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Archiv "Konjunktur und Steuern: Der Aufschwung lässt auf sich warten" (14.06.2002)

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eutschland im Aufschwung“, ließ Finanzminister Eichel vor weni- gen Wochen plakativ verkünden.

Die Fakten sehen leider anders aus. So ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im ersten Vierteljahr dieses Jahres, saison- und arbeitstäglich bereinigt, nur um 0,2 Prozent gegenüber dem letzten Viertel- jahr des Vorjahres gewachsen, nachdem sich das BIP in den beiden Quartalen zuvor um 0,2 und 0,3 Prozent verringert hatte. Gegenüber dem ersten Quartal des Vorjahres ergibt sich sogar ein Rückgang von 1,2 Prozent, was auch da- mit erklärt wird, dass die Ostertage in diesem Jahr zum Teil in den März fielen.

Der konjunkturelle Tiefpunkt, das si- gnalisieren die Zahlen, könnte erreicht sein, mehr wohl noch nicht. Eichel und die Konjunkturforscher sind vorsichtiger mit ihren Prognosen geworden. Eichel verkündet nun, dass sich die Konjunktur stabilisiert habe, „mit aufwärts gerichte- ter Tendenz“. Auch die Bundesbank spricht in ihrem neuesten Monatsbericht davon, dass die Konjunktur im ersten Quartal 2002 in eine „leichte Erholungs- phase eingemündet“ sei. Die Aufwärtsbe- wegung sei aber nicht breit fundiert. Die Wirtschaft bewege sich auf einem nur

„flachen und schmalen Wachstumspfad“, sodass „selbst kleinere Störungen oder Eintrübungen der Stimmungslage emp- findlich zu Buche schlagen“.

Auch die neuesten Zahlen über Pro- duktion und Auftragseingänge lassen noch keine optimistischere Bewertung zu.Die Zahl der Arbeitslosen liegt weiter- hin bei knapp vier Millionen; die Zahl der Erwerbstätigen ist im ersten Quartal um 60 000 und damit noch stärker zurückge- gangen als in den Vorquartalen. Wenn sich die Konjunktur auf der Talsohle sta- bilisiert hat, so ist dies nahezu ausschließ- lich der wieder steigenden Nachfrage aus dem Ausland zu verdanken, was mit der Belebung des Welthandels zu erklären ist.

Diese Impulse schlagen aber noch nicht auf die Binnenkonjunktur durch.

Die Verbrauch ist bis zuletzt weiter zurückgegangen; die Wirkung der Steu- erreform ist verpufft. Dazu hat der Preisschub bei der Euro-Umstellung beigetragen, den zwar die Statistiker leugnen, den aber jeder zu spüren be- kommt. Auch haben zahlreiche Kom- munen Gebühren und die Hebesätze für die Gewerbe- und die Grundsteuer an- gehoben. Die Krankenkassen haben ih-

re Beiträge erhöht. Das alles bindet Kaufkraft. Angesichts der Unsicherheit über die weitere wirtschaftliche Ent- wicklung werden größere Anschaffun- gen zurückgestellt. Die Bürger sparen auch mehr. So überrascht nicht, dass der Handel auf breiter Front über Umsatz- einbußen klagt, der Wohnungsbau nicht in Schwung kommt und den Unterneh- mern der Mut zum Investieren fehlt. Bei den Ausrüstungsinvestitionen hat es zu- letzt wieder ein dickes Minus gegeben.

Das alles sieht mehr nach Stagnation auf niedrigem Niveau als nach einem baldi- gen und kräftigen Aufschwung aus.

Dabei hatten Politiker und Ökono- men in den ersten Monaten des Jahres den Eindruck vermittelt, als wenn es wie- der deutlich aufwärts ginge. Für Schröder und Eichel wäre es ja auch zu schön gewesen, wenn der Konjunkturmotor rechtzeitig vor den Wahlen im Herbst wieder angesprungen wäre. So hat man für Stimmung sorgen wollen und die Konjunktur hochgeredet. Der von der Politik verbreitete Optimismus hat aber bislang nicht ansteckend gewirkt.

Auch im weiteren Verlauf des Jahres hängt die deutsche Konjunktur allein von der Belebung der Weltwirtschaft und diese wiederum vor allem davon ab, wie kräftig und nachhaltig sich der Aufschwung in den USA entwickelt. Da wird man keine Wunder erwarten dür- fen. Aber nur bei einem Anhalten des gegenwärtigen Wachstumstempo in den USA wird man damit rechnen können, dass auch in Europa und vor allem in Deutschland die Binnenkonjunktur sichtbar anspringt. Derzeit rechnen die Konjunkturforscher und die Bundesre- gierung für 2002 mit einem realen Wachstum des BIP von 0,75 bis 1 Pro- zent. Mehr ist nicht zu erwarten. Dieses Wachstum reicht nicht, um das Problem der Arbeitslosigkeit zu entschärfen; im Gegenteil, im Jahresdurchschnitt könn- ten die Arbeitslosenzahlen gegenüber dem Vorjahr noch steigen.

2003 sollen, folgt man optimistischen Prognosen der Politik und der Ökono- men, bessere Zeiten anbrechen. Sollte sich das Wachstumstempo in der zwei- ten Jahreshälfte tatsächlich beschleuni- gen, so könnte sich die von Eichel er- hoffte Wachstumsrate von real 2,5 Pro- zent ergeben. Aber der Weg dahin ist mit Risiken gepflastert.Wie sich der Öl- preis entwickelt, ist angesichts der Nah- P O L I T I K

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A1636 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 24½½½½14. Juni 2002

Konjunktur und Steuern

Der Aufschwung lässt auf sich warten

Schlechte Daten dämpfen hochgehende Erwartungen. Wende am Arbeitsmarkt ist nicht in Sicht. Steuereinnahmen gehen zurück. Ist nach der Wahl mit höheren Steuern zu rechnen?

In diesem Jahr soll das Bruttoinlandsprodukt um bis zu einem Prozent wachsen. Das erste Quartal sah nicht danach aus.

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ost-Krise nicht vorauszusagen. Geht er nach oben, so bedeutet dies Gefahr für die Konjunktur und die Preise. Diese sind ohnehin nicht so stark zurückge- gangen, wie dies erwartet worden war.

In Deutschland lag der Anstieg der Preise zuletzt bei 1,8 Prozent, in Europa bei mehr als zwei Prozent und damit über der Grenze, die die Europäische Zentralbank tolerieren kann. Bleibt es bei dieser Preisrate, so wird die Eu- ropäische Zentralbank (EZB) die Zin- sen trotz schwacher Konjunktur anhe- ben müssen, auch wenn sich die Politik dagegen vehement wehren sollte.

Die bisherigen Tarifverbesserungen zwischen drei und vier Prozent leisten keinen Beitrag zur Belebung der Kon- junktur, Preisstabilität und zum Abbau der Arbeitslosigkeit. Die Unternehmen werden versuchen, die Mehrbelastungen über die Preise an die Verbraucher wei- terzugeben und noch radikaler als bisher Kosten zu senken. Das bedeutet Entlas- sung von Arbeitskräften. Zwar sind sol- che Anstrengungen auch mit Investitio- nen verbunden; diese ersetzen Arbeits- kräfte durch Kapital. Angesichts der schlechten Auslastung der Produktions- kapazitäten ist vorerst jedenfalls nicht mit arbeitsplatzschaffenden Erweite- rungsinvestitionen zu rechnen.

Steuerausfälle bis 2005:

65,3 Milliarden Euro

Die schwache Konjunktur verschärft die Finanzprobleme von Bund, Ländern und Gemeinden. Eichel hat in Brüssel zuge- sagt, das gesamtstaatliche Defizit bis 2004 von derzeit 2,8 Prozent des BIP auf höch- stens 0,5 Prozent abzubauen und bis 2006 für einen vollen Ausgleich von Einnah- men und Ausgaben zu sorgen. Dass diese Zusagen einzuhalten sind, erscheint we- nig wahrscheinlich. Eichel selbst knüpft diese Zusage an seine optimistische Wachstumsperspektive. Die Konjunktur- forscher haben ihm jedoch vorgerechnet, dass sein Ziel nur zu erreichen sei, wenn ein neues Sparpaket von etwa 16 Milliar- den Euro geschnürt werde.

Die schwache Konjunktur hat dazu geführt, dass die Ergebnisse der Steuer- schätzungen für das laufende Jahr und die Jahre bis 2005 erheblich korrigiert werden mussten. So bleiben die Steuer-

einnahmen in 2002 um 11,7 Milliarden Euro hinter den bisherigen Erwartun- gen zurück; auf den Bund entfallen da- von 5,5 Milliarden Euro. Die Ausfälle summieren sich bis 2005 auf 65,3 Milli- arden Euro. Wie diese Löcher gestopft werden sollen, sagt die Politik nicht.Wer nach der Wahl am 22. September im Bund regiert, kommt an harten und un- populären Entscheidungen nicht vorbei.

So hat die CDU/CSU ihr Vorhaben, die für 2005 beschlossene Senkung der Ein- kommensteuersätze auf 2003 vorzuzie- hen, zurückgestellt.

Kommt eine Erhöhung der Mehrwertsteuer?

Tatsächlich wird man nach der Wahl nicht nur über Einsparungen, sondern wohl auch über Steuererhöhungen re- den müssen. Da käme dann nur die Mehrwertsteuer infrage. Der Rentenbei- trag muss 2003 trotz Öko-Steuer von 19,1 auf mindestens 19,3 Prozent ange- hoben werden. Mit dem weiteren Ver- kauf der ihm verbliebenen Telekom-Ak- tien wird der Bund auch keine Geschäf- te mehr machen können. Dagegen könn- te der künftige Finanzminister von den Plänen profitieren, die sehr hohen Gold- und Währungsreserven der Bundesbank langfristig abzubauen und teilweise in Rendite abwerfende Wertpapiere umzu- schichten. Über einen mit der Geldpo- litik der EZB abgestimmten Verkauf überhöhter Gold- und Währungsreser- ven sollte man nachdenken; schon damit wären viele Fragen verbunden. Die Bun- desbank sollte sich jedoch weder am in- ländischen Aktienmarkt noch an Bör- sengeschäften im Ausland beteiligen.

Was würde es für das Ansehen der Bun- desbank bedeuten, wenn sie Kursverlu- ste ausweisen müsste?

Der Zwang, die Defizite von Bund, Ländern und Gemeinden in den näch- sten zwei Jahren drastisch zu verringern und die Sozialsysteme durch Reformen zu festigen, kann die Stimmung von Un- ternehmen und Verbrauchern zusätzlich beeinträchtigen und den Aufschwung verzögern oder sogar abwürgen.Aber an einer konsequenten Konsolidierungs- und Reformpolitik führt kein Weg vor- bei. Nur sie verspricht auf mittlere und weite Sicht Erfolg. Walter Kannengießer

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Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 24½½½½14. Juni 2002 AA1637

Weltärztebund

Stilfragen

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er nach mehr als 25 Jahren ehren- amtlicher Mitarbeit scheidende

„executive treasurer“ des Weltärzte- bundes (World Medical Association, WMA), Adolf Hällmayr, hat seinem dem „Council“ der WMA (2. bis 5. Mai 2002, Divonne-les-Bains) erstatteten Finanzbericht eine Bewertung der Gründe folgen lassen, die im Mai 2001 zur Abschaffung seines Amtes führten (und sich schließlich als haltlos erwie- sen). Erneut wurde deutlich, welchen reichen Schatz an Erfahrungen Häll- mayr, in führender Position für ein deutsches Weltunternehmen der Versi- cherungswirtschaft tätig, der WMA zur Verfügung gestellt hat.

Weder der Vorsitzende des „Coun- cils“ noch der Generalsekretär der WMA sahen sich veranlasst, Hällmayr bei der „Council“-Sitzung für seine Verdienste zu danken. Nach Dr. Jean Claude Mot (Frankreich) im Jahr 2001 war es wiederum ein frankophoner Kollege, Dr. André Wynen (Belgien), Generalsekretär emeritus der WMA, der die Verdienste Hällmayrs hervor- hob. Wynen erinnerte auch daran, dass vor Jahrzehnten Prof. Dr. Dr. h. c. Hans Joachim Sewering (München) mit tat- kräftiger Unterstützung durch Häll- mayr unter Einsatz auch persönlicher Finanzmittel die WMA vor der drohen- den Pleite bewahrt habe.

Gekennzeichnet war die „Council“- Sitzung im Übrigen durch iterative Ausführungen von Delegierten, de- ren Organisation sich auf die Zahlung eines Minimalbeitrages beschränkt (die Umstellung der Währung für die Kopfquote von Schweizer Franken auf Euro ging übrigens mit einer of- fenbar klaglos hingenommenen Erhö- hung um zwölf [!] Prozent einher), die utopische Programme für die künftige Organisation der WMA ins- besondere zugunsten ihrer Länder und Regionen entwarfen – zu realisieren nur mit Mitteln der großen Zahler.

Die (deutsche) Bundesärztekammer ist drittgrößter Beitragszahler der WMA. Prof. Dr. med. Elmar Doppelfeld

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