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Archiv "Nationaler Ethikrat: Diskussionen über den „Gruppennutzen“" (04.03.2005)

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fen die Apotheker jedoch pro Quartal nur für zehn Prozent der eingeschriebe- nen Patienten abrechnen. Die Barmer finanziert diesen Betrag außerhalb des Budgets.Vom zweiten Jahr an gibt es für die Hausapotheker zusätzlich eine Pau- schale aus realisierten Einsparungen.

Die Begeisterung für den Barmer- Hausarztvertrag ist jedoch nicht unge- teilt. Vor allem bei Kassenärztlichen Vereinigungen und der Kassenärztli- chen Bundesvereinigung (KBV) ist man skeptisch, denn die ärztlichen Kör- perschaften sind von Gesetzes wegen von der Teilnahme an Integrationsver- trägen ausgeschlossen. „Positiv ist, dass es sich um einen bundesweiten Vertrag zwischen großen Partnern handelt“, sagte KBV-Sprecher Roland Stahl.

„Wir warnen aber grundsätzlich vor ei- nem Flickenteppich in der ambulanten Versorgung.“ Einige KVen gehen aller- dings pragmatisch mit dem Vertrag um.

So hat beispielsweise die KV Westfalen- Lippe angeboten, dass ihre Consult- Tochter in die Abwicklung einsteigen könnte. „Wir positionieren uns als Dienstleister, der Abrechnungsaufträge übernimmt“, erläuterte KV-Consult- Geschäftsführer Wolfgang Vieten.

„Wenn wir ein wirklich gutes Ange- bot bekommen, ist die KV ein gern ge- sehener Partner im Dienstleistungssek- tor“ – so sieht es Eberhard Mehl. Der Geschäftsführer des Hausärztever- bands verweist allerdings darauf, dass ihn noch keine KV zum Gespräch ein- geladen habe. Der Hausärzteverband unterzeichnet inzwischen weitere Ab- kommen. Im Januar hat er mit dem Be- rufsverband der Augenärzte und der Deutschen Betriebskrankenkasse in Wolfsburg einen Integrationsvertrag geschlossen, der Folgeschäden bei Dia- betikern vermeiden soll. Eine Vereinba- rung mit der AOK Bayern nach dem Vorbild des Barmervertrags steht. Nä- gel mit Köpfen will auch die KV Nord- rhein machen. Ihrem Vorsitzenden Dr.

med. Leonhard Hansen zufolge bemüht sie sich, einen Kassenarten übergreifen- den Vertrag für alle Hausärzte abzu- schließen. Er ist optimistisch, dass das gelingt. Heike Korzilius, Sabine Rieser

P O L I T I K

A

A546 Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 94. März 2005

D

ie Zwickmühle ist altbekannt: Pa- tienteninteresse und Forschungs- interesse stimmen häufig nicht überein. Das eine ist auf die individuelle Person gerichtet, das andere auf einen übergreifenden Nutzen. Die Frage ist besonders brisant bei Versuchperso- nen/Patienten, die nicht einwilligungs- fähig sind. Und die Antwort lautete bis- her, das Forschungsinteresse habe in solchen Fällen zurückzutreten, auch könne die Einwilligung des Patienten nicht ersetzt werden durch die Einwilli- gung Dritter, die den mutmaßlichen Willen zu kennen glauben. Patienten

hingegen, die gehörig aufgeklärt und bei klarem Verstand sind, könnten sich selbstverständlich für die altruistische Haltung entscheiden. Die vorsichtige Einstellung hierzulande rührt nicht zuletzt aus den üblen Erfahrungen mit der Forschung an Unmündigen wäh- rend der NS-Zeit. Anderswo sieht man das Problem lockerer, zu erkennen etwa an den Revisionen der Deklaration von

Helsinki (dazu auch das Interview auf der übernächsten Seite).

Die 12. Novelle zum Arzneimittel- gesetz (AMG) vom 30. Juli 2004 hat indes auch für Deutschland das gewohnte Mu- ster geändert. Jetzt können nämlich bei Minderjährigen klinische Prüfungen auch dann durchgeführt werden, wenn sie den Probanden keinen unmittelbaren Nutzen bringen, wohl aber der „Gruppe der Patienten, die an der gleichen Krank- heit leiden wie die betroffene Person“.

Der „Gruppennutzen“ ist somit bei Forschung an Minderjährigen legali- siert. Doch die Diskussion in Fachkrei- sen geht weiter. Sollte, was bei Kindern erlaubt ist, nicht auch bei erwachsenen einwilligungs- unfähigen Menschen erlaubt werden, etwa bei Dementen?

Das ist der Hintergrund einer öffentlichen Veranstaltung des Nationalen Ethikrates am 23. Fe- bruar in Berlin. Deren Thema betraf generell medizinische For- schung an einwilligungsunfähi- gen Menschen, diskutiert wurde es aber fast ausschließlich an- hand der Pharmaforschung.

Prof. Dr. rer. pol. Therese Neuer-Miebach, Mitglied des Ethikrates und in der Behinder- tenarbeit ausgewiesene Exper- tin, meinte zwar, das öffentliche Interesse an der Frage habe in- zwischen nachgelassen, zu erkennen et- wa daran, dass die AMG-Novelle ohne größeres Aufsehen verabschiedet wor- den sei, doch die Veranstaltung offen- barte ein gespanntes Interesse nicht nur bei den Experten, sondern vor allem bei den vielen jüngeren Teilnehmern.

Neuer-Miebach umriss den Span- nungsbogen zwischen Patientenauto- nomie, Selbstbestimmung und gesell-

Nationaler Ethikrat

Diskussionen über den

„Gruppennutzen“

Forschung an nichteinwilligungsfähigen Menschen zwischen Selbstbestimmungsrecht und Gemeinwohl

Forschung an Dementen – wie hoch sollen die Anforderungen an die Einwilligung gehen?

Foto:epd

* Infos: www.barmer.de, www.hausaerzteverband.de, www.aponet.de

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schaftlicher Verantwortung, den dann zwei Ärzte und ein Jurist weiter ausfüll- ten, nämlich: Prof. Dr. phil. Dr. med.

Rolf D. Hirsch, Leiter der Abteilung für Gerontopsychiatrie an den Rheini- schen Kliniken, Bonn; Dr. med. Michael Kölch, Universitätsklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Ulm, und Dr.

jur. Michael Pap, Rechtsanwalt für Medizinrecht, Karlsruhe.

Es fiel auf, wie zurückhaltend sich die Referenten zu einer Verschiebung der Interessenlage zugunsten der Forschung äußerten und auf dem individuellen Nutzen des Patienten beharrten. Beim Nationalen Ethikrat, einem von Bundes- kanzler Schröder ins Leben gerufenen Expertengremium, hätte man anderes erwartet, geht ihm doch der Ruf voran, zugunsten des Forschungsstandortes Deutschland neue Forschungsszenarien ethisch abfedern zu sollen.

Der Nationale Ethikrat sammelt Argumente

Ob der Ethikrat auch zur Forschung an nichteinwilligungsfähigen Menschen demnächst eine Stellungnahme vorle- gen wird, ließ Neuer-Miebach offen; sie versprach sich von der Veranstaltung Anregungen für die medizinische und rechtspolitische Diskussion.

Medizinrechtler Pap meldete verfas- sungsrechtliche Bedenken zur gruppen- nützigen Arzneimittelerprobung bei Minderjährigen an, jedenfalls dann, wenn deren körperliche Integrität ver- letzt werde (und wann ist das nicht der Fall?). Eine Ausweitung auf einwilli- gungsunfähige Erwachsene lehnte er ab, das sei nicht nur verfassungsrecht- lich bedenklich, sondern verstoße auch gegen Europarecht. Er verteidigte die geltende Rechtslage, die verlange, dass neben dem Forschungsnutzen immer ein direkter Nutzen für den (einwilli- gungsunfähigen erwachsenen) Proban- den gegeben sein müsse.

Pap unterschied scharf zwischen Heil- versuch und Humanexperiment. Der Heilversuch sei durch die konkrete Heil- absicht geprägt (wenn auch daneben wissenschaftliche Erkenntnisse anfallen könnten). Er dürfe auch bei nichteinwil- ligungsfähigen Personen durchgeführt werden, die Einwilligung könne durch

den gesetzlichen Vertreter ersetzt wer- den. Beim Humanexperiment stehe hin- gegen das wissenschaftliche Interesse im Vordergrund, hier fehle die Heiltendenz im Hinblick auf den konkreten Proban- den.In das Humanexperiment müsse der Proband höchstpersönlich einwilligen, die ersatzweise Einwilligung durch Ver- treter sei nicht zulässig.

Die Unterscheidung zwischen Heil- versuch und Humanexperiment ist in der medizinischen Praxis freilich gar nicht so einfach. Jeder Heilversuch ha- be Aspekte des Experimentes, meinte Hirsch. Und aus dem Publikum kam der ungeduldige Hinweis, wissenschaftliche Forschung komme schließlich der Hei- lung Kranker zugute. Auch Einwilli- gungsfähigkeit und -unfähigkeit kön- nen nah beieinander liegen. Sie hängen bei Demenz zum Beispiel ab von Schweregrad und Stadium, auch davon, wie einfühlsam Aufklärung und Ermitt- lung des Patientenwillens verlaufen.

Hirsch warnte allerdings vor der Ver- suchung, fremdnützige Forschung ge- genüber den Betroffenen oder deren Angehörigen so zu verklausulieren, als ob sie ein Heilversuch wäre. „Dies zu verhindern, bedarf es hoher ethischer Anforderungen an den Forscher.“ Er setzte sich dafür ein, Ethikkommissio- nen, die Forschungsvorhaben prüften und zudem fortlaufend überwachen

sollten, durch Vertreter der Betroffenen zu ergänzen; die alleinige Besetzung mit Wissenschaftlern könne zu Interessen- konflikten führen.

Fremdnützige Forschung an nicht- einwilligungsfähigen Demenzkranken schloss Hirsch nicht ausdrücklich aus.

Wer solches befürworte, müsse aber erst mal nachweisen, dass hierdurch neue wichtige Erkenntnisse erworben würden, die nur auf diese Weise zu be- kommen seien. Bisher sei bei Demenz immer wieder ein Durchbruch verspro- chen, das Versprechen dann aber wie- der zurückgenommen worden.

Hohe Anforderungen an die Information des Patienten

Kölch unterschied bei der Einwilligung zwischen drei Patientengruppen: Pati- enten, bei denen Einwilligungsfähigkeit permanent nicht gegeben ist, solchen, bei denen sie situativ nicht vorliegt (aber später wieder vorliegen kann), und solchen Patienten, die Einwilligungs- fähigkeit sukzessiv erreichen oder ver- lieren. Die Feststellung von Einwilli- gungsfähigkeit im Sinne des informed consent – dieser setzt angemessene Auf- klärung, Autonomie des Patienten und Freiwilligkeit voraus – sei schwierig zu operationalisieren, schließlich gebe es dazu keine Tests. Grundsätzlich erfüllten Patienten, die nicht einwilligungsfähig sind, die Bedingungen des informed consent nicht.

Er erinnerte daran, dass eine Grup- pe nichteinwilligungsfähiger Patienten, wenn für sie ein „Nichtforschungsge- bot“ gelte, gegenüber der Gruppe ein- willigungsfähiger Patienten schlechter gestellt ist. Während die eine von (posi- tiven) Forschungsergebnissen profitiert, geht die andere möglicherweise leer aus. Als Beispiel nannte er den Einsatz von Erwachsenen-Medikamenten bei Minderjährigen. Kölch hielt folglich fremdnützige Forschung im Sinne der AMG-Novelle für vertretbar. Die vom AMG neu eröffnete Option führe aller- dings zu höheren Anforderungen an die Information der jungen Patienten und deren Angehörige. Schon heute verstünden Studienteilnehmer vielfach nicht, was der eigentliche Zweck von Studien sei. Norbert Jachertz P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 102Heft 94. März 2005 AA547

Charakteristischer Faktor

Forschung an Menschen, bei denen die Ein- willigung, einschließlich der Einwilligung des ermächtigten Vertreters oder der vorhe- rigen Einwilligung, nicht eingeholt werden kann, darf nur erfolgen, wenn der physi- sche/geistige Zustand, der die Einholung der Einwilligung nach Aufklärung verhindert, ein notwendiger charakteristischer Faktor für die Forschungspopulation ist. Die konkreten Gründe für die Einbeziehung von Versuchs- personen, deren Zustand die Einholung der Einwilligung nach Aufklärung nicht erlaubt, ist in dem Forschungsprotokoll festzuhalten und der Ethikkommission zur Prüfung und Ge- nehmigung vorzulegen. In dem Protokoll ist festzuhalten, dass die Einwilligung zur wei- teren Teilnahme an dem Forschungsvorha- ben so bald wie möglich von der Versuchs- person oder dem gesetzlich ermächtigten Vertreter eingeholt werden muss.

Aus der revidierten Deklaration von Helsinki

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