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Archiv "Unsere Lehrer kommen in die Jahre" (07.06.1996)

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er Lesekurs zu Hegels Phänomenologie des Geistes findet weiterhin statt, wir sind inzwischen un- gefähr auf Seite 400.“ Aus- dauerleistungen wie diese, abgetrotzt einem der schwerstverdaulichen Schin- ken der Philosophiegeschich- te, vermeldet stolz das Win- ter-Programmheft 1995/96 der „Marxistischen Abend- schule Hamburg“ (MASCH).

Auch vor anderen antikapita- listischen Geistesgrößen, wie Peter Weiss oder natürlich Karl Marx selbst, schrecken die Bildungs-Sozialisten in der Hansestadt nicht zurück.

Beim Kapital „haben wir bis- her einige der grundsätzlich- sten und abstraktesten Kri- tikpunkte gründlich für uns geklärt, die Marx gegen die kapitalistische Gesellschaft vorbrachte. Dazu haben wir die Kapitel 1 und 2 praktisch Satz für Satz durchgeackert.“

Ohne Fleiß kein Preis, oh- ne Schweiß kein Marx. Die Abendschule, die sich als

„Forum für Politik und Kul- tur e.V.“ organisiert hat, hält tapfer das Fähnlein sozialisti- scher Bildung für breite Volksmassen aufrecht – auch wenn die Massen sich auf we- nige linke Studienrätinnen und arbeitslose Autoschlos- ser reduziert haben. Ihnen geht es nicht nur um Klassi- ker-Lektüre. Von der „Ein- führung in die Kritische Psy- chologie“ über das Verhältnis von Sozialismus und Zionis- mus bis hin zu „antifaschisti- schen Stadtteilrundgängen“

erstreckt sich die Themenpa- lette. Diskutiert werden auch die Rolle der Frau in der Ge- sellschaft und die Herausfor-

derung durch neue Bild- schirmarbeitsplätze.

Daß es überhaupt noch ei- ne MASCH gibt, im vereinten Deutschland nach Wende, Mauerfall, Ostblock-Implosi- on und Ende der Sowjetunion, ist nur scheinbar ein pädagogi- scher Anachronismus. Zu er- klären ist er aus dem starken Beharrungsvermögen einer tiefverwurzelten Tradition der Arbeiterbildung, die bis in die zwanziger Jahre zurückreicht.

Damals stand das „A“ in MASCH noch für „Arbeiter“

statt für „Abend“. Die MASCH der Weimarer Repu- blik hatte zudem ihren Sitz in Berlin statt Hamburg, wo sich der Nachfolger der von den Nazis zerschlagenen Schule erst 1981 etablierte.

Bunte Mischung an Referenten

In ihrem 1976 erschiene- nen Buch „Marxistische Ar- beiterbildung in der Weima- rer Zeit“ zitiert Gabriele Gerhard-Sonnenberg das Credo der Original-MASCH:

entgegen den unpolitischen und neutralen „Volksbil- dungsbestrebungen, wie sie sich in unzähligen Formen und Verkleidungen breitma- chen, nichts anderes bieten als ehrlichen, unverfälschten Marxismus des revolutionä- ren Klassenkampfes“.

Die Gründung der Arbei- terschule 1925 war die direkte Folge eines Beschlusses der Berliner Bezirksleitung der KPD. Explizit war sie keine Parteischule mit dem Auf- trag, Funktionäre heranzuzie- A-1564 (86) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 23, 7. Juni 1996

„Marxistische Abendschule Hamburg“

Marx lebt

Sie beruft sich auf die Tradition der Marxistischen Arbeiterschule im Berlin der Weimarer Repubik – die MASCH im Hamburg von 1996.

Wende, Umbruch und Desillusionierung gingen scheinbar spurlos vorbei an der einzigen politischen Volksbildungsstätte, die noch den Namen des Revolutions-Gurus im Titel führt. Dennoch will die MASCH keine linientreue Kaderschmiede sein.

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hen, sondern eine Alternative zu den bürgerlichen Hoch- schulen, auch den Volkshoch- schulen. Unter dem Eindruck wachsender nationalsozialisti- scher Bedrohung wurde vor allem der ideologische Klas- senkampf trainiert.

So schlicht verlaufen die Frontlinien natürlich heute nicht mehr. Das weiß auch MASCH-Mitarbeiter Mein- hard Mäker, den das Neue Deutschland fragte, ob er sich am Berliner Vorläufer orien- tiere: „Wie damals müssen sich auch heute Linke, Marxi- sten, mit Erkenntnissen der Wissenschaft und neuen Ideen befassen und auseinanderset- zen. Verabschiedet haben wir jedoch die Konzeption, man könne ,den‘ Marxismus in ka- nonisierter Form anbieten oder ihn für parteipolitische Zwecke instrumentalisieren.“

Die bunte Mischung pro- minenter Referenten an der Hamburger MASCH spricht dafür, daß sich die Schule trotz ihrer ideologischen Nähe nicht als PDS-Filiale mißbrau- chen lassen will: Ob SPD-Lin- ke wie Peter Glotz, kritische Dokumentarfilmer wie Hein- rich Breloer („Die Staatskanz- lei“, „Wehner – die unerzählte Geschichte“) oder Grüne wie Antje Vollmer – sie alle steu- erten Referate oder Kurse bei.

Auf der anderen Seite scheuen sich die MASCH-

Pädagogen nicht, ausgerech- net vom SED-Historiker Jür- gen Kuczynski die Frage be- antworten zu lassen: „In wel- cher Gesellschaft leben wir?“. Der 91jährige, der zu- letzt ein Werk mit dem Titel

„Letzte Gedanken?“ vorleg- te, hat darauf seit Ulbrichts Tagen immer dieselbe Ant- wort: in einem Ausbeuter- staat, den es zu demaskieren und zu bekämpfen gilt.

High-Tech

Aber auch die dunklen Seiten der Arbeiter- und Bau- ernmacht werden keineswegs ausgespart in den Kursen der MASCH. Im Juni vorigen Jahres veranstaltete die Schu- le ein Seminar über Stalinis- mus, jedoch betont jenseits bürgerlicher Verurteilungen wie „Personenkult“ und „To- talitarismus“.

Daß sie von vielen der poli- tischen Einäugigkeit bezich- tigt wird, hat die MASCH stets weniger als Vorwurf denn als Ausweis von Standfestig- keit in der Klassenfrage aufge- faßt. Und gegen Blindheit gar fühlt sie sich schon durch den Einsatz von High- Tech gefeit:

Sehbehinderte jedenfalls kön- nen das MASCH-Programm auf Diskette anfordern – zur Verbalisierung mittels Sprach- Synthesizer. Oliver Driesen

A-1565 Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 23, 7. Juni 1996 (87)

Fast die Hälfte der Lehrerinnen und Lehrer an Gymnasien in Westdeutschland ist über 45 Jahre alt. 1985 lag der entsprechende Anteil der älteren Jahrgänge in den Lehrerkollegien erst bei 34 Prozent. Ein Grund für die Überalterung des Lehrkörpers ist die restriktive Einstellungspraxis in den 80er Jahren. N

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