Deutsches Ärzteblatt
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9. März 2012 A 489In den Basistarif wechseln
den Basistarif der PKV? Die er- hebliche Einsparung an Prämien auch beim Behandler würde den Verlust an Honorar bei der Be- handlung eines Kollegen viel- leicht sogar weitgehend ausglei- chen. Ich könnte mir auch vorstel- len, dass dadurch ein teilweise
verloren gegangenes Gefühl der Solidarität neu aufkeimen könnte.
Die großen Risiken wären so ab- gedeckt, und wer will kann Kom- fort und Wahlleistungen ja immer noch separat versichern – oder einfach bezahlen.
Dr. med. Dieter Hörz, 70825 Korntal-Münchingen
Die „Zeit“ hat unlängst in einer Ti- telgeschichte das baldige Ende der privaten Krankenversicherung prognostiziert. Einleuchtender Hauptgrund: Sie ist viel zu teuer.
Die derzeitigen exorbitanten Tarif- anhebungen (wie immer in völlig intransparenter Weise . . .) haben das Problem wieder einmal ins Be- wusstsein gehoben.
Bei einem Blick in die Vergangen- heit des Ärztestandes zeigt sich, dass wir es früher gar nicht nötig hatten, uns bis an die Zähne zu ver- sichern. Denn es war einfach üb- lich, dass unter Kollegen keine Rechnungen geschrieben wurden.
Eine Möglichkeit, die mir auch im- mer gut gefallen hat, bestand darin, dass die wirklichen ärztlich-ge- danklichen Leistungen kollegial kostenfrei erbracht wurden. Nur die Sachleistungen, die ja auch den be- handelnden Kollegen etwas kosten, wurden berechnet, und zwar in Hö- he der tatsächlichen Kosten. Aber einen dazu passenden preisgünsti- gen Tarif bietet die PKV nicht an.
Heute sind wir alle gut versichert, nicht zuletzt, weil wir Hemmungen haben, gefühlte Almosen vom Kol- legen anzunehmen. Es gibt keinen Kollegenrabatt mehr, im Gegenteil wird (vor allem von Klinikchefs) die Kunst der Dehnung der Liqui- dationsmöglichkeiten bis zum Ende ausgereizt. Ich kenne zum Beispiel kaum einen Kollegen, der nicht so schlechte Venen hätte, dass beim Multiplikator für die Blutabnahme die Begründungsschwelle („schwie- rige Venenverhältnisse“) über - schritten würde.
Zur Abschaffung der PKV wären allerdings viele Voraussetzungen zu erfüllen. Eine davon ist die An- hebung der Kassenhonorare, um massenhafte Praxispleiten zu ver- meiden. Beim heutigen Tempo (be- rufs-)politischer Veränderungen wird einem klar, dass schon alleine deshalb auch die heute jungen pri- vat versicherten Kollegen einen derartigen Systemwechsel kaum mehr erleben dürften.
Deshalb meine Überlegung: War - um wechseln nicht alle Ärzte in
P SY CHOTHER A PIE
Gutachter haben im Auftrag der KBV Formen und Effi- zienz der ambulan- ten psychothera- peutisch/psychoso- matischen Versor- gung analysiert (DÄ 4/2012: „Psycho- therapeutische/psychosomatische Ver- sorgung: Mehr niedrigschwellige Thera- pie nötig“ von Petra Bühring).
S C O
G A F z t p m gunganalysiert (DÄ
chosomatisch/psychotherapeuti- schen Versorgung sind schlichtweg hausgemacht.
Wir haben schon vor 15 Jahren mit unseren psychosomatischen und psychoonkologischen Qualitätszir- keln gefordert, dass die somati- schen Fachärzt(inn)e(n) mit psycho- therapeutischer Zusatzausbildung ein Kontingent von zwölf antrags- freien Gesprächseinheiten erhalten, um an der Schnittstelle von Körper und Psyche wirksam intervenieren zu können, und um die Patient(inn)e(n) niederschwellig zu betreuen, die keine Antragspsychotherapie nach dem vorgegebenen starren Schema brauchen oder wollen. Die Antwort lautete damals „Restpunktwert“
und hat uns mit einer Minimal - vergütung von bis zu acht Euro pro 50 Minuten so gekränkt und
Hausgemachte Probleme
Schön, dass die KBV sich mit der ambulanten psychosomatisch/psy- chotherapeutischen Versorgung in der kassenärztlichen Versorgung befasst. Forschen ist gut, aber die Versorgungssituation verändern ist besser. Viele Probleme in der psy-
STR A HLENSC HUTZ
Seit November sind die veränderten Strahlenschutz- und Röntgenverordnun- gen in Kraft (DÄ 50/2011: „Strahlen- schutz in der Medi- zin: Neue Grenzwerte für Probanden“
von Nicola Siegmund-Schultze).
S d S R g 5 s zin: NeueGrenzwert
Forschungsvorhaben ein zwingen- des Bedürfnis besteht, nicht, wie im Artikel beschrieben, ob für das Forschungsvorhaben ein ausführli- ches Genehmigungsverfahren zwingend notwendig ist. Ein weite- res Beispiel ist der 20-mSv-Grenz- wert. Dieser war auch vor der No- vellierung bindend für gesunde Probanden und durfte für diese Gruppe nicht überschritten werden, auch nicht begründet, wie es im Ar- tikel heißt. Neu ist hingegen, dass es für bezüglich des Forschungs- vorhabens kranke Probanden die- sen Grenzwert nicht mehr gibt.
Detaillierte Informationen zu die- sem Thema befinden sich auf der Homepage des Bundesamtes für Strahlenschutz (http://www.bfs.de/
de/bfs/dienstleitungen/forschung).
Dr. med. Christine Klingele, Medizinische Fachreferentin, Bundesamt für Strahlenschutz, 85764 Oberschleißheim
Missverständlich
In dem Artikel zur Novellierung der Strahlenschutz- und Röntgen- verordnung sind bezüglich der im Bereich des Genehmigungsverfah- rens in der medizinischen For- schung eingetretenen Neuerungen zahlreiche teilweise missverständli- che . . . Angaben gemacht worden.
Zwei Beispiele: Die Ethikkommis- sion muss künftig eine Stellung- nahme dazu abgeben, ob für ein
B R I E F E
A 490 Deutsches Ärzteblatt
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9. März 2012ORGA NS PENDE
Tausende schwerst- kranke Patienten warten in Deutsch- land auf ein Spen- derorgan (DÄ 48/
2011: „Organspen- de – Einigung auf Entscheidungslösung: Tragfähiger Kom- promiss“ von Gisela Klinkhammer).
O G S
T k w l d 2 d Entscheidungslösun
lich“ vonstatten gehen soll, ohne dass Adressaten unter Druck gesetzt oder gar manipuliert werden. Zwei- tens unterbleibt in Deutschland bei der Information über die Organspen- de regelmäßig der Hinweis auf die wissenschaftlichen Bedenken bezüg- lich des Hirntodkonzepts; zum Bei- spiel hat in den USA die „President’s Commission on Bioethics“ im De- zember 2008 die Gründe, die bislang zur Rechtfertigung des Hirntodkon- zepts angeführt wurden, als irrtüm- lich zurückgewiesen. Das Hauptar- gument, auf dem die Definition be- ruhe, sei empirisch widerlegt („FAZ“, 14. 9. 2010, Nr. 213). Dem- nach kann man den „Hirntod“ nicht mehr als Tod des ganzen Menschen ansehen; damit ist unsere Transplan- tationspraxis infrage gestellt.
Dr. med. Winfrid Gieselmann, 75417 Mühlacker
Erhebliche Bedenken
Die Entscheidungslösung ist sicher besser als eine Widerspruchslösung.
Aber auch bei dem Kompromiss ha- be ich erhebliche Bauchschmerzen – und das aus folgenden Gründen:
Erstens weiß ich nicht, wie ein Ab- fragen der Organspendebereitschaft
„mit einer höheren Verbindlichkeit . . . mit soviel Nachdruck wie mög- demotiviert, dass wir all die erfolg-
reichen und wirksamen Versor- gungsstrukturen, die wir mit großer Überzeugung aufgebaut hatten, wieder aufgeben mussten.
Mit dem Kontingent von zwölf an- tragsfreien Gesprächseinheiten pro Patient(in) könnte das Potenzial der psychotherapeutisch ausgebildeten somatischen Fachärzt(inn)e(n) viel intensiver im Sinne der Pa- tient(inn)en genutzt werden. Die Lücke in der Betreuung psycho - somatischer Patient(inn)en und in der niederschwelligen Betreuung wäre geschlossen, Chronifizierung dadurch in vielen Fällen vermeidbar.
Und kostengünstig wäre die Lösung allemal, da alle Ressourcen bereits vorhanden sind.
Dr. med. Maria J. Beckermann, 50765 Köln
Äpfel mit Birnen verglichen
In ihrem Gutachten zu Formen und Effizienz der ambulanten psycho- therapeutisch/psychosomatischen Versorgung vergleicht die KBV Äpfel mit Birnen, wenn „die psych iatrische Basisversorgung“, die „eine größere Patientenzahl bei geringerem zeitlichen Umfang“
seitens der Fachärzte für Psychia- trie und Psychotherapie und der Nervenärzte leistet, mit der Arbeit Psychologischer Psychotherapeu- ten und der Ärzte mit Zusatztitel Psychotherapie/Psychoanalyse rein fallzahlbezogen aufgerechnet wird und suggeriert wird, dass letztere Gruppe zu wenig Patienten ver- sorgt. Letztere haben schließlich nach dem Facharzt oder Psycholo- gie-Diplom noch eine weitere jah- relange spezifische Zusatzausbil- dung absolviert, die sie – im Unter- schied zur erstgenannten Gruppe – überhaupt dazu berechtigt, psycho- therapeutische Langzeitbehandlun- gen durchzuführen. Damit behan- deln sie dann natürlich auch weni- ger Patienten, nämlich diejenigen, für die diese spezielle Indikation vorliegt.
Wenn Herr Dr. Köhler . . . in den Raum stellt: „Nicht jeder Patient benötige gleich eine langfristige Psychotherapie“, dann wird damit
unterstellt, Psychologische Psycho- therapeuten und Ärzte mit Zusatzti- tel Psychotherapie/Psychoanalyse seien nicht imstande oder willens, eine gebotene Indikation für „nied- rigschwellige Therapieangebote in der spezialisierten fachärztlichen und psychotherapeutischen Versor- gung“ zu stellen. Auch den Gutach- tern, die jede einzelne Langzeit- Psychotherapie überprüft haben, gälte dieser Vorwurf. Wenn in die- sem Zusammenhang von Dr. Köh- ler noch unterstellt wird, „die bes- sere finanzielle Ausstattung der an- tragspflichtigen Richtlinien (82 Euro pro Therapiestunde) könne leicht zu Fehlanreizen führen“, ist das nicht nur diffamierend, sondern prinzipiell unlogisch – denn für Kurzzeit-Psychotherapie gilt das- selbe Honorar. Bei einer Wartezeit von mehreren Monaten auf einen Psychotherapieplatz und gleichem Honorar kann eine unsachgemäße persönliche Vorliebe der Behandler für Langzeit-Psychotherapie nicht ausschlaggebend sein . . .
Herr Dr. Köhler geht aber in sei- nem nivellierenden Vorgehen noch weiter, wenn er meint: „Nach 40 Jahren Richtlinienpsychotherapie muss es gestattet sein zu hinterfra- gen, ob die verankerten Säulen der Verhaltenstherapie, Psychoanalyse
und tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie mit den vorgesehe- nen Kontingenten noch zeitgemäß sind.“ Verhaltenstherapie und Psy- choanalyse beruhen auf fundamen- tal verschiedener wissenschaftli- cher Begründung und darauf auf- bauender Behandlungstechnik und werden sich durch das Verstreichen einiger Jahrzehnte genauso wenig gleich wie Äpfel und Birnen im Verlauf einiger Jahrtausende.
Daraus eine Chimäre bilden zu wollen, wäre ein unsinniger Verlust von begründeter Differenzierung.
Der Tenor ist klar: Gesucht wird ein nivelliertes Berufsbild Psycho- therapeut, der nur noch die drin- gendste Symptombehandlung vor- nehmen soll, während Studien zur Wirksamkeit und langfristigen Kosteneinsparung durch eine gründliche psychotherapeutische Behandlung, die strukturelle Verän- derungen ermöglicht, beharrlich ignoriert werden, weil sie nicht ins Bild angestrebter kurzfristiger Kos- teneinsparung durch Teil- oder Scheinlösungen passen. Patienten mit komplizierten Krankheitsbil- dern würden dabei in ihrem per- sönlichen Leid im Stich gelassen.
Dipl.-Psych. Cornelia Puk, Psychoanalytikerin und Kinderanalytikerin (DPV, IPA),
71083 Herrenberg