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Archiv "Aktuelle Aspekte der Honorierung ärztlicher Leistungen" (02.11.1978)

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ÄRZTEBLATT

Heft 44 vom 2. November 1978

Spektrum der Woche Aufsätze •Notizen

Aktuelle Aspekte der Honorierung ärztlicher Leistungen

Josef Schmitz-Formes

Die Förderung der Ärzte für Allgemeinmedizin und die Stärkung des Hausarztprin- zips hängen nicht zuletzt auch von dem System ärztlicher Honorierung ab. Grundsätzli- che und aktuelle Fragen der Honorierung ärztlicher Lei- stungen behandelte Sanitäts- rat Dr. med. Josef Schmitz- Formes, Zweiter Vorsitzender der Kassenärztlichen Bundes- vereinigung (KBV), Hachen- burg, vor dem 1. Deutschen Hausärztetag und der Bun- destagung 1978 des Berufs- verbandes der Praktischen Ärzte und Ärzte für Allgemein- medizin Deutschlands e. V.

(BPA) am 9. September in der Dortmunder Westfalenhalle.

Nachstehender Beitrag ist ei- ne leicht gekürzte Fassung des viel beachteten Referates.

Der Hausarzt selbst muß die Erhal- tung eines von äußeren Einflüssen ungestörten vertrauensvollen Arzt/

Patienten-Verhältnisses in den Mit- telpunkt seines ärztlichen Handelns stellen. Die Fortschritte des tech- nisch Möglichen, die Steuerungsan- sprüche im Rahmen von Effizienz- und Effektivitätskontrollen sowie das medizinische Leistungsspek- trum einengende Wirtschaftlich- keitsansprüche im Hinblick auf die Gesamtökonomie müssen dort von dem Hausarzt kritisch in die Schran- ken verwiesen werden, wo die ver- trauensvolle freiheitliche Hinwen- dung zum Patienten gefährdet wird.

Als Kernelement von Gesundheits- förderung und Krankenversorgung muß gerade der Hausarzt das Ver- trauensverhältnis zwischen sich und seinen Patienten nicht nur sichern, sondern fortentwickeln.

Die Bedeutung des Hausarztes für unsere Gesellschaft wird in der Re- solution des Europarat-Ministerko- mitees über den „Allgemeinprakti- ker, seine Ausbildung und Wege zur Weckung seines Sendungsbewußt- seins" gerade unter dem Aspekt der Menschlichkeit in den Beziehungen zwischen Hausarzt und Patient ge- sehen. Dabei wird das Verständnis des Hausarztes für das soziale Mi- lieu und die Lebensumstände seiner Patienten und ihres Einflusses auf das Verhältnis zwischen Gesundheit und Krankheit betont. Wer anders als der Hausarzt ist in der Lage, Ge- sundheits- und Behandlungsproble- me mit der physischen und psychi- schen und sozialen Entwicklung des einzelnen und seiner Familie in Ver- bindung zu bringen?

Wenn wir gemeinsam die tragende Rolle des Hausarztes in unserem Gesundheitssicherungssystem in letzter Zeit immer häufiger unter- streichen, so tun wir dies nicht nur aus Kostenersparnisgründen, son- dern weil eine unbekümmerte Tech- nik-Euphorie, zusammen mit einer wachsenden allgemeinen Anonymi- sierung in unserer Gesellschaft und der damit verbundenen Verkümme- rung der zwischenmenschlichen Be- ziehungen auch die Bedeutung des Hausarztprinzips für die medizini- sche Betreuung in Frage stellt.

Leider müssen wir erkennen, daß die Entwicklung der letzten Jahre be- drohliche Auswirkungen für das von uns für gut gehaltene Hausarztprin- zip mit sich gebracht hat. Zwar be- handelten im Rahmen der ambulan- ten kassenärztlichen Versorgung 24 114 Praktiker und Allgemeinärzte 1977 noch rund 110 Millionen Krankheitsfälle; dem gegenüber ste- hen aber 27 196 voll zugelassene Fachärzte, die 125 Millionen Fälle versorgten.

Die Zahl der fachärztlichen Behand- lungsfälle erhöht sich sogar auf 136 Millionen, wenn man die Behand- lungsfälle der 4613 beteiligten Kran- kenhausärzte hinzurechnet, die be- kanntlich fast ausschließlich Fach- ärzte sind. Dagegen wurden noch 1966 knapp zwei Drittel aller ambu- lanten Behandlungsfälle durch Praktiker versorgt. Diese für die pri- märärztliche Versorgung, ja für das System der ambulanten kassenärzt- lichen Versorgung kritische Ent- wicklung ist mit ein Resultat der Arztzahlenentwicklung der letzten zehn Jahre.

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Spektrum der Woche Aufsätze ·Notizen

Aktuelle Aspekte der Honorierung

Mehr Fachärzte - weniger Allgemeinärzte

Die Zahl der Praktiker nahm in die- sem Zeitraum um 5,4 Prozent ab, während die Zahl der Fachärzte um 48 Prozent zunahm. Erschwerend kommt das deutlich höhere Durch- schnittsalter bei den Praktikern und Allgemeinärzten hinzu. Zum 31. De- zember 1977 betrug das Durch- schnittsalter der Praktiker und All- gemeinärzte 55,2 Jahre, das der Fachärzte 50,5 Jahre. 21,3 Prozent der heute noch tätigen Praktiker und Allgemeinärzte sind älter als 65 Jah- re. Für die Fachärzte liegt der ent- sprechende Prozentsatz bei 11 ,4.

Damit steht zu erwarten, daß nicht nur die Zahl der Praktiker in den nächsten Jahren weiter abnehmen wird, sondern auch das zahlenmäßi- ge Mißverhältnis zu den Fachärzten noch größer wird.

An dieser Entwicklung wird primär die prognostizierte Arztschwemme auch nichts ändern, wenn es nicht gelingt, eine stärkere Hinwendung der jungen Mediziner zur Allgemein- medizin - bei gleichzeitiger Anhe- bung der Qualität der medizinischen Ausbildung- zu erreichen. Dazu ge- hören neben einem Abbau der Theo- rielastigkeit des medizinischen Stu- dienganges die stärkere Berück- sichtigung der Vermittlung allge- mein-medizinischer Kenntnisse und Fähigkeiten bei der Gestaltung der Ausbildung.

Der Mangel der Approbationsord- nung für Ärzte aus dem Jahre 1970 offenbart sich jetzt mehr denn je in der fehlenden Definition des Ausbil- dungszieles. Diese müßte zwangs- läufig zu einer Betonung der affekti- ven und psychomotorischen Lern- ziele und damit des allgemein-medi- zinischen Wirkens führen.

Durch eine stärker steigende Zahl der Studienanfänger in der Medizin wird das Problem einer optimalen kassenärztlichen Versorgung kei- neswegs gelöst. Im Gegenteil! Wenn es nicht gelingt, den Studenten wäh- rend der Ausbildung die notwendi- gen praktischen Kenntnisse und Fä- higkeiten zu vermitteln, diese aber

wegen fehlender Weiterbildungs- plätze an Krankenhäusern in die freie Praxis drängen, sehe ich eine große Gefahr für die medizinische Betreuung unserer Patienten, spe- ziell im primärärztlichen Sektor und letztlich damit für unser gesamtes Gesundheitssicherungssystem.

Die "Konzertierte Aktion im Gesund- heitswesen" hat sich in ihrer Herbst- sitzung mit dem Problem der Arzt- zahlentwicklung beschäftigt. Wir ha- ben alles darangesetzt, die Zusam- menhänge zwischen steigenden Studentenzahlen und abnehmender Qualität vor allem ohne praxisbezo- gene Ausbildung aufzuzeigen. Die Forderungen werden neben einer Stärkung der praktischen Ausbil- dung und einer Förderung der Ver- mittlung allgemeinmedizinischer Kenntnisse und Fähigkeiten auch ein Einpendeln der Zahl der Stu- dienplätze in der Medizin entspre- chend der jeweils vorhandenen Ka- pazitäten bezogen auf eine ausrei- chend praxisbezogene Ausbildung umfassen.

Mehr Weiterbildungsstellen schaffen

Eine stärkere Motivierung der Stu- denten für die Allgemeinmedizin wird sich in der kassenärztlichen Versorgung aber nur dann positiv niederschlagen, wenn hinreichend Weiterbildungsstellen zum Arzt für Allgemeinmedizin vorgehalten wer- den. Hier sind sowohl die Kranken- hausträger als auch wir Ärzte in freier Praxis aufgerufen, Hilfestel- lung zu geben und entsprechende Weiterbildungsstellen anzubieten.

Vielfach gewähren die Kassenärztli- chen Vereinigungen der Länder im Rahmen ihres Sicherstellungsauf- trages finanzielle Zuschüsse für die- jenigen, die sich dieser verantwor- tungsvollen Aufgabe unterziehen.

Bisher läßt der Erfolg noch zu wün- schen übrig.

..,.. Ich appelliere daher nochmals mit allem Nachdruck an alle Kolle- ginnen und Kollegen, zur Stärkung der kassenärztlichen Versorgung beizutragen, indem sie sich bereiter-

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DEUTSCHES ARZTEBLATT

klären, jungen Kollegen Weiterbil- dungsstellen zum Arzt für Allge- meinmedizin anzubieten.

Wie wir alle wissen, schreckt die hausärztliche Tätigkeit wegen der damit verbundenen Belastungen und der Einengung des Privatlebens ab. Wir sollten daher auch wegen der zu erwartenden Arztzahl die Nie- derlassung in Gemeinschaftspraxen propagieren und unterstützen. Nur so kann das Wirken als Hausarzt mit einem ausgefüllten Privatleben in Einklang gebracht werden!

Gerechtere Honorierung notwendig Aus der Sicht der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) stellt sich bei den Überlegungen zur Förde- rung des Hausarztes wegen seiner Bedeutung für die Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung natürlich auch die Frage nach der gerechten ärztlichen Honorierung. Ich will keinen Zweifel daran auf- kommen lassen, daß für mich und für meine Kollegen im Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung die Einzelleistungsvergütung nach wie vor als wünschenswerte-

ste, weil optimale Form der kassen-

ärztlichen Honorierung angesehen wird. Dies gilt sowohl für die Vertei- lung der Gesamtvergütung auf der Grundlage einer Einzelleistungsge- bührenordnung wie aber auch für die Berechnung der kassenärztli- chen Gesamtvergütung gegenüber den Krankenkassen. Diese Aussage schränkt nicht die Möglichkeit ein, im Rahmen des Honorarverteilungs- maßstabes in der Gebührenordnung nicht beschriebene Leistungen be- stimmter Arztgruppen durch Zah- lung zusätzlicher Pauschalen abzu- geften.

Sowohl die Errechnung als auch die Verteilung der kassenärztlichen Ge- samtvergütung ist aber in meinen Augen deshalb die Voraussetzung für eine optimale Gestaltung der am- bulanten medizinischen Versor-

gung, weil diese Honorierungsform

sowohl zum einen die unverändert gewünschte und geforderte Trans-

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Aktuelle Aspekte der Honorierung

parenz ärztlicher Leistungen ge- währleistet als auch die Anpassung des diagnostischen und therapeuti- schen Leistungsspektrums in der ambulanten kassenärztlichen Ver- sorgung an die medizinische Ent- wicklung umfassend und schnell ga- rantiert. Beides kommt primär dem Patienten zugute. Darüber hinaus ist der Kassenärzteschaft als einer Gruppe von Freiberuflern auf Dauer nicht zumutbar, das Risiko einer ver- stärkten Inanspruchnahme ärztli- cher Leistungen durch die Versi- cherten zu tragen.

Zwar war in der jüngsten Vergan- genheit aus Gründen der Einsicht in eine unerläßliche „Kostendämpfung im Gesundheitswesen" und der ge- setzlich vorgeschriebenen Umstel- lung auf ein neues Gebührenord- nungssystem eine andere Form der Berechnung der kassenärztlichen Gesamtvergütung notwendig; nach Ablauf des jetzigen Zeitraumes, in welchem die Berechnung der kas- senärztlichen Gesamtvergütung nach einem Kopfpauschale erfolgt, ist aber auch unter dem Faktum der erreichten umfassenden Stabilisie- rung der Ausgabenentwicklung bei den RVO-Krankenkassen eine Rück- kehr zur Berechnung der kassen- ärztlichen Gesamtvergütung nach Einzelleistungen unabdingbar. Die Vertragspartner auf Bundesebene haben diese Rückkehr zur Einzellei- stungsvergütung in einer Absichts- erklärung unmißverständlich nieder- gelegt.

Allerdings gibt es ein Rechtspro- blem, welches aus den mißver- ständlichen Formulierungen des

„Krankenversicherungs-Kosten- dämpfungsgesetzes" (KVKG) resul- tiert. Danach stellt sich die Frage, ob nach den neuen Vorschriften des

§ 368 f Absätze 2 und 3 der Reichs- versicherungsordnung Normen eta- bliert worden sind, welche zwingend vorschreiben, daß die von den Kran- kenkassen an die Kassenärztlichen Vereinigungen zur Abgeltung der ärztlichen Versorgung zu leistende Gesamtvergütung stets an eine Obergrenze gebunden ist. Nach un serer Auffassung entbehrt diese An- nahme, die die Zielvorstellung der

maßgeblichen Gesetzesinitiatoren gewesen sein mag, nach wie vor der rechtlichen Grundlage.

Der Begriff der kassenärztlichen Ge- samtvergütung ist auch nach den Änderungen durch das KVKG iden- tisch mit dem Begriff Gesamtausga- ben für kassenärztliche Versorgung.

Der neuformulierte und in seiner Fassung erweiterte § 368 f Absatz 2 RVO läßt die Berechnung der kassenärztlichen Gesamtvergütung nach einem Festbetrag, nach Einzel- leistungen, nach einem Kopfpau- schale, nach einem Fallpauschale oder nach einem System zu, das sich aus der Verbindung dieser oder weiterer Berechnungsarten ergibt.

Hätte der Gesetzgeber mit dem Be- griff der kassenärztlichen Gesamt- vergütung gleichzeitig die Schaf- fung einer Obergrenze für die Aus- gaben der Krankenversicherung ver- binden wollen, wäre nur die Errech- nung der Gesamtvergütung nach ei- nem Festbetrag oder einem Kopf- pauschale sinnvoll gewesen. Die Be- rechnung der Gesamtvergütung nach Einzelleistungen und auch nach einem Fallpauschale spricht aber dafür, daß gesetzlich keine Obergrenze in jedem Fall vorgege- ben ist.

Daran ändert auch die Vorschrift des

§ 368 f Abs. 3 RVO über die Verän- derung der kassenärztlichen Ge- samtvergütung nichts. Hier werden lediglich Merkmale angeführt, nach denen die Veränderung der Gesamt- vergütung zu erfolgen hat. Wird die Gesamtvergütung nach Einzellei- stungen errechnet, ist die im Bewer- tungsmaßstab aufgeführte ärztliche Leistung im einzelnen die weiter zu entwickelnde Rechnungsgröße, weil nach ihr die Gesamtvergütung be- rechnet wird.

Da trotz vieler mündlicher Stellung- nahmen wie aber auch schriftlicher Äußerungen die vorübergehende Er- rechnung der kassenärztlichen Ge- samtvergütung nach einem Kopf- pauschale von vielen Kolleginnen und Kollegen fehlinterpretiert wird, soll eine Bemerkung zur Aufklärung beitragen.

Einheitlicher Bewertungsmaßstab Nach dem „Krankenversicherungs- Kostendämpfungsgesetz" mußte zum 1. Juli dieses Jahres ein neuer einheitlicher Bewertungsmaßstab eingeführt werden, der die Abrech- nung der ärztlichen Leistungen nach Punkt- statt bisher DM-Werten vorsieht. Grundlage des neuen Be- wertungsmaßstabes wurde entspre- chend der gesetzlichen Vorgabe die bisherige Ersatzkassen-Gebühren- ordnung, bekannt in der Abkürzung E-Adgo. Durch die Übernahme der Leistungsstruktur der Ersatzkassen- Gebührenordnung für die Abrech- nung mit den RVO-Krankenkassen konnte ein Punktwert nicht berech- net werden.

Allein aus diesem Grunde mußte da- her für einen Übergangszeitraum die kassenärztliche Gesamtvergütung nach einer fest vorgegebenen Größe (Kopfpauschale) berechnet werden;

dies allerdings nur insoweit, wie die- se Gesamtvergütung auf der Grund- lage des neuen Bewertungsmaßsta- bes verteilt wird. Die Division der Gesamtausgaben durch die Gesamt- zahl der durch die Kassenärzte ab- gerechneten Punkte ergibt den Punktwert in DM, nach welchem nicht nur quartalsweise die Gesamt- vergütung an die Ärzte verteilt wird, sondern welcher auch bei der Rück- kehr zur Berechnung der Gesamt- vergütung nach Einzelleistungen zum 1. Juli 1979 zugrundegelegt wird. Zur Zeit erfolgen die unum- gänglichen Vorarbeiten für eine Rückkehr zur Berechnung der kassenärztlichen Gesamtvergütung nach Einzelleistungen.

Der nach Ablauf des Übergangszeit- raumes je Kassenart und Geltungs- bereich ermittelte durchschnittliche Punktwert bildet die Ausgangsbasis für die zum 1. Juli 1979 anstehende Honorarerhöhung. Bei der Erhö- hung des Punktwertes sind die im

§ 368 f Absatz 3 RVO genannten Kri- terien, also die zu erwartende Ent- wicklung der durchschnittlichen Grundlohnsumme der beteiligten Krankenkassen, der Praxiskosten und der für kassenärztliche Tätigkeit aufzuwendenden Arbeitszeit zu be-

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Spektrum der Woche Aufsätze ·Notizen

Aktuelle Aspekte der Honorierung

rücksichtigen. Der so erhöhte Punktwert wird für die Berechnung der Gesamtvergütung nach Einzel- leistungen zugrundegelegt, wobei die Gesamtausgaben der Kranken- kassen für ambulante kassenärztli- che Leistungen erst nach Kenntnis der Gesamtzahl der erbrachten Lei- stungen ermittelt werden können.

Um auf die Frage nach der gerech- ten ärztlichen Honorierung, die selbstverständlich auch unter dem Aspekt der Bedeutung der ärztlichen Tätigkeitsfelder und der damit ver- bundenen Verantwortung und Bela- stung gesehen werden muß, eine sachgerechte Antwort insbesondere in bezug auf die Förderung der hausärztlichen Tätigkeit geben zu können, muß man die Umsätze und die daraus resultierenden Einkom- men der einzelnen Arztgruppen be- trachten. Hierbei können wir nicht nur beträchtliche Schwankungen zwischen einzelnen Facharztgrup- pen, sondern auch einen deutlichen Abstand des Durchschnittsumsatzes des Praktikers vom Durchschnitts- umsatz der Fachärzte insgesamt feststellen. Die Fragwürdigkeit von Durchschnittszahlen ist uns allen bewußt. Dennoch sind sie geeignet, Anhaltspunkte zu geben, ja Pro- blemhaushalte aufzureißen, denen auf der Grundlage eines fundierten Zahlenmaterials gezielt nachgegan- gen werden muß.

..". 1977 lag der Durchschnittsum- satz aus kassenärztlicher Tätigkeit bei den Fachärzten um 27,8 Prozent über dem der Praktiker und Allge- meinärzte. Diesen Zahlen liegt der Umsatz, der aus RVO-, Ersatz-, Knappschafts- und übriger kassen- ärztlicher Tätigkeit erzielt wurde, zu- grunde; letztere, soweit sie über die Kassenärztliche Vereinigung abge- rechnet wurde. Dieser beträchtliche prozentuale Abstand zwischem dem Durchschnittsumsatz der Praktiker beziehungsweise Allgemeinärzte ei- nerseits und den Fachärzten ande- rerseits verringert sich bei Betrach- tung der Einkommen, da die Kosten in den Facharztpraxen naturgemäß höher liegen. Immerhin beträgt der Abstand aber noch 20 Prozent.

Spontan wird jeder von uns die Aus-

sage treffen, daß dieser Einkom- mensabstand der Praktiker und All- gemeinärzte vom Durchschnitt der Fachärzte nicht zu rechtfertigen sei, womit gleichzeitig auch schon eine Antwort auf die von mir eingangs gestellte Frage gegeben wäre. Aller- dings sollten wir uns die Beurteilung nicht zu leicht machen, sondern ein wenig auch nach den Gründen für diesen Einkommensabstand su- chen.

..". Wichtiges Kriterium für die Höhe des Umsatzes ist die Fallzahl. Die Gesamtzahl der Fälle, die durch Fachärzte versorgt werden, liegt über derjenigen der Praktiker.

Dies trifft: auch für die Durch- schnittszahl je Praktiker bezie- hungsweise je Facharzt zu. Danach behandelte im Jahre 1977 ein Prakti- ker beziehungsweise Allgemeinarzt 4433 Fälle, während ein Facharzt 4575 Fälle versorgte. Vor gut zehn Jahren herrschte eine völlig andere Relation; damals wurden durch- schnittlich 3657 Fälle durch einen Praktiker und 2955 Fälle durch einen Facharzt behandelt. Demnach ist in den letzten zehn Jahren nicht nur die Zahl der Fachärzte insgesamt gegenüber derjenigen der Praktiker deutlich überproportional gestie- gen, sondern auch die Fallzahl je Facharzt hat sich um mehr als 50 Prozent erhöht.

Höhere

Inanspruchnahme

Die insgesamt festzustellende starke Zunahme der Zahl der Behand- lungsfälle in den letzten Jahren re- sultiert sowohl aus einer verstärkten pnmaren Inanspruchnahme der Kassenärzte durch die Versicherten als auch durch eine Zunahme der Zahl der Überweisungen. Die stärke- re direkte Inanspruchnahme der Kassenärzte hängt ohne Frage mit der Ausgabe von Krankenschein- scheckheften zusammen, die es dem Versicherten sehr leicht ma- chen, den Arzt auch bei gleichem Krankheitsgeschehen zu wechseln beziehungsweise einen anderen Arzt zusätzlich in Anspruch zu nehmen.

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DEUTSCHES ARZTEBLATT

Bezüglich der Eindämmung der Überweisungstätigkeit erlaube ich mir, auf die Überarbeitung des Bun- desmantelvertrages hinzuweisen:

Nach § 19 Absatz 2 des Bundesman- telvertrages kann eine Überweisung grundsätzlich nur ein Kassenarzt vornehmen, dem ein gültiger Kran- kenschein vorliegt. Der auf Grund einer Überweisung tätig werdende Arzt, kann eine weitere Überweisung nur im Rahmen des ihm erteilten Auftrages vornehmen. Zwar haben diese neuen Formulierungen des Bundesmantelvertrages durch die Einfügung des Wortes "grundsätz- lich" keinen rechtsverbindlichen Charakter; sie stellen dennoch eine unmißverständliche Aufforderung an den fachärztlichen Kollegen dar, einen ihm überwiesenen Patienten zurück zum Hausarzt zu schicken, falls Gesundheitsstörungen außer- halb des Auftrages zu diagnostizie- ren oder zu behandeln sind.

..". Die um 3,2 Prozent höhere durchschnittliche Fallzahl je Fach- arzt stellt keinen ausreichenden Er- klärungsgrund für das um 20 Pro- zent niedrigere Durchschnittsein- kommen des Praktikers dar.

Im Rahmen der weiteren Ursachen- forschung stößt man auf das Fak- tum, daß der Anteil von Arztpraxen mit niedrigen Umsätzen bei den Praktikern relativ groß ist. So haben nahezu 20 Prozent aller Praktiker im Jahre 1977 einen Umsatz von weni- ger als 100 000 DM gehabt. Bei den Internisten ist der entsprechende Prozentsatz nur halb so groß. Der Durchschnittsumsatz der Praktiker muß also tiefer liegen, weil in den Durchschnittswert eine größere An- zahl kleinerer Praxen mit ent- sprechend geringerem Umsatz ein- fließt.

Ein weiterer Parameter zur Deutung der von mir genannten Umsatz- und Einkommensunterschiede ist der Fallwert. Tatsächlich liegt der durchschnittliche Fallwert der Fach- ärzte um 26,4 Prozent über dem der Praktiker und Allgemeinärzte. Dabei ist es kein Geheimnis, daß dieser so deutlich höhere Fallwert der Fach-

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ärzte primär durch eine häufigere Anwendung technischer Untersu- chungsmethoden zustande kommt.

So betrug im 4. Quartal 1977 der Honoraranteil des Gebührenab- schnitts "Laboratoriumsdiagnostik"

bei den Praktikern gut 15 Prozent, während er bei den Internisten bei knapp 35 Prozent lag.

Selbstverständlich hängt der Einsatz von technischen Untersuchungsme- thoden, deren große Bedeutung für die Diagnostik ich keinesfalls in Fra- ge stellen will, von der jeweiligen medizinischen Verdachtsdiagnose ab. Dennoch kann das Wirtschaft- lichkeitsgebot gerade beim Einsatz technischer Mittel mit all den flie- ßenden Übergängen bei der Indika- tionsstellung mal großzügiger und mal restriktiver beachtet werden.

Der erhebliche Abstand der Fallwer- te und die in erster Linie daraus re- sultierenden unterschiedlich hohen Umsätze zwischen Praktikern einer- seits und Fachärzten andererseits dürfen jedoch nicht zu dem vorder- gründigen Rückschluß führen, die Praktiker können wegen ihres spezi- fischen Leistungsspektrums "billi- ger" als Fachärzte arbeiten - dem- entsprechend sei ihr Umsatz ge- rechterweise auch niedriger. Bei ei- ner Beurteilung von Durchschnitts- umsätzen darf die Gesamtbelastung einer Arztgruppe, soweit sie nicht in Leistungspositionen der Gebühren- ordnung direkt zu erfassen ist, nicht außer acht gelassen werden. Es liegt an der Besonderheit haus- ärztlicher Tätigkeit, daß ihr Lei- stungsinhalt schwieriger als in an- deren Bereichen zu differenzieren ist. Die patientenzentrierte Diagnose und Therapie ist auf den ganzen Menschen, auf seine Leib-Seele- Einheit ausgerichtet. Diese Gesamt- schau ist es, die keine Aufsplitterung in einzelne Leistungsgruppen zuläßt -oder sie führt dort, wo sie versucht wird, zu Konflikten. Aber gerade die- se Einstellung ist es, die zu der gro- ßen - auch zeitlichen - Belastung des Allgemeinarztes führt. Diese all- gemeine Belastung ist gerade bei den Praktikern besonders groß.

Um dies zu verdeutlichen, weise ich nur auf die notwendig langen Ge- spräche mit den Patienten auch über deren soziale und seelische Probleme, den erhöhten Dokumen- tationsaufwand, wie auch auf die das Privatleben stark beeinträchti- gende ständige Präsenzpflicht hin.

ln der Vergangenheit haben wir mehrfach den Versuch unternom- men, über Änderungen in den Ge- bührenordnungen diesen Tatbe- ständen dadurch Rechnung zu tra- gen, daß wir gewisse ärztliche Lei- stungen im Honorar gezielt angeho- ben haben. Voraussetzung dafür war selbstverständlich die Kenntnis über das spezifische Leistungsspek- trum der praktischen Ärzte und der Ärzte für Allgemeinmedizin.

Ein Blick in die Frequenzstatistik für die RVO-Krankenkassen des 4.

Quartals 1977 zeigt die Bedeutung der ärztlichen Grundleistungen für die Umsatzentwicklung dieser Arzt- gruppe. Beratungen, Besuche und eingehende Untersuchungen ma- chen an ihrem Honoraranteil nahezu 60 Prozent aus, während der ent- sprechende Prozentsatz für alle Ärz- te nur 40 Prozent beträgt.

Die Bezugsgröße nur für die Gruppe der Fachärzte liegt leider nicht vor.

Bei den Ersatzkassen ist der Anteil der genannten Leistungsgruppe, be- zogen auf das Gesamthonorarvolu- men der Praktiker noch größer. Er beläuft sich auf über 65 Prozent; al- lein die Beratung weist einen Hono- raranteil von 40 Prozent auf. Daraus kann man ermessen, welche finan- zielle Bedeutung Honoraranhebun- gen der ärztlichen Grundleistungen gerade für die Gruppe der Praktiker und Allgemeinärzte haben.

Unter diesem Gesichtspunkt sollte man die honorarpolitischen Ent- scheidungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung in den letzten Jahren sehen, welche zwar auch ei- nen Abbau der Überbewertung und damit eine Eindämmung der Anwen- dung medizinisch-technischer Lei- stungen, primär aber eine Förde- rung der hausärztlichen Tätigkeit durch die höhere Bewertung der für

Aktuelle Aspekte der Honorierung

diese Arztgruppe bedeutsamen Lei- stungsgruppen zum Ziele hatte.

An strukturellen Gebühren-Ord- nungsänderungen, die in die von mir skizzierte Richtung zielten, möchte ich nennen:

.,... die Bundesvereinbarung vom 25. Februar 1971 mit den RVO-Kranken- kassen, die eine Erhöhung der Ho- norarsätze der Besuche und der ein- gehenden Untersuchung vorsah;

.,... die Umstrukturierung im BMÄ zum 1. Januar 1976 mit einer durch- schnittlichen Senkung der Gebüh- rensätze der Laborleistungen um 24 Prozent bei gleichzeitiger Anhebung vor allem der Besuchsgebühren um 47 Prozent;

.,... die Übernahme der E-Adgo als einheitlicher Bewertungsmaßstab zum 1. Juli 1978 mit der Folge einer weiteren deutlichen Anhebung der Honorarsätze der Beratungen und der Besuche in der RVO-Gebühren- ordnung.

Diese Maßnahmen betrafen bzw. be- treffen die Abrechnung mit den RVO-Krankenkassen. Neben diesen strukturellen Veränderungen erfolg- ten lineare Honorarerhöhungen durch die Weiterentwicklung von zu zahlenden Zuschlägen zu den Ein- fachsätzen des BMÄ auf Landes- ebene.

Noch weitergehender waren die strukturellen Änderungen, die im Er- satzkassenbereich in den letzten Jahren ausgehandelt wurden. Diese konnten insofern leichter realisiert werden als die Verhandlungsfüh- rung auch für die Weiterentwicklung der Honorare mit den Ersatzkassen auf Bundesebene liegt. Seit 1972 wurden die Honorarsätze der E-Ad- go fast ausnahmslos nicht mehr li- near, sondern gezielt, d. h. in unter- schiedlicher Höhe angehoben. Da- mit war in der Regel ein überpropor- tionaler Anstieg der Gebührensätze der ärztlichen Grundleistungen ver- bunden.

Auch die Neubewertung der Labor- leistungen, die schon zum 1. April

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Spektrum der Woche Aufsätze · Notizen

Aktuelle Aspekte der Honorierung

1975 vollzogen wurde, war mit einer Anhebung des Gebührenwertes, vor allem der Beratungsposition, gekop- pelt. Selbst bei Inkraftsetzung der neugegliederten und -bewerteten sowie erheblich erweiterten Sonder- leistungskapital der E-Adgo zum 1.

Januar 1977, wurde die Beratungs- gebühr erheblich - nämlich von 6,25 DM auf 7,15 DM- angehoben.

...,.. Eine entsprechende und immer wieder geforderte Anhebung der Be- ratungsgebühr, auch im BMÄ, war in der Vergangenheit leider nicht er- reichbar. Die RVO-Krankenkassen lehnten eine isolierte Anhebung des Gebührenwertes der Beratung ohne gleichzeitige Aufgliederung der Lei- stungslegende strikt ab. Dies war mit ein Grund für die Überlegungen zur Aufgliederung der Beratungspo- sition.

Trotz der erheblichen Zunahme me- dizinisch-technischer Untersuchun- gen im Rahmen der ambulanten ärztlichen Versorgung, konnte der Honoraranteil der ärztlichen Grund- leistungen, bezogen auf das Ge- samthonorarvolumen, bei den Er- satzkassen in den letzten sieben Jahren konstant gehalten werden; bei den RVO-Kassen war deren An- teil dennoch leicht rückläufig. Der Honoraranteil der ärztlichen Grundleistungen am Gesamthono- rarvolumen der Praktiker und Allge- meinärzte hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen; die derzeiti- gen Prozentsätze habe ich eingangs erwähnt.

Ähnlich verlief die Entwicklung der Fallwerte. Während bei den RVO- Kassen der Anstieg des Fallwerts der Praktiker in den letzten sieben Jah- ren gegenüber dem Anstieg des Fallwerts sämtlicher Ärzte um 7,6 Prozent niedriger lag, kann für den Ersatzkassenbereich ein umgekehr- tes Ergebnis festgestellt werden.

Hier war der Anstieg des Fallwertes der Praktiker um 14 Prozent höher als der der Fachärzte.

Diese Zahlen unterstreichen die Möglichkeit, durch gezielte Ände- rungen in den Gebührenordnungen

Einfluß auf die Umsatzentwicklung von Arztgruppen zu nehmen und gleichzeitig durch wirtschaftliche Anreize die ambulante kassenärztli- che Versorgung durch bestimmte Arztgruppen sicherzustellen. Aller- dings muß ich erneut betonen, daß selbstverständlich eine Vielzahl wei- terer Komponenten die Umsatzent- wicklung von Freiberuflern, die wir Kassenärzte trotz mancher gegen- läufiger Bestrebung nach wie vor sind, beeinflussen. Dazu gehören genauso die nicht zu steuernde In- anspruchnahme durch die Versi- cherten wie aber auch die sich än- dernde Einstellung zum Wert gewis- ser hausärztlicher Leistungen. Trotz starker Anhebung der Besuchsge- bührensätze hat die Zahl der durch- geführten Besuche pro 100 Behand- lungsfälle bei den praktischen und Allgemeinärzten in den letzten Jah- ren weiter abgenommen. Wurden noch im 4. Quartal 1974 27,5 Besu- che auf 100 Behandlungsfälle er- bracht, waren es im 4. Quartal 1977 nur noch 25,3 Besuche. Gegenläufig ist der Trend bei den Internisten: Im 4. Quartal 1974 wurden 9,2 Besuche auf 100 Behandlungsfälle durchge- führt, im 4. Quartal 1977 waren es bereits 9,7 Besuche.

Wer anders als der Hausarzt hat nicht nur das Verständnis, sondern auch die Kenntnisse über die Ein- flüsse des sozialen Milieus und der Lebensumstände auf das Verhältnis von Gesundheit und Krankheit. Sind wir deshalb nicht geradezu ver- pflichtet, uns über die häuslichen Lebensumstände unserer Patienten fortlaufend zu informieren? Zum Hausarztsystem gehört der Hausbe- such. Er ist mit das Fundament eines vertrauensvollen, vom Verständnis geprägten Arzt-Patienten-Verhält- nisses. Wir sollten ihn nicht ver- nachlässigen.

Auswirkung

der Umstrukturierung abwarten Wenn man sich die Anteile der ärztli- chen Grundleistungen am Gasamt- honorarvolumen in Erinnerung ruft, so kann man -unschwer ermessen, daß die gesetzlich vorgeschriebene

2604 Heft 44 vom 2. November 1978

DEUTSCHES ARZTEBLATT

Umstrukturierung erhebliche Aus- wirkungen mit sich bringt. Das ge- naue Ausmaß besonders im Hinblick auf die Umsatzentwicklung bei den einzelnen Arztgruppen läßt sich an- gesichts der Unsicherheit der Ein- schätzung des zukünftigen Punkt- wertes nicht voraussagen. Weitere Schritte in Richtung Änderung der Honorarsätze der ärztlichen Grund- leistungen können m. E. erst dann diskutiert werden, wenn die Auswir- kungen der zum 1. Juli 1978 zwangs- läufig vollzogenen Umstrukturie- rung klar zutage treten. Dazu bedarf es des Überblickes über die Abrech- nungsergebnisse von wenigstens vier Quartalen.

Vielleicht gewinnen wir die Erkennt- nis, daß durch die Anhebung des Honorars der Beratungsziffer im RVO-Sektor zwischen den Arztgrup- pen eine angemessene Gesamtum- satzentwicklung aus kassenärztli- cher Tätigkeit auf der Grundlage der jetzt geltenden Gebührenordnungen erzielt wurde und eine weitere Um- strukturierung deshalb bedenklich wird, weil angesichtsder steigenden Kosten die Grenze der wirtschaftli- chen Erbringung technischer Lei- stungen erreicht, hoffentlich noch nicht überschritten worden ist.

Uns allen kann nicht daran gelegen sein, die Erbringung medizinisch- technischer Leistungen wirt- schaftlich unrentabel werden zu las- sen.

Dies hätte nicht nur ein Abwandern dieser Leistungen in Medizinisch- technische Institute zur Folge, wo- durch die ambulante kassenärztli- che Versorgung sicherlich nicht bil- liger eher schlechter würde, son- dern auch eine Verarmung des dia- gnostischen Leistungsspektrums im Bereiche der ambulanten Versor- gung.

Diese Hinweise sollten nicht die Ein- leitung eines Begräbnisses erster Klasse für die Grundideen des Feld- versuchs sein. Dennoch können wir vor der neuen Situation nicht die Augen verschließen. Die Denkansät- ze müssen überprüft, die Prioritäten gegebenenfalls neu gesetzt werden.

C>

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Ein intensives politisches Engage- ment der Ärzte hält der Präsident der Bundesärztekammer, Dr. Karsten Vilmar, für unerläßlich. Darin stimm- te er beim Berufspolitischen Ge- spräch auf dem Herbstkongreß der Bundesärztekammer in Grado auch mit seinem Vorstandskollegen Dr.

Dietrich Maiwald überein. Eine ein- seitige parteipolitische Festlegung der organisierten Ärzteschaft lehnte Vilmar jedoch ab. Die Ärzte sollten sich vielmehr im Sinne der alten Po- lis für die öffentlichen Angelegen- heiten einsetzen: Mit Sachverstand, bereit zum Dialog, aber auch ohne Scheu, das als richtig Erkannte nachdrücklich vorzubringen. Not- falls könne man „auch mal demon- strieren", meinte Vilmar, ohne dabei allerdings dem Patienten mit der Rückgabe der Kassenzulassung zu drohen.

Vilmar bezog sich mit dem Hinweis auf das Demonstrieren auf das Bei- spiel der österreichischen Ärzte.

Diese hatten, wie der Präsident der Österreichischen Ärztekammer, Dr.

Richard Piaty in Grado erklärte, ge- gen ein Gesetzesvorhaben auf der Wiener Ringstraße demonstriert. Da- mals hatten von 13 000 Ärzten im- merhin 7000 teilgenommen! Noch im nachhinein beklatschten die deutschen Kollegen in Grado diese erstaunliche Präsenz.

In Österreich hat man allerdings das Demonstrieren (und vielleicht auch einiges mehr, Piaty deutete das an) im Augenblick nötiger als in der Bundesrepublik, denn felix Austria offeriert seinen Ärzten eine düstere Zukunft: Ambulatorien der Kassen, ohne daß die Ärzte dem widerspre- chen können, einen bundeseinheitli- chen Stellenplan für Kassenärzte und einiges mehr. Piaty zum Klima in Österreich: „Nichts mehr von Partnerschaft, nichts mehr von Mit-

TAGUNGSBERICHTE

bestimmung. Die Kassen sollen al- lein das Sagen haben."

Angesichts dessen mutet das Klima in der Bundesrepublik noch milde an. Doch die Witterungsberuhigung täuscht. Dr. Karsten Vilmar mahnt jedenfalls bei berufspolitischen Ver- anstaltungen, so auch in Grado, sei- ne Kollegen, auf drei Probleme be- sonders zu achten:

Die Auswirkungen der Krise in der Rentenversicherung auf andere Be- reiche der Sozialversicherung.

43 Die erst in den nächsten Jahren richtig spürbar werdenden Folgen der „K-Gesetzgebung", hier vor al- lem des Krankenversicherungswei- terentwicklungsgesetzes (KVWG) und des Krankenversicherungs-

„Kostendämpfungsgesetzes”

(KVKG).

Das sich abzeichnende Disaster der Bildungspolitik.

Das „Milliarden-Loch" in der Ren- tenversicherung war der Anlaß, die an sich gesunde gesetzliche Kran- kenversicherung zur Kasse zu bit- ten, erinnerte Vilmar. Die Kostenver- lagerung wiederum habe man zum Vorwand genommen für strukturver- ändernde Maßnahmen im Kassen- arzt-Bereich. Seien die „Kosten"

Deckmantel für die strukturellen Än- derungen des KVKG gewesen, so habe der Deckmantel beim KVWG

„ärztliche Unterversorgung" gehei- ßen. Schon diese beiden Beispiele zeigten im übrigen, wie kurzsichtig und kurzfristig heute in der Sozial- politik „Politik" gemacht werde:

Von „Unterversorgung" rede heute kaum noch einer; und auch die „Ko- stenexplosion" rücke bereits deut- lich in den Hintergrund.

Vilmar erinnerte daran, daß der so- genannten Kostenexplosion eine Aktuelle Aspekte

Mir scheint es lohnenswert, insbe- sondere die Auswirkungen einer Be- seitigung der einschränkenden Ab- rechnungsbestimmung, wonach ei- ne Beratung nur neben der ersten Sonderleistung im Quartal abrech- nungsfähig ist, zu prüfen. Damit würde denjenigen Ärzten mehr Ge- rechtigkeit widerfahren, die mit ei- ner Multimorbidität — der Begriff ist nahezu identisch mit einer Langzeit- behandlung — ihres Patientengutes zu kämpfen haben.

Abschließend darf ich das Augen- merk noch auf die Gesundheitsvor- sorge lenken. Wir Ärzte haben stets unsere Patienten in Fragen der Ge- sundheitserhaltung beraten. In aller Regel suchen uns aber die Patienten nur dann auf, wenn sie krank sind oder sich krank fühlen. Die Ausnah- me bilden die Früherkennungsun- tersuchungen.

Gesundheitspolitisch wäre die ver- stärkte Hinwendung gerade der Hausärzte zur Gesunden-Beratung aber wünschenswert. Dies weniger, um den Zeichen der Zeit zu folgen, sondern weil es unser Wunsch ist, nicht nur Krankheiten zu heilen son- dern vielmehr Gesundheit zu erhal- ten. Darauf müßte nicht nur verstärkt die Fortbildung Rücksicht nehmen, sondern auch der vertragliche und honorarmäßige Rahmen mit den Vertragspartnern geschaffen wer- den.

Anschrift des Verfassers:

San itätsrat

Dr. med. Josef Schmitz-Formes Zweiter Vorsitzender

der Kassenärztlichen Bundesvereinigung Haedenkampstraße 3 5000 Köln 41 (Lindenthal)

Die Ärzte

für die Politik gewinnen

Berufspolitische Veranstaltungen in Grado und Meran

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