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Archiv "Kongress „Armut und Gesundheit“: Gefährdungen frühzeitig erkennen" (15.12.2006)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 50⏐⏐15. Dezember 2006 A3381

P O L I T I K

oder eine Verschlechterung der ko- gnitiven Leistungsfähigkeit nicht selten alkoholassoziiert sind. Mo- derne Suchttherapie kennt keine Al- tersgrenze und keinen Ausschluss von Patienten von einer wirksamen Therapie.

Auch bei Verdacht auf Alkohol- abusus sollte man sich immer wie- der durch eine Zwischenanamnese, durch die körperliche Untersuchung und eventuell weiterführende La- boruntersuchungen Klarheit ver- schaffen.

>Wann habe ich zuletzt mit dem Patienten über seinen Alkoholkon- sum gesprochen?

>Sind im Verhalten des Patien- ten Veränderungen aufgetreten, die alkoholassoziiert sein könnten?

>Sind von den Angehörigen oder vom Pflegepersonal Beobach- tungen in Richtung Alkoholabusus gemacht worden?

>Wenn eine Abstinenz nicht er- reicht werden kann, ist über die Fra- ge der Alkoholreduktion im Sinne eines kontrolliert reduzierten Kon- sums gesprochen worden?

>Ist über die Möglichkeit der Einschränkung der freien Verfüg- barkeit alkoholischer Getränke nach- gedacht und gesprochen worden?

Es geht nicht darum, Alkohol zu verbieten oder alten Menschen die Freude am „Viertele“ zu vergällen.

Vielmehr sollte alten Menschen professionelle Hilfe angeboten wer- den, wenn ein ernsthaftes Alkohol- problem erkennbar ist. Sensibilisie- rung für ein drängendes Problem ist das Ziel, keine Moralisierung oder Bevormundung.

Suchterkrankungen sind nicht nur für eine Verschlechterung der Le- bensqualität vieler alter Menschen verantwortlich, sondern unmittelbar auch für das Entstehen oder die Ver- schlimmerung von schwerwiegen- den somatischen und psychischen Störungen. Deshalb ist die genaue Patientenbeobachtung, die Anamne- se, die kritische Analyse der Medika- mentenverordnung und die Kommu- nikation mit allen, die an der Pflege und Versorgung älterer Menschen beteiligt sind, ärztliche Pflicht. I Dr. med. Christoph von Ascheraden Dr. med. Rüdiger Gellert Dr. med. Friedemann Hagenbuch

B

remen ist eine Stadt mit zwei Gesichtern: Das eine Gesicht – das schöne, das auch die Besucher des 107. Deutschen Ärztetages in der Hansestadt anzog – verbinden Touristen mit der historischen Alt- stadt und den Bremer Stadtmusi- kanten. Das andere Gesicht, die hässliche Fratze, mag keiner so recht sehen: In Bremen gelten vier von zehn Kindern als arm. Damit führt die Freie Hansestadt die bun- desweite Statistik an. Zudem steigt die Zahl derjenigen, die trotz einer sozialversicherungspflichtigen Be- schäftigung als „bedürftig“ gelten.

Die Arbeitnehmerkammer Bremen hat dieses zweite Gesicht der Stadt in ihrem „Armutsbericht 2006“

analysiert – Auszüge daraus stellte Carola Bury von der Kammer während des 12. Kongresses „Ar- mut und Gesundheit“ Anfang De- zember in Berlin vor.

Armut und „schlechte“ Gesund- heit hängen unmittelbar zusammen:

Menschen aus unteren Einkom- mensschichten leben kürzer; im Vergleich zum oberen Einkom- mensviertel haben sie eine um etwa sieben Jahre kürzere Lebenszeit.

Gerade sozial Schwache sind häufig von chronischen Erkrankungen be- troffen – und verursachen das Gros der Behandlungskosten. Darauf ha- ben kürzlich zahlreiche Wissen- schaftler und Public-Health-Exper- ten im „Bielefelder Memorandum zur Verringerung gesundheitlicher Ungleichheiten“ hingewiesen. Sie fordern die Politik auf, der „voran- schreitenden Polarisierung im Ge- sundheitssystem“ entgegenzuwir- ken. Der ungleiche Zugang zum Gut Gesundheit verletze die Gerechtig- keitsnorm einer demokratischen Gesellschaft.

Die gesundheitlichen Unter- schiede beginnen bereits in der Kindheit: Von fast allen Krankhei- ten sind Kinder aus sozial schwa- chen Familien häufiger betroffen.

KONGRESS „ARMUT UND GESUNDHEIT“

Gefährdungen

frühzeitig erkennen

Der 12. Berliner Armutskongress setzte vornehmlich auf Prävention von Gesundheitsrisiken sozial Benachteiligter.

Deutlich wurde auch: Ohne arbeitsmarktpolitische Reformen wird die soziale Spaltung immer größer.

Leipziger Tafel:

Die „Tafeln“ vertei- len gespendete Le- besmittel an Be- dürftige. Alleinerzie- hende sind beson- ders häufig von Ar-

mut betroffen. Foto:ddp

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A3382 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 103⏐⏐Heft 50⏐⏐15. Dezember 2006

P O L I T I K

Die Frage, wie Wege aus solch pre- kären Lebenswelten gefunden wer- den können, stand im Mittelpunkt des Berliner Kongresses. „Wir brau- chen Projekte und Regelangebote, die Gefährdungen früh erkennen und Menschen in schwierigen Le- bensssituationen kompetent för- dern“, erklärte BZgA-Direktorin Dr.

med. Elisabeth Pott. Rund 2 800 solcher Projekte und Angebote bun- desweit werden seit 2001 in einer Datenbank gesammelt, die im Rah- men des nationalen Kooperations- verbundes „Gesundheitsförderung bei sozial Benachteiligten“ aufge- baut wurde. 42 Kooperationspartner (Ärzteorganisationen, Bundes- und Landesvereinigungen für Gesund- heit, Krankenkassen, Wohlfahrts- verbände) beteiligen sich an dem von der BZgA initiierten Verbund.

Eine wichtige Rolle spielen dabei die „regionalen Knoten“: Koordi- nierungsstellen für Präventionspro- jekte, die es inzwischen in 15 Bun- desländern gibt. In den meisten Län- dern werden sie von den Landesver- einigungen für Gesundheit getragen und von gesetzlichen Krankenkas- sen und teilweise auch von der BZgA finanziert. Damit die Arbeit der regionalen Knoten gesichert wer- den kann, „brauchen wir in jedem Bundesland eine gemeinsame Fi- nanzierung vom Land und allen ge- setzlichen Kassen und möglichst auch von den privaten Krankenkas-

sen“, forderte Dr. jur. Hans-Jürgen Ahrens, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbands bei dem Kongress.

Das Verbundprojekt arbeitet nach dem „Good-Practice-Ansatz“: Gute Projekte sichtbar machen und in die Fläche bringen. 33 als besonders gut bewertete Projekte sind auf der Internetplattform veröffent- licht: (www.gesundheitliche-chancen

gleichheit.de). Der BKK-Bundes- verband, der mit der 2003 gestarte- ten Initiative „Mehr Gesundheit für alle“ bei der Gesundheitsförderung von sozial Benachteiligten besonders aktiv ist, hat im Rahmen des Kon- gresses Präventionsprojekte „guter Praxis“ ausgezeichnet: Das Projekt

„Waldameisen“ der Kita „Storchen- nest“ im brandenburgischen Cottbus bringt sozial benachteiligten Kin- dern im Vorschulalter den Lebens- raum Wald nahe. „Connect“ vernetzt im sozial schwachen Hamburger Stadtteil Osdorf Hilfen für Kin- der aus suchtbelasteten Familien.

„Schutzengel e.V.“ in Flensburg bie- tet alleinerziehenden Müttern mit Säuglingen und Kleinkindern nied- rigschwellige Hilfen durch Famili- enhebammen, Kinderbetreuung und Elterntreffpunkte.

Bedürftig trotz Vollzeitbeschäftigung

Damit es erst gar nicht zu sozialer Benachteiligung und damit häufiger verbundenem schlechten Gesund- heitszustand kommt, müsse sich ar- beitsmarktpolitisch einiges ändern, forderte Bury von der Bremer Ar- beitnehmerkammer. Derzeit seien die Löhne so niedrig, dass viele Ar- beitnehmer ergänzende Hilfen aus dem Arbeitslosengeld (ALG) II in Anspruch nehmen müssten. Darun- ter befänden sich auch Vollzeitbe- schäftigte. Allein in Bremen habe sich die Zahl der ALG-II-Empfänger von Juni 2005 bis Juni 2006 von 52 811 Personen auf 56 690 Personen erhöht. „Bedürftigkeit trotz Arbeit ist also längst Realität“, befand Bury. Besonders stark betroffen sei- en Frauen, weil sie häufiger als Männer im Niedriglohnsektor ar- beiten oder deren Teilzeitstelle durch die Reformen auf dem Ar- beitsmarkt in Mini-Jobs umgewan- delt worden sind. „Armut“, unter- strich die Gesundheitsreferentin,

„hat ein Geschlecht“. Die Forde- rung der Arbeitnehmerkammer: Die Politik müsse einen gesetzlichen Mindestlohn einführen, der die fort- laufende „Prekarisierung“ der Er- werbsarbeit unterbinde – und damit auch gesundheitliche Prävention

betreibe. I

Petra Bühring, Martina Merten

IST AUCH EIN KRANKER MANN EIN MANN?

„Ich will. Ich kann. Mit Leib und Seele Mann.“ Selbst Jahre nach den ersten Diskussionen über Män- nergesundheit bedürfe es noch immer plakativer, alter Rollenmuster – wie in diesem Werbeslogan für das Potenzmittel Viagra –, um das männliche Geschlecht für das Thema Gesundheit empfänglich zu machen, stellte Thomas Altgeld, Geschäftsführer der Landesvereinigung für Gesundheit Niedersach- sen, während des Kongresses heraus. Tatsächlich habe sich am „Gesundheitsförderungsparadox“ in den vergangenen Jahren nicht viel geändert: Obwohl Männer über eine deutlich geringere Lebenser- wartung als Frauen verfügen, leichter Gesundheitsrisiken eingehen und höhere Prävalenzraten für ei- nige Erkrankungen aufweisen, werden geschlechtsspezifische Angebote eher für Frauen als für Män- ner konzipiert. „Die traditionelle Männerrolle ist nach wie vor an Leistung, Härte, Macht, Distanz und Konkurrenz gekoppelt“, so der Diplom-Psychologe. Das Gesundheitsförderungsparadoxon zu überwin- den sei insbesondere bei männlichen Arbeitslosengeld-II-Empfängern in höheren Lebensjahren und bei Jungen aus bildungsfernen Schichten notwendig. Denn: Jungen litten grundsätzlich häufiger unter Asthma oder an einem hyperaktiven Syndrom und seien von Adipositas betroffen. Hinzu komme, dass neue Armutslagen bereits in früher Kindheit zu einer Spirale führten, der Jungen nicht mehr entkom- men könnten. 65 Prozent der Schulabbrecher sind Altgeld zufolge männlich, viele finden danach kei- nen Arbeitsplatz und sind auf Sozialleistungen angewiesen. Durch frühe Elternschaft gewinne die neue

Armutslage an Brisanz. MM

ARMUT IN DEUTSCHLAND

Jeder fünfte armutsgefährdete Mensch in Deutschland geht aus finanziellen Gründen nicht zum Arzt: Zuzahlungen und Praxisgebühr sind nach eigenen Angaben die Ursa- chen. Gleichzeitig schätzen sie ihren Gesundheitszustand schlechter ein. Das Statistische Bundesamt hat erstmals EU-weit vergleichbare Daten zur Armut in Deutschland aus der Studie „Leben in Europa“ vorgestellt. Danach waren im Jahr 2004 etwa 10,6 Millionen Menschen (13 Prozent) ar- mutsgefährdet, das heißt, sie mussten – nach EU-Definition – mit weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Ein- kommens (< 856 Euro Netto) auskommen; darunter waren 1,7 Millionen Kinder unter 16 Jahren.

Das Risiko, arm zu werden, ist in den neuen Bundeslän- dern, einschließlich Berlin, höher (17 Prozent) als im Wes- ten (12 Prozent), mit Ausnahme bei den über 65-jährigen Männern. Gleichaltrige Frauen sind in ganz Deutschland überdurchschnittlich von Armut bedroht. Weitere Armutsri- siken sind vor allem Arbeitslosigkeit, fehlende Berufs- und Bildungsabschlüsse, alleinerziehend zu sein und mehr als drei Kinder zu haben. Im EU-Vergleich liegt Deutschland von 14 Ländern auf Platz 6. Die Studie steht unter www.

destatis.de/lebenineuropa zum Herunterladen bereit. PB

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