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achdem das GKV-Modernisie- rungsgesetz (GMG) verabschie- det ist, wissen die niedergelasse- nen Fachärzte ebenso wie die Hausärz- te, was sie erwartet. Auf dem 11. Deut- schen Fachärztetag in München wies der Bundesvorsitzende des Deutschen Facharztverbands (DFV), Dr. med.Axel Munte, darauf hin, dass das Gesetz nicht nur Risiken berge: Die Hausärzte hätten das Angebot und Risiko der hausarztzentrierten Versorgung, die Fachärzte stünden vor der Wahl: KV- Arzt mit oder ohne Integrationsvertrag.
Sorgen bereitet dem Facharzt-Inter- nisten der Umstand, dass die Kranken- häuser hoch spezialisierte Leistungen nun auch ambulant erbringen können.
Sie treten damit in Wettbewerb zu den niedergelassenen Fachärzten, die in den letzten Jahrzehnten erfolgreich diese Leistungen aus dem teuren Klinikbe- trieb in die ambulante Versorgungsebe- ne verlagert haben. „Die Krankenhäu- ser dehnen sich metastasierend in den ambulanten Bereich aus“, klagte Mun- te. Der Weg für die Fachärzte sei durch das GMG vorgezeichnet: entweder ins Krankenhaus, oder ans Krankenhaus, oder Kooperation mit dem Kranken- haus. Das Letztere empfiehlt Munte als anzustrebendes Ziel.
Für die Verträge zur Integrierten Ver- sorgung ist der Kassenärztlichen Ver- einigung (KV) im Gesetz keine Rolle zugedacht. Die Folge: Täglich sprächen einzelne Ärzte oder Ärztegruppen bei den Krankenkassen vor, um Integrati- onsverträge abzuschließen, sagten Ver- treter von Bayerns AOK und BKK auf dem Fachärztetag.
Munte zufolge muss die KV aber nicht unbedingt außen vor bleiben. „Wir haben eine Chance, wenn wir besser und schneller sind als die Krankenhäuser“,
sagte Munte, der zugleich Vorsitzender der KV Bayerns (KVB) und Vorstands- mitglied der Kassenärztlichen Bundes- vereinigung (KBV) ist. Weil diese Ent- wicklung abzusehen war, habe die KVB schon im vergangenen Jahr begonnen, sich als Partner der Vertragsärzte neu zu definieren und sich konsequent auf Ser- vice und Dienstleistung für ihre Mitglie- der zu konzentrieren. „Wenn wir die Ärzte nicht drangsalieren, sondern för- dern, haben wir eine Chance, sie bei uns
zu halten, ohne dass sie in die Integrier- te Versorgung abwandern.“
Das Mammographie-Screening veran- schaulicht für Munte den neuen Kurs:
Durch den bayerischen Alleingang in der Qualitätssicherung, der nun auch von der KBV mit getragen werde, sei es gelungen, die Mammographie als ärztli- che Leistung zu erhalten und zu verhin- dern, dass sie in Screening-Zentren oder in die Krankenhäuser abwandere.
Was der einzelne Arzt allein nicht könne, werde zusammen mit der KV möglich, meinte Munte: neue Projekte entwickeln und durchführen sowie die Evaluation dieser Projekte sichern. Die Krankenkassen seien dann auch bereit, solche Leistungen besser zu bezahlen.
Ein Monopol hätten die KVen gewiss nicht mehr, meinte Munte: „Wir haben nur Chancen im Wettbewerb, aber das
finde ich auch viel reizvoller.“ Entwe- der machen Krankenkassen künftig Verträge mit den besten Ärzten oder die Kassenärztlichen Vereinigungen.
Die KV als Partner könne den Ärz- ten heute anbieten, Verträge auszuhan- deln, leistungsorientiert und differen- ziert nach Fachgruppen unter der Maxi- me: mehr Geld für das bessere Qua- litätskonzept. Die Zukunft der Fachärz- te liege in der Qualität.
Die KVen böten für die Interessen- vertretung durchaus Vorteile, die ande- re Organisationen nicht hätten, erläu- terte DFV-Vorstandsmitglied Dr. An- dreas Hellmann, Vorsitzender des Be- rufsverbands der Pulmologen: Es gebe eine Vielzahl von Berufsverbänden mit zu geringer Mitgliedschaft, schlechter Organisation und ohne Vertragsfähig- keit. Genossenschaften seien professio- neller und könnten auch Vertragsver- handlungen führen. Ihnen fehlten aber im Gegensatz zu den KVen viele Vor- aussetzungen, diese Aufgabe erfolg- reich erledigen zu können. Die KV ha- be die jahrelange Erfahrung, die not- wendigen Spezialisten, eine Organisati- onsstruktur, ein Vertragsmanagement, IT-Kompetenz, und sie leiste Service vor Ort. „Für all das ist die KV sogar recht billig“, sagte Hellmann. Sein Vor- schlag: Die KV könnte bestimmte Lei- stungen wie etwa das Qualitäts- und Vertragsmanagement an andere, etwa die Genossenschaften, verkaufen.
Die Hausärzte sähen sich unterdes- sen besonders schlecht gestellt, betonte Dr. Wolfgang Hoppenthaller, Landes- vorsitzender des Bayerischen Hausarzt- verbands und Zweiter KVB-Vorsitzen- der. Von dem „Schulterklopfen“ vor dem GMG seien nur die DMP und die Praxisgebühr übrig geblieben. Die Pra- xisgebühr sei nichts anderes als eine ver- lagerte Erhöhung des Krankenkassen- beitrags. Wenn das Inkassorisiko bei den Ärzten bleiben solle, dann werden die Hausärzte dabei nicht mitmachen.
In der hausarztzentrierten Versor- gung sieht Hoppenthaller die letzte Chance, das Austrocknen der hausärzt- lichen Versorgungsebene zu verhin- dern. Die Integrierte Versorgung be- trachtet er hingegen mit Argwohn: Da- mit komme kein neues Geld ins System, sondern es werde aus der Gesamtvergü- tung abgezogen. Klaus Schmidt P O L I T I K
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A2984 Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 4614. November 2003
11. Deutscher Fachärztetag
„Die Chancen
schnell ergreifen!“
Die Gesundheitsreform birgt für die Vertragsärzte viele Risiken – aber auch neue Möglichkeiten.
Dr. med. Axel Mun- te: Neue Partner- schaft zwischen Ärz- ten und Kassenärzt- lichen Vereinigun- gen als Antwort auf die Reform
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