• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Genanalysen und Datenschutz: Rechtliche Regelungen überfällig" (02.07.2004)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Genanalysen und Datenschutz: Rechtliche Regelungen überfällig" (02.07.2004)"

Copied!
2
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

W

ährend sich die Gentechnolo- gie weltweit im rasanten Tem- po weiterentwickelt, werden in Deutschland die Chancen und Risiken der neuen Technologie, wenn es um ihre Anwendung auf den Menschen geht, sehr kontrovers diskutiert. Inwieweit müssen datenschutzrechtliche Vorga- ben in der deutschen Rechtsordnung weiterentwickelt werden, um den Infor- mationsgewinn durch neue Entwick- lungen im Bereich der Gentechnologie

„einzuholen“? Mit dieser Frage befasste sich das 13. Wiesbadener Forum Daten- schutz Anfang Juni unter dem Titel

„Genanalysen und Datenschutz“. Im Zusammenhang mit Gentests gewon- nene Daten sind hoch sensible Daten, die zunehmend einfacher, schneller und preiswerter zu gewinnen sind und die für sehr unterschiedliche Zwecke erho- ben werden. Die Wahrscheinlichkeit ei-

ner breiteren Anwendung, zum Beispiel in der Medizin oder bei der Strafverfol- gung, nimmt deshalb zu. Darauf verwies Peter Schaar, der seit Ende 2003 neu amtierende Bun-

desbeauftragte für den Datenschutz.

In der Medizin werden Genanaly- sen zur Suche nach beziehungsweise zur Interpretation von krankheitsbe- dingten Mutationen genutzt. Die Ver- bindung aus Gen- technik und Infor- matik sowie neue technische Ent- wicklungen – wie zum Beispiel DNA-

Chips – beschleunigen die Entdeckung von „Krankheitsgenen“. So schätzt Prof. Dr. med. Jörg Schmidtke, Univer- sität Hannover, dass bis 2005 sämtliche monogenen Krankheiten mit Gentests analysierbar sein werden. In Deutsch- land, Österreich und der Schweiz gibt es zurzeit 110 Institute, die für rund 530 Krankheiten Gentests anbieten (Quelle:

Berufsverband Deutscher Humangene- tiker e.V.,www.bvmedgen.de).Schmidtke hob die Besonderheiten der geneti- schen Information im medizinischen Kontext hervor. Diese weist immer über das betroffene Individuum hinaus, zum Beispiel auf dessen Familie oder auf die Ethnizität. Damit können Inter- essenkonflikte oder die Gefahr kollek- tiver Diskriminierung verbunden sein.

Darüber hinaus hat die genetische In- formation langfristige Konsequenzen.

So sind Spätmanifestationen, bedingt durch das lange Intervall zwischen Test und Erkrankung, oder Manifestationen

in künftigen Generationen möglich.

Der Betroffene kann mit einer Aussage von schicksalhaftem Charakter konfron- tiert werden, etwa wenn es keine oder nur eine unbefriedigende Therapie gibt.

Werden Genanalysen zur Absiche- rung klinischer Verdachtsdiagnosen und zur Prognose im Einzelfall genutzt, ist dies nach Meinung der Experten un- problematisch, denn die hierbei gewon- nenen Daten dienen einem klar um- schriebenen Zweck. Regelungsbedarf besteht jedoch bei der prädiktiven Gen- diagnostik, die Einsicht in die Krank- heitsdisposition von Individuen er- möglicht. Der gesetzliche Rahmen für diesen Bereich der Datenverarbeitung sei enger zu ziehen, weil die durch prädiktive Gentests gewonnenen Infor- mationen nicht nur für den Betreffen- den selbst, sondern auch für Dritte in- teressant seien, be- tonte Schaar. Er verwies darauf, dass die Konferenz der Datenschutzbeauf- tragten des Bundes und der Länder be- reits im Oktober 2001 gefordert ha- ben, genetische Untersuchungen am Menschen gesetzlich zu regeln (www.

bfd.bund.de, Textkasten) – getan hat sich in Deutschland jedoch bislang nichts.

Bei Versicherungsabschlüssen sind Gentests bislang nicht üblich und von den Versicherungsunternehmen auch nicht geplant. Nach Prof. Dr. jur. Jürgen Simon, Universität Lüneburg, zeichnet sich jedoch ab, dass Ergebnisse aus Gentests zunehmend wie andere medi- zinische Befunde behandelt werden.

Die Pflicht zur Offenlegung bereits durchgeführter prädiktiver Gentests beim Abschluss beispielsweise einer privaten Lebensversicherung über eine höhere Geldsumme wäre danach ver- tretbar, um auszuschließen, dass sich ein Versicherungsnehmer in Kenntnis des eigenen Risikos Vorteile verschafft.

Eine Verletzung des informationellen Selbstbestimmungsrechts im privaten Versicherungsbereich läge damit nicht vor. Auch in arbeitsrechtlichen Zusam- T H E M E N D E R Z E I T

A

A1952 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 272. Juli 2004

Genanalysen und Datenschutz

Rechtliche Regelungen überfällig

Die Fortschritte in der Gendiagnostik erfordern die Weiterentwicklung datenschutzrechtlicher Vorgaben.

Forderungen der Datenschützer

>Informationen, Transparenz und Einwilli- gungsvorbehalt sind als Grundvoraussetzungen für die Durchführung von Gentests zu gewährleisten.

>Qualität und Sicherheit der genetischen Tests müssen festgeschrieben werden, zum Bei- spiel durch Standards und verfahrenssichernde Maßnahmen.

>Das Recht auf Nichtwissen muss gewährlei- stet bleiben. So darf beispielsweise ein Arbeitneh- mer nicht gezwungen werden, seine genetische Disposition dem Arbeitgeber mitzuteilen.

>Heimliche Gentests, zum Beispiel zur Fest- stellung einer Vaterschaft, müssen ausgeschlos- sen werden.

>Die Zweckbindung muss festgeschrieben werden, um missbräuchliche Nutzung genetischer Erkenntnisse im Arbeitsleben und bei Versiche- rungsverhältnissen zu verhindern.

>Zuverlässige Pseudonymisierungsverfahren bei Proben-/Genbanken sind sicherzustellen.

>Die Regelungen müssen durch die Einführung von Straftatbeständen abgesichert werden.

Textkasten

Datenschützer Peter Schaar mahnt die ge- setzliche Regelung von Gentests an.

Foto:dpa

(2)

menhängen ist ein genereller Ausschluss von Gentests nicht sinnvoll. So sind bei- spielsweise Fälle denkbar, in denen die genetische Disposition des Arbeitneh- mers bei einer gefahrgeneigten Tätig- keit auch Dritte betreffen kann. Das Recht auf Nichtwissen könnte also in bestimmten Fällen eingeschränkt wer- den. Allerdings müssen die angeordne- ten Untersuchungen dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen.

Für die Nutzung von Genanalysen in der Forschung ist eine Personalisierung der Daten nicht notwendig. Schaar empfiehlt jedoch, ein mehrstufiges Pseudonymisierungsverfahren einzu- führen. Zu berücksichtigen sei, dass sich im Rahmen der Forschung Erkenntnis- se über individuelle Risikofaktoren ergeben können, die für die Betroffe- nen wichtig sind. In der Forschung mit humangenetischem Material sollten daher externe Treuhänder eingeschaltet werden. Zu regeln sind zum Beispiel die Löschungs- und Vernichtungsrechte der Betroffenen sowie die Aufbewah- rungsdauer von Proben.

Fortschrittliches Südkorea

Erheblich weiter als in Deutschland ist man in Südkorea mit der gesetzlichen Regelung der Gentechnologie. Anfang 2005 werde dort das „Gesetz über Bio- logische Ethik und Sicherheit“, das im Januar 2004 bekannt gemacht worden sei, in Kraft treten, berichtete Prof. Dr.

Dr. Jong Hyun Seok, Universität Seoul.

Das Gesetz enthält unter anderem Kapi- tel über die embryonale Erzeugung und Forschung, über Gentests, über den Schutz und die Nutzung genetischer In- formationen sowie zur therapeutischen Genforschung. Es sieht außerdem Straf- und Bußgeldvorschriften vor. Die Rege- lungen sind teilweise sehr detailliert: So wird ein Verbot zur Diskriminierung durch genetische Information bei An- stellungsverhältnissen und Beförderun- gen ausgesprochen. Das Kapitel „Gen- test“ regelt zum Beispiel die Überlas- sung, Zerstörung und Entsorgung von Testobjekten, die Fristen der Lagerung, ebenso die Akteneinsicht und -kontrolle.

Verboten seien auch Menschenklonung und Chimärenbildung in Südkorea, betonte Prof. Seok. Heike E. Krüger-Brand

T H E M E N D E R Z E I T

A

A1954 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 272. Juli 2004

W

ir haben es eigentlich weit ge- bracht: vom Eselskarren zur Marsrakete, von Medizinmann- Beschwörung zur Hightechmedizin, von der Keilschrift bis zu Microsoft-Word, von den Ärzteschulen in Rhodos, Kos und Knidos bis zur Kreuzfahrt- Weiterbildung nach Fidschi.

Aber wir haben es nicht geschafft, die unsäglichste aller so genannten „Dia- gnosen“, den omnipräsenten, omnipo- tenten „Zustand nach . . . “ zu liquidieren.

Seit Olims Zeiten und bis heute geistert dieser unselige „Zustand“ durch Arzt- berichte und Ausarbeitungen, die Auto- ren reichen bis in die höchsten Geistes- kreise und Zelebritäten hinauf.

Das kann doch Äskulap nicht ge- wollt haben! Ein Schuldiger muss her!

Von weit her! Als Schuldigen tippe ich auf Thessalos, den „Methodiker“, den griechischen Arzt aus Trailleis in Karien, den wohl erfolgreichsten Praktiker aus dem ersten Jahrhundert n. Chr. in Rom zu Zeiten Neros, des ersten „Kassen- löwen“ der Geschichte.

Rühmte er sich doch – wie Galen schrieb –, mit seiner stark vereinfachten Krankheitslehre nicht nur Ärzte in sechs Monaten ausbilden zu können, sondern auch sehr viel weniger Zeit für die Behandlung eines einzelnen Kranken zu benötigen als die Vertreter der traditio- nellen hippokratischen Medizin und so einen großen Patientenkreis im wach- senden Rom betreuen zu können.

An der Börse in Rom begann der Kurs „Salus aegroti suprema lex“ da- mals zu fallen.

Was ist denn nun ein „Zustand nach . . . “, mit welchem Appendix auch im- mer? Auf jeden Fall ist er erst einmal eine Crux aller Ämter, aller Versiche- rungen, aller Gutachter und Kassen etc., die diesen „Zustand nach . . . “ bewerten müssen, umsetzen müssen in Behinde- rungen, in GdB oder MdE, in Arbeits- fähigkeit, in Arbeitsunfähigkeit, BU oder EU.

Aber wie sagte schon Kurt Tucholsky:

„Dazu gehört noch, Rauch in Klumpen zu ballen.“

Was interpretiere ich alles in den

„Zustand nach . . . “ hinein? Alles oder nichts oder das Gegenteil? Gesund oder todsterbenskrank?

Jedes Organ, jedes Syndrom – und daran leiden wir ja gar keinen Mangel – kann ich damit belegen.

Was ist schon zum Beispiel ein „Zu- stand nach Cholecystektomie?“ Die Möglichkeit eines fortgesetzten Eisbein- konsums mit doppeltem Wodka oder die diätetische Enthaltsamkeit in der „Edel- fress-und Saufwelle vom Feinsten?“

Der „Zustand nach . . . “ ist doch nur eine Gedankenlosigkeit, eine schlag- wortumnebelte Begriffslosigkeit, ein Schallwort, eine partielle Lokalanästhesie

des Geistes, eine Strategie minimaler Anstrengungen, ein Fall für den Altpa- piercontainer, ein global existierender Nonsens!

Aufschrei der „wissenschaftlichen Gre- mien!“ Ich weiß! Ich weiß! Doch es wird sicher welche geben, die mir die „wissen- schaftliche Berechtigung“ des „Zustandes nach“ beweisen werden wollen.

Aber verwenden wir nicht viel zu viel Mühe mit den Tausenden Appendices des „Zustandes nach“ in den Zeiten knapper Zeit und limitierter Budgets?

Ich hätte da einen Vorschlag: Machen wir es uns doch einfacher. Wie wäre es denn mit einem „Zustand nach Ge- burt“? Den habe ich noch nicht gelesen.

Da haben wir doch gleich alles, aber auch alles drin! Jegliche Epikrise kann dann entfallen. Da kann sich jeder her- aussuchen, was er will.

Oder sollen wir ein „Festkomitee der Vereinigung zur ordnungsmäßigen Er- schießung verurteilter Wörter“ frei nach Christian Morgenstern gründen?

Sollen wir ganz einfach einen Virus in die Festplatte einbauen, damit der Com- puter sich weigert, einen „Zustand nach“ zu schreiben? Oder sollen wir doch lieber auf den „geistigen Quanten- sprung“ hoffen, der uns von dieser unsäglichen Altlast einer medizinisch- diagnostischen Phraseologie befreit?

Ihr „Zustand nach Geburt“.

Dr. med. I. N. Seider

GLOSSE

Der „Zustand nach . . . “

oder: „Es genügt nicht nur, keinen Gedanken zu haben, man

muss ihn auch nicht ausdrücken können“ (Kurt Tucholsky)

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Ver- wunderlich ist auch, wie offenbar immer noch ärztliche wie politi- sche Mandatsträger überhaupt glauben, ihre Definition men- schenwürdigen Sterbens über die eines

Ärztinnen und Ärzte, deren Teil- zeit-Weiterbildung bei einem späteren Antrag auf Anerkennung für ein Gebiet berücksichtigt wer- den soll, wird dringend geraten, sich

Neben dem Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient umfasst der Schutzzweck der ärztlichen Schweigepflicht auch die Wahrung des Patientengeheimnisses, dessen Verletzung

Description: World's Fairs and Expositions Section I am the co-chair of the World's Fairs and Expositions Section of the Popular Culture Association/American Culture Association.

 Arbeitsbedingungen sind so zu gestalten, dass die Gesundheitsgefährdung der Beschäftigten durch Exposition gegenüber künstlicher optischer Strahlung entweder beseitigt oder auf

Im Zusammenhang mit europäischen Regelungen zur Zuwanderung von Erwerbstätigen stellen DGB und Gewerkschaf- ten fest, dass eine „rein nationale Gestaltung der Ein- und Zuwanderung

Wenn auch davon ausgegangen werden kann, dass das Erstellen einer (elektronischen) Patientendatei bereits aus dem Zweck des Behandlungsvertrages hergeleitet werden kann, gilt

Das gemeinsame Bemühen der Ver- tragspartner hat in den letzten Jah- ren dazu geführt, daß die Kosten- entwicklung für die ambulante ärzt- liche Versorgung im Rahmen