Multi-Kulti
Ein geradezu absurder Streit mit Vorwürfen des Rassismus hat im Ho- merton Hospital im Londoner Stadt- teil Hackney für erhebliche Unruhe gesorgt. Wegen des – wieder einmal – erheblichen Schwesternmangels wur- den über eine Vermittlungsagentur 30 ausländische Krankenschwestern angeworben; weitere 30 sollen 1997 folgen. Dies veranlaßte die Unter- hausabgeordnete für Hackney North und Stoke Newington, Diane Abbott, in der Lokalzeitung die Frage zu stel- len, ob diese Ausländerinnen geeig- net seien; im Grunde wollten sie doch nur ihr Englisch verbessern und wür- den keineswegs im britischen Ge- sundheitsdienst eine Lebensaufgabe suchen. Man hätte besser Schwestern eingestellt, die die Sprache und die britische Kultur verstünden.
Frau Abbott fügte hinzu, sie wis- se sehr wohl, wovon sie rede. Denn ihre eigene Mutter sei Kranken- schwester gewesen und habe oft genug miterlebt, daß farbige Schwe- stern in die undankbarsten Aufgaben – Nachtdienste, psychiatrische und geriatrische Stationen – geschoben werden. Wegen rassistischer Vor- urteile hätten sie kaum Aufstiegs- chancen.
Das Absurde daran: Frau Ab- bott ist die erste farbige Unterhaus- abgeordnete; die in Rede stehenden Krankenschwestern kommen aus Finnland; im Homerton Hospital sind mehr als 40 Prozent der Schwestern Farbige (was ziemlich genau der Zusammensetzung der Bevölkerung des Einzugsgebietes entspricht). Und Frau Abbott schrieb in Wirklichkeit (jetzt, im Gegensatz zu oben, voll- ständig zitiert): „Ich bin überrascht, daß man blonde, blauäugige Mädchen aus Finnland geholt hat statt solche aus der Karibik, die die Sprache und die britische Kultur ken- nen. Sind denn finnische Schwestern, die vielleicht noch nie einer farbigen Person begegnet sind, geschweige denn sie berührt haben, für das multi- kulturelle Hackney wirklich am be- sten geeignet?“
Ein konservativer Abgeordneter dazu: „So viel rassistischen Quatsch habe ich von Abgeordneten seit Jah- ren nicht mehr gehört.“ Eine Spre- cherin des Krankenhauses: „Wir wür- den gern farbige Schwestern einstel- len, wenn wir welche fänden.“ Das Royal College der Schwestern mein- te, Frau Abbott habe überzogen:
„Schwester, das ist ein multikulturel- ler Beruf.“
Stimmt: eine jener 30 Finninnen
ist Schwarze . . . gb
A-152 (28) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 4, 24. Januar 1997
T H E M E N D E R Z E I T GLOSSEN
Der Glaube versetzt keine Berge
Eine bleibende Erinnerung an meine Jugendzeit ist das Phytothera- peutikum „Birkenhaarwasser“, mit dem hunderttausende Männer über Jahre, trotz der bekannten Nutzlo- sigkeit, versuchten, ihren Haaraus- fall zu verhindern. Erst als die Her- steller von „Birkin“ schon Milliardä- re waren, fand ein logischer, natur- wissenschaftlich begabter Kopf den Grund des androgenetischen Haar- ausfalls: die genetische Disposition und Testosteron als auslösenden Faktor. Diese naturwissenschaftliche Erkenntnis beendete den faulen Zauber der Birkinsalbung kahler werdender Häupter.
Phytotherapie ist keine Homöo- pathie oder Akupunktur; letztere sind aufgerufen, ihre Kunst zur Lösung des Problems zur Verfügung zu stel- len, insbesondere, weil hier der Vor- wurf des Plazeboeffektes entfällt.
Die Pikadores mögen punktieren und die Verdünnungskünstler mit C 10 000 jonglieren.
Nur Mut! Die Vielfalt der Rest- haarmuster und die besondere Wahr- heit des relativen, statistisch signifi- kanten Unterschiedes, die meilen- weite Kluft also zwischen Zusammen- hang und Kausalität, wird auch hier methodischen Erfolg nachweisen.
Dr. med. Wolfgang Grote, Köln