• Keine Ergebnisse gefunden

Kontinuierliche Symmetriegruppen

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Kontinuierliche Symmetriegruppen"

Copied!
13
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Kontinuierliche Symmetriegruppen

Vorlesungsskript Teil 5

Wolfgang Kilian Siegen

Sommersemester 2021

(2)

2.5 Strukturen in Lie-Algebren

2.5.1 Subalgebra

Eine Subalgebra (oder deutsch Unteralgebra) ist ein Unter-Vektorraum in einer Lie-Algebra, der bez¨uglich des Kommutators abgeschlossen ist. Das ist nahelie- gend.

Etwas skurril, aber es ist nach wie vor ¨ublich, Lie-Algebren mit gotischen Buchstaben zu kennzeichnen: a, b, g, . . . – auch und gerade in der englischspra- chigen Literatur. Das heißt, eine Unteralgebrabvonawird so charakterisiert:

b⊂a, (2.88)

b1, b2 ∈b ⇒ b1+b2 ∈b und [b1, b2]∈b. (2.89) Das l¨asst sich auch elegant formulieren, hoffentlich trotzdem verst¨andlich:

b⊂a, b+b⊂b, [b,b]⊂b. (2.90) Eine Subalgebra erzeugt immer eine Untergruppe, und umgekehrt.

B = expb ⊂ A= expa. (2.91)

Eindimensionale Untergruppen kamen ja schon ¨ofter vor. Wennbeindimensional ist, dann gilt sogar[b,b] = 0, und die entsprechenden Aussagen sind trivial.

2.5.2 Direkte Summe

Die Struktur einer Gruppe vereinfacht sich erheblich, wenn sie in Untergruppen faktorisiert,

G=A×B, (2.92)

und das bedeutet, dass Transformationen ausAund Transformationen ausB sich gegenseitig nicht st¨oren, sie vertauschen.

a∈A und b∈B ⇒ ab=ba. (2.93)

Das gilt beispielsweise f¨ur die Drehung von zwei K¨orpern in einem mechanischen Problem. Ich kann sie einzeln drehen oder gemeinsam, gleichf¨ormig oder entge- gengesetzt. Die kinematischen Transformationsgruppen vertauschen untereinan- der. Das heißt aber nicht, dass das physikalische Problem mit seiner Dynamik

(3)

auch in zwei unabh¨angige Teilprobleme faktorisiert. Wenn es Wechselwirkungen gibt, k¨onnte diese Dynamik die Symmetrie auchbrechen.

Wenn die Gruppe G = expg als direktes Produkt faktorisiert, ist die zu- geh¨orige Lie-Algebrageinedirekte Summeaus zwei Subalgebren,

G=A×B mit A= expa, B = expb ⇐⇒ g=a⊕b, (2.94) und das bedeutet konkret

g=a+b, [a,b] = 0. (2.95) Allgemeine lineare Gruppe. Ein gel¨aufiges und sehr einfaches Beispiel sind die allgemeinen als Erweiterung der speziellen linearen Gruppen. So etwa die GL(2,R), die Gruppe aller invertierbaren2×2Matrizen. Wir f¨ugen den Genera- toren der Algebrasl(2,R), den spurfreien Matrizenσ+, σ3, σ, noch diesen einen hinzu

12 = 1 0

0 1

, (2.96)

der eine eindimensionale Lie-Algebra bestimmt, nennen wir sied(2,R). F¨ur sich genommen, ist expd(2,R) in unserer Nomenklatur die abelsche GruppeD(2)+, die Gruppe aller gleichm¨aßigen Skalierungen in zwei Dimensionen.

Aus diesen vier Generatoren k¨onnen wir durch Linearkombination schon ein- mal alle reellen 2×2-Matrizen bilden, das w¨are die Lie-Algebra gl(2,R). Weil aber12 als Einheitsmatrix mit allen anderen2×2-Matrizen vertauscht, haben wir gl(2,R) =d(2,R)⊕sl(2,R). (2.97) Die davon erzeugte Gruppe GL(2,R)+ besteht aus allen invertierbaren 2 ×2- Matrizen mit positiver Determinante. Es gilt offensichtlich

GL(2,R)+=D(2,R)+×SL(2,R). (2.98) Wenn wir wirklich alle invertierbaren2×2-Matrizen wollen, m¨ussen wir noch eine diskrete Gruppe hinzunehmen, die aus den zwei Matrizen1und−1besteht, also

GL(2,R) = {1,−1} ×D(2,R)+×SL(2,R). (2.99) Diese diskrete Untergruppe wird durch die Lie-Algebranichtmit erzeugt.

(4)

Unit¨are Gruppen. Ebenso, und f¨ur die Quantenphysik besonders wichtig, ver- h¨alt es sich mit der allgemeinen und der speziellen unit¨arenGruppe innDimen- sionen, alsoU(n)und SU(n). Die Gruppe der unit¨aren komplexwertigen n×n Matrizen ist definiert durch

U ∈SU(n) ⇐⇒ U U=1n. (2.100) Die hermitesch adjungierte Matrix ist die Inverse.

Die Lie-Algebra, die dazugeh¨ort, besteht aus allen komplexwertigenn ×n- Matrizent, die antihermitesch sind,t=−t:

1 = exp(t−t) = (expt)(exp−t) = (expt)(expt) = (expt)(expt). (2.101) Die Determinante ist auch im Komplexen vertr¨aglich mit der Matrixmulti- plikation, det(U V) = detUdetV. Jede unit¨are Matrix kann man deshalb als Produkt U = (detU)V notieren, wobei detV = 1. Die Menge aller unit¨aren Matrizen mit Determinante Eins heißtSU(n). Die Lie-Algebra dazu istsu(n).

Die Generatoren vonSU(n)sind nicht nur antihermitesch, sondern auch spur- frei, denn auch hier giltdet expt=etrt. Das definiertsu(n)vollst¨andig.

t∈su(n) : t =−t und trt= 0. (2.102) Die Dimension dieser Lie-Algebra l¨asst sich leicht abz¨ahlen. Es ist

dim(su(n)) = n2−1. (2.103) Das sollte man sich f¨ur die einfachsten F¨alle sogar merken: su(2) : 3, su(3) : 8, su(4) : 15.

Die Determinante einer unit¨aren Matrix ist wiederum eine komplexe Zahl (als Untergruppe: multipliziert mit der Einheitsmatrix), und ihr Betrag muss Eins sein, 1= (detU)(detU)1= (detU)(detU)1, (2.104) also einePhase

detU =e. (2.105)

Die Gruppe dieser Phasenfaktoren (optional multipliziert mit einer Einheitsmatrix 1n) heißtU(1). Ihr Generator ist die Zahli(oderi1n). Dieser Generator ist offen- sichtlich nicht spurfrei, aber er vertauscht mit allen spurfreienn×n-Matrizen.

Mit dieser etwas pedantischen Argumentation erhalten wir

u(n) = u(1)⊕su(n) ⇐⇒ U(n) =U(1)×SU(n), (2.106) und alle interessante Struktur findet sich nat¨urlich im zweiten Faktor.

(5)

2.5.3 Ideale

Der n¨achste wichtige Begriff, um eine Lie-Algebra zu analysieren, ist das Ideal.

Ein Idealaeiner Lie-Algebragist zun¨achst eine Subalgebra vong,

[a,a]⊂a. (2.107)

Es ist aber noch mehr. Nicht nur bleiben die Elemente ausaunter sich, sie werden auch durch beliebige andere Elemente nicht aus der Subalgebra heraustransfor- miert,

[g,a]⊂a. (2.108)

Im physikalischen Zusammenhang bevorzugt man die alternative Bezeich- nunginvariante Subalgebra. Die letzte Gleichung bedeutet ja

adga⊂a, (2.109)

und wenn wir das exponenzieren, steht da

AdGa⊂a, (2.110)

die Subalgebra bleibt invariant unter beliebigen Transformationen aus der gesam- ten vongerzeugten GruppeG= expg.

Das k¨onnen wir selbstverst¨andlich auch f¨ur die von a erzeugte Untergruppe A= expanotieren,

AdGA ⊂A, (2.111)

oder ausf¨uhrlicher: wenn a in der Untergruppe ist, dann auch gag−1 f¨ur jedes Gruppenelementg ∈G.

Beispiel: direkte Summe. Diese Eigenschaften ergeben sich sofort, wenn wir es mit einer direkten Summe zu tun haben. Falls

g=a⊕b, (2.112)

dann ist sowohlaals auchbein Ideal ing. In Kurzschrift sieht das so aus:

[g,a] = [a+b,a] = [a,a] + [b,a]⊂a+{0}=a. (2.113) Auf die Anwendung ¨ubertragen, sowohlU(1)als auchSU(n)sind invariante Un- tergruppen vonU(n).

(6)

Euklidische Gruppe. Das allein w¨urde die Begriffsbildung nicht rechtfertigen.

Ein viel besseres Beispiel sind die einfachsten geometrischen Transformationen in der Ebene. Wir kombinieren Translationen und Drehungen,

x7→a+Rx. (2.114)

Wie schon einmal f¨uhren wir eine “nullte” (Hilfs-)Dimension ein, um Translatio- nen inx1 undx2 ebenfalls durch Matrixmultiplikation zu beschreiben.

A(a1, a2) =

1 0 0 a1 1 0 a2 0 1

, R(α) =

1 0 0

0 cosα −sinα 0 sinα cosα

. (2.115) Die Transformation wird f¨ur den erweiterten Vektor x = (1, x1, x2)dadurch zur Matrixmultiplikation,

x7→A(a1, a2)R(α)x.=

1

a1+ cosαx1−sinαx2 a2+ sinαx1+ cosαx2

 (2.116)

Diese Transformationen bilden bekanntlich eine Gruppe, dieeuklidische Grup- pe in zwei Dimensionen E(2). Sie vertauschen nicht – es ist eine nichtabelsche Lie-Gruppe mit drei Parametern. Wir identifizieren die Generatoren,

t1 =

0 0 0 1 0 0 0 0 0

, t2 =

0 0 0 0 0 0 1 0 0

, r =

0 0 0 0 0 −1 0 1 0

, (2.117) und berechnen die Vertauschungsrelationen

[r, t1] =t2, [r, t2] =−t1, [t1, t2] = 0. (2.118) In diesem Fall bilden die Vektorr¨aume mit den Basen{t1, t2}und{r}nicht nur je- weils (abelsche) Subalgebren der euklidischen Algebrae2. Es stellt sich auch her- aus, dass{t1, t2}ein nicht-triviales Ideal bilden. Auf die davon erzeugten Gruppen

¨ubertragen:

R(α)T(a1, a2)R−1(α) =T(a01, a02), (2.119) wobei f¨ur die Translationsparametera0 =R(α)agilt, die Translation (als linearer Operator) wird (als Vektor) gedreht. (Im Gegensatz dazu giltnichtT RT−1 =R0.)

(7)

Die Translationen bilden eine invariante Untergruppe der euklidi- schen Transformationsgruppe.

Das funktioniert so nicht nur in der Ebene. Drehungen im Rn werden durch die spezielle orthogonale Gruppe, die SO(n) dargestellt. Diese Gruppe ist nichta- belsch, sobaldn > 2. Translationen imRnbilden dagegen eine abelsche Gruppe T(n). Beides zusammen, die euklidische GruppeE(n), wird durch die allgemei- nen Linearkombinationen der entsprechenden Generatoren erzeugt,

E(n) = exp(t(n) +so(n)). (2.120) F¨ur diese beiden Subalgebren gilt, wie man aus der Konstruktion f¨ur die Ebene leicht verallgemeinern kann,

[t(n), t(n)] = 0, [so(n), so(n)]⊂so(n), [so(n), t(n)]⊂t(n). (2.121) Die dritte Relation ist die entscheidende. Ein Verschiebungsvektor kann gedreht werden, aber eine Drehmatrix wird nicht verschoben.

Wir k¨onnen diese Eigenschaft ausnutzen, um jede euklidische Transformation als Drehung um einen verschobenen Koordinatenursprung anzusehen. Die Dre- hungen bilden eine Untergruppe, aber kein Ideal.

Module und reduktive Geometrie. Hier passen noch weitere mathematische Begriffe. Selbst wenn sie nicht miteinander vertauschen w¨urden, die Generatoren der Translationen, also des Ideals, haben ein klar definiertes lineares Transforma- tionsgesetz unter der Drehgruppe.

1. Als Vektorraum aufgefasst bilden die infinitesimalen Translationen eineDar- stellung der Drehgruppe. Diese Darstellung entsteht aus der adjungierten Darstellung der euklidischen Gruppe (AdE(n)) durch Beschr¨ankung auf die UntergruppeSO(n). Die Physik w¨urde sagen, die Generatoren der Transla- tionen bilden einen Vektor bez¨uglich der Drehungen.

2. Wieder anders ausgedr¨uckt, die infinitesimalen Translationen bilden einso(n)- Modul. Die daf¨ur n¨otigen Eigenschaften sind (ri ∈so(n)undti ∈t(n)):

adrt ∈t(n), (2.122)

adr(t1+t2) = adrt1+ adrt2, (2.123) (adr1+ adr2)t = adr1t+ adr2t, (2.124) (adr1adr2)t = adr1(adr2t). (2.125)

(8)

3. Allgemein, wenn eine Lie-Algebragsich so wie die euklidische Gruppe in eine Subalgebrah(= Drehungen) und ein Idealp(= Translationen) zerlegen l¨asst,

g=h+p (2.126)

so dasspformal einh-Modul bildet, spricht man von einerreduktiven Geo- metrie. Die gesamte durch g erzeugte Gruppe ist die Hauptgruppe dieser Geometrie, w¨ahrendpden

”Raum“ erzeugt, auf den sich die Geometrie be- zieht.

Derartige geometrisch-gruppentheoretische Konstruktionen und Begriffe wurden von FELIX KLEINeingef¨uhrt, der die Arbeiten von SOPHUSLIE und WILHELM

KILLING zusammenf¨uhrte und in der Mathematik bekannt machte. Im 20. Jahr- hundert hat sp¨ater HERMANNWEYLden Formalismus auf physikalische Theori- en erweitert. F¨ur die Untergruppehhat Weyl den BegriffEichgruppeeingef¨uhrt, der heute in der Physik allgemein gebr¨auchlich ist.

Diese Begriffe werden wir sp¨ater wieder aufgreifen.

2.5.4 Abgeleitete Algebra

Interessant wird es immer, wenn Transformationen nicht vertauschen, wenn die rechte Seite der Vertauschungsrelationen nicht Null ist. Was kann da ¨uberhaupt vorkommen?

F¨ur eine Lie-Algebragbezeichnet dieabgeleiteteLie-AlgebraDgdie Subal- gebra aus allen Elementen vong, die auf der rechten Seite der Vertauschungsrela- tionen stehen k¨onnen.

Dg= [g,g]. (2.127)

Die abgeleitete Algebra ist immer auch ein Ideal, offensichtlich. Das Wort

”Ab- leitung“ ist tats¨achlich sinnvoll, denn es gibt eine Produktregel

D[a,b] = [Da,b] + [a,Db]. (2.128) Zur Illustration sollten wir uns die verf¨ugbaren Beispiele anschauen.

1. In einer abelschen Lie-Algebra ist die abgeleitete Algebra trivial, Dg = {0}.

2. F¨ur die so(3) gilt [σi, σj] = −ijkσk, so dass jedes Element der Algebra auf der rechten Seite stehen kann. Die abgeleitete Algebra ist mit so(3) identisch. Das gleiche Resultat finden wir f¨ursl(2,R).

(9)

3. Aus der sl(2,R) k¨onnen wir aber eine Subalgebra heraussuchen, n¨amlich die, die durchσ3undσ+erzeugt wird.

3, σ+] =σ+. (2.129) (Bei derso(3)funktioniert das nicht!) In diesem Fall istDg={σ+}.

4. In der Heisenberg-Algebra besteht die abgeleitete Algebra aus den Vielfa- chen des Operatorsi1.

5. Im Fall der euklidischen Gruppe in der EbeneE(2) bilden die Translatio- nen T(2) die abgeleitete Algebra. Anders ist das f¨ur n > 2Dimensionen.

Da wieder alle Drehungen auch auf der rechten Seite der Vertauschungs- relationen stehen k¨onnen, reproduziert sich diese Algebra beim Ableiten selbst.

2.5.5 Aufl¨osbare Algebra

Die Ableitung einer Algebra hat offenbar eine kleinere Dimension als die ur- spr¨ungliche, wenn sie nicht identisch ist. Selbstverst¨andlich kann man Dg, D2g, usw. bestimmen. Wenn die rechten Seiten der Vertauschungsrelationen immer kleiner werden, hat man folgendes:

Eine Lie-Algebragistaufl¨osbar, wenn

Dng={0}. (2.130)

Diese Eigenschaft ist nicht die Regel. Nehmen wir die Lie-Algebrau(n) = u(1)⊕su(n). Die Ableitung liefertDu(n) =su(n), weil Transformationen aus der Subalgebra u(1) nie auf der rechten Seite auftauchen k¨onnen. Die weiteren Ableitungen reduzieren das aber nicht weiter.

2.5.6 Nilpotente Algebra

Ein verwandter, aber nicht identischer Begriff ist die nilpotente Algebra. Eine Algebra ist nilpotent, wenn f¨ur jedes Elementh∈ggilt

adnhg= [h,[h, . . .[h,g]]] = 0, (2.131) wobein endlich ist. Das kann sehr praktisch sein, denn in diesem Fall bricht die Reihe f¨urexp adh ab, und wir haben nur ein Polynom zu berechnen.

(10)

Dieses Verhalten haben wir bei der Algebra gefunden, die durch{σ3, σ+}er- zeugt wird.

adσ+σ3+ und adσ+σ+ = 0. (2.132) Tats¨achlich ist jede nilpotente Algebra auch aufl¨osbar.

Der Extremfall ist eine nilpotente Algebra mit n = 1. Das ist eine abelsche Lie-Algebra, die zu einer abelschen Gruppe geh¨ort, wie etwa die Translationen.

2.5.7 Halbeinfache Algebra

Kommen wir zu den Lie-Algebren, die sich nicht aufl¨osen lassen. Sie bilden ge- wissermaßen den harten Kern an nicht-trivialen Strukturen, und das sind nat¨urlich immer die, mit der sich die Physik befassen muss.

Eine Lie-Algebra isthalbeinfach, wenn ihre Killing-Form nicht ent- artet ist. Der Begriff wird auf die zugeh¨orige Lie-Gruppe ¨ubertragen.

Das heißt, wenn wirB diagonalisieren, indem wir die Basis der Generatoren ge- eignet w¨ahlen, dann sind bei einer halbeinfachen Lie-Algebra alle Eigenwerte ent- weder positiv oder negativ, aber nicht Null.

Was bedeutet es nochmal, wenn ein Eigenwert Null ist?

Bii= tr adiadi = 0, (2.133) die Spur des Quadrats der Matrixadiverschwindet. Das gilt beispielsweise (aber nicht nur), wenn adi = 0 – ein Generator vertauscht mit allen anderen –, oder wenn die Matrixadinilpotent ist. Diese F¨alle, etwa die Heisenberg-Algebra, wer- den also jetzt nicht mehr betrachtet.

Beispiele. F¨ur die Algebrenso(3)undsl(2,R)haben wirBberechnet. In beiden F¨allen waren alle Eigenwerte positiv oder negativ, aber nicht Null. Das sind also halbeinfache Lie-Algebren.

Die GruppeU(n)f¨urn >1faktorisiert alsU(n) = U(1)×SU(n). Der Gene- rator zurU(1)kommutiert mit allen anderen, also ist daf¨uradU(1) = 0, die Null- matrix, und damit ist der entsprechende Eigenwert der Killing-Form auch Null.

Die U(n) ist nicht halbeinfach. Alle anderen Eintr¨age in der Killing-Form sind aber nicht-Null. Nimmt man aus den unit¨aren Transformationen die Untergruppe U(1)heraus, ist die verbleibende UntergruppeSU(n)halbeinfach.

(11)

Ebenfalls nicht halbeinfach ist die euklidische Gruppe, in beliebiger Dimen- sion: Die Translationen kommutieren alle miteinander. Ebenso die Heisenberg- Gruppe, oder eine beliebige Gruppe aus oberen Dreiecksmatrizen: Alle adi sind nilpotent.

2.5.8 Die Drehgruppe in vier Dimensionen

Als ein etwas komplizierteres Beispiel nehmen wir uns die SO(4) vor. Das ist die Gruppe aus allen orthogonalen 4×4-Matrizen mit Determinante1. Die Ge- neratoren, also die Lie-Algebraso(4), sind alle antisymmetrischen reellen4×4- Matrizen. Genau wie bei derSO(3)k¨onnen wir eine Basis aufschreiben, das geht gerade noch so:

σ12=

0 −1 0 0 1 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0

σ13=

0 0 1 0 0 0 0 0

−1 0 0 0 0 0 0 0

σ14=

0 0 0 −1 0 0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0

(2.134)

σ23=

0 0 0 0 0 0 −1 0 0 1 0 0 0 0 0 0

σ24=

0 0 0 0 0 0 0 1 0 0 0 0 0 −1 0 0

σ34=

0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 −1 0 0 1 0

(2.135) Die Vertauschungsrelationen sind (mitσij =−σji, wo n¨otig)

ij, σkl] =−δikσjlilσjk−δjlσikjkσil. (2.136) also beispielsweise [σ12, σ23] = σ13 und [σ12, σ34] = 0. Die Strukturkonstanten sind mit diesen Doppel-Indizes

c(ii0)(jj0)(kk0)=−δijδi0kδj0k0ij0δi0kδjk0 −δi0j0δikδjk0i0jδikδj0k0, (2.137) und mit etwas Fleißarbeit berechnet man die Killing-Form zu

B(ii0)(jj0)=−4δijδi0j0. (2.138) Die Form ist also diagonal, und alle Diagonaleintr¨age sind gleich−4,

B =

−4 0 0 0 0 0

0 −4 0 0 0 0

0 0 −4 0 0 0

0 0 0 −4 0 0

0 0 0 0 −4 0

0 0 0 0 0 −4

. (2.139)

(12)

Das erscheint wie eine einfache Fortschreibung der Erkenntnisse, die wir bei der Untersuchung der dreidimensionalen DrehgruppeSO(3)gewonnen haben. Es gibt aber einen wesentlichen Unterschied, und das ist eine ganz spezielle Eigen- schaft derSO(4). Die Drehgruppe in drei Dimensionen enth¨alt kein nichttriviales Ideal. Das ist ziemlich offensichtlich. Nicht so offensichtlich ist, dass es bei der SO(4)anders aussieht.

Wir definieren einen neuen Satz von Generatoren durch Addition und Sub- traktion von jeweils zwei Generatoren, die miteinander vertauschen, und sortieren das geeignet.

σ+1 = 1

21423) σ+2 = 1

224−σ13) σ+3 = 1

23412) (2.140) σ1 = 1

214−σ23) σ2 = 1

2(−σ24−σ13) σ3 = 1

234−σ12) (2.141) In expliziter Form:

σ1+=1

2

0 0 0 −1

0 0 −1 0

0 1 0 0

1 0 0 0

σ2+=1

2

0 0 −1 0

0 0 0 1

1 0 0 0

0 −1 0 0

σ3+=1

2

0 −1 0 0

1 0 0 0

0 0 0 −1

0 0 1 0

(2.142)

σ1 =1

2

0 0 0 −1

0 0 1 0

0 −1 0 0

1 0 0 0

σ2 =1

2

0 0 −1 0

0 0 0 −1

1 0 0 0

0 1 0 0

σ3 =1

2

0 1 0 0

−1 0 0 0 0 0 0 −1

0 0 1 0

(2.143)

In dieser neuen Basis haben wir etwas andere Vertauschungsrelationen, [σi+, σj+] =−√

2ijkσ+k, [σ+i , σj ] = 0, [σi, σj] =−√

2ijkσk. (2.144) Das sind, bis auf die Normierung (die wir frei variieren k¨onnen), die Vertau- schungsrelationen der Lie-Algebra zur orthogonalen GruppeSO(3), zweimal und unabh¨angig voneinander.

Die Killing-Form bleibt bei diesem Basiswechsel unver¨andert, es ist immer noch die Matrix (2.139). Das heißt, die Basistransformation war eine Rotation der urspr¨unglichen Generatoren.

Kann das sein? Die urspr¨unglichen Generatoren hatten jeweils die Eigen- schaft, dass sie nicht nur eine Achse, sondern eine orthogonale Ebene invariant ließen. Die neuen Generatoren haben gar keine invariante Achse! Trotzdem sind das gew¨ohnliche Rotationen imR4.

(13)

Tats¨achlich gibt es sechs Generatoren derSO(4), nicht nur vier. Die Rotation der Generatoren (2.140, 2.141) ist eine Transformation in sechs Dimensionen, ein Basiswechsel ausSO(6). Dieser Basiswechsel ¨andert die Strukturkonstanten, wie es eine adjungierte Rotation aus SO(4) ⊂ SO(6) nicht k¨onnte. Er ¨andert aber nicht die Killing-Form. Je h¨oher die Dimension, desto weiter m¨ussen wir ausgreifen, um die eigentliche Struktur zu erkennen. Mit Ausprobieren wird man da nicht mehr weit kommen.

Am Ende ist die Lie-Algebra derso(4) eine direkte Summeso(4) = so(2)⊕ so(2). Die so(4) zerf¨allt in zwei Idealeso(2), die untereinander vertauschen. Sie ist dennoch eine halbeinfache Lie-Algebra. ¨Ubertragen auf die Gruppe der Dre- hungen in vier Dimensionen,

SO(4) =SO(3)×SO(3). (2.145) H¨atten wir eine Anschauung f¨ur vierdimensionale Geometrie, w¨are uns das selbst- verst¨andlich gewesen.

2.5.9 Einfache Lie-Algebra

Das Beispiel SO(4) gibt einen Hinweis auf die elementaren Bausteinen dieser mathematischen Strukturen. Wir suchen nacheinfachenLie-Algebren.

EineeinfacheLie-Algebra ist eine halbeinfache Lie-Algebra, die kei- ne nichttrivialen Ideale enth¨alt.

Triviale Ideale sind die Lie-Algebra selbst und die leere Algebra {0}, die inter- essieren nat¨urlich nicht. Dass es wirklich um Bausteine geht, sagt der folgende Satz:

Jede halbeinfache Lie-Algebra ist eine direkte Summe aus einfachen Lie-Algebren,

g=g1⊕g2⊕. . .gn. (2.146) Wir m¨ussen also nur diese Bausteine identifizieren k¨onnen, dann kennen wir die gesamte Struktur. Eine halbeinfache Gruppe ist dementsprechend das direkte Pro- dukt aus einfachen Gruppen.

G=G1×G2×. . . Gn. (2.147) Die Situation der euklidischen Gruppe, die asymmetrisch in Rotationen (halbein- fache Untergruppe, kein Ideal) und Translationen (Ideal, aber nicht invariant unter Rotationen) zerf¨allt, kann bei halbeinfachen Gruppen nicht vorkommen.

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Zwischen diesen Halbebenen – jedoch nicht auf der Symmetrieebene dieser Anordnung – befindet sich eine Punktladung q. (a) Wie viele Spiegelladungen sollte

Bild 35: Ausführung des Schutzkonzeptes der Linien 1 + 2 (links) im Vergleich zur Linie 3 (rechts) So wurde ein Konzept entwickelt, das sowohl den Verweilzeitbedingungen im gesam-

Schreibe alle Wörter mit Lücke nochmals

Hierbei unterscheiden sich die L¨osungsvektoren ˜ x und x nur in der Reihenfolge ihrer Elemente, x kann also als Permutation von ˜ x erhalten werden, wenn

F¨ur uns wird nur von Bedeutung sein, daß hermitesche Matrizen (wie ihre Untermenge der reell symmetrischen Matrizen) nur reelle Eigenwerte haben... trace) der Matrix A

(6 Punkte) Berechnen Sie die Determinante der Killingform von sl 3 (C) bez¨ uglich der Standardbasis.. Welche Primzahlen

Entscheiden Sie, ob die folgenden Aussagen je wahr oder falsch sind und kreuzen Sie Ihre Wahl an (wahr / falsch).. Es seien K ein K¨ orper, V ein K-Vektorraum, g

OO c) Der Winkel zwischen zwei linear abh¨ angigen Wurzeln ist 180 o. OO d) Zu einem Wurzelsystem korrespondiert immer eine