmbH kann eine entsprechend dem Gewährleistungsrecht Preisreduktion anbieten, Anton Grei muss diese allerdings nicht annehmen. Da es sich bei der mangelhaften Bauweise und bei der Abstockung des Obergeschoßes um keinen geringfügigen Mangel handelt, steht Anton Grei nicht nur die Preisreduktion zu, sondern vielmehr die Auflösung des Kaufvertrages.

(2 Punkte) 3. Kann die Sonnenland GmbH einen Anspruch gegen Rosa Rotlauer geltend machen?

Die Beauftragung mit der Erstellung eines Gutachtens begründet einen Werkvertrag zwischen Sonnenland GmbH und Rosa Rotlauer. Da sie nicht lege artis gehandelt hat, liegt darin auch ein Verstoß gegen den Werkvertrag, den die Sonnenland GmbH geltend machen kann.

Sonnenland GmbH kann somit einen vertraglichen Schadenersatzanspruch gegen Rosa Rotlauer geltend machen, wobei die finanziellen Kosten, die aus der Sanierung der mangelhaften Bauweise resultieren, Mangelfolgeschäden darstellen. (4 Punkte)

1 ErlRV 422 BlgNR XXI. GP, 20 (GewRÄG)

(13)

3 4. Kann der Hauskäufer Anton Grei einen Anspruch gegen Rosa Rotlauer geltend

machen?

Der Vertrag zwischen Sonnenland GmbH und Rosa Rotlauer ist als Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter zu qualifizieren, da damit insbesondere auch Interessen des Dritten, dh der Hauskäufer, verfolgt werden. Den Sachverständigen trifft eine objektiv-rechtliche Sorgfaltspflicht zu Gunsten eines Dritten, wenn er damit rechnen muss, dass sein Gutachten die Grundlage für dessen Disposition bilden werde. Dies kommt auch darin zum Ausdruck, dass das Gutachten auch Teil der Verkaufsunterlage für die Käufer ist. Daraus folgt, dass Anton Grei einen vertraglichen Schadenersatzanspruch direkt gegen Rosa Rotlauer richten kann.

(5 Punkte)

(14)

4

Beispiel 2 35 Punkte

Die Vusik GmbH ist ein aufstrebendes Technologieunternehmen, das Computeranzeigegeräte und -software produziert und vertreibt. Sie wurde 2009 als Joint-Venture von Ulrich, einem begabten Erfinder (20 %), und der Multizack AG gegründet (80 %). Die Multizack AG hält die Beteiligung als strategisches Investment. Die Beteiligungsverhältnisse sind seitdem unverändert. Die Geschäfte werden durch den Fremdgeschäftsführer Markus geführt.

Zum Sortiment der Vusik GmbH zählen unter anderem sog Smart-Glasses, die dem Benutzer/Träger eine Verknüpfung mit dem Smartphone erlauben. Sie zeigen Informationen im Sichtfeld des Benutzers an, die sich auch über die Brille steuern lassen (Augmented Reality).

Bei der Einrichtung und Verwendung sammelt die Software unterschiedliche Daten von den Benutzern der Smart-Glasses (Namen, GPS-Daten, Geschlecht, Alter, Telefonkontakte, etc).

Diese Kundendaten werden von der Vusik GmbH gesammelt, verarbeitet und in regelmäßigen Abständen in anonymisierter und datenschutzkonformer Form an die Multizack AG weitergeleitet. Dort werden die Datensätze an Vertragspartner der Multizack AG verkauft.

Dadurch erzielt die Multizack AG quartalsmäßige Einnahmen von rund 150.000 €.

Ulrich war in diese Kooperation nicht eingebunden. Auch aus der Bilanz ist der Datentransfer nicht ersichtlich, zumal die Multizack AG für die Datensätze nicht zahlt und auch sonst keine Gegenleistung erbringt. Dennoch hat Ulrich – aufgrund mehrerer Gespräche mit MitarbeiterInnen der Vusik GmbH – die Vermutung, dass mit den gesammelten Daten „etwas passiert“. Er möchte sich Gewissheit verschaffen.

Aufgabenstellung:

1. Was könnte Ulrich unternehmen, um weitere Informationen über den Datentransfer zu bekommen?

Jedem Gesellschafter in der GmbH kommt ein jederzeitiges Auskunfts- und Informationsrecht zu. Dieses ist nicht nur auf die Einsichtnahme in Buchhaltungsunterlagen beschränkt (§ 22 GmbHG), sondern geht weit darüber hinaus und umfasst auch sonstige Schriften und Unterlagen der Gesellschaft und die Auskunftserteilung durch die Geschäftsführer. Es ist außerdem nicht auf die Generalversammlung beschränkt, sondern kann jederzeit an den Geschäftsführer gerichtet werden.

Ulrich kann somit sein Begehren an den Geschäftsführer richten, der ihm Auskunft über den Datentransfer geben oder Einsicht in die relevanten Unterlagen gewähren muss.

Die Grenze für die Ausübung des Auskunfts- und Informationsrechts ist der Rechtsmissbrauch (vgl OGH 6 Ob 166/19h – zB Erlangung wettbewerbsrelevanter Informationen für konkurrenzierende Tätigkeit). Eine rechtsmissbräuchliche Verwendung der Auskunft durch Ulrich ist nicht zu erwarten, vielmehr möchte er potentielle Verfehlungen aufklären.

(5 Punkte) Fortsetzung des Sachverhalts:

Nachdem sich Ulrichs Vermutungen bestätigt haben, überlegt er rechtliche Schritte einzuleiten. Er meint, dass durch den Datentransfer an die Multizack AG nicht nur seine Beteiligung weniger Wert sei, sondern auch, dass andere Unternehmen für die Daten hohe

(15)

5 Preise zahlen würden, die der Vusik GmbH entgangen seien. Die Multizack AG habe sich unrechtmäßig bereichert. In der Generalversammlung hat Ulrich mit seinen Vorwürfen wenig Erfolg. Alle von ihm eingeleiteten Beschlussanträge, um gegen Markus und die Multizack AG vorzugehen, werden abgelehnt.

Aufgabenstellung:

2. Was beanstandet Ulrich damit?

Da es zu einer Leistung an einen Gesellschafter kommt, ist an die Einlagenrückgewähr zugunsten der Multizack AG (§ 82 GmbHG) zu denken. Zu prüfen ist somit der Tatbestand:

Erfasst ist jede vermögensmindernde Leistung der GmbH an die Gesellschafter. Geschützt ist das gesamte Vermögen der GmbH; es ist daher nicht relevant, dass der Vermögenstransfer keinen Niederschlag in der Bilanz gefunden hat.

Fraglich ist, ob die Übermittlung von Daten in der GmbH eine Einlagenrückgewähr zu Lasten des geschützten Vermögens begründet.2 Im konkreten Fall ist offensichtlich, dass dem Datensatz ein Marktwert zukommt, da die Multizack AG die Daten gewinnbringend (4x 150000 € pro Jahr) verkauft. Die Übermittlung des Datensatzes ist daher eine vermögenswerte Leistung (die Multizack AG wird bereichert und die Vusik GmbH entreichert).

Die Leistung erfolgt zu Gunsten der unmittelbaren Gesellschafterin Multizack AG und damit jedenfalls an eine erfasste Person. Es gibt keine Gegenleistung (objektive Inäquivalenz). Es liegt keine Drittvergleichsfähigkeit vor, da die Vusik GmbH einem unabhängigen Dritten die Daten nicht einfach so zur Verfügung stellen würde. Auch für eine betriebliche Rechtfertigung gibt es keine Anhaltspunkte.

Es liegt daher eine verbotene verdeckte Einlagenrückgewähr vor.

(7 Punkte) 3. Welche rechtlichen Schritte kann Ulrich (i) gegen den Geschäftsführer Markus und

(ii) gegen die Multizack AG einleiten? (15 Punkte)

Gegen Geschäftsführer Markus:

Markus haftet als GF gem § 25 Abs 3 Z 1 GmbHG gegenüber der Gesellschaft für die von ihm vorgenommene Einlagenrückgewähr.

Geltendmachung von Ersatzansprüchen gegen den Geschäftsführer bedürfen als materielle Anspruchsvoraussetzung3 eines Gesellschaftsbeschlusses (§ 35 Abs 1 Z 6 GmbHG). Ein derartiger Beschluss ist aber laut SV in der Generalversammlung nicht zustande gekommen.

Ersatzansprüche können nach § 48 GmbHG aber auch ohne einen solchen Beschluss von Gesellschaftern geltend gemacht werden. Voraussetzung dafür ist, dass ein entsprechender Beschlussantrag in der GV (hier § 35 Abs 1 Z 6 GmbHG) abgelehnt wurde. Dies liegt laut SV vor. Aktivlegitimiert ist eine 10%-Minderheit. Da Ulrich 20% hält, ist er aktivlegitimiert.

2 Vgl Foglar-Deinhardstein in FAH, GmbHG § 82 Rz 138.

3 Artmann/Rüffler, Gesellschaftsrecht² Rz 971.

(16)

6 Strittig ist, ob die Multizack AG, die mit dem Geschäftsführer zusammengewirkt hat, stimmberechtigt ist oder ob das Stimmverbot gem. § 39 Abs 4 GmbH greift.

Abberufung des Geschäftsführers Markus ist grundsätzlich jederzeit durch einfachen Beschluss möglich. Allerdings ist dieser laut SV nicht zustande gekommen.

Es bleibt somit die Abberufung des Geschäftsführers Markus durch gerichtliche Entscheidung nach § 16 Abs 2 GmbHG, da ein wichtiger Grund vorliegt (Verletzung Verbot Einlagenrückgewähr).

(10 Punkte) Gegen Multizack AG:

Die Multizack AG haftet als empfangende Gesellschafterin für die verbotene Einlagenrückgewähr nach § 83 GmbHG sowie nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen (Verjährung grds. 30 Jahre) gegenüber der Gesellschaft.

Für die Geltendmachung ist kein Gesellschafterbeschluss notwendig; Markus ist als GF – bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen – zur Geltendmachung verpflichtet.

Bleibt Markus untätig, kann Ulrich einen Weisungsbeschluss herbeiführen (Stimmverbot der Multizack AG)

Zudem kann er auch gegen Multizack AG die Ansprüche im Wege der Minderheitenklage gem

§ 48 GmbHG4 direkt geltend machen (s dazu oben).

(5 Punkte) Fortsetzung des Sachverhalts:

Nachdem sich die Lage geklärt und wieder entspannt hat, wird ein Rahmenvertrag zwischen der Multizack AG und der Vusik GmbH über den künftigen Datenaustausch geschlossen. Darin wird eine marktübliche Gegenleistung der Multizack AG für die Datensätze in quartalsmäßigen Abständen vereinbart.

Da die Multizack AG ihre Liquidität nicht gefährden möchte, wendet sie sich gleich im ersten Quartal an Walter, den Geschäftsführer der AIA GmbH, an der die Multizack AG 100% der Anteile hält. Sie weist ihn formal ordnungsgemäß an, die erste marktkonforme Zahlung an die Vusik GmbH zu erbringen.

Walter ist sich unsicher, ob ein derartiges Vorgehen rechtens ist. Auf Nachfrage wird ihm vom Vorstand der Multizack AG kommuniziert, dass es sich bei der Zahlung um eine solche innerhalb des Konzerns handle und somit bloß um ein Verschieben „von der linken auf die rechte Seite“. Dies sei im Konzern „durchaus üblich“.

Aufgabenstellung:

4. Was raten Sie dem Geschäftsführer Walter für den Umgang mit der Weisung von der Multizack AG?

Grundsätzlich ist der Geschäftsführer den Weisungen des Gesellschafters (hier Multizack AG mit 100%) unterworfen und hat diese zu befolgen.

4 Nowotny in ÖGes² Rz 4/434.

(17)

7 Vorliegend handelt es sich aber um eine rechtswidrige Weisung, da damit wiederum ein Beitrag zur Einlagenrückgewähr geleistet werden soll. Das Verbot der Einlagenrückgewähr gilt auch im Konzern. Die Muttergesellschaft kann somit nicht frei über die Zahlungen der Tochtergesellschaften verfügen.

Zu prüfen ist der Tatbestand der Einlagenrückgewähr: Das Vermögen der AIA GmbH wird durch die Leistung (= Zahlung an die Vusik GmbH) beeinträchtigt; sie erhält dafür keine Gegenleistung. Die Leistung erfolgt zwar nicht direkt an die Muttergesellschaft, aber auch Leistungen zwischen zwei Schwestergesellschaften werden vom Verbot der Einlagenrückgewähr erfasst. Insbesondere erspart sich die gemeinsame Muttergesellschaft (Multizack AG) selbst die Zahlung an die Vusik GmbH und erlangt dadurch einen Vorteil (Tilgung einer Verbindlichkeit der Mutter). Zudem erfolgt die Zahlung auf Veranlassung der Multizack AG. Die Begleichung von Verbindlichkeiten ohne Gegenleistung hält einem Drittvergleich nicht stand. Auch für eine betriebliche Rechtfertigung gibt es keine Anhaltspunkte – das bloße „Konzerninteresse“ genügt nicht. Die Weisung über die quartalsmäßige Zahlung ist daher nichtig, weil sie eine verbotene Einlagenrückgewähr anordnet. Walter darf die Weisung nicht befolgen.

(8 Punkte)

(18)

8

Beispiel 3 30 Punkte

Anna, Bianca und Claudia beschließen in der Gastronomie Fuß zu fassen. Sie gründen dafür die Best Burger & Poutine KG (in Folge KG). Anna ist Komplementärin, Bianca und Claudia sind Kommanditistinnen (ihre Haftsumme beträgt je 10.000 €). Anna ist begeisterte Hobbyköchin und soll ihr Know-How als Arbeitsgesellschafterin einbringen. Bianca erbringt ihre Pflichteinlage iHv 10.000 € durch die Einbringung von Küchengeräten. Trotz des objektiven Werts von 8.000 € sehen die Gesellschafterinnen die Pflichteinlage damit als vollständig erbracht an. Claudias Pflichteinlage beträgt 20.000 €, wobei sie bisher nur 10.000 € in bar eingezahlt hat.

Aufgrund von Anlaufschwierigkeiten erleidet die KG im ersten Geschäftsjahr einen Verlust iHv 9.000 €. Im zweiten Geschäftsjahr läuft es bereits deutlich besser und die KG erwirtschaftet einen Gewinn iHv 45.000 €. Alle Gesellschafterinnen entnehmen einvernehmlich ihren Gewinnanteil aus dem zweiten Geschäftsjahr vollständig.

Im dritten Geschäftsjahr kauft die KG neue Küchengeräte um 15.000 € bei Xaver. Als Xavers Rechnung nicht fristgerecht nach Lieferung beglichen wird, wendet sich dieser mit seiner Kaufpreisforderung direkt an die Gesellschafterinnen.

Aufgabenstellung:

1. Gehen Sie davon aus, dass der angemessene Betrag für die Arbeitsleistung von Anna 27.000 € pro Jahr beträgt. Prüfen Sie

(a) wie Gewinn und Verlust verteilt werden und Gewinn- und Verlustverteilung:

Da keine gesonderte Vereinbarung über die Gewinnverteilung getroffen wurde, richtet sich diese nach

§ 167 und § 121 UGB.

Jahr 1: Anna ist als Arbeitsgesellschafterin ohne Kapitalanteil nicht am Verlust beteiligt, dieser ist daher auf Bianca und Claudia im Verhältnis ihrer vereinbarten Einlage zu verteilen.

Jahr 2: Nachdem Anna einen angemessenen Anteil für ihre Arbeitsleistung und für ihre Haftung als

Komplementärin bekommen hat (-27.000 €), ist der Restbetrag (18.000 €) auf die übrigen Gesellschafterinnen im Verhältnis ihrer vereinbarten Einlage zu verteilen. Nicht entscheidend ist bei der Gewinn- und Verlustverteilung, ob die Einlagen bereits vollständig geleistet wurden.

(8 Punkte)

(19)

9 (b) wer den Gewinn am Ende des zweiten Geschäftsjahres entnehmen durfte.

Gewinnentnahme:

Anna darf gem § 122 UGB ihren Gewinn entnehmen. Für die Kommanditistinnen Bianca und Claudia

gilt § 168 UGB, wonach sie die Auszahlung nicht verlangen können, soweit die Pflichteinlage noch nicht vollständig geleistet wurde oder bisherige Verluste noch nicht aufgefüllt wurden.

Bianca hat ihre Pflichteinlage bereits geleistet. Sie könnte daher eine Auszahlung iHv 3.000 € verlangen (6.000 – 3.000 = 3.000). Es gilt der Wert der vereinbarten Einlage als Bemessung des Kapitalanteils, die Gesellschafter können Einlagen selbst schätzen und über- oder unterbewerten. Die Bewertung dient nicht dem Gläubigerschutz, es besteht daher auch keine Verpflichtung zur Beiziehung eines gesellschaftsfremden Gründungsprüfers5.

Claudia hat die Pflichteinlage erst zur Hälfte erbracht, da die ausständige Pflichteinlage und der zugewiesene Verlust (insgesamt 16.000 €) ihren Gewinnanteil übersteigen, kann sie keine Gewinnauszahlung verlangen. Eine einvernehmliche Gewinnentnahme ist gem § 168 iVm § 122 UGB zulässig, führt jedoch gem § 172 Abs 3 Satz 2 zu Haftungsfolgen.

(7 Punkte) 2. An wen kann sich Xaver mit seiner Kaufpreisforderung wenden und wird er damit Erfolg

haben?

Zunächst kann sich Xaver an die KG selbst wenden. Diese ist seine Vertragspartnerin und rechts- und geschäftsfähig.

Da Anna als Komplementärin unbeschränkt, persönlich, solidarisch, primär und unmittelbar haftet, kann sich Xaver mit seiner Kaufpreisforderung direkt an sie wenden.

Die Kommanditistinnen Bianca und Claudia haften nur bis zur Höhe ihrer Haftsumme primär, unmittelbar und solidarisch, sofern diese die Pflichteinlage übersteigt oder die Pflichteinlage noch nicht geleistet wurde:

Bianca hat ihre Pflichteinlage iHv 10.000 € durch Sacheinlagen erfüllt; ihre Haftsumme beträgt zwar

ebenfalls 10.000 €, dafür ist jedoch der objektive Wert heranzuziehen (8.000 €), weshalb eine Haftung

iHv 2.000 € bestehen bleibt. Darüber hinaus führt gemäß § 172 Abs 3 Satz 2 eine Gewinnausschüttung

ohne vorherigen Verlustausgleich zu einem Wiederaufleben der Haftung, weshalb Bianca zusätzlich für

weitere 3.000 € haftet, Xaver kann sie daher bis zu 5.000 € in Anspruch nehmen.

Claudia hat 10.000 € eingezahlt, weshalb sie grundsätzlich nicht unmittelbar haftet, jedoch führt auch

in ihrem Fall gemäß § 172 Abs 3 Satz 2 eine Gewinnausschüttung ohne vorherigen Verlustausgleich zu

5 Schauer in Kalss/Nowotny/Schauer2 (2017) Rz 2/537

(20)

10 einem Wiederaufleben der Haftung, weshalb sie bis zu 6.000 € unmittelbar in Anspruch genommen werden kann. Da Claudias Pflichteinlage (20.000 €) höher ist als ihre Haftsumme (10.000 €), ist in ihrem Fall auch eine mittelbare Haftung zu prüfen. Nach hA hat Xaver die Möglichkeit, sich den Anspruch der KG auf die noch nicht erbrachte Pflichteinlage pfänden und überweisen zu lassen. Da die übrigen Gesellschafterinnen der Gewinnauszahlung ohne vorherigem Verlustausgleich zugestimmt haben, ist jedoch fraglich, ob diese Gewinnauszahlung im Innenverhältnis mit einer Rückzahlungspflicht

verbunden ist. Bejaht man eine Rückzahlungspflicht im Innenverhältnis, führt dies zu einer Haftung iHv 16.000 €, dh Claudia könnte neben der unmittelbaren Haftung iHv 6.000 € auch mittelbar iHv 10.000 € in Anspruch genommen werden. Verneint man eine Rückzahlungspflicht im Innenverhältnis, führt dies zu einer Haftung iHv 10.000 €, dh Claudia könnte neben der unmittelbaren Haftung iHv 6.000 €, mittelbar für bis zu 4.000 € in Anspruch genommen werden.

(15 Punkte)

(21)

11

Beispiel 4 20 Punkte

Die RT Privatstiftung wurde zu Lebzeiten des Robert Tüngler gegründet. Nach Ableben des Stifters wird sie vom Vorstand geleitet. Ein Aufsichtsrat existiert nicht. Der Stiftungsvorstand besteht aus drei Personen, Anton, Bettina und Christian, die hauptberuflich in der Immobilienentwicklung tätig sind. Sie betreiben mit ihrer GmbH, an der sie jeweils zu einem Drittel beteiligt sowie geschäftsführend tätig sind, unterschiedliche Entwicklungsprojekte in Wien und Niederösterreich. Zur Finanzierung einzelner Projekte erhält die GmbH von der Privatstiftung aus deren Stiftungsvermögen einen zu durchschnittlichen Konditionen eingeräumten Kredit. Die Kreditvaluta wird auch immer zur vereinbarten Zeit ordnungsgemäß zurückgezahlt.

Der Begünstigte Andreas hält die Investition für nicht ideal, zumal es alternative Veranlagungsformen gäbe, die mehr Rendite versprechen würden. Außerdem beanstandet er, dass über die Kreditvergabe der Stiftungsvorstand allein entschieden habe. Er wendet sich daher an den Stiftungsprüfer Herbert, Steuerberater und Ehegatte von Bettina. Herbert sieht keine Probleme, liege doch die Entscheidung über Investitionen aus dem Stiftungsvermögen eindeutig beim Stiftungsvorstand. Aktuellen Handlungsbedarf sehe er keinen.

Die Stiftungsurkunde der RT Privatstiftung enthält hinsichtlich der Bestellung des Stiftungsprüfers folgende Regelung: „XI. Der Stifter bestimmt, dass der Stiftungsprüfer durch den Vorstand jeweils auf fünf Jahre zu bestellen ist.“

Aufgabenstellung:

1. Beschreiben Sie den Umfang der Prüfung des Stiftungsprüfers?

Die Prüfung des Stiftungsprüfers umfasst jedenfalls den Jahresabschluss, den Lagebericht und die Buchführung der Stiftung (gegebenenfalls auch den Konzernabschluss, falls die Stiftung einen derartigen zu erstellen hat) (§ 21 PSG). Da der Stiftungsprüfer aber – anders als der Abschlussprüfer – auch kontrollierendes Organ der Stiftung ist, hat er weitergehende Prüfungsbefugnisse und –aufgaben: Es hat insbesondere auch die Einhaltung des Stiftungszwecks und der Stiftungserklärung, insbesondere bei Zuwendungen, zu prüfen.

Ebenso hat er die Einhaltung der Vorgaben des PSG, insbesondere betreffend Insichgeschäfte, die Zulässigkeit der Vorstandsvergütung sowie des stiftungsinternen Kontrollsystems, zu prüfen.

(7 Punkte) 2. Was beanstandet der Begünstigte Andreas und welche Kontrollinstrumente stünden

dem Stiftungsprüfer dafür zur Verfügung?

Der Begünstigte Andreas kritisiert nicht nur die Investitionsentscheidung des Stiftungsvorstands, sondern deutet auch den Verdacht an, dass es sich um ein nicht konformes Insichgeschäft des Stiftungsvorstands handelt. Der Stiftungsvorstand fungiert nämlich als Vertreter der kreditvergebenden Privatstiftung einerseits und als Vertreter der kreditnehmenden GmbH andererseits. Es handelt sich somit um eine Doppelvertretung, für die

§ 17 Abs 5 PSG besondere Vorkehrungen vorsieht: Insichgeschäfte sind demnach nicht verboten, aber bedürfen der Zustimmung des Aufsichtsrats oder – falls ein solcher nicht eingerichtet ist – der Zustimmung des Gerichts. [In der Praxis kann es vorkommen, dass das Gericht sich weigert, einen derartigen Fall zu behandeln. Dabei müsste der Vorstand mit einer abweisenden Entscheidung in die nächste Instanz gehen. Falls dies behandelt werden sollte, sollten ebenso Punkte vergeben werden.]

(22)

12 Der Stiftungsprüfer ist als Organ verpflichtet, dem nachzugehen und kann dafür eine Sonderprüfung gem § 31 PSG bei Gericht beantragen.

(7 Punkte) 3. Wie beurteilen Sie die Bestellung von Herbert zum Stiftungsprüfer?

Zwei Punkte sind bei der Bestellung von Herbert als Stiftungsprüfer zu beanstanden:

§ 20 Abs 1 PSG normiert, dass der Stiftungsprüfer vom Gericht oder gegebenenfalls vom Aufsichtsrat zu bestellen ist. Die Bestimmung ist zwingend, dh in der Stiftungsurkunde kann die Kompetenz zur Bestellung keinem anderen Organ eingeräumt werden. Die Klausel in der Stiftungsurkunde, wonach der Vorstand den Stiftungsprüfer bestellt, ist somit unzulässig und unwirksam.

§ 20 Abs 3 PSG normiert absolute Bestellungshindernisse für den Stiftungsprüfer.

Demnach sind Personen, die Mitglied eines anderen Stiftungsorgans sind, ausgeschlossen, ebenso wie Personen, die nahe Angehörige (iSd § 15 Abs 2 PSG) einer ausgeschlossenen Person sind. Da Bettina als Mitglied des Stiftungsvorstands ausgeschlossen ist, gilt dies gem § 15 Abs 2 PSG ebenso für deren Ehegatten Herbert.

Da ein absolutes Bestellungshindernis vorliegt, ist die Bestellung des Herbert auch aus diesem Grund unzulässig, er wurde daher nicht wirksam als Stiftungsprüfer bestellt.

(6 Punkte)

(23)

13

Beispiel 5 30 Punkte

Karl ist geschäftsführender Alleingesellschafter der prüfungspflichtigen K-GmbH, die seit Jahren mehrere Tankstellenbetriebe in Salzburg und Umgebung betreibt. Aufgrund der idealen Standorte der Betriebe hat der deutsche MG-Konzern schon mehrfach Interesse an einer Übernahme bekundet. Da sich Karl langsam zur Ruhe setzen möchte, willigt er letztlich in den Zusammenschluss ein. Geplant ist die Verschmelzung der K-GmbH auf die österreichische MG-GmbH, die Tochter der deutschen Konzernmutter MG-AG ist. Karl soll als Gegenleistung Aktien an der deutschen Konzernmutter erhalten.

Aufgabenstellung:

1. Welche Schritte muss Karl gesellschaftsrechtlich für die Verschmelzung setzen?

Es handelt sich um eine Verschmelzung zur Aufnahme; das Vermögen der übertragenden GmbH durch Gesamtrechtsnachfolge auf die übernehmende GmbH übertragen wird, wobei die erstere beendet wird (§ 96 Abs 1 Z 1 GmbHG).

Da Karl 100%-Gesellschafter und Geschäftsführer der GmbH ist, bestehen diverse Erleichterungen (§ 100 GmbHG). Karl hat folgende Schritte zu setzen:

Verschmelzungsvertrag als Notariatsakt

Jahresabschluss bzw Zwischenbilanz und Schlussbilanz aufstellen und prüfen lassen

Prüfung des Verschmelzungsvertrags durch Prüfer (nicht zwingend § 100 Abs 2 GmbHG)

Verschmelzungsbericht durch den Geschäftsführer (auch darauf kann Karl verzichten)

Beschluss der Generalversammlung mit notarieller Beurkundung (§ 98 GmbHG)

Anmeldung zum Firmenbuch

(10 Punkte) 2. Unter welchen Voraussetzungen ist die Gegenleistung, die Karl erhalten soll,

rechtmäßig?

Grundsätzlich erhält der Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft als Gegenleistung Anteile an der übernehmenden Gesellschaft. Dieses Umtauschverhältnis wird im Verschmelzungsvertrag festgelegt.

Es kann aber auch ein Dritter, wie etwa die Alleingesellschafterin der übernehmenden Gesellschaft, Anteile zur Weiterreichung an die Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft zur Verfügung stellen. Dafür müssen die Gesellschafter der übertragenden Gesellschaft einer solchen Verwendung der Anteile eines Dritten in Form eines Verzichts auf die formalisierte Anteilsgewähr gem § 224 Abs 2 Z 2 AktG zustimmen. Dies geschieht im Verschmelzungsvertrag, der diesen Verzicht und die Anteilsgewähr durch Dritte erläutern muss (Aburumieh/Adensamer/Foglar-Deinhardstein in FAH, § 101 GmbHG Rz 28 mwN).

[In der Literatur wird mitunter vertreten, dass der Dritte, somit in diesem Fall die Konzernmutter, dem Verschmelzungsvertrag beitreten muss.]

(10 Punkte)

Fortsetzung des Sachverhalts:

Die Übernahme der K-GmbH ist für den deutschen Konzern auch deswegen interessant, da die GmbH mehrere Wiederkaufsrechte an einzelnen gut gelegenen Liegenschaften hat, die

(24)

14 sich für den Tankstellenbetrieb optimal eignen würden. Nachdem die Verschmelzung im Firmenbuch eingetragen ist, wendet sich die MG-GmbH daher an Josef, einer der Wiederkaufsverpflichteten, und begehrt die Herausgabe der Liegenschaft Zug um Zug gegen Leistung des vereinbarten Kaufpreises.

Aufgabenstellung:

3. Was versteht man unter einem Wiederkaufsrecht und wo liegen seine Grenzen?

Das Wiederkaufsrecht gem § 1068 ABGB ist ein vertraglich vereinbartes Recht des Verkäufers durch einseitige Erklärung, einen Rückkaufvertrag mit dem Käufer über die verkaufte Sache zustande zu bringen. Der Wiederkaufsberechtigte übt sein Recht kraft einseitiger, unwiderruflicher Erklärung, die Sache zurückzukaufen, aus. Es handelt sich um ein höchstpersönliches, unübertragbares, unvererbliches Gestaltungsrecht. Es kann somit vom Wiederkaufsberechtigten nicht auf eine andere Person übertragen werden, sondern erlischt mit seinem Tod (§ 1070 ABGB).

(5 Punkte) 4. Wird die MG-GmbH mit ihrem Begehren Erfolg haben?

Im vorliegenden Fall geht der Berechtigte (K-GmbH) aus dem Wiederkaufsrecht durch die Verschmelzung unter. Da es sich um ein höchstpersönliches, unübertragbares Gestaltungsrecht handelt, erlischt mit dem Untergang des berechtigten Rechtsträgers auch das Wiederkaufsrecht. Auch die Gesamtrechtsnachfolge stellt einen Übertragungsmodus dar, den das Wiederkaufsrecht gem § 1068 ff ABGB nicht zulässt.

Die MG-GmbH wieder daher mangels Berechtigung zum Wiederkauf keinen Erfolg haben.

(5 Punkte) Alternative Argumentation im Lichte der rezenten Rechtsprechung:

Das Wiederkaufsrecht ist zwar höchstpersönlich und unübertragbar, der Untergang des berechtigten Rechtsträgers im Zuge der Gesamtrechtsnachfolge stellt aber keine

„Übertragung“ im Sinne der §§ 1068 ff ABGB dar. Die übertragende Gesellschaft wirkt vielmehr in der übernehmenden Gesellschaft fort. Daher kommt es nicht zu einem erlöschen des Wiederkaufsrechts, sondern zu einem Übergang auf die übernehmende MG-GmbH.

Die MG-GmbH wird daher Erfolg haben und kann das Wiederkaufsrecht ausüben.

(25)

15

Beispiel 6 40 Punkte

Über das Vermögen der Auerthal Real Estate GmbH mit Sitz in Wien wurde mit Beschluss vom 15.12.2019 das Konkursverfahren eröffnet. Gesellschafter sind die Vienna Property GmbH (VP-GmbH) mit 90% und die Vienna Universal Asset GmbH (VUA-GmbH) mit 10% der Stammeinlagen.

Die letzte im Firmenbuch veröffentlichte Bilanz der Auerthal Real Estate GmbH zum 31.12.2018 zeigt folgendes Bild:

Aktiva Passiva

EUR 2018 TEUR

2017 EUR 2018 TEUR 2017

Anlagevermögen Eigenkapital (Negatives

Eigenkapital)

Sachanlagen 8.298.959,51 8.571 eingefordertes Stammkapital

Summe 8.298.959,51 8.571 Stammkapital 35.000,00 35,00

Umlaufvermögen eingezahlt 35.000,00 35,00

Vorräte 0 0,00 Summe 35.000,00 35,00

Forderungen und sonstige

Vermögensgegenstände 300.320,23 483,00 Bilanzgewinn (Bilanzverlust) -26 550.965,68 -24.709 Kassenbestand, Schecks,

Guthaben bei Kreditinstituten 52.573,83 76,00 davon

Gewinnvortrag/Verlustvortrag -24.708.834,89 -21.652

Summe 352.894,06 559,00 Summe -26.515.965,68 -24.674

Rechnungsabgrenzungsposten 2.400,00 4,00

Rückstellungen 13.522.076,50 13.470

Verbindlichkeiten 21.648.142,75 20.338

davon mit einer Restlaufzeit

von mehr als einem Jahr 21.456.590,36 19.653

Bilanzsumme 8.654.253,57 9.134 Bilanzsumme 8.654.253,57 9.134

Das in der Bilanz ausgewiesene Sachanlagevermögen iHv rd 8,3 Mio € besteht aus einer Liegenschaft mit barockem Stadtpalais in Wien 1.

Zur Frage der insolvenzrechtlichen Überschuldung nahm der Geschäftsführer per 31.12.2018 wie folgt Stellung:

„Eine Überschuldung im Sinne des Insolvenzrechts besteht nicht. Die stillen Reserven im Sachanlagevermögen (Palais Auerthal, gutachterlich ermittelter Verkehrswert in 04/2012 rund 29,9 Mio €) übersteigen das negative Eigenkapital. Gemäß der heutigen Marktentwicklung bewertet die Geschäftsführung den Verkehrswert der Immobilie per Ende 2018 mit 20% über dem Wert laut letztem Gutachten liegend und beziffert diesen mit rund 35,9 Mio €. Das negative Eigenkapital findet somit in der Bewertung des Unternehmens auf Basis von gutachterlich ermittelten Liegenschaftsverkehrswerten Deckung.“

Exakt idente Formulierungen finden sich bereits im Anhang zu den veröffentlichten Bilanzen der Jahre 2015, 2016 und 2017.

(26)

16 Eine nunmehrige Verwertung der Liegenschaft durch den Masseverwalter gestaltet sich schwierig, da das Palais komplett sanierungsbedürftig ist und auf der Liegenschaft Realservituten zugunsten der Nachbarliegenschaft bestehen, die eine Nutzung des Palais erheblich einschränken. Das vom Masseverwalter eingeholte Schätzgutachten weist - unter Berücksichtigung dieser bereits 2015 vorliegenden Umstände - einen Verkehrswert der Liegenschaft per 31.12.2015 von 12 Mio € aus. Zum 31.12.2018 beträgt der Verkehrswert laut Schätzgutachten 13 Mio €.

Von den angemeldeten Forderungen wurde eine Forderung der VP GmbH iHv 5 Mio € vom 1.7.2019 für ein für 12 Monate eingeräumtes Darlehen sowie ein langfristiges Darlehen der VUA GmbH vom 30.3.2019 iHv 200 tsd € vom Masseverwalter bestritten.

Der finanzierenden Hausbank Raba AG wurde am 1.7.2019 für ihre Alt-Forderungen in Höhe von 13 Mio € ein grundbücherliches Höchstbetragspfandrecht in Höhe von 15 Mio € auf die Liegenschaft Palais Auerthal der Gesellschaft eingeräumt. Sie hat nicht nur die Bilanzen, sondern auch laufende, Verluste ausweisende Saldenlisten von der Auerthal Real Estate GmbH erhalten, jedoch ungelesen in ihren Kreditakten abgelegt.

Aufgabenstellung:

1. Was sind die Voraussetzungen für das Vorliegen einer insolvenzrechtlichen Überschuldung?

Es muss zur Feststellung der insolvenzrechtlich relevanten Überschuldung eine zweistufige Überschuldungsprüfung vorgenommen werden (OGH 3.12.1986, 1 Ob 655/86). Zuerst wird eine Überschuldungsbilanz zu Liquidationswerten erstellt. Stille Reserven werden aufgedeckt und stille Lasten bewertet. Dabei sind auch latente Steuern auf etwaige stille Reserven nach Abzug von etwaigen Verlusten bzw. Verlustvorträgen zu berücksichtigen.

Liegt auch zu Liquidationswerten eine Überschuldung vor, ist in weiterer Folge eine Fortbestehensprognose zu erstellen. Diese enthält eine Primär- und eine Sekundärprognose.

In der Primärprognose wird anhand eines Zahlungsplanes überprüft, ob die Gesellschaft für die nächsten 12 Monate zahlungsfähig ist. In der Sekundärprognose wird nachgewiesen, dass die Gesellschaft unter Einbeziehung von Sanierungsmaßnahmen in den nächsten 2-3 Jahren den Turn-around mit überwiegender Wahrscheinlichkeit schafft, d.h. dass sie ihre Zahlungsfähigkeit erhält und ihre Ertragskraft wiederherstellt.

(10 Punkte) 2. Wie beurteilen Sie die Erläuterungen des Geschäftsführers der Gesellschaft zur Frage

des Vorliegens einer insolvenzrechtlichen Überschuldung? Welche haftungs- rechtlichen Tatbestände wird der Masseverwalter in Hinblick auf den Geschäftsführer der Auerthal Real Estate GmbH prüfen?

Gemäß § 225 Abs 1 UGB ist bei Ausweis eines negativen Eigenkapitals im Anhang zur Bilanz vom Geschäftsführer zu erläutern, ob auch eine Überschuldung im insolvenzrechtlichen Sinne vorliegt.

Da das Verkehrswertgutachten stille Reserven ausweist, die weder im aktuellen Marktwert noch im ex-ante-Gutachten unter Berücksichtigung aller Umstände Deckung finden, lag jedenfalls 2018 eine Überschuldung im Sinne des Insolvenzrechts vor.

(27)

17 Der Masseverwalter wird daher Ansprüche der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer auf Grundlage von § 25 GmbHG sowie einer möglichen strafrechtlich relevanten Bilanzfälschung prüfen:

Innenhaftung: Dabei handelt es sich um die Haftung gegenüber der Gesellschaft selbst.

Gemäß § 25 Abs 3 Z 2 haftet der Geschäftsführer einer GmbH insbesondere dann, wenn er nach Eintritt der Insolvenz Zahlungen leistet, die das Gesellschaftsvermögen verringern. Das Zahlungsverbot beginnt grundsätzlich mit dem Eintritt der materiellen Insolvenz und - nicht unter Umständen - erst 60 Tage nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung.

Außenhaftung: Dabei handelt es sich um die Haftung wegen Insolvenzverschleppung gegenüber geschädigten Gläubigern entgegen dem sonst geltenden Trennungsprinzip. Zu unterscheiden ist eine Haftung gegenüber den Altgläubigern, bei der es zu einem Quotenschaden kommt, von der Haftung gegenüber Neugläubigern für den Kontrahierungsschaden.

Zudem kommt als Anspruchsgrundlage für Gläubiger §§ 163a ff StGB in Betracht, da die Angaben im Anhang zur Bilanz nicht korrekt sind. §§ 163a ff StGB gelten als Schutzgesetze zu Gunsten der Gläubiger (§ 1311 ABGB). Der Geschäftsführer gilt dabei jedenfalls als Entscheidungsträger gem § 1 Abs 1 VbVG.

Weiters bestehen Haftungen in den Fällen der §§ 9, 80 BAO sowie §§ 58, 67 ASVG.

(10 Punkte) 3. Wie geht es mit den vom Masseverwalter bestrittenen Forderungen weiter? Wie

qualifizieren Sie die Forderungen der VP GmbH und der VUA GmbH?

Bei Bestreitung einer angemeldeten Forderung durch den Insolvenzverwalter – oder einen Gläubigers iSd § 105 Abs 5 IO - kommt es zum Prüfungsprozess. Zuständig ist das Insolvenzgericht (§ 111 Abs 1 IO). Das Gericht setzt in der Prüfungstagsatzung für die Einleitung des Prüfungsprozesses eine Frist von mindestens einem Monat. Obsiegt der Gläubiger in diesem Feststellungsprozess, ist seine Forderung festgestellt, er erlangt dann einen Exekutionstitel für den Zeitraum nach Insolvenzaufhebung (§ 61 IO).

Wird ein Anspruch bei der Prüfungstagsatzung bestritten, so gilt die Verjährung bis zum Ablauf der für die Geltendmachung des Anspruchs bestimmten Frist als gehemmt (§ 9 Abs 2 IO).

Hinsichtlich der Forderungen der VP GmbH und der VUA GmbH ist weiters zu prüfen, ob es sich um eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen und damit um nicht teilnahmeberechtigte Forderungen handelt: Gesellschafterdarlehen, welche in der Krise gegeben wurden, fallen unter das EKEG. Eine Krise liegt gemäß § 2 Abs 1 Z 1 bis 3 EKEG dann vor, wenn entweder insolvenzrechtliche Überschuldung, Zahlungsunfähigkeit oder das Nichterreichen der Kennzahlen gemäß §§ 23 und 24 URG vorliegen.

Zu prüfen sind weiters die Negativvoraussetzungen des § 3 EKEG, diese liegen angabegemäß jedoch nicht vor, da es sich weder um einen kurzfristigen Waren- oder Geldkredit handelt und auch um keine Verlängerung eines vor der Krise gewährten Darlehens.

Erfasster Gesellschafter im Sinne des § 5 EKEG kann nur sein, wer zumindest zu 25% am Kapital einer Gesellschaft beteiligt ist bzw. wer auf die Gesellschaft einen beherrschenden Einfluss im Sinne des § 5 EKEG ausübt. Die VUA GmbH fällt daher nicht unter den personellen Anwendungsbereich des EKEG, ihr Darlehen iHv 200 tsd € ist nicht eigenkapitalersetzend,

(28)

18 das von der VP GmbH gewährte Darlehen iHv 5 Mio € fällt jedoch grundsätzlich in den Anwendungsbereich.

Die Konsequenzen einer Kreditgewährung, welche dem EKEG unterliegt, sind eine Auszahlungssperre gemäß § 14 Abs 1 EKEG, ein Erstattungsanspruch der Gesellschaft gemäß § 14 Abs 1 Satz 2 EKEG auf allfällige Darlehensrückzahlungen, weiters sind eigenkapitalersetzende Darlehen gemäß § 57a IO nachrangige Insolvenzforderungen.

(10 Punkte) 4. Die Raba AG ist über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihrer Kundin nicht sehr

beunruhigt, hat sie doch ein Pfandrecht als Sicherheit. Teilen Sie die Sorglosigkeit der Raba AG?

Es ist zu prüfen, ob das Pfandrecht der Raba AG anfechtungsfest bestellt wurde. Ist dies der Fall, hat der Pfandgläubiger grundsätzlich ein Absonderungsrecht (§ 48 IO). Das heißt, dass der Gläubiger ein bevorzugtes Befriedigungsrecht am Pfand – entgegen der sonst bestimmenden Gläubigergleichbehandlung – hat. Das Pfand bildet eine Sondermasse. Wird es vom Masseverwalter verwertet, so wird der besicherte Gläubiger vorrangig befriedigt. Ist der Verwertungserlös höher als seine besicherte Forderung, fällt der Überschuss = Hyperocha in die allgemeine Insolvenzmasse. Liegt der Verwertungserlös unter der Höhe der besicherten Forderung, nimmt der Gläubiger mit jener Restforderung, die nicht befriedigt werden konnte, am allgemeinen Insolvenzverfahren teil und hat insoweit eine Insolvenzforderung.

Der Masseverwalter wird im vorliegenden Fall daher eine Anfechtbarkeit der Pfandbegründung nach den Normen des Anfechtungsrechtes im Sinne der §§ 28 ff IO prüfen. Die Pfandbestellung liegt innerhalb der Fristen des § 30 IO (Rechtshandlung Eintritt nach ZU bzw.

Überschuldung (§ 67 Abs 2 IO), nicht länger als 1 Jahr vor Insolvenzeröffnung) und § 31 IO (Rechtshandlung Eintritt nach ZU bzw. Überschuldung (§ 67 Abs 2 IO), nicht länger als sechs Monate vor Insolvenzeröffnung). In Frage kommen daher sowohl eine Anfechtung wegen Begünstigung gemäß § 30 IO als auch die Anfechtung wegen Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit gemäß § 31 IO.

(5 Punkte) 5. Aus welchen Komponenten setzt sich die Entlohnung des Insolvenzverwalters

zusammen und um welche Art der Forderung handelt es sich?

Die Entlohnung des Insolvenzverwalters richtet sich nach §§ 82 ff IO, ist eine Masseforderung (§ 46 Z 1 IO) und wird vom Gericht festgesetzt. Sie ist im Sinne eines Bausteinsystems in unterschiedliche Komponenten gegliedert:

Insolvenzverwaltungstätigkeiten im engeren Sinne:

o Von Verwertung abhängige Entlohnung

o Entlohnung für die Verwertung von Sondermasse o Entlohnung für die Annahme eines Sanierungsplans

Zusatzleistungen, die Spezialkenntnisse erfordern, z.B.

o Führung von Prozessen o Leistungen als Steuerberater

Fortführung des Unternehmens

Barauslagen

Umsatzsteuer

(5 Punkte)

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