• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Familiengerichte sollen früher eingreifen" (27.07.2007)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Familiengerichte sollen früher eingreifen" (27.07.2007)"

Copied!
1
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

A2102 Deutsches ÄrzteblattJg. 104Heft 3027. Juli 2007

P O L I T I K

E

in 17-jähriges drogenabhän- giges Mädchen bringt auf ei- ner gynäkologischen Station ein Kind zur Welt und verlässt diese drei Tage später allein. „Was ge- schieht mit den beiden?“, fragte sich Dr. med. Ursula von der Leyen, die vor etwa 20 Jahren auf eben dieser Station als junge Ärztin tätig war.

Die Situation ist der heutigen Bun- desfamilienministerin noch sehr präsent. „Die meisten gehen immer noch so aus der Klinik.“ Es sei Zu- fall, wenn jemand interveniere.

Künftig will von der Leyen das Schicksal von Kindern aus Famili- en, deren Lebensalltag durch Sucht, Drogen, Alkohol, Gewalterfahrun- gen, Armut und Arbeitslosigkeit ge- prägt ist, nicht mehr dem Zufall überlassen, sondern systematische Hilfe anbieten. Schätzungen zufol- ge werden fünf bis zehn Prozent al- ler Kinder im Alter bis sechs Jahre vernachlässigt. Gerade die Vernet- zung zwischen dem Gesundheits- wesen und der Kinder- und Jugend- hilfe funktioniert in Deutschland nicht besonders gut, denn die Syste- me sind traditionell voneinander ge- trennt, die Sprache ist eine andere.

Das haben nicht nur die spekta- kulären Fälle von Kindesmisshand- lung in der letzten Zeit gezeigt: Bei

Jessica, Dennis und Kevin gab es

„ganz viele Brüche in der Hilfeket- te“, sagt von der Leyen. Das neu er- richtete Nationale Zentrum Frühe Hil- fen in Köln soll durch Fehleranaly- sen und Forschung helfen, die Sys- temgrenzen zu überwinden. Träger sind die Bundeszentrale für gesund- heitliche Aufklärung (BZgA) und das Deutsche Jugendinstitut (DJI).

Gefördert wird das Zentrum mit 3,9 Millionen Euro bis 2010 vom Bun- desfamilienministerium; es soll ein zentraler Punkt im Bundespro- gramm „Frühe Hilfen für Eltern und Kinder und soziale Frühwarnsyste- me“ sein, für das der Bund weitere 6,1 Millionen Euro (bis 2010) auf- wendet, davon 5,3 Millionen allein für Modellprojekte in den Bundes- ländern. Im Fokus stehen Risiko- familien mit Kindern bis drei Jahre.

Das Nationale Zentrum soll für Informationsaustausch und Bünde- lung der Erfahrungen der Modell- projekte sorgen. Nach Aussage der Ministerin gibt es inzwischen bun- desweit 70 Best-Practice-Modelle.

Das Zentrum soll das Entstehen lo- kaler und regionaler Netzwerke un- terstützen, die die Hilfen des Ge- sundheitswesens mit den Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe ver- knüpfen. Auch wenn in manchen

Regionen der Leiter des öffentlichen Gesundheitsamts mit dem Leiter des Jugendamts „wunderbar koope- riert“, wie von der Leyen feststellte,

„gibt es noch viele weiße Flecken“.

Ärzte und Hebammen sehen die Kinder oft als einzige

Ärzten und Hebammen kommt beim Kinderschutz eine besondere Rolle zu. Denn sie sehen die problembelas- teten Familien meist als erste – und oftmals auch als einzige in den ers- ten drei Lebensjahren des Kindes.

„Gerade das Alter von null bis drei ist aber für die Entwicklung des Kin- des entscheidend“, betont Prof. Dr.

Elisabeth Pott, Direktorin der BZgA.

„Solch kleine Kinder können die Pro- bleme ihrer Eltern nicht kompensie- ren.“ Verhaltensauffälligkeiten, Ent- wicklungsverzögerungen oder auch Sprachlosigkeit des Kindes aufgrund von Vernachlässigung fallen meist erst auf, wenn es in den Kindergarten kommt. Deshalb sei es wichtig, dass Ärzte und Hebammen in der Geburts- hilfe und Kinderärzte bei den Vorsor- geuntersuchungen besonders sensibi- lisiert werden, um einer Vernachlässi- gung vorzubeugen. Sei das Problem einmal erkannt, könne die Kinder- und Jugendhilfe effektiv tätig wer- den, betonte Prof. Dr. Rauschenbach, Direktor des DJI: „Von der Präven- tion durch Elternbildung bis zur in- tensiven sozialpädagogischen Be- gleitung in Krisensituationen.“

Der 17-jährigen drogenabhängi- gen Mutter könnte heute nach der Klinikentlassung eine Familien- hebamme zur Seite gestellt werden, die ihr mit dem Kind hilft und schaut, ob sie überfordert ist. Idea- lerweile kooperiert die Hebamme mit dem Jugendamt. Die kritischste Zeit für Kindstötungen ist das erste

Lebensjahr. n

Petra Bühring

KINDESVERNACHLÄSSIGUNG UND -MISSHANDLUNG

Viele Brüche in der Hilfekette

Zum Schutz von Kindern sollen die Systeme des Gesundheitswesens und der Kinder- und Jugendhilfe besser miteinander verzahnt werden.

Dazu soll auch das neue Nationale Zentrum Frühe Hilfen in Köln beitragen.

FAMILIENGERICHTE SOLLEN FRÜHER EINGREIFEN

Familiengerichte sollen künftig im Interesse vernachlässigter oder misshandelter Kinder früher eingreifen können. Das Bundeskabinett hat dazu am 11. Juli einen Gesetzentwurf be- schlossen. „Bislang werden Familiengerichte in der Praxis leider zu spät angerufen, wenn nur noch mit der Entziehung der elterlichen Sorge reagiert werden kann“, sagte Bundesjustiz- ministerin Brigitte Zypries, auf deren Vorschlag der Gesetzentwurf beruht. Die Neuregelung er-

laubt es den Familiengerichten, frühzeitiger und stärker auf die Eltern einzuwirken, damit diese öffentliche Hilfen in Anspruch nehmen, um ihre Elternkompetenz zu stärken. Flankie- rend soll es auch zu einer besseren Zusam- menarbeit zwischen Justiz und Jugendhilfe kommen. Es wird erwogen, Arbeitskreise einzu- richten, in denen sich Familienrichter, Jugend- amtsmitarbeiter, Polizisten, Jugendrichter und -staatsanwälte an einen Tisch setzen. PB

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Ist das Netzwerk Frühe Hilfen am Nutzen der Kinder (und Eltern) als Adressatinnen und Adressaten orientiert, indem die Entscheidungs- und Fachkompetenzen der be- teiligten Träger

Netzwerkbestrebungen des Paritätischen in Bonn und des Caritasverbandes für die Stadt Bonn e.V., Teilnahme der Stadt Bonn im Bundesprojekt „Aus Fehlern lernen“..

multiprofessionellen Angebots im Hinblick auf die Entwicklung von Kindern vor allem in den ersten Lebensjahren für Mütter und Väter sowie schwangere Frauen und werdende Väter

Konkrete Aufgabe des NZFH ist es unter anderem, Forschungslücken im Bereich der Frühen Hilfen zu schließen und das bereits vorhandene Wissen so aufzubereiten, dass alle

„Frühe Hilfen für Eltern und Kinder und soziale Frühwarnsysteme“.. Qualitätsdimensionen

Frühe Hilfen für Eltern und Kinder – Beiträge der Kinder- und

Prof. Carol Hagemann-White, die als eine der ersten Sozialwissenschaftlerinnen in der Bundesrepublik das Thema „Gewalt im Geschlechterverhältnis“ bereits Mitte der 1970er

• Kurse für alle interessierten Eltern über den gesamten Landkreis verteilt.. Familienhebammen –