die Studentenzahl aufnehmen, die sich im Rahmen der Kapazitätsgleichung (Lehrangebot geteilt durch Lehrnach- frage gleich Kapazität) auf der Basis dieses Beispielstudienplans errechnete.
Jetzt haben die Bundesländer im Ver- waltungsausschuss der ZVS beschlos- sen, keinen Beispielstudienplan mehr durch die ZVS erstellen zu lassen. Die formale Begründung hierfür ist, dass den Hochschulen mehr Freiheit gelas- sen werden soll. Für „Insider“ ist jedoch klar, dass damit den Gerichten die Ka- pazitätskontrolle erschwert werden soll.
Im Streitfall muss jedes Gericht den konkreten quantifizierten Studienplan der zu überprüfenden Hochschule analysieren und die Einzelwerte mit de- nen des früheren ZVS-Beispielstudien- plans – allerdings unter Berücksichti- gung der geänderten Ausbildungsvorga- ben durch die ÄAppO – vergleichen.
Es ist bekannt, dass die Universitäten hoffen, durch dieses Verfahren man- chen Richter im Rahmen des verwal- tungsgerichtlichen Eilverfahrens an die
„Grenze der Erkenntnis“ zu bringen.
Die Wissenschaftsverwaltung erwartet, dass sich einzelne Gerichte weigern werden, Studienbewerbern zeitgerech- ten und damit effektiven Rechtsschutz zu gewähren. Aber nur schneller Rechtsschutz ist effektiv. Es ist kei- nem Studienbewerber zuzumuten und volkswirtschaftlich kontraproduktiv, mehrere Jahre ohne jegliche Chance auf einen Studienplatz zu warten.
Damit ist es die Aufgabe der Nume- rus-clausus-Anwälte, die Richter zu überzeugen, sich der immer komplizier- ter werdenden Aufgabe der Kapazitäts- kontrolle im gerichtlichen Eilverfah- ren zu stellen.
Eines sollte jedoch klar sein: Ein durch das Gericht zugewiesener Studi- enplatz ist nicht minderwertig. Es gibt nichts Seriöseres als einen Studienplatz von einem deutschen Gericht. Bei die- sem Grundsatz wird es – trotz der ge- genteiligen Hoffnungen der Universitä- ten – bleiben.
Dr. jur. Robert Brehm Dr. jur. Wolfgang Zimmerling Steinmetzstraße 9
65931 Frankfurt/Main
P O L I T I K
Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 403. Oktober 2003 AA2557
Prozess
Ende eines Possenspiels
Die Polizei stürmt eine Beratungs- stelle für Folteropfer. Ein Patient stürzt sich aus dem Fenster. Sein Therapeut landet vor Gericht.
A
ls Dietrich Koch zu erzählen an- fängt, ist es plötzlich ganz ruhig im voll besetzten Raum 371 des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin. Der Angeklagte spricht leise, sodass die vie- len Freunde, Unterstützer und Presse- leute auf den Zuschauerbänken Mühe haben, ihn zu verstehen.Die Geschichte fängt damit an, dass Davut K., ein damals 17-jähriger Kurde, am Morgen des 24. November 2000 in die U-Bahn steigt, um in die Psy- chotherapeutische Beratungsstelle für Folteropfer Xenion zu
fahren (siehe DÄ, Heft 43/2002). Der Grund:
1999 wurde der junge Kurde von einem Mi- litärgericht wegen Mit- gliedschaft in einer ter- roristischen Vereini- gung zu zwölf Jahren Gefängnis verurteilt
und dort schwersten Misshandlungen ausgesetzt. Kurz darauf gelang ihm die Flucht nach Deutschland. Gemein- sam mit Psychotherapeut und Xenion- Leiter Dietrich Koch will Davut seine traumatischen Erlebnisse aufarbeiten.
Auf halber Strecke gerät Davut in ei- ne Fahrausweiskontrolle. Er hat kein gültiges Ticket dabei. Als die Kontrol- leure die Polizei rufen, reagiert er pa- nisch. Für ihn steht mehr auf dem Spiel als ein Bußgeld wegen Schwarzfah- rens. Davuts Asylbegehren wurde trotz sichtbarer Folterspuren abgelehnt. Der junge Mann flieht vor den herbeieilen- den Beamten in die Praxisräume von Xenion.
Die Polizisten folgen ihm, und ob- wohl kein Haftbefehl vorliegt, stürmen sie mit gezogenen Waffen das Bera- tungszentrum in der Berliner Roscher-
straße. Koch und seine Sekretärin ver- wehren ihnen zunächst den Einlass und versuchen, die Situation zu entschärfen.
Es misslingt – Davut springt aus einem Fenster im dritten Stock und verletzt sich lebensgefährlich. Er wolle nicht mehr zurück in die Türkei, lieber bringe er sich um, hat er einmal seinem Thera- peuten anvertraut.
Während Davut K. Monate im Kran- kenhaus verbringt, beginnt für die Xeni- on-Mitarbeiter ein juristisches Possen- spiel. Denn nicht die Polizisten sitzen wegen einer möglichen Unverhältnis- mäßigkeit ihres Einsatzes auf der An- klagebank, sondern Psychotherapeut Koch und seine Sekretärin. Ihnen wird
„Widerstand gegen Vollstreckungsbe- amte“ zur Last gelegt. Ein Vorwurf, der nach dreijährigen staatsanwaltschaftli- chen Ermittlungen und einer dreistün- digen Hauptverhandlung widerlegt wer- den kann. Der Prozess endet für die An- geklagten mit einem Freispruch.
Was bleibt, ist die Frage, ob die Polizei in Arztpraxen und Beratungsstellen
„reingehen darf wie bei einer Schlägerei in eine Eckkneipe“, wie es Koch-Verteidi- ger Rüdiger Jung for- muliert. Jung weist ge- genüber dem Deut- schen Ärzteblatt dar- auf hin, dass sich die Polizei unter bestimm- ten Voraussetzungen Zutritt zu Arztpraxen und psychologisch psychotherapeuti- schen Einrichtungen verschaffen kann.
Die Durchsuchung mit gezogenen Waf- fen ist für ihn in diesem Fall allerdings völlig unverhältnismäßig gewesen und wegen des fehlenden Haftbefehls ille- gal. Dennoch habe das Verfahren ge- zeigt, dass sich Ärzte und Psychologen
„nicht ins Bockshorn jagen lassen“ soll- ten. Sie haben eine Schutzverpflichtung gegenüber ihren Patienten und könnten diese auch verbal geltend machen.
Xenion-Leiter Koch will für den Fall aller Fälle eine „Rote Leitung“ mit der Polizei aufbauen, um künftige Eskalatio- nen zu vermeiden. Davut K. ist unterdes- sen als Flüchtling anerkannt. Fernsehre- porter deckten auf, dass das zuständige Bundesamt geschlampt hatte und dem jungen Kurden zu Unrecht das Bleibe- recht verweigert hatte. Samir Rabbata Die Approbationsordnung im Internet: www.aerzteblatt.
de/plus4003
Was bleibt, ist die Frage, ob die Polizei in Arzt- praxen und Beratungs- stellen „reingehen darf wie bei einer Schlägerei
in eine Eckkneipe“.
Koch-Verteidiger Rüdiger Jung