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Archiv "Volkskrankheit Sodbrennen: Schlußwort" (17.06.1994)

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MEDIZIN

ermedikation der Fundoplicatio nach Nissen-Rosetti der Vorzug gegeben werden. Dieses Standardverfahren hat in seiner 40jährigen Geschichte viele Hunderte zwischenzeitlich pro- pagierte Medikamente überlebt, oh- ne sich selbst zu überleben. Mit ei- nem vergleichsweise kleinen Eingriff, gegebenenfalls auch laparoskopisch, vermag der Chirurg den der Reflux- krankheit zugrundeliegenden Defekt am unteren Ösophagussphinktur kausal sicher, komplikationsarm, dauerhaft und schnell zu reparieren.

Warum, fragen immer wieder ope- rierte Patienten, hat man mir dieses einfache Verfahren vorenthalten und mich jahrelang zum Dauerpatienten gemacht? Warum, so fagt sich der ge- neigte Leser, enthalten uns die Auto- ren die guten Ergebnisse dieses Ver- fahrens in ihrem Beitrag vor?

Prof. Dr. med. V. Schumpelick Chirurgische Klinik der Medizini- schen Fakultät an der Technischen Hochschule

Pauwelsstraße 30 52074 Aachen

3. Therapeutische Schräglage

In der sehr ausführlichen Über- sicht wird auch zur Therapie der Re- fluxkrankheit der Speiseröhre Stel- lung genommen Als Chirurg, der sich mit der Therapie chronisch Re- fluxkranker befaßt, lese ich relativ fassungslos, daß die operative Thera- pie im Grunde nur „enttäuscht" habe und keine Rolle mehr spiele. Schon die Vielzahl der Operationsmetho- den (es werden fünf genannt) zeige, daß keine ordentlich wirke. Diese Ausführungen kann man so nicht ste- hen lassen.

Schon der Umfang des Kapitels

„Medikamentöse Therapie" gegen- über dem kurzen Abschnitt „Opera- tive Therapie" zeigt die therapeuti- sche Schräglage, der die Autoren zum Opfer gefallen sind. Würde man ihr eben genanntes Argument auf die medikamentöse Therapie, bei der mehr als zehn Substanzen genannt werden, anwenden, müßte man noch eher als bei den operativen Verfah- ren schließen, daß bei der Vielzahl

DISKUSSION

der verwendeten Pharmaka wahr- scheinlich keines befriedigend wirkt.

Tatsache ist, daß sowohl die me- dikamentöse Therapie, vor allem mit Omeprazol, und die operative Thera- pie mit der Fundoplicatio nach Nis- sen-Rosetti auf potente therapeuti- sche Prinzipien zurückgreifen kön- nen. Die anderen, von den Autoren genannten Operationsverfahren sind Außenseitermethoden (Teres-Pla- stik, Angelchik-Prothese), antiquiert (Gastropexie) oder werden nur in ganz speziellen Situationen ange- wandt (distale Magenresektion und

Roux-Y-Anastomose).

Eine ganze Anzahl von Publika- tionen belegt die Wirksamkeit der Fundoplicatio, mit der bei rund 80 Prozent der Patienten langfristig gute Ergebnisse erzielt werden können.

Stellvertretend sei eine 1992 erschie- nene, randomisierte, prospektive Stu- die, publiziert im New England Jour- nal of Medicine, angeführt, in der die Fundoplicatio mit einer medikamen- tösen Kombinationstherapie (Antaci- dum, Ranitidin, Metoclopramid, Su- cralfat) verglichen wurde (Spechler, S. J. et al., NEJM 326 [1992]

786-792). Der Aktivitätsindex der Erkrankung war nach zwei Jahren in der operierten Gruppe signifikant niedriger als bei den medikamentös behandelten Patienten. Das gleiche galt für den Grad der Ösophagitis. Es kann vermutet werden, daß sich die operativen Ergebnisse nicht so gün- stig abgehoben hätten, wenn die Fun- doplicatio gegen Omeprazol getestet worden wäre. Dennoch zeigt die Stu- die, daß mit der Fundoplicatio gute Ergebnisse bei Patienten mit Reflux- krankheit der Speiseröhre erzielt werden und diese Therapie einen fe- sten Stellenwert im Behandlungskon- zept der Erkrankung hat. Es kann an- genommen werden, daß der Fundo- plicatio künftig ein noch höherer Rang zukommt, wenn infolge des Gesundheitsstrukturgesetzes Kosten- aspekten eine größere Rolle bei der Therapiewahl zukommt.

Prof. Dr. med. M. Rothmund Klinik und Poliklinik für Allgemein- chirurgie der Philipps-Universität Baldingerstraße

35043 Marburg

Schlußwort

Greifen wir die Musen-Allegorie von Schumpelick auf, so hat er Klio unterschlagen, denn die Muse der Geschichte spielt bei der operativen Behandlung, die wir bewußt kurz ge- halten haben, eine ganz wesentliche Rolle.

Vor der Einführung der en- doskopischen Untersuchungstechnik galt der Nachweis einer axialen Hia- tushernie als Indikation zur operati- ven Korrektur, insbesondere, wenn gleichzeitig Refluxbeschwerden be- standen. Heute wird in der Tat viel differenzierter therapiert, wobei die kritisierte Muse-Klassifikation, die wir einem breiteren Publikum vor- stellen wollten, die Nachteile der al- ten Savary-Miller-Klassifikation, die weltweit verbreitet ist, zu korrigieren versucht.

Für die konservative Therapie reicht es mit Sicherheit aus, eine Re- fluxkrankheit ohne Epithelläsionen von einer leichten und einer schwe- ren Refluxösophagitis zu unterschei- den, unter prognostischen Aspekten (wie zum Beispiel Rezidivneigung, Entartungsrisiko) ist jedoch eine dif- ferenziertere Betrachtungsweise zwingend notwendig.

In Deutschland herrscht Thera- piefreiheit; folglich mußten alle Me- dikamente aufgezeigt und in ein Stu- fenschema eingefügt werden, die für die Behandlung der Refluxkrankheit der Speiseröhre zugelassen sind. Daß der Markt zu Recht von den H2-

Blockern und den Protonenpumpen- hemmern beherrscht wird, versteht sich von selbst, wissen wir doch heu- te, daß eine Anhebung des Magen- pH über pH 4 über einen Zeitraum von 15 Stunden notwendig ist, um die Epitheldefekte zur Abheilung zu bringen. Um dies zu gewährleisten, gelten mittlerweile Protonenpum- penblocker weltweit als Mittel der er- sten Wahl. In einer Reihe von Stu- dien konnte darüber hinaus gezeigt werden, daß unter einer Omeprazol- dauertherapie 80 Prozent bis 90 Pro- zent der Patienten in Remission ge- halten werden können, so daß in der Tat die Indikation zu operativen Kor- rektureingriffen noch dramatischer zurückgegangen ist als beim pepti- schen Ulkus

A-1734 (68) Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 24, 17. Juni 1994

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MEDIZIN

Protonenpumpenhemmer gelten heute zu Recht, auch unter dem Aspekt substanzspezifischer Neben- wirkungen, als „Goldstandard" der konservativen Refluxtherapie (Arm- strong et al.: World J. Surg. 16;

300-307, 1992). Die zitierte Arbeit von Spechler et al. vergleicht eine suboptimale konservative Therapie mit der Fundoplicatio.

Rothmund nennt die von Ku- nath propagierte Gastropexie anti- quiert, die von zwei Chirurgen favori- sierte Fundoplicatio nach Nissen und Rosetti kann nicht überzeugen, wenn man die von Ackermann et al.

(Schweiz. med. Wochenschr. 118:

774-776, 1988) publizierten Lang- zeitdaten zehn bis zwanzig Jahre nach dem Eingriff heranzieht: Jeder vierte Patient wies wiederum eine Refluxösophagitis auf, bei 30 Prozent fanden sich neue Symptome wie Dys- phagie, Gas bloat Syndrom und ähn- liche.

Letztendlich ist der Wunsch des Patienten ausschlaggebend, der in ei- nem Aufklärungsgespräch über die kurz- und langfristigen Nebenwir- kungen aller Therapiemodalitäten informiert werden muß. Bei einer konservativen Therapie mit Proto- nenpumpenhemmern, die er aller- dings möglicherweise lebenslang ein- nehmen muß, kann ihm Beschwer- defreiheit und eine Ausheilung ga- rantiert werden, eine Garantie, die kein Chirurg für ein Operationsver- fahren abzugeben vermag. Eine kon- servative Therapie kann jederzeit im Lichte neuer pharmakologischer oder operativer Verfahren geändert werden, eine Fundoplicatio aufzuhe- ben oder mit einem zweiten Korrek- tureingriff zu kombinieren, ist schwierig, wenn nicht unmöglich.

Überlassen wir es also der Muse Klio, als Richterin über konservative versus operative Therapie zu walten.

Daß die MUSE-Klassifikation (Meta- plasie, Ulcus, Striktur, Erosion) ei- nen Fortschritt gegenüber bislang üblichen Einteilungen aufweist, liegt auf der Hand und bedarf keines wei- teren Kommentars.

Wenn eine Diskussion emotio- nal zu entgleiten droht, ist es günstig, sich auf Fakten statt auf Meinungen zu verlassen. Klärend könnte die von dem Co-Autor Professor Dr. Blum

DISKUSSION

und seinen Mitarbeitern durchge- führte Umfrage nach der Zahl der Antirefluxoperationen in den größe- ren Schweizer Spitälern in den Jah- ren 1991 und 1992 sein. In den Uni- versitätskliniken in Bern wurden 1991 zwei, in Basel vier Ersteingriffe durchgeführt. Die Universitätsklini- ken in Genf melden 18, jene in Lau- sanne 13 Ersteingriffe für das Jahr 1991. In den Universitätskliniken Zü- rich wurden ebenso wie im Kanton- spital Freiburg weder Ersteingriffe noch Reoperationen vorgenommen.

Reoperationen in den genannten Krankenhäusern wurden lediglich in Genf (einmal), Lausanne (einmal) sowie Lugano (zweimal) durchge- führt.

Für das Jahr 1992 ergab sich ei- ne ähnliche Verteilung. In den Uni- versitätskliniken Bern, Zürich und Basel wurden zwei, drei beziehungs- weise vier Ersteingriffe durchgeführt.

Die Kantonspitäler in Lugano und Freiburg meldeten jeweils zwei Erst- eingriffe. Die entsprechenden Zah- len für die Universitätskliniken Genf und Lausanne lauten 16 beziehungs- weise 19. Nur eine einzige Reoperati- on wurde für 1992 angegeben (Uni- versitätskliniken Bern).

Im Vergleich zu den 60er Jahren ist somit ein dramatischer Rückgang der Antirefluxchirurgie in der Schweiz zu verzeichnen (Brühlmann et al., Schweiz. Med. Wochenschr.

108 [1978] 1413-1420 beziehungswei- se 1465-1469). In der deutschspra- chigen und italienischsprachigen Schweiz sind die Antirefluxoperati- onen also praktisch ausgestorben, ob- wohl hier namhafte Abdominalchir- urgen tätig sind. In der französisch- sprachigen Schweiz hingegen wird of- fenbar noch recht häufig Antireflux- chirurgie betrieben. Das könnte be- deuten, daß die operationsbedürfti- gen Deutschschweizer in die West- schweiz fahren, um sich hier operie- ren zu lassen. Aufgrund der Tätigkeit in einem Westschweizer Spital kann Professor Blum diese Möglichkeit ausschließen. Es fällt hingegen die Bereitschaft mancher Westschweizer Chirurgen auf, die Operationsindika- tion auch heute noch aufgrund der subjektiven Beschwerden ohne ad- äquate präoperative Abklärung zu stellen.

Es sei vermerkt, daß die in der Schweiz durchgeführte Umfrage das Jahr 1991 einbezogen hat, weil zu diesem Zeitpunkt noch keine lapa- roskopischen Fundoplikationen durchgeführt worden sind. Dieser Eingriff wird möglicherweise die Zahl der Antirefluxeingriffe steigern, mindestens bis zur Vorlage von Langzeitergebnissen.

Es wäre wünschenswert, wenn auch die Chirurgen in der Bundesre- publik Deutschland ihre Operations- zahlen (Fundoplikationen, laparos- kopische Eingriffe und andere) der letzten Jahre veröffentlichen könn- ten.

Prof. Dr. med. Wolfgang Rösch Medizinische Klinik am Kranken- haus Nordwest

Steinbacher Hohl 2-26 60488 Frankfurt

Prof. Dr. med. A. L. Blum Abteilung Gastroenterologie CHUV

CH-1011 Lausanne

Zuschriften zu Beiträgen im me- dizinisch-wissenschaftlichen Teil — ausgenommen Editorials, Kongreß- berichte und Zeitschriftenreferate — können grundsätzlich in der Rubrik

„Diskussion" zusammen mit einem dem Autor zustehenden Schlußwort veröffentlicht werden, wenn sie in- nerhalb vier Wochen nach Erschei- nen der betreffenden Publikation bei der Medizinisch-Wissenschaftlichen Redaktion eingehen und bei einem Umfang von höchstens zwei Schreib- maschinenseiten (30 Zeilen mit je 60 Anschlägen) wissenschaftlich be- gründete Ergänzungen oder Entgeg- nungen enthalten.

Für Leserbriefe zu anderen Bei- trägen gelten keine besonderen Re- gelungen (siehe regelmäßige Hin- weise). DA/MWR Deutsches Ärzteblatt 91, Heft 24, 17. Juni 1994 (69) A-1735

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