..,.. Für einen niederlassungswil- ligen Arzt ergibt sich deshalb dort nur dann die Chance zur Niederlas- sung, wenn er zu den Bedingungen des Seniors einen Gemeinschafts- praxisvertrag abschließt. Im Hin- blick auf die zeitlich begrenzte Dauer dieser Art von Gemeinschaftspraxis und die Aussicht auf wirtschaftliche Alleinnutzung der Praxis nach Aus- scheiden des Seniors wird der Junior voraussichtlich bereit sein, wirt- schaftliche Bedingungen zu akzep- tieren, die hinter die heute gleichbe- rechtigten Regelungen zurücktre- ten. Es ist nicht unwahrscheinlich, daß die wirtschaftliche Dominanz des Seniors zur Ausgestaltung von Gemeinschaftspraxisverträgen führt, in denen dem Grunde nach nur noch eine Fiktion der Partner- schaft aufrechterhalten wird, fak- tisch der Vertrag in seiner wirt- schaftlichen Ausprägung aber einem Anstellungsverhältnis des Juniors sehr nahe kommt.
Senior-Junior- Partnerschaften
Diese Entwicklung ist unter zwei Gesichtspunkten zu werten:
einerseits unter berufsrechtlichen und andererseits unter volkswirt- schaftlichen. Berufsrechtlich ist nach heutigem Verständnis- von wenigen Ausnahmen abgesehen - eine Dau- eranstellung von Ärzten in der frei- en Arztpraxis nicht zulässig. Wer in freier Praxis tätig sein will, muß sich selbständig niederlassen. Diese be- rufsrechtliche Norm kollidiert in Zeiten personeller Überkapazitäten mit der ökonomischen Vernunft, weil jede Praxisneugründung minde- stens zwischen 150 000 DM und 200 000 DM p. a. Umsatz jährlich erwirtschaften muß, um überhaupt nur die laufenden Betriebsausgaben für Personal- und Sachmittel zu fi- nanzieren. Jeder neu hinzukommen- de Arzt in eigener Praxis wird - selbst bei minimalen Einkommens- vorstellungen - deshalb die gesetzli- che Krankenversicherung minde- stens 200 000 bis 250 000 DM p. a.
kosten, wenn man von der Voraus- setzung ausgeht, daß das Sachlei- stungssystem letztlich eine Praxis- auslastung begünstigt.
..,.. Könnten nun Ärzte aber durch Anstellungsverträge in beste- hende Praxen mit einem- dem Assi- stenzarzt im Krankenhaus vergleich- baren - Gehalt integriert werden, wäre die Kostenwirkung für das Sy- stem der gesetzlichen Krankenversi- cherung erheblich günstiger. Um Kostenneutralität für die den Jung- arzt aufnehmende Praxis zu errei- chen, müßte diese ihren Umsatz le- diglich in Höhe des Personalaufwan- des für diesen Arzt (rund 80 000 bis 100 000 DM p. a.) ausweiten. All- stellungsverhältnisse in der freien Praxis wären also für das Kassen- arztsystem eine kostengünstige Al- ternative, um junge niederlassungs- willige Kassenärzte in den Beruf zu integrieren. Wegen der Kollision dieses ökonomisch richtigen Gedan- kens mit den bestehenden berufs- rechtlichen Normen ist aber an eine formelle Zulassung von Anstellungs- verhältnissen von Ärzten in freier Praxis - wenigstens kurz- bis mittel- fristig - nicht zu denken.
Die Gestaltungsmöglichkeiten bei Partnerschaftsverträgen im Rah- men von Gemeinschaftsgründungen in überversorgten Regionen werden tendenziell aber das gleiche Ziel er- reichen, allerdings um den Preis, daß die selbständige freiberufliche Tätigkeit für den Juniorpartner eher einen deklaratorischen als einen in- haltlichen Wert hat. Aber auch der Seniorpartner wird eine Modifika- tion seines Verständnisses als Frei- berufler erleben, weil er in dieser Form der Praxisausübung mehr selb- ständig unternehmerisch als freibe- ruflich-ärztlich tätig sein kann, in- dem er mehrseine dispositiven, weni- ger seine unmittelbar ärztlichen Fä- higkeiten zur Leistungserstellung ein- setzt. Der "Unternehmerarzt" könn- te über den Umweg eines neuen Ver- ständnisses gemeinschaftlicher Pra- xisausübung die Folge sein.
Anschrift des Verfassers:
Dipl.-Kfm. Gerhard Brenner Geschäftsführer
des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versorgung in der
Bundesrepublik Deutschland Herbert-Lewin-Straße 5 5000 Köln 41 (Lindenthal)
Psychosoziale Nachsorge:
Nachholbedarf
Sozialdienste in Krankenhäu- sern erweisen sich oft als überfor- dert, wenn sie auftragsgemäß Rat erteilen oder Hilfestellung leisten sollen, ohne im Einzelfall über de- ren medizinische Zweckmäßigkeit informiert zu sein. Vor allem Patien- ten mit einer Krebserkrankung soll- ten daher nach Beendigung ihrer Nachsorgephase nicht ohne gezielte weitere Mitwirkung der behandeln- den Ärzte an die Sozialdienste "wei- tergereicht" werden. Vielmehr soll- ten Ärzte und Sozialberater regel- mäßig Fallbesprechungen abhalten.
Zu dieser Empfehlung führte ei- ne Arbeitstagung , ,Psychosoziale Tumornachsorge - eine gemeinsame Aufgabe von Sozialdienst und Arzt'', die im Rahmen der Fachta- gungen des Tumorzentrums Mün- chen in der Onkologischen Klinik Bad Trissl (Oberaudorf) stattfand.
Den Versicherungsträgern und Behörden als den notwendigen , ,amtlichen'' Partnern wurde zwar überwiegend guter Wille zugebilligt.
Es fehle bei ihnen aber oft an dem Einfühlungsvermögen, das bei den schwierigen Entscheidungen über die Lebensumstände von Krebspa- tienten gefordert werden muß.
Beanstandet wurden nicht nur die Fälle und das Durcheinander oder gar Gegeneinander der Para- graphen, sondern auch die steigende Tendenz, Maßnahmen selbst aus- schließlich mit dem Maßstab
"Geld" zu messen. Auf Kritik stieß schließlich die offenbare Unfähig- keit von Behörden und Verwaltun- gen, Neuerungen und Veränderun- gen in der Öffentlichkeit so plausibel darzustellen, daß sie auch von einfa- chen Menschen verstanden und be- achtet werden können. Auf Unver- ständnis stieß bei den Vertretern der spezialisierten Sozialdienste die Ab- sicht der Rentenversicherung, mit der Nachsorge für Krebspatienten aus Kostengründen nur noch Sana- torien, aber nicht mehr die medizi- nisch dafür hochgerüsteten Nachsor- gekliniken zu betrauen. KG Dt. Ärztebl. 86, Heft 6, 9. Februar 1989 (29) A-303