Quaternionen und Oktaven
Handout zum Vortrag zur Computeralgebra, 26.11.2010 Christian Staerk
§ 1 Definitionen und einige Eigenschaften
(1.1) Definition (Quaternionen)
Die Menge derQuaternionenist die folgende komplexe Matrixgruppe H:={ a b
−b a
!
; a,b∈C} ∼= {(a,b); a,b∈C}=C×C.
(1.2) Lemma
a) H ist ein reeller Untervektorraum der Matrixalgebra C2×2, jedoch kein komplexer Untervektor- raum.
b) Hist eine reelle Unteralgebra von C2×2 mit folgender (von der Matrixmultiplikation induzierten) Multiplikation aufH∼=C×C:
(a,b)(c,d) = (ac−bd,ad+bc). (1) Im Folgenden identifiziereHmitC×Cund dieser Multiplikation.
c) Die Multiplikation (1) aufHist assoziativ, jedoch nicht kommutativ.
(1.3) Definition
Sei(a,b)∈C×C=H. Dann heißt(a,b):= (a,−b)dieKonjungiertezu (a,b).
Weiter sei |(a,b)|:= q
|a|2+|b|2der gewöhnliche euklidische Betrag.
(1.4) Lemma
Für x,y∈Hunds∈Rgilt:
a) x+y= x¯+y¯ undsx=sx¯ b) xx¯ =|x|2
c) xy=y¯x¯
d) |xy|= |x| |y|
(1.5) Definition (Quaternionen2)
H := {x = x0+x1i+x2j+x3k; x0,x1,x2,x3 ∈ R}heißt die Menge derQuaternionen. Dabei sei 1,i,j,k eine Orthonormalbasis bezüglich des Standardskalarproduktes des R4. AufHdefiniere die Addition komponentenweise und die Multiplikation nach den berühmtenHamilton-Regelnauf den Basiselemen- ten:
i2 =j2 =k2 =−1
ij=−ji=k; ki= −ik =j; jk=−kj=i, (2)
sowie 1r =r1 für r∈ {1,i,j,k}.
(1.6) Definition (Oktaven)
O :={(a,b); a,b∈ H}heißt die Menge derOktaven. Auf dieser Menge definiere die Addition werte- weise und die Multiplikation für(a,b),(c,d)∈Owie folgt
(a,b)(c,d):= (ac−db,¯ da+bc¯) (3)
(1.7) Lemma
a) Owird mit der Multiplikation (3) zu einerR-Algebra.
b) Die Multiplikation aufOist weder kommutativ noch assoziativ.
(1.8) Definition
Definiere Konjugation aufOanalog zu (1.3).
(1.9) Lemma
Analog zu (1.4) mit Konjugation auf O.
(1.10) Satz (Artin)
Jede Unteralgebra von O, die nur von höchstens zwei Elementen erzeugt wird, ist assoziativ. Man
nenntOauch einealternative Algebra.
(1.11) Definition (Oktaven2)
O:={x =x0+x1e1+x2e2+x3e3+x4e4+x5e5+x6e6+x7e7; x0,x1, ..,x7∈R}
heißt die Menge der Oktaven. Dabei sei (1,e1,e2,e3,e4,e5,e6,e7) eine Orthonormalbasis bezüglich des Standardskalarproduktes des R8. AufO definiere die Addition komponentenweise und die Multipli- kation nach folgenden Regeln auf den Basiselementen:
e2n=−1 (4)
enen+1= en+3 =−en+1en (5) en+1en+3= en =−en+3en+1 (6) en+3en= en+1 =−enen+3 (7) wobei die Indizes modulo 7 mit dem Vertretersystem {1, 2, .., 7} gelesen werden müssen. Wie üblich sei 1r=r1 fürr∈ {1,e1,e2,e3,e4,e5,e6,e7}.
§ 2 Der Satz von Hurwitz
(2.1) Definition
Sei Aeine Algebra überR.
a) AheißtDivisionsalgebra, wenn jede Gleichung vom Typux =voderxu=vmitu,v∈ A,u6=0 eine eindeutig bestimmte Lösungx∈ Abesitzt.
b) Aheißtnormierte Algebra, wenn sie mit einer Norm|| : A →R versehen ist, die von einem Skalar- produkt (−| −) : A×A → R induziert wird, das heißt|a| = p(a|a) für a ∈ A. Weiter soll die Norm multiplikativ sein, das heißt es soll|xy|=|x| |y|für alle x,y∈ Agelten.
c) AheißtSchiefkörper, falls Aeine assoziative Divisionsalgebra ist.
(2.2) Satz
Jede normierte Algebra ist eine Divisionsalgebra.
(2.3) Lemma
a) Hist eine Divisionsalgebra, und somit ein Schiefkörper.
b) Oist eine Divisionsalgebra.
Sei im Folgenden A eine normierte Algebra über R mit Eins. Statt mit der Norm arbeiten wir hier lieber mit der von ihr induziertenanisotropen quadratischen Form N : A7→R, N(x):=|x|2, dieN(xy) = N(x)N(y),N(λx) =λ2N(x)und N(x) =0⇔x =0 fürx,y∈ A, λ∈Rerfüllt. Dann ist
(x|y) = N(x+y)−N(x)−N(y)
2 . (8)
Wir werden immer wieder benutzen, dass(x|t) = (y|t)für allet ∈ Aauch x=yimpliziert.
(2.4) Lemma
Es gilt für allex,y,z,u∈ A:
(xy|xz) =N(x) (y|z)und (xz|yz) = (x|y)N(z) (9) (xy|uz) =2(x|u) (y|z)−(xz|uy) (10) Für x∈ Aführen wir die formale Konjugation ¯x:=2(x|1)−xein. Sie hat folgende Eigenschaften:
(2.5) Lemma
Es gilt für allex,y,z∈ A:
(xy|z) = (y|xz¯ ) und (xy|z) = (x|zy¯) (11)
x¯¯ =x (12)
xy=y¯x¯ (13)
x+y=x¯+y¯ (14)
(2.6) Lemma
Sei H eine echte Unteralgebra von A mit Eins, i ∈ A sei ein Einheitsvektor (d.h. N(i) = 1), der orthogonal auf H stehe. Dann ist H+iH := {a+ib; a,b ∈ H} das sogenannte „Dickson-Double“
wieder eine Unteralgebra von Aund es gilt für a,b,c,d∈ H:
(a+ib|c+id) = (a|c) + (b|d) (15)
a+ib=a¯−ib (16)
ib=bi¯ und ib¯ =bi (17)
(a+ib)(c+id) = (ac−db¯) +i(cb+ad¯ ) (18)
Wir bemerken, dass für ein solchesi∈ Aund ein beliebigesh∈ H:(i|h) =0. Somit ist nach Definition der Konjugation ¯i=−i.
(2.7) Lemma
Sei Aeine normierte Algebra überRmit Eins,Yeine Unteralgebra von A,i∈ Aorthogonal zuYmit N(i) =1 und Z:=Y+iY. Dann:
a) Zist eine normierte Unteralgebra von A⇔Yist eine assoziative, normierte Unteralgebra von A.
b) Z ist eine assoziative normierte Unteralgebra von A ⇔ Y ist eine kommutative, assoziative nor- mierte Unteralgebra vonA.
c) Z ist eine kommutative, assoziative normierte Unteralgebra von A ⇔ Y ist eine kommutative, assoziative normierte Unteralgebra von Amit trivialer Konjugation.
(2.8) Satz (Hurwitz)
R,C,H und O sind die einzigen normierten Algebren mit Eins über den reellen Zahlen (bis auf Iso-
morphie).
§ 3 Vier euklidische Bereiche
(3.1) Lemma
Sinda,b∈Zmitb6=0, so gibt es q,r ∈Zmit
a= qb+r und |r|<|b|.
(3.2) Lemma
Sinda,b∈Zund a=qb+rfürq,r∈Z, dann giltggT(a,b) =ggT(b,r).
Betrachte dieGaußschen Zahlen
Z[i]:={z ∈C; z =z1+z2i, z1,z2∈Z}
versehen mit derquadratischen Form(im Folgenden auch mitNormbezeichnet) N:Z[i]→N0, N(z):=zz¯ =z21+z22 für z= z1+z2i∈Z[i]. (3.3) Satz
Sinda,b∈Z[i]mitb6=0, so gibt esq,r∈Z[i]mit
a =qb+r und N(r)< N(b) (sogar N(r)≤ 1
2N(b))
(3.4) Korollar
Z[i]ist ein Hauptidealbereich mit (bis auf Assoziiertheit) eindeutiger Primfaktorzerlegung.
(3.5) Definition
L:=Z[1,i,j,k]:={z1+z2i+z3j+z4k ∈H; z1,z2,z3,z4∈Z}heißt die Menge derLipschitz Quaternio-
nen.
Wir betrachten wieder die quadratische Form
N: L→N0, N(z):=zz¯=z21+z22+z23+z24 für z=z1+z2i+z3j+z4k ∈L.
L ist offensichtlich ein Ring, jedoch gibt es in diesem keine Division mit Rest im Sinne einer strikten Normreduktion.
(3.6) Satz
Sinda,b∈Lmitb6=0, so gibt esq,r∈ Lmit
a=qb+r und N(r)≤ N(b).
Es gilt N(r) =N(b)genau dann, wenn fürab−1= c1+c2i+c3j+c4k ∈Hgilt:
ci ∈Z+1
2, i=1, .., 4.
(3.7) Definition
H:={z1+z2i+z3j+z4k ∈H; z1,z2,z3,z4∈ Zoderz1,z2,z3,z4∈Z+12}heißt die Menge derHurwitz
Quaternionen.
(3.8) Korollar
Sinda,b∈H mitb6=0, so gibt esq,r ∈ Hmit
a=qb+r und N(r)<N(b).
(3.9) Definition
Eine Teilmenge M einer Algebra A mit Eins heißt maximale Menge von ganzzahligen Elementen oder Arithmetik, falls sie die folgenden vier Bedingungen erfüllt:
a) Für jedesm∈ M sind die Koeffizienten des Minimalpolynoms vonmganzzahlig.
b) Mist abgeschlossen unter Addition und Multiplikation.
c) 1∈ M
d) FallsN⊆ Adie Eigenschaften a),b),c) erfüllt, so gilt bereits N⊆ M.
Falls A assoziativ ist, so heißt M Ordnung, falls die Bedingungen a)-c) erfüllt sind. Gilt zusätzlich
Bedingung d), so heißt M Maximalordnung.
Ein Elementa =a0+a1e1+..+a7e7∈ Ohat das Minimalpolynom x2−2a0x+ (a20+a21+..+a27),
sodass die Bedingung a) der Definition bedeutet, dass die sogenannte Spurtr(a):=2a0und die Norm N(a):=a2+a2+..+a2 ganzzahlig sind.
(3.10) Definition
C := {a0+a1e1+a2e2+a3e3+a4h+a5(e1h) +a6(e2h) +a7(e3h); a0, ..,a7 ∈ Z} heißt Coxeters Menge der ganzzahligen Oktaven, wobeih := 12(e1+e2+e3−e4). (3.11) Satz
Cist eine maximale Menge von ganzzahligen Elementen inO.
Wir versehenCwie üblich mit der quadratischen Form
N:C→N0, N(z):= zz¯ =z20+z21+..+z28 für z∈C.
(3.12) Definition
Seien E= (V,(.|.)),E1 = (V1,(.|.)1),E2 = (V2,(.|.)2)euklidische Vektorräume.
a) Eine TeilmengeL⊂VheißtGitter, falls ein linear unabhängiges TupelB= (b1, ..,bm)∈ Vm existiert, sodassL=hb1, ..,bmiZ. Bheißt dann eineGitterbasisvon Lundm=dim(L)dieDimensionvon L.
b) Ein GitterL heißtWurzelgitter, fallsL= h{l∈L; (l|l) =2}iZ. c) R(L):={l∈ L; (l|l) =2}heißt Menge derWurzelnin L.
d) IstB ∈Vm eine Gitterbasis des Gitters L, so heißtG(B):= ( bi bj
)∈ Rm×m dieGrammatixvon L unddet(L):= det(G(B))dieDeterminantevon L.
e) Für zwei Gitter L1 in V1 und L2 in V2 bezeichnet L1⊥L2 die orthogonale Summe. Dies ist ein Git- ter in V1⊕V2 der Dimension dim(L1)+dim(L2). Sind B bzw. C Gitterbasen von L1 bzw. L2, so ist ((b1, 0), ..,(bdim(L1), 0),(0,c1), ..,(0,cdim(L2)))eine Gitterbasis vonL1⊥L2 mit Grammatrix
G(B) 0 0 G(C)
!
. (19)
(3.13) Satz
Jedes ganze Wurzelgitter ist orthogonale Summe von Wurzelgittern der Form
An, Dm , E6, E7, E8.
(3.14) Satz
Coxeters Menge der ganzzahligen OktavenCist, vesehen mit dem (nicht mit 2 reskalierten) Skalarpro- dukt (u,v)2 := N(u+v)−N(u)−N(v), isometrisch zum Gitter E8. (3.15) Definition
DieÜberdeckungszahleines GittersLüber einem euklidischen VekorraumVmit Norm||ist das kleinste r > 0, sodass die Kugeln mit Radius r um die Punkte des Gitters l ∈ L den kompletten Raum V überdecken. Dies bedeutet, dass zu jedem P∈Veinl∈ Lexistiert, sodass
|P−l| ≤r.
(3.16) Satz
Die Überdeckungszahl des GittersE8 beträgtr=1.
(3.17) Satz
Für jedesλ∈Ogibt es einγ∈C, sodass
N(λ−γ)≤ 1
2.
(3.18) Korollar
Sinda,b∈Cundb6=0, so gibt es q,r ∈C, sodass
a=qb+r und N(r)<N(b).
(3.19) Definition
a) µ∈C, µ6=0 heißtRechtsteiler(bzw.Linksteiler) vonα∈ C, fallsαµ−1 ∈C(bzw.µ−1α∈C). Falls µ Rechtsteiler vonαist, so schreibeµ|α.
b) π∈ CheißtPrimzahl, fallsN(π) = peine Primzahl ist.
c) β∈Cheißtprimitiv, falls die größte ganze Zahl, die βteilt, gleich 1 ist.
(3.20) Lemma
Es gibt 240 Einheiten inC, das heißt
C× =
{e∈C; e−1∈C}= |{e∈C; N(e) =1}|=240.
(3.21) Satz
Sei 06=α∈ C,m∈ N, sodassm|N(α). Dann gibt es mindestens 240 Rechtsteiler (und 240 Linksteiler)
µvonαmitN(µ) =m.
Algorithmus von Rehm
Geg.:06=α∈ C,m∈N, sodassm|N(α),
Ges.:RechtsteilerµvonαmitN(µ) =mund Linksteilerµ0 vonαmitN(µ0) = N(α)/m.
Starte mitρ1:=α,m0:=m,m1:= N(α)/m.
Vorwärtsschritt
ρ1= γ1m1+ρ2 N(ρ1) =m0m1
ρ2= γ2m2+ρ3 N(ρ2) =m1m2 m1 >m2
... ... ...
ρN−1 =γN−1mN−1+ρN N(ρN−1) =mN−2mN−1 mN−2 >mN−1
ρN =γNmN+0 N(ρN) =mN−1mN mN−1 >mN >0 Rückwärtsschritt
N(µN) =mN ρN =µN−1µN µN−1 =γNµN N(µN−1) =mN−1
ρN−1 =µN−2µN−1 µN−2 =γN−1µN−1+µN N(µN−2) =mN−2
... ... ...
ρ2= µ1µ2 µ1 =γ2µ2+µ3 N(µ1) =m1 ρ1= µ0µ1 µ0 =γ1µ1+µ2 N(µ0) =m0
Dann istµ0Linksteiler und µ1 Rechtsteiler vonα.