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Archiv "Estrogensubstitution in der Menopause: Eine Veröffentlichung des Wissenschaftlichen Beirats der American Medical Association (AMA)" (25.11.1983)

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin ÜBERSICHTSAUFSATZ

Das Council an Scientific Affairs der American Medical Association (AMA) veröffentlichte im Journal American Medical Association (JAMA) 249 (1983), Seite 359 ff.

eine Stellungnahme zur Östrogen- substitution (neuerdings laut „Ro- te Liste" auch „Estrogen" ge- schrieben) in der Menopause.

Sie schien uns auch für die Mehr- zahl der deutschen Ärzte von größtem Interesse. Mit freundli- cher Genehmigung der deutschen Ausgabe des JAMA (Manfred Bol- schakoff) veröffentlichen wir des- halb diesen Beitrag.

Er wurde vom Geschäftsführer der Arzneimittelkommission der deut- schen Ärzteschaft, Dr. Karl-Heinz Kimbel, übersetzt. Wir haben über- dies einen der besten deutschen Kenner der Östrogentherapie, Pro- fessor Dr. Christian Lauritzen, Ulm, gebeten, einen Kommentar zu den Verlautbarungen der AMA zu schreiben, den wir im Anschluß an diesen Beitrag veröffentlichen.

Rudolf Gross, Köln

Der wissenschaftliche Beirat der American Medical Association be- faßte sich aufgrund eines Ab- schnitts der Empfehlung 5 des Ku- ratoriumsreports X „Ad hoc-Komi- tee für weibliche Ärzte im öffentli- chen Dienst", die auf der außeror- dentlichen Tagung 1980 an den Beirat verwiesen wurden, mit eini- gen Aspekten der medizinischen Behandlung der Frau in der Meno- pause. In der letzten Zeit hatten Berichte, die eine Zunahme des Korpuskarzinoms auf Estrogenga- be in der Menopause bezogen, Ärzte und ihre Patientinnen ver- ständlicherweise verunsichert.

Im Juli 1977 verlangte der Leiter der amerikanischen Nahrungs- und Arzneimittelkontrollbehörde (FDA) einen neuen Warnhinweis für alle estrogenhaltigen Arznei- mittel. Im September 1979 hielt das amerikanische Bundesge- sundheitsamt eine Meinungsbil- dungskonferenz über „Estrogen- verordnung und Frauen in der Me- nopause" ab.

Der vorliegende Bericht beabsich- tigt, die genannten und weitere Veröffentlichungen aus der Per- spektive des praktizierenden Arz- tes darzustellen.

Vorteile der Estrogentherapie Osteoporose

Die Osteoporosehäufigkeit nimmt bei beiden Geschlechtern mit dem Alter zu; bei Frauen beschleunigt sich der Matrixverlust signifikant nach Abnahme der endogenen Estrogenproduktion durch natürli- che oder chirurgische Menopau- se. Durch diese Altersveränderung kommt es bei 25 Prozent weißer Frauen über 60 Jahren zu Wir- bel-Kompressionsfrakturen. Das Risiko pathologischer Frakturen hängt von familiären Gegeben- heiten und anderen, schlecht de- finierbaren Faktoren ab (Farbige scheinen z. B. relativ immun).

Frakturen der Hüfte und anderer Knochen sind bei älteren Frauen sogar noch häufiger und Haupt- krankheitsursache 'in dieser Popu- lation. Die Mortalität bei Hüftfrak- turen kann bis zu 15 Prozent be- tragen. Estrogensubstitution hält die Knochenresorption auf oder vermindert sie, fördert jedoch nicht die Knochenneubildung und

führt nicht zum Ersatz bereits ver- lorener Knochenmatrix. Auch wenn röntgenologisch kein Kno- chenersatz nachweisbar ist, las- sen gut kontrollierte Studien er- kennen, daß es unter Estrogenga- be seltener zu Wirbelfrakturen und zu solchen langer Röhrenknochen kommt.

Die Behandlung ist am wirksam- sten, wenn sie vor signifikantem Knochenschwund einsetzt, und kann diesen für mindestens 8 Jah- re verzögern; über längere Zeit- räume liegt keine Information vor.

Wird die Estrogenbehandlung ab- gesetzt, geht der Knochenabbau weiter. Zur vorbeugenden Be- handlung der Osteoporose sind wahrscheinlich geringere Estro- gendosen erforderlich als zur Be- handlung manifester Symptome oder zum Aufhalten bereits einset- zenden Knochenverlustes.

Allgemeine Übereinstimmung be- Steht darüber, daß Frauen, die vor- zeitig zur Menopause kommen, mit Estrogenen substituiert wer- den sollten, zumindest für die mitt- lere Menopausendauer, um einen vorzeitigen Knochenabbau zu ver- zögern. Die Entscheidung über ei- ne Estrogensubstitution aus glei- chem Grunde bei der normalen Patientin in der Menopause kann jedoch nur auf einer Nutzen-Risi- ko-Abschätzung bei der einzelnen Patientin geschehen. Die Dauer ei- ner solchen Behandlung ist eben- falls eine Sache individueller Ent- scheidung.

Vulvovaginale Atrophie

Viele Frauen klagen in der Post- menopause über Beschwerden durch Atrophie der urogenitalen Gewebe (z. B. vaginale Reizzu- stände, Dyspareunie oder Sympto- me einer sterilen Urethritis). Vulva, Vagina, Urethra und Trigonum ve- sicae haben einen gemeinsamen embryologischen Ursprung und sprechen daher auf Estrogene an.

Estrogene stimulieren die Prolife- ration der Vulva und des vaginalen und urethralen Epithels, vermeh-

Estrogensubstitution in der Menopause

Eine Veröffentlichung des Wissenschaftlichen Beirats der American Medical Association (AMA)

Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 47 vom 25. November 1983 53

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Estrogensu bstitution

ren die Blutversorgung in diesem Bereich und bessern die Folgeer- scheinung der Atrophie. Orale und lokale Präparate sind wirksam. Die urethralen Symptome infolge Atrophie können rezidivieren und sprechen auf erneute Therapie an.

„Fliegende Hitzen"

Etwa 75 Prozent aller Frauen ha- ben in der Perimenopause oder später Hitzewallungen. Das Pro- blem bleibt bei etwas mehr als 20 Prozent 5 Jahre oder länger beste- hen. Estrogene haben einen nach- weisbaren und deutlichen Effekt auf Zahl und Heftigkeit dieser Epi- soden und können sie zum Ver- schwinden bringen. Estrogene sind die wirksamste Behandlung dieser Beschwerden und übertref- fen den häufig beobachteten Pla- ceboeffekt. Andere Medikamente, z. B. wenn Estrogene kontraindi- ziert sind, sind weniger wirksam, z. B.: Medroxyprogesteron-acetat, Clonidin und Propranolol. Nach Absetzen der Estrogenbehand- lung kehrt die Symptomatik wie- der, weswegen langsam aus- schleichend abzusetzen ist. Die zur Kontrolle der vasomotorischen Beschwerden notwendige Dosis variiert beträchtlich von Patientin zu Patientin und von Estrogen zu

Estrogen.

Andere Indikationen

Gut belegt ist, daß Frauen vor der Menopause seltener an Koronar- gefäßerkrankungen leiden als Männer. Eine Hypothese, dies zu erklären, ist, daß der Schutz durch die hohen zirkulierenden Estro- genspiegel erst in der Prämeno- pause wegfällt, wenn sich diese den Werten beim Manne annä- hern. Weiterhin wurde gezeigt, daß Estrogengabe den HDL-Spie- gel anhebt, von dem derzeit ange- nommen wird, daß er gegen Athe- rogenese schützt.

Der Eindruck, daß Estrogensubsti- tution in der Menopause gegen Myokardinfarkte schütze, wurde

durch eine neuere Fallkontrollstu- die in Zweifel gezogen. Deren Au- toren fanden einen 7fachen An- stieg der Infarktrate unter Estro- gengabe bei 39- bis 45jährigen Frauen. Alle außer einer Infarktpa- tientin waren jedoch Raucher. An- dererseits wurde die Möglichkeit einer Schutzfunktion der Estroge- ne durch eine Fallkontrollstudie an amerikanischen Kranken- schwestern bestärkt. Darüber hin- aus zeigten retrospektive Untersu- chungen an einer Rentnergemein- de in Los Angeles, daß unbehan- delte Frauen in der Menopause 2,3mal häufiger einen Myokardin- farkt bekommen als ihre estrogen- behandelten Kontrollen. Die Über- lebenszeit von Männern nach Myokardinfarkt wird jedoch durch Estrogengabe nicht verlängert, vielleicht sogar verkürzt. Es ist zweifelhaft, ob dieser Befund auf die Primärprävention der korona- ren Herzkrankheit bei der Frau mit Estrogenmangel übertragen wer- den kann; eine endgültige Klärung steht noch aus. Ob die Estrogen- substitution die ihr von einzelnen Patientinnen zugeschriebenen weiteren Wirkungen, wie z. B. auf Angst, Nervosität, Ermüdung und Schlaflosigkeit, hat, ist schwer ob- jektiv zu sichern.

Risiken der Östrogen-Therapie

Korpuskarzinom

Die Häufigkeit des Korpuskarzi- noms bei nicht estrogenbehandel- ten Frauen in der Menopause be- trägt etwa 1 Promille. Drei Fallstu- dien zeigten, daß Estrogenbe- handlung mit einer 2- bis 8fachen Zunahme des relativen Korpuskar- zinomrisikos einhergeht, wenn konjugierte Estrogene täglich für zwei bis vier Jahre gegeben wer- den. Das relative Risiko schien nach Absetzen abzunehmen. Das erhöhte Behandlungsrisiko schien bei Frauen mit bekannten prädis- ponierenden Faktoren, wie Fett- sucht und Nulliparae, nicht ganz so deutlich. Es ist wichtig festzu- halten, daß Grund zur Annahme besteht, daß sich unter Estrogen-

gabe entwickelnde Tumoren weni- ger „aggressiv" zu sein scheinen als solche bei Unbehandelten. Un- ter regelmäßiger Überwachung können solche frühen Tumoren 5- Jahres-Überlebensraten von 90 bis 95 Prozent erreichen.

Der Vergleich einer Gruppe von Korpuskarzinompatientinnen mit einer solchen gesunder Frauen bezüglich vorausgegangener Estrogengabe führt zu den allen Fallkontrollstudien inhärenten Einwänden: keine experimentelle Kontrolle anderer wichtiger Para- meter, die mit der Arzneimittelga- be korreliert sein könnten, retro- spektiv erhaltene Daten, hohe An- teile nicht kooperierender Frauen und angreifbare Paarung von Be- handelten und Kontrollen.

Jede der drei genannten Studien wurde wegen ein oder dem ande- ren dieser Einwände angegriffen.

Darüber hinaus besteht keine Übereinstimmung mit zwei frühe- ren und einer neueren prospekti- ven Studie, die keine Relation zwi- schen Korpuskarzinom und Estro- geneinnahme fanden. Man be- mühte sich nicht immer, die histo- logische Malignitätsdiagnose si- cher von einer atypischen Hyper- plasie abzugrenzen. Die meisten dieser Einwände konnten jedoch in einer neueren Studie ausge- schlossen werden. Die positiven klinischen Beobachtungen eines Zusammenhangs stimmen auch mit Tierversuchen überein, bei de- nen die Häufigkeit von Brust-, Zer- vikal- Vaginal- und Leberkarzino- men durch Langzeitgabe estroge- ner Substanzen erhöht wurde. Sie werden auch indirekt durch die Beobachtung gestützt, daß das re- lative Risiko mit steigender Dosis und Anwendungsdauer zunimmt, und durch die Tatsache, daß die Inzidenzraten des Korpuskarzi- noms in acht verschiedenen Re- gionen der Vereinigten Staaten in einem dem zunehmenden Estro- genverbrauch entsprechenden Ausmaß zunahmen. Dabei ist je- doch zu bedenken, daß die Häufig- keitszunahme nicht von einer er- höhten Mortalität, sowohl regional

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Estrogensubstitution

wie national, begleitet war. Das mag auf frühzeitige Diagnose und Behandlung, aber auch auf die ge- ringere Malignität der Tumoren bei estrogenbehandelten Frauen zurückzuführen sein.

Diese widersprüchlichen Ergeb- nisse legen jedoch nahe, daß

Estrogengabe die Korpuskarzi- nomhäufigkeit signifikant erhöht und

le dagegen die Mortalität der Er- krankung unbeeinflußt läßt.

Das erhöhte Korpuskarzinomrisi- ko wurde zunächst auf konjugierte Estrogene bezogen, was jedoch durchaus durch die Prädominanz dieser Estrogene (in den USA) be- dingt sein kann. Da jedoch von einem gleichen Wirkungsmecha- nismus der Estrogene ausgegan- gen werden kann, sollte bis zum Beweis des Gegenteils für alle Estrogene von entsprechenden therapeutischen und unerwünsch- ten Wirkungen ausgegangen wer- den. Angenommen wird, daß die zyklische Estrogengabe weniger gefährlich als die kontinuierliche sei, was jedoch nicht durch eine Fallkontrollstudie bestätigt wird.

Dagegen findet der Gestagenzu- satz zu zyklischer Estrogengabe zunehmend Unterstützung. Frau- en, die mit einer Estrogen-Gesta- gen-Kombination behandelt wer- den, haben eine niedrigere Kor- puskarzinomhäufigkeit als solche, die nur ein Estrogen bekamen.

Das Gestagen wird im allgemeinen während der letzten 7 bis 10 Tage des Behandlungszyklus gegeben.

Dabei treten Entzugsblutungen in der frühen Menopause häufiger auf, sie können jedoch durch nied- rigere Estrogendosen vermindert werden.

Blutungskomplikationen

Blutungskomplikationen beglei- ten häufig die Estrogengabe. Sie müssen bei der Frau in der Post- menopause als abnormal angese- hen werden. In jenem Falle ist ein

mögliches Malignom durch Endo- metriumbiopsie auszuschließen.

Reduktion der Estrogendosis hilft, die Blutung zu kontrollieren. Auch ohne Blutung ist ein jährlicher Zervikalabstrich obligat; einige Sachkenner empfehlen sogar eine jährliche Endometriumbiopsie.

Andere unerwünschte Wirkungen Abnormal hohen Estrogenspie- geln wird eine Reihe systemischer Wirkungen zugeschrieben, z. B.

gehäufte Gallenblasenerkrankun- gen, thromboembolische Ereig- nisse, gutartige Adenome in der Leber, Hypertonie und verminder- te Glukosetoleranz. Diese Beden- ken resultieren hauptsächlich aus epidemiologischen Untersuchun- gen jüngerer Frauen unter hormo- naler Kontrazeption. Es fragt sich jedoch, ob diese Beobachtungen auch auf die Estrogenbehandlung von Frauen in der Postmenopause mit wesentlich niedrigeren exoge- nen Estrogenspiegeln übertragen werden dürfen. Bei dem in der Postmenopause üblichen Dosis- bereich werden vornehmlich Was- serretention, Brustvergrößerung und Zunahme vorbestehender Uterusmyome beobachtet. Alle Untersuchungen, die einen mögli- chen Zusammenhang zwischen Estrogengabe in der Menopause und Brustkrebs überprüften, erga- ben keinen diesbezüglichen An- halt.

Abschätzung

des relativen Risikos

Vor Beginn einer Estrogenthera- pie müssen Arzt und Frau in der Menopause abschätzen, ob der re- lative Nutzen der Estrogengabe dem relativen Risiko bei eben die- ser Patientin entspricht. Kein Arz- neimittel ist ohne Risiko, dieses muß jedoch gegen das Risiko sei- ner Nichtanwendung abgewogen werden. Insbesondere sind die Möglichkeit der Auslösung einer Uterusblutung, die Notwendigkeit jährlicher zytologischer oder hi- stologischer Endometriumunter-

suchung und das relativ seltene Korpuskarzinomrisiko gegen die Risiken einer Osteoporose, eines Myokardinfarkts wie auch gegen die lästigen Hitzewallungen und verminderte Vaginalsekretion ab- zuwägen. Das Risiko eines tödli- chen Korpuskarzinoms nach 2- bis 4jähriger Estrogentherapie war in den genannten Fallkontrollstudien niedriger als die Karzinomletalität durch 20 Zigaretten täglich. Es muß auch bedacht werden, daß die Estrogendosis zur Zeit dieser Studien noch höher als heute war.

Die Nutzenabschätzung ist noch ungenauer als die des Risikos; nur der Patient selbst kann den Nut- zen der Beseitigung der Hitzewal- lungen und der Scheidenatrophie abschätzen. Die Verhütung der Osteoporose und von Hüft- oder Wirbelfrakturen sind die am objek- tivsten demonstrierbaren Erfolge einer Estrogensubstitution. Ein Schutz gegen Myokardinfarkt ist noch nicht eindeutig bewiesen, die Möglichkeit sollte jedoch bei der Nutzenabschätzung erwogen werden. Der wissenschaftliche Beirat empfiehlt, daß die American Medical Association sich hinter die folgenden Prinzipien der Be- handlung der Frau in der Meno- pause stellt:

Wie bei jeder Arzneitherapie sollten Estrogene nur bei erfolg- versprechenden Indikationen in der geringstwirksamen Dosis und für die kürzestmögliche, therapeu- tisch notwendige Dauer gegeben werden.

Estrogene sind zur Behand- lung oder Vorbeugung vasomoto- rischer Hitzewallungen, urogenita- ler Atrophie und Osteoporose wirksam. Neue Anhaltspunkte sprechen auch für einen Schutzef- fekt gegen gewisse Manifestatio- nen atherosklerotischer Herzver- änderungen.

Werden Estrogene nichthyster- ektomierten Frauen in der Meno- pause gegeben, sollten sie zy- klisch verabreicht werden, um kontinuierliche Stimulation des Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 47 vom 25. November 1983 59

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Zur Fortbildung Aktuelle Medizin Estrogensubstitution

Endometriums zu vermeiden. In den letzten 7 bis 10 Tagen des Behandlungszyklus kann ein Ge- stagen hinzugefügt werden.

Lokale Estrogengabe ist zur Behandlung der vulvovaginalen Atrophie angezeigt; angesichts der guten Resorption durch das intakte, aber atrophische Epithel, muß auch hier die verabreichte Gesamtdosis in Betracht gezogen werden.

Bei einer Patientin in der Post- menopause muß jeder vaginalen Blutung prompt nachgegangen werden.

O Auch asymptomatische Patien- ten unter Estrogenbehandlung müssen zumindest jährlich, auch histologisch oder zytologisch überwacht werden. Dazu gehört auch die vaginale und Brustunter- suchung, wie auch eine Blut- druckmessung.

el

Eine Estrogensubstitution ist insbesondere kontraindiziert bei Patientinnen mit östrogenabhän- gigen Brusttumoren oder einer Vorgeschichte solcher Tumoren.

(;) Wie bei allen therapeutischen Entscheidungen muß auch bei der Estrogenbehandlung in der Meno- pause eine vollständige Informa- tion über relativen Nutzen und Ri- siken vor Therapiebeginn erfol- gen. Ebenso sollte die Frage, ob eine Fortsetzung der Therapie not- wendig ist, regelmäßig gestellt werden.

Literatur beim Sonderdruck Council on Scientific Affairs, American Medical Association, 535 N Dearborn St. Chicago, IL 606 10 (Richard J. Jones, MD).

Kommentar

Das Council on Scientific Affairs hat eine sehr gute, ausgewogene Darstellung des Problems gege- ben, aus der man ersieht, daß die

Estrogentherapie zahlreiche Vor- teile hat und daß mögliche Nach- teile offenbar durch Überdosie- rung oder nicht regelrechte Be- handlung resultieren. In der Dar- stellung sind meines Erachtens die Vorteile einer Estrogenbe- handlung etwas zu kurz gekom- men. Hervorzuheben sind die Wir- kung auf die Lebensqualität, die Leistungsfähigkeit, die psychische Stabilität, die Konzentrations- und Merkfähigkeit sowie die Beseiti- gung von depressiven Verstim- mungen. Ferner die positiven Ef- fekte auf die Haut und Anhangsor- gane, insbesondere verbesserte Durchblutung, besseres Wasser- bindungsvermögen, Verminde- rung der Faltenreliefs, Verbesse- rung der Elastizität und der Proli- feration der Epidermis. Bei den atrophischen Genitalveränderun- gen wäre der positive Einfluß auf die Harninkontinenz zu erwähnen.

In letzter Zeit sind mehrere Stu- dien erschienen, in denen auch ein günstiger Einfluß auf die ge- samte Morbidität und Mortalität hervorgehoben wird. Dies stimmt mit unseren eigenen Untersu- chungen überein, die ergaben, daß Morbidität und Mortalität bei langzeitiger Estrogenbehandlung deutlich niedriger liegen als bei entsprechenden unbehandelten Vergleichskollektiven. Wir selbst konnten eine Erhöhung von Gal- lenblasenerkrankungen, Throm- boembolien, Hypertonie und Stö- rungen der Glukosetoleranz in un- serem Kollektiv nicht nachweisen.

Dies liegt aber sicherlich daran, daß wir im Gegensatz zu den Ame- rikanern immer mit der niedrigst möglichen Dosis und auch immer zyklisch behandelt haben. Im Ge- gensatz zu den USA wird in der Bundesrepublik Deutschland auch viel Östriol verwendet, das zu keinen nachteiligen Stoffwechsel- wirkungen führt (allerdings auch die Osteoporose nicht beeinflußt).

Die in dieser Arbeit erwähnte Un- tersuchung mit erhöhter Throm- boemboliehäufigkeit bei Männern beruht auf einer exzessiv hohen Dosierung von 5 mg konjugierten Estrogenen bei Hochrisikopatien-

ten. Solche Untersuchungen soll- ten in einer Arbeit, in der über Estrogenbehandlung mit niedri- gen Dosen bei Frauen berichtet wird, nicht erwähnt werden, da hier nur falsche Schlußfolgerun- gen gezogen werden könnten.

Durch starkes Rauchen können al- lerdings, wie in der Arbeit auch hervorgehoben, die positiven Wir- kungen der Estrogene auf Morbi- dität und Mortalität wieder aufge- hoben werden. Nutzen-Risiko- Analysen wurden kürzlich auch von Utian und von meinem frühe- ren Mitarbeiter Schneider durch- geführt, die zu einem sehr positi- ven Ergebnis kamen. Mit den Empfehlungen zur Behandlung können wir uns nur einverstan- den erklären, diese werden bei uns und im allgemeinen auch in der Bundesrepublik Deutschland schon seit langem befolgt. Erfreu- lich ist, daß sich diese Grundsätze jetzt in den USA auch durchzuset- zen beginnen.

Es sollte noch darauf hingewiesen werden, daß die neuerdings mögli- che perkutane Östradioltherapie eine Therapie fast ganz ohne Risi- ko darstellt. Das Östradiol wird durch die Haut unverändert und fast vollständig - resorbiert. Es kommt zu Blutspiegeln, die prak- tisch denen im normalen Zyklus ähneln. Durch die Umgehung der ersten Passage durch die Leber treten fast gar keine unerwünsch- ten Stoffwechselreaktionen auf, so daß wir dieses Präparat (Östro- gel®) auch bereits bei Risikopa- tienten ohne unerwünschte Ne- benwirkungen anwenden konn- ten; das Präparat wird voraus- sichtlich in Kürze auch in der Bun- desrepublik Deutschland in den Handel gelangen. Wann immer möglich, ist dem Östrogen in der zweiten Behandlungsphase ein Gestagen hinzuzufügen.

Professor Dr. med.

Christian Lauritzen Zentrum für Gynäkologie und Geburtshilfe

der Universität Ulm Prittwitzstraße 43 7900 Ulm/Donau 60 Heft 47 vom 25. November 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

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