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us Sicht der jungen Ärztege- neration ist die gegenwärtige Lage alles andere als rosig:Die Krankenhäuser passen – der finanziellen Not gehorchend – ihre Stellenpläne dem zunehmen- den Spardruck an, und die Bedarfs- planung in der ambulanten Versor- gung weist nur noch wenige offene Vertragsarztsitze aus. Bei der Bun- desanstalt für Arbeit sind bereits mehr als 10 000 arbeitslose und stellensuchende Ärzte registriert.
„Wenn nichts geschieht“, sagte kürz- lich der Präsident der Bundesärzte- kammer, Dr. med. Karsten Vilmar,
„ist damit zu rechnen, daß die Medi- zinerarbeitslosigkeit bis zum Jahr 2000 auf rund 20 000 ansteigt.“
Sollte es sich unsere Gesell- schaft nicht leisten wollen, Abertau- sende von gut ausgebildeten, hoch- qualifizierten Jungmedizinern mit- tel- und langfristig in die Arbeitslo- sigkeit zu entlassen, müssen neue Perspektiven her. Ein Schritt in die richtige Richtung, wenn auch nicht die Lösung des Problems, besteht im Job-sharing. In der ambulanten Ver- sorgung soll das spätestens ab Janu- ar 1998 möglich sein.
Die Idee ist einfach: Ältere, gut etablierte Kassenärzte können jun- gen Kollegen eine Chance zum be- ruflichen Einstieg geben und zu- gleich ihr eigenes Arbeitspensum re- duzieren. Auf Anregung der Ärzte- schaft hat der Gesetzgeber mit dem 2. GKV-Neuordnungsgesetz dem Bundesausschuß der Ärzte und Krankenkassen die Möglichkeit ein-
geräumt, die stringente Bedarfspla- nung zu lockern. Vertragsärzte sol- len auch in gesperrten Versorgungs- bereichen Kollegen in Teilzeitarbeit anstellen oder zusammen mit ihnen eine Gemeinschaftspraxis gründen können, sofern einige Bedingungen beachtet werden.
Zunächst muß der aufzuneh- mende Arzt die Voraussetzungen zur Zulassung erfüllen. Er muß fer- ner derselben Arztgruppe an- gehören wie der aufnehmende Kas- senarzt. In der Richtlinie heißt es, daß die Arztgruppe das Fachgebiet im Sinne der Weiterbildungsord- nung ist. Führen beide Ärzte Schwerpunktbezeichnungen, müs- sen auch diese übereinstimmen. Bei der Aufnahme in bereits bestehende Gemeinschaftspraxen reicht es aus, wenn der neue Kollege dieselbe Fachrichtung hat wie ein bereits in der Praxis arbeitender Arzt.
Enge Grenzen beim Praxisumfang Im Hinblick auf die Gliederung in die haus- und fachärztliche Versor- gung gilt: Hat sich der aufnehmende Arzt beispielsweise für die hausärztli- che Versorgung entschieden, darf auch der aufzunehmende Kollege nur auf diesem Sektor tätig werden.
Dies ist vor allem für Internisten von Belang. Wenn der Praxisinhaber sei- ne Wahlentscheidung zu einem spä- teren Zeitpunkt revidiert und in den jeweils anderen Versorgungszweig
wechselt, ist das für den teilzeitarbei- tenden Kollegen verbindlich.
Eine weitere wichtige Bedin- gung betrifft den Umsatz der Kas- senarztpraxis. Hier hat der Gesetz- geber festgelegt, daß sich der auf- nehmende Vertragsarzt gegenüber dem Zulassungsausschuß zu einer Leistungsbegrenzung verpflichten muß, die den bisherigen Praxisum- fang nicht wesentlich überschreitet.
Was unter „nicht wesentlich“ zu verstehen ist, läßt das 2. GKV-Neu- ordnungsgesetz offen. Die Entschei- dung darüber mußte der Bundesaus- schuß treffen. Krankenkassen und Ärzte haben sich auf eine zulässige Ausdehnung des Praxisumfangs von maximal drei Prozent geeinigt. Viel ist das nicht, andererseits sind Kas- sen und Ärzte gleichermaßen an ei- ner Mengenbegrenzung interessiert.
Als Berechnungsgrundlage für die Ermittlung des Praxisumfanges sehen die Richtlinien die quartalsbe- zogenen Gesamtpunktzahlen der (mindestens) vier zurückliegenden Abrechnungsquartale vor. Die ver- bindliche Feststellung der quartals- bezogenen Gesamtpunktzahlvolu- men trifft der Zulassungsausschuß, und zwar auf der Grundlage der Da- ten, die ihm die zuständige Kas- senärztliche Vereinigung übermittelt.
In den Richtlinien heißt es weiter:
„Auf Antrag der Vertragsärzte ist das Punktzahlvolumen neu zu bestim- men, wenn Änderungen des EBM oder vertragliche Vereinbarungen, die für das Fachgebiet der Ärzte maßgeblich sind, Auswirkungen auf A-2699
P O L I T I K LEITARTIKEL
Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 42, 17. Oktober 1997 (19)
Ambulante Versorgung
Teilzeitarbeit beim
niedergelassenen Kollegen
Was in anderen Bereichen der Wirtschaft bereits seit gerau- mer Zeit praktiziert wird, soll nun auch in der ambulanten ärztlichen Versorgung möglich sein: Teilzeitarbeit. In nur drei Monaten hat der Bundesausschuß der Ärzte und Kran-
kenkassen mit neuen Richtlinien die Weichen für das
Job-sharing gestellt. Ob jungen Ärztinnen und Ärzten da-
mit aber tatsächlich günstige Perspektiven eröffnet wer-
den, hängt von der Bereitschaft der älteren Kassenärzte ab.
die Berechnungsgrundlagen haben.“
Der Bundesausschuß hat auch die Möglichkeit bedacht, daß Ver- tragsärzte einen teilzeitarbeitenden Kollegen aufnehmen wollen, obwohl sie selbst erst seit kurzer Zeit zugelas- sen sind. In solchen Fällen sollen die durchschnittlichen Punktzahlvolu- men der jeweiligen Fachgruppe für die Ermittlung der Obergrenze her- angezogen werden.
Die eng gesteckte Zuwachsgren- ze des Praxisumfangs von nur drei Prozent läßt erkennen, was der Bun- desausschuß – ganz im Sinne des Ge- setzgebers – auf jeden Fall verhindern möchte: eine Maximierung der Pra- xisumsätze mit Hilfe von teilzeitarbei- tenden Ärzten. Damit würde nämlich zunehmender Druck auf die Gesamt- vergütung aller niedergelassenen Kas- senärzte entstehen – ein Risiko, das die Krankenkassen erst recht nicht mit Blick auf die Vereinbarung von festen Punktwerten eingehen wollen.
Schließlich werden die neu hinzu- kommenden Ärzte für die Dauer ih- rer Beschäftigung auch nicht auf die Bedarfsplanung angerechnet.
Job-sharing unter den jetzt gege- benen Voraussetzungen kommt also nur dann in Frage, wenn der Praxisin- haber tatsächlich bereit ist, sein eige- nes Arbeitspensum nachhaltig zu re- duzieren. Aber auch dafür sprechen gute Gründe. Einerseits kann weniger Arbeit mehr Lebensqualität bedeu- ten, andererseits gewinnt der Arzt mehr Flexibilität bei der Behandlung seiner Patienten. Es gibt weitere Vor- teile: Junge Kollegen bringen in der Regel auch „frisches“ Wissen mit in die Praxis. So gesehen kann der auf- nehmende Arzt von neuen Ansätzen der jüngeren Generation ebenso pro- fitieren wie der teilzeitarbeitende Kol- lege von den langjährigen Erfahrun- gen seines „Senior-Partners“.
Die Teilzeitarbeit bei niederge- lassenen Kassenärzten dürfte vor al- lem auch Ärztinnen zugute kommen, die beispielsweise wegen familiärer Umstände keine Ganztagstätigkeit mehr anstreben und dennoch ihrem Beruf verbunden bleiben wollen.
Die geänderten Richtlinien lie- gen derzeit dem Bundesgesundheits- minister zur Genehmigung vor. Sie treten mit der Veröffentlichung im Bundesanzeiger in Kraft. Josef Maus A-2700
P O L I T I K LEITARTIKEL
(20) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 42, 17. Oktober 1997
Was bringen die neuen Regelungen zum Job-sharing, und wie sind sie aus be- rufspolitischer Sicht zu bewerten? Das Deutsche Ärzteblatt sprach mit Dr. med.
Ulrich Oesingmann, im KBV-Vorstand zu- ständig für Fragen der Bedarfsplanung.
DÄ:Job-sharing ist für die nie- dergelassenen Ärzte eine echte Neue- rung. Gibt’s dafür Beifall?
Oesingmann:Ich denke schon, denn es ist eine ganz hervorragende Regelung. Das Interesse unserer Kollegen ist uns schon lange be- kannt, und wir ha-
ben seit Jahren dar- an gearbeitet, jun- gen Kollegen eine solche Möglichkeit zu eröffnen. Auf un- seren Wunsch hin ist das im 2. GKV-Neu- ordnungsgesetz auf- genommen worden.
DÄ: Wie hoch schätzen Sie die Nachfrage nach Teil- zeitarbeit ein?
Oesingmann:
Vor drei Wochen ha- ben wir bei den Kas-
senärztlichen Vereinigungen ange- fragt. Da lagen bereits rund 500 An- träge vor. Ich glaube, das wird noch wesentlich mehr, wenn die Be- schlüsse des Bundesausschusses be- kannt werden. Es sind ganz über- wiegend junge Kollegen, die inter- essiert sind. Vor allem Ärztinnen, die aus familiären Verpflichtungen nicht mehr ganztags arbeiten kön- nen oder wollen.
DÄ:Und wie sehen das die eta- blierten Kassenärzte?
Oesingmann:Die haben gleich- falls Vorteile zu erwarten. So kön- nen sich alle, die über eine sehr ho-
he Arbeitsbelastung klagen, nun et- was zurücknehmen und einen Teil auf die aufzunehmenden Kollegen übertragen. Andere wiederum kön- nen sich Freiräume schaffen – bei- spielsweise für arbeits- oder sport- medizinische Tätigkeiten im größe- ren Rahmen.
DÄ:Allerdings darf der Praxis- umfang maximal um drei Prozent wachsen.
Oesingmann:Richtig. Und wir wissen auch, daß sich viele Ärzte größere Zuwächse versprochen ha- ben. Doch das paßt nicht zum Ge- danken des Job-sharing. Es geht darum, Arbeit und damit auch Umsatz zu verteilen. Job- sharing ist kein In- strument zur Um- satzsteigerung. Na- türlich hängt vieles von der wirtschaftli- chen Situation der Praxis ab und ob man es sich leisten kann, weniger zu ar- beiten und einen Teil des Verdienstes abzutreten.
DÄ: Sind die jetzigen Regelungen zum Job-sharing der Anfang einer Entwicklung oder schon der End- punkt?
Oesingmann:Die Perspektiven hängen von den Erfahrungen ab, die wir mit dem Job-sharing ma- chen. Ich kann nur sagen, daß auch die Krankenkassen grundsätzlich hinter der Idee stehen. Anders wäre ein Beschluß in derart kurzer Zeit gar nicht möglich gewesen. Was die nahe Zukunft angeht, so bin ich da- von überzeugt, daß die Zulassungs- ausschüsse die vorliegenden und noch kommenden Anträge zügig bearbeiten werden.
Job-sharing
Bereits 500 Anträge bei den KVen
Dr. med. Ulrich Oesingmann Foto: Eifrig