V A R I A
A
A522 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 102⏐⏐Heft 8⏐⏐25. Februar 2005
D
ie als „Bochio“ bezeich- neten Skulpturen wer- den auch heute noch von den Schmieden vom Stamm der Fon im heutigen Benin, Westafrika, hergestellt. Häu- fig sind es recht grobe Schnitz- werke, die gerade in ihrer ästhetischen Unvollkommen- heit beeindrucken. Bei der gezeigten Figur sind die Pro- portionen des Gesichts nur grob herausgearbeitet, die Arme sind deutlich verkürzt, und der Unterkörper geht in einen massiven Stamm über, der zum Teil in den Boden eingelassen ist.Die Bochio-Figuren stehen auf Dorfplätzen oder vor ei- nem Hauseingang. Ihre Funk- tion ist klar zu benennen: Sie sollen das Böse auf sich zie- hen und es auf diese Weise wie ein Blitzableiter von den Menschen fernhalten. Es sind Schutzfiguren. Im Rahmen von Voodoo-Zeremonien wer- den die Figuren mit Palmöl,
Bier oder Tierblut beop- fert, sodass sich mit der Zeit eine dicke Krusten- patina entwickelt. Sie kündet von der langen Verwendung dieser Fi- gur und ist damit zu- gleich ein Hinweis auf die dem Bochio über Jahre oder sogar Jahr- zehnte zugeschriebene Wirkkraft. Dabei wird der strukturell ver- gleichbare Umgang mit Heiligendarstellungen im Christentum gern übersehen. Dass in Eu- ropa Kerzen vor Heili- genbildern angezündet werden oder Mariensta- tuen mit Schmuckstücken behängt werden, entspricht der Beopferung mit Blut und Palmöl. Auch das Anbringen von Votivgaben (wie zum Beispiel in Blech geformte Gliedmaßen) als Zeichen für Heilungswünsche in vielen Kirchen gehört in die gleiche
Kategorie. Auch hier vermit- telt gerade die Anhäufung der Votivgaben – vergleichbar der Krustenpatina – den Eindruck von bereits gewährtem Schutz und Hilfe in allen Notlagen.
Unabhängig von der jeweili- gen Religion scheint es Men- schen schwer zu fallen, ohne
konkrete Objekte ihren Glau- ben zu leben. Die sinnliche Präsenz einer zu verehrenden Heiligenstatue, eines Bochio oder eines Ortes für Votivga- ben wird als hilfreich erlebt – und von (fast?) allen Religio- nen mehr oder weniger offen geduldet. Hartmut Kraft
Kunst und Psyche
Schutzfiguren in
allen Religionen
FonVolksgruppe und Gründer des alten Königreiches „Dahomey“
(17. bis 19. Jahrhundert) im heuti- gen Staat Benin, Westafrika. Aus- gedehnter Sklavenhandel begrün- dete ursprünglich den Reichtum des Königreiches. Bekannt wurden die Metallarbeiten der Fon. Als Holzarbeiten sind fast ausschließ- lich die „Bochio“ genannten Schutzfiguren bekannt geworden.
Literatur
Chesi G: Voodoo. Afrikas geheime Macht. Wörgl: Perlinger, 1979.
Savary C: Dahomey. Traditions du Peuple Fon. Genf: Musée d’Ethno- graphie, 1975.
Schmalenbach W (Hrsg.): Afrikani- sche Kunst aus Kölner Privatbesitz.
Köln: Kölnmesse, 2004.
Foto:Henricus Simonis
Alte Bochio-Schutz- figur der Fon in Benin/
Westafrika. Holz, Stoff, Pflanzenfasern und dicke Opfer-Krusten- patina. Höhe 133 cm
Felix Nussbaum
Zeit im Blick
Paul Klee, Max Beckmann und Pablo Picasso: Das sind nur ei- nige der vielen bekannten Ma- ler, deren Werke in der Ju- biläumsausstellung „Zeit im Blick – Felix Nussbaum und die Moderne“ anlässlich des 100.
Geburtstags des in Osnabrück geborenen Malers bis 28. März im Felix-Nussbaum-Haus prä- sentiert werden.Etwa 130 Leih- gaben herausragender Künst- ler der Moderne werden in der Schau gemeinsam mit 40 Schlüsselwerken des in Ausch- witz ermordeten Malers Felix Nussbaum (1904–1944) ge- zeigt. Im Kontext der Kunst sei- ner Zeitgenossen soll Nuss- baums Stellung als bedeuten-
der Künstler des 20. Jahrhun- derts beleuchtet werden. Infor- mationen unter der Rufnum- mer 05 41/3 23-22 07. Die On- line-Präsentation zur Ausstel- lung kann unter www.zeit-im- blick.de betrachtet werden. EB
Thüringen
Jena schillert
Unter dem Motto „Jena schillert“ lässt sich die thürin- gische Universitätsstadt an der Saale auf das Schiller- Jahr 2005 ein. In Jena wohnte und arbeitete Friedrich von Schiller (1759–1805), der zunächst an der Stuttgarter Karlsschule Medizin mit Schwerpunkt Psychiatrie stu- diert hatte. In Jena ging es Schiller besser als zuvor, er erhielt eine Geschichts- professur, kaufte für seine Fa- milie ein eigenes Haus mit Garten und „Gartenzinne“.
Mit mehr als 50 Veranstaltun- gen, Vorlesungen, Vorträgen, Museumsnächten und Aus- stellungen ehrt die Stadt Jena
den „Bürger Schiller“ im Schiller-Jahr. Einer der zahl- reichen Höhepunkte wird der „Zug Jenaer Geister“ mit anschließender Freilichtauf- führung von Beethovens 9.
Sinfonie sowie ein Barock- feuerwerk am 21. Mai sein.
Mit dem touristisch-histori- schen Erschließungsprojekt
„Jena 2006“ wird in großem, deutsch-französischem Rah- men an die Doppelschlacht von Jena und Auerstedt im Oktober 1806 erinnert. Frie- densglocken sollen von Auer- stedts Kirchen läuten, gleich- zeitig mit der Friedensglocke der UN in New York und an weiteren Orten. Unter dem Motto „Rendez-vous 2006“
wird am 14. Juli 2006 sowie vom 1. bis 3. September 2006 ein deutsch-französisches Volks- fest gefeiert.Richard E. Schneider Felix Nussbaum, Selbstbildnis
an der Staffelei, 1943
Foto:Felix-Nuissbaum-Haus,Osnabrück;VG Bild-Kunst,Bonn 2005