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Archiv "Krankenhäuser für Häftlinge: Die königliche Familie wird von denselben Ärzten behandelt" (19.03.1993)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

önigliche Familie wird selben Ärzten behandelt Die k

von den

IV-Infektion und Strafvoll- zug" hieß das Thema eines Symposiums*), zu dem Ge- fängnisärzte aus der ganzen Bundes- republik nach Dortmund gekommen waren. Neben Vorträgen unter ande- rem zu den Themen „Klinik und The- rapie der HIV-Infektion", „Drogen- sucht, Substitution und HIV im Straf- vollzug" stand auch ein Besuch im Ju- stizvollzugskrankenhaus (JVKH) in Fröndenberg auf dem Programm.

Dieser Be- sichtung sahen diejenigen Besu- cher, die noch nie ein Gefäng- nis von innen ge- sehen hatten, mit eher ge- mischten Gefüh- len entgegen.

Kranke Men- schen hinter Git- tern, in ver- schlossenen, en- gen Zellen. Sol- che oder ähnli- che Assoziatio- nen gingen ei- nem da durch 2

den Kopf. Daß -28 es sich um ein ungewöhnliches 4g Krankenhaus

'd

handeln würde, c75N ließen auch die (,) strengen Sicher- xd heitsbestimmun-

2

gen vermuten.

Bereits eine Woche vor dem Besuch wurde nach der Personalausweis- nummer gefragt, der Bus mit den Be- suchern mußte durch eine Schleuse fahren. Vor dem Eintritt in das Ju- stizvollzugskrankenhaus wurden die Ausweise eingesammelt; es war auch nicht erlaubt, etwas mitzunehmen.

Doch das anfänglich etwas flaue Gefühl legte sich rasch. Die modern eingerichteten Operations- und Be- handlungsräume, der gut ausgestat- tete Gymnastikraum, ein kleines Schwimmbad und die freundlichen Wartezimmer machten einen durch- aus ansprechenden Eindruck.

Das Justizvollzugskrankenhaus in Fröndenberg ist das einzige Kran- kenhaus in Nordrhein-Westfalen für männliche und weibliche Gefangene.

Es wurde 1979 als kommunales Kran- kenhaus gebaut und dient seit 1987 ausschließlich der Justiz. In Nord- rhein-Westfalen befinden sich zur Zeit 16 000 Menschen in Haft. Das Krankenhaus hat 220 Betten, pro Jahr werden etwa 4000 Patienten sta-

Krankenhäuser für Häftlinge

Wenn Häftlinge erkranken, werden sie in einem Justizvollzugskrankenhaus

ambulant und stationär behandelt. Über die Ar-

beit der Arzte und des Pflegepersonals und die besonderen Probleme im Justizvollzugskrankenhaus

Fröndenberg (Foto) in Nordrhein-Westfalen und im Penitentiair Ziekenhuis in Den Haag (Niederlan- de) berichtet der nachfol-

gende Artikel.

tionär und 10 000 Patienten ambu- lant behandelt. In dem Justizvoll- zugskrankenhaus arbeiten 22 haupt- amtliche Arzte und sechs Ärzte im Praktikum sowie mehrere Belegärz- te. Bei den Häftlingen handelt es sich nach Angaben des Ärztlichen Direk- tors, Dr. med. Wolfgang Rieken- brauck, zu 95 Prozent um Männer; 90 Prozent sind jünger als 50 Jahre.

Eine besondere Herausforde- rung ist in den letzten Jahren der

Umgang mit AIDS gewesen.

Eine wesentliche Verbesserung der Betreuung wurde in Frön- denberg durch eine zentrale HIV-Ambulanz für Nordrhein- Westfalen er- reicht, berichtete Riekenbrauck.

In dem bevölke- rungsreichsten Bundesland be- finden sich zur Zeit rund 80 bis 135 HIV-positi- ve Gefangene.

Aufgabe der HIV-Ambulan- zen in den Ge- fängnissen ist zu- nächst eine Ba- sisdiagnostik und eine erste gesundheitliche Aufklärung der Patienten, die ihre Infektion vor der Inhaftierung häufig verdrängen, erklärte Christel We- dershoven, Ärztin in der Inneren Abteilung des JVKH Fröndenberg.

Die Häufigkeit der weiteren am- bulanten oder stationären Betreuung orientiere sich am Gesundheitszu- stand und den zu erwartenden Kom- plikationen sowie an der persönli- chen Konfliktlage des Patienten. Die meisten Patienten in Fröndenberg seien drogenabhängig, so daß auch für die Zeit nach der Haftentlassung die Möglichkeit einer Opiatdauer- substitution geprüft werde. Für eine Polamidoneinstellung sei immer eine stationäre Aufnahme erforderlich. >

*) Das Dortmunder Symposion wurde von Well- come gesponsert.

Al -776 (24) Dt. Ärztebl. 90, Heft 11, 19. März 1993

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Die Infizierten werden in Frön- denberg einzeln oder zu zweit mit ei- nem anderem AIDS-Kranken unter- gebracht. Es gibt keine spezielle AIDS-Station. „Nach meiner Ein- schätzung ist in den normalen Ge- fängnissen das Abgrenzungsverhal- ten stärker ausgeprägt und ebenso der Wunsch nach Anonymität", sag- te dazu Riekenbrauck.

Der Ärztliche Direktor vertritt das „Ziel der Drogenfreiheit, da in meinen Augen der Mensch mög- lichst selbstbestimmt sein soll und.

nicht Sklave seiner Sucht." In unge- lösten gesellschaftlichen Konflikten wie der Drogenproblematik eigne sich der Strafvollzug jedoch nicht als Experimentierfeld. Eine Dauersub- stitution im Strafvollzug wird von der Justizbehörde grundsätzlich abge- lehnt. Dennoch gebe es Ausnahmen, bei denen eine Veranlassung für ei- ne Substitution gegeben sei, nämlich zu Beginn der Haft und bei der Vor- bereitung auf die Haftentlassung.

„Der Streit um die Menge der Dro- gen hinter Gittern ist Unsinn," merk- te Riekenbrauck an. „Es gibt zumin- dest soviel Drogen, daß jeder Dro- genkranke, wenn er will, innerhalb von 14 Tagen mindestens einmal an Drogen herankommt. Das führt da- zu, daß er sein Suchtverhalten beibe- hält", sagte Riekenbrauck.

Trotz aller Probleme arbeitet Dr. Riekenbrauck gern im JVKH Fröndenberg. Er ist Gefängnisarzt geworden, weil ihn die „schwierige Aufgabe und Herausforderung ge- reizt hat, Menschen unter Haftbe- dingungen optimal zu versorgen."

Auch die anderen Ärzte fühlen sich dort wohl. Die Kollegialität sei be- sonders groß, die Inhaftierten seien in der Regel angenehme Patienten.

Bevor sie nach Fröndenberg gekom- men seien, hätten sie ihre Krankhei- ten oft jahrelang verschleppt oder nicht zu Ende behandelt, berichtete einer der Ärzte. Die Gefangenen würden nur ungern wieder in die Ge- fängnisse entlassen. Da käme es so- gar zu Selbstverstümmelungen, in- dem beispielsweise Rasierklingen geschluckt würden.

Die Zimmer, in denen die Patien- ten untergebracht werden, sind hell und freundlich. Zur Ausstattung ge- hören kleine Badezimmer, Sitzecken

und Farbfernseher. Nichts unter- scheidet sie von Krankenzimmern in

„normalen" Krankenhäusern außer den Gittern vor den Fenstern und der Tatsache, daß die Gefangenen zeit- weilig eingeschlossen werden.

Gitter vor den Fenstern

Einen ähnlich freundlichen Ein- druck vermitteln die Zimmer im Pe- nitentiair Ziekenhuis (PZ) in Den Haag. Das einzige Krankenhaus für Gefangene in den Niederlanden wurde 1971 in Betrieb genommen.

Es ist Bestandteil des Justizkomple- xes „Scheveningen", zu dem mehrere Gefängnisse für Frauen, Männer und Jugendliche gehören. Die Si- cherheitsbestimmungen sind hier wesentlich lockerer als in Deutsch- land. Lediglich der Personalausweis muß vorgezeigt werden. Doch seit Weihnachten 1992 sind auch in die- sem Krankenhaus Gitter vor den Fenstern angebracht. „Das Sicher- heitsproblem wird immer größer, weil die Gewaltbereitschaft wächst.

Ende letzten Jahres sind zwei Gefan- gene geflohen, was uns zum Anbrin- gen der Gitter veranlaßte", sagte der Direktor des Krankenhauses, Dr.

Jaap Kager.

Das Krankenhaus hat bisher le- diglich eine Bettenkapazität von 26 Betten, die jedoch künftig auf 40 Betten erhöht werden soll. „In den Niederlanden gibt es nur 7000 Ge- fangene. Hier kommt man nicht so schnell in ein Gefängnis," erklärte Kager. Auch in Den Haag sind hauptsächlich Männer stationär un- tergebracht. Eine Herzüberwachung und eine Intensivstation sowie eine psychiatrische Abteilung gibt es nicht. Für Patienten mit psychischen Problemen steht jedoch ein Psychia- ter zur Verfügung. Kranke Gefange- ne mit akuten Erkrankungen werden in der Regel in „normalen" Kran- kenhäusern untergebracht, was je- doch finanziell sehr viel aufwendiger sei, da sie dort zusätzliches Wach- personal benötigten. In Den Haag werden beispielsweise orthopädische

Operationen vorgenommen.

Kager, der vorher als Psychologe auf einer Krebsstation und in einem Gefängnis gearbeitet hatte, gefällt seine jetzige Tätigkeit gut, die er seit

drei Jahren ausübt. Auch er berich- tet von dankbaren Patienten und ei- nem angenehmen Betriebsklima.

Häufig erhielten seine Mitarbeiter Karten von ehemaligen Patienten, die sich für die Behandlung bedank- ten. In dem PZ arbeiten zwei halb- tags angestellte Ärzte und rund 50 weitere Angestellte (unter anderem Krankenschwestern, Wärter und ei- ne Zahnarztassistentin). Die beiden Mediziner werden durch Ärzte ver- schiedener Facharztrichtungen aus einem benachbarten Krankenhaus unterstützt.

Da käme es auch schon mal vor, daß sich Häftlinge beschweren und behaupten, sie seien lediglich Patien- ten zweiter Hand. Doch diesen Ein- wand kann Kager mühelos widerle- gen. Schließlich seien dies dieselben Arzte, die auch für die königliche Familie zuständig seien. Da könne von einer schlechten Behandlung doch wohl keine Rede sein.

AIDS-Patienten werden im PZ ebenfalls betreut. „Terminale Pa- tienten werden in der Regel aller- dings begnadigt und in normalen Krankenhäusern gepflegt," erklärte Kager. Auf das neue Euthanasie-Ge- setz (dazu Deutsches Ärzteblatt 8/1993) angesprochen, meinte er, das sei doch schon seit langem gängige Praxis in den Niederlanden. Seiner Ansicht nach sollte der Wunsch der Patienten respektiert werden. Ein Tabu wie in der Bundesrepublik sei dieses Thema jedenfalls in den Nie- derlanden nicht. Dasselbe gelte auch für die Substitutionsbehandlung mit Methadon. Drogensüchtige seien im PZ sowieso eher die Ausnahme. Re- gelmäßig würden allerdings die soge- nannten „ballenslikkers" (Drogen- kuriere) zur Untersuchung auf even- tuell geschluckte Drogen vom Am- sterdamer Flughafen Schiphol ins Penitentiair Ziekenhuis gebracht.

Die Krankenzimmer sind wie in Fröndenberg gut ausgestattet. Auch hier gibt es kleine Badezimmer, Sitz- ecken, Farbfernseher und Aufent- haltsräume. Die OP-Säle und Be- handlungsräume sind modern ausge- stattet. Das Gebäude selbst wird, so Kager, in Kürze renoviert und ver- größert. Der „familiäre" Charakter des PZ solle jedoch auf jeden Fall fortbestehen. Gisela Klinkhammer A1-778 (26) Dt. Ärztebl. 90, Heft 11, 19. März 1993

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