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Archiv "Ernährung im Kindes- und Jugendalter: Konzepte gehen oft am Adressaten vorbei" (09.11.2001)

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überhaupt die Individualisierung der Gesellschaft, dabei allerdings auch die Vereinzelung der Menschen, ein prä- gender Zug der modernen Zeit ist. Von der Vereinzelung ist es wiederum nicht weit zur Einsamkeit – und aus diesem Blickwinkel ist es nachdrücklich zu be- grüßen, dass beim Thema „Sterben“

auch im internationalen Vergleich Be- griffe wie „Zuwendung“ und „Beglei- tung“ wieder größere Bedeutung er- langen. Auch von Rechts wegen sollte man sich immer bewusst sein, dass die Macht der Gesetze begrenzt ist und nicht alles vom Staat dekretiert werden kann. Das betrifft vor allem die gelebte Mitmenschlichkeit in den wirklich exi- stenziellen Situationen im Leben und Sterben der Menschen.

Gleichwohl hat das Recht aber den notwendigen Rahmenvorzugeben, hat es für „Rechts-Sicherheit“ nicht zuletzt für die Betroffenen selbst zu sorgen, hat es die Steuerungsfunktion von Ethik, Moral und Religion im gleichen Aus- maß zu übernehmen, in dem diese etwa wegen schwindenden Werte- und Ziel- konsenses ihre gesamtgesellschaftliche Steuerungskraft verlieren. Und soweit eine Rechtsordnung menschliches Han- deln und Unterlassen mit unmittelbarer Wirkung für andere jedenfalls im Nach- hinheinkontrolliert (und das ist prinzi- piell in jeder Rechtsordnung bezogen auf Todesfälle der Fall), hat das Recht den Betroffenen auch im Vorhineinzu sagen, was es als „richtiges“ Verhalten oder Unterlassen erwartet. Jedenfalls von daher sind Leben und Sterben der Menschen stets auch rechtlicheThemen und ist das Sterben zumindest dann keine „private Angelegenheit“, wenn Lebensentscheidungen für andere zu be„urteilen“ sind.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 2001; 98: A 2937–2942 [Heft 45]

Literatur

Taupitz, Jochen (Hrsg.) (2000): Zivilrechtliche Regelungen zur Absicherung der Patientenautonomie am Ende des Le- bens – eine internationale Dokumentation/Regulations of Civil Law to Safeguard the Autonomy of Patients at the End of Their Life – an international Documentation, Berlin Anschrift des Verfassers:

Prof. Dr. jur. Jochen Taupitz Schloss – Westflügel, W 210 68131 Mannheim

E-Mail: taupitz@jura.uni-mannheim.de

T H E M E N D E R Z E I T

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A2942 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 45½½½½9. November 2001

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inderernährung in den westlichen Industrienationen zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist von Über- ernährung und gleichzeitigem Mangel gekennzeichnet. Die Zahl der überge- wichtigen Kinder steigt. Die Diagno- stik und Behandlung von ernährungs- bedingten Krankheiten koste inzwi- schen mehr als die Behandlung von Unfallopfern, betonte Prof. Dr. med.

Michael Krawinkel, Institut für Er- nährungswissenschaft, Justus-Liebig- Universität Gießen, bei der wissen- schaftlichen Arbeitstagung der Deut- schen Gesellschaft für

Ernährung e.V. (DGE) in Bonn. Um dem entgegen- zuwirken, müssten vor allem die Eltern Ernäh- rungskompetenz erwer- ben, denn: „Die sozialen Ursachen für Adipositas und nährstoffarme Ernäh- rung sind die gleichen.“

Verstärkt müsse versucht werden, diejenigen mit Informationsangeboten

über gesunde Ernährung zu erreichen, die aufgrund ihrer Schulbildung oder mangelnden Sprachkenntnisse bisher davon ausgeschlossen sind. „Unsere Konzepte gehen oft am Adressaten vorbei“, erklärt Krawinkel. Ein Lö- sungsansatz sei, Ernährung als Schul- fach einzuführen. Die DGE setzt auf die Kompetenz von Eltern, Multipli- katoren und Kindern, für die sie er- nährungswissenschaftliche Forschungs- ergebnisse aufbereitet. In Sachsen bei- spielsweise wurden 70 Ernährungsbe- raterinnen eingesetzt, die in Kindergär-

ten, Schulen und auf Elternabenden aufklären.

Nach Angaben der Weltgesundheits- organisation sind jedes fünfte Kind und jeder dritte Jugendliche in Deutschland übergewichtig. Adipositas ist das am schnellsten wachsende Gesundheitsrisi- ko; die Begleiterkrankungen (Typ 2 Diabetes mellitus, Hypertonus, Herz- Kreislauf-Erkrankungen) und Folgeer- krankungen (diabetische Nephropa- thie) steigen ebenfalls. Prof. Dr. med.

Manfred J. Müller, Institut für Human- ernährung und Lebensmittelkunde, Universität Kiel, berich- tete über die Zwischener- gebnisse der Kieler Adi- positaspräventionsstudie (Kiel Obesity Prevention Study, KOPS). Dabei wurden seit 1996 jährlich jeweils 500 bis 1 000 fünf- bis siebenjährige Kinder bei ärztlichen Schulan- fangsuntersuchungen in Kiel erfasst. Die Kinder werden hinsichtlich ihres Adipositasrisikos charakterisiert und bis zur Pubertät verfolgt. Präventive In- terventionen wurden im Schulunter- richt (Ernährungserziehung, „bewegte Pausen“) und in den Familien (Ernäh- rungsberatung) durchgeführt.

Die Adipositasprävalenz der fünf- bis siebenjährigen Kinder beträgt 23 Prozent; ein Adipositasrisiko haben weitere 21 Prozent der Normalgewich- tigen. Die Prävalenz hat sich in den letz- ten 15 Jahren mehr als verdoppelt. Adi- positas findet man häufiger bei Kin- dern, deren Eltern selbst übergewichtig

Ernährung im Kindes- und Jugendalter

Konzepte gehen oft am Adressaten vorbei

Überernährung und Nährstoffmangel sind die

hauptsächlichen Probleme bei Kindern und Jugendlichen, wie auf der Tagung der Deutschen Gesellschaft

für Ernährung in Bonn berichtet wurde.

Nach Angaben der Weltgesund- heitsorganisation

sind jedes fünfte Kind und jeder dritte Jugendliche

in Deutschland

übergewichtig.

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sind, bei Kindern von Eltern mit Haupt- schulabschluss und bei inaktiven Kin- dern. Die Interventionen wurden von allen Beteiligten gut angenommen und verbesserten die Ernährung, das Wis- sen darüber und das gesundheitsrele- vante Verhalten (mehr Bewegung, we- niger Zwischenmahlzeiten). Die Ergeb- nisse zeigten, wie erfolgreich Präventi- on sein kann, betonte Müller. Eine ge- eignete Maßnahme der Adipositas-Prä- vention sei neben der „Hochrisiko- Strategie“, wie der Behandlung Über- gewichtiger mit hohem Krankheitsri- siko, die „Public-Health-Strategie“, die auf Gesundheitsförderung und Ernäh- rungserziehung setzt. Ernährung sollte nicht nur Bestandteil in Schul- curricula sein, gesunde Nahrung sollte in allen öffentlichen Kan- tinen selbstverständlich sein.

Die Prävalenz der Nahrungs- mittelallergien bei Kleinkin- dern liege derzeit bei acht Pro- zent, berichtete Dr. rer. medic.

Imke Ehlers, München. Die häufigsten Allergene sind Hüh- nerei, Kuhmilch, Weizen und Soja. Häufig treten sie in Ver- bindung mit atopischen Erkran- kungen auf; rund ein Drittel der Kinder mit mittelschwerer bis schwerer Neurodermitis leidet auch unter einer Nahrungsmit- telallergie. Das Risiko, eine ato- pische Erkrankung zu ent- wickeln, steigt mit der Zahl der Atopiker in der nahen Familie, das Asthma-Risiko allerdings nur, wenn ein Elternteil, meist der Vater, erkrankt ist. Über präventive Maßnahmen werde derzeit kontrovers diskutiert, be- tonte Ehlers. Während bis vor kurzem ein allergikerfreundli- ches Wohnmilieu (keine Haus- tiere und Teppiche) bei Hochrisiko- Säuglingen empfohlen wurde, mehrten sich die Daten, dass der sehr frühe Kontakt mit Tieren – insbesondere mit Stalltieren – negativ mit dem Auftreten allergischer Erkrankungen korreliere.

Kinder aus Bauernfamilien haben ein deutlich niedrigeres Allergierisiko. Für das Stillen zur Prävention gilt die glei- che Empfehlung weiter: Risikosäug- linge sollten sechs Monate ausschließ- lich gestillt, danach Beikost schrittweise

eingeführt werden. Haben Krankenge- schichte und Tests einen Verdacht auf ein bestimmtes Nahrungsmittel erge- ben, folgt eine Auslassdiät bis zur Sym- ptomfreiheit. Anschließend sollte auf jeden Fall eine Provokation erfolgen, erklärte Ehlers, im Idealfall doppel- blind und placebokontrolliert (DBPC).

Wegen des aufwendigen Verfahrens werde darauf bei Kleinkindern oft ver- zichtet, wenn es sich um klare Sofortre- aktionen handelt. Liege jedoch ein zu- sätzliches chronisches Krankheitsbild vor, sichere die DBPC-Provokation die schwierige Interpretation. Schließlich brauche der Patient nicht unnötig auf ein bestimmtes Nahrungsmittel zu ver-

zichten, wenn die Provokation negativ ausfällt.

Ist hingegen die Allergen-Karenz notwendig, müsse der Patient umfas- send über das Vorkommen von Aller- genen beraten werden. Auch auf ver- steckte Allergene, beispielsweise in Restmengen aufgrund des Herstel-

lungsverfahren oder auch durch Re- zepturveränderungen, sollten Ernäh- rungsberater hinweisen. Wichtig sei auch, über Ersatznahrungsmittel auf- zuklären. Viele Patienten seien wenig darüber informiert, dass die fehlenden Nährstoffe ausgeglichen werden müs- sen, beklagte Ehlers.

Vegetarische Ernährung erfordert mehr Kenntnisse

Über Risiken und Nutzen alternativer Ernährungsformen im Wachstumsal- ter berichtete Priv.-Doz. Dr. troph.

Mathilde Kersting, Forschungsinstitut für Kinderernährung (FKE), Dortmund. Grundsätzlich wer- den die vom FKE entwickelten Ernährungskonzepte für Säug- linge („Ernährungsplan für das 1. Lebensjahr“) und Kin- der (Optimierte Mischkost, optimiX“) empfohlen. Legen die Eltern Wert auf eine vege- tarische Ernährung, seien spe- zielle Sojanahrungen für Säug- linge (jedoch keine Soja- drinks) Ersatz für herkömm- liche Säuglingsanfangsnahrun- gen.

Erste Wahl ist jedoch das Stillen in den ersten vier bis sechs Monaten. Selbst zuberei- tete Säuglingsnahrung aus Tier- milch sei dagegen immer mit Risiken (Nährstoffmangel, All- ergien) verbunden. Grundsätz- lich abzulehnen seien Roh- und Vorzugsmilch. Die Beikost im

„Ernährungsplan“ könne selbst zubereitet werden, allerdings enthielten selbst hergestellte Breie im Gegensatz zu Fertig- breien nicht ausreichend Jod, da die Jodzugaben im Getreide fehlen.

Anders bei den Fertigmahlzeiten in Gläsern: Diese enthielten, aufgrund der EU-Gesetzgebung, nicht ausreichend Fett, die FKE empfiehlt daher, den Gläschen jeweils einen Teelöffel Öl zuzusetzen.

Eine vegetarische Ernährung ist prinzipiell möglich, erfordert allerdings umfangreiche ernährungsphysiologi- sche Kenntnisse des Verbrauchers. In- sofern ist sie risikoreicher. Petra Bühring T H E M E N D E R Z E I T

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A2944 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 45½½½½9. November 2001

Adipositas ist das am schnellsten wachsende Gesundheitsrisiko. Präventive Maßnahmen sind erfolgversprechend. Foto: Wegner/laif

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