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Archiv "Immunsuppression bei Morbus Crohn: „Hit hard and early“– eine neue Therapiestrategie" (24.10.2003)

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enn auch in den letzten Jahren große Fortschritte insbesondere im Verständnis der Pathogenese des Morbus Crohn erreicht wurden, sind bisher für die große Mehrheit der Pa- tienten keine kausalen Therapieansätze etabliert. Im Wesentlichen bilden empi- risch überprüfte Konzepte die Basis für die medikamentöse Therapie. Je nach Schweregrad der Erkrankung werden sy- stemisch oder topisch wirkende Steroide und/oder 5-Aminosalicyl-säurepräpara- te eingesetzt. Durch diese Maßnahmen kann bei circa 70 bis 90 Prozent der Pati- enten ein ausreichender therapeutischer Effekt erreicht und eine Remission indu- ziert werden (20).

Verbesserung der Remissionserhaltung

Bei Patienten mit M. Crohn stellt häufig das Auftreten von Rezidiven das klinisch relevante Problem dar. So zeigte sich in einer epidemiologischen Untersuchung unter einer kombinierten Therapie mit Glucocorticoiden und 5-Aminosalicyla- ten (5-ASA) eine Rezidivrate von 50

Prozent in 12 Monaten (13). Leider hat eine Therapie mit 5-ASA (3) oder Bude- sonid (14) keine ausreichende Wirksam- keit in der Remissionserhaltung, sodass bei Patienten mit M. Crohn diese Thera- pieformen in der Rezidivprophylaxe ge- nerell keinen Stellenwert haben.

Würden alle Patienten, die innerhalb eines Jahres nach Überwinden der aku- ten Symptomatik ein Rezidiv erleiden, mit den etablierten Immunsuppressiva Azathioprin oder Methotrexat behan- delt werden, wäre bei circa 50 Prozent dieser Patienten mit einer langfristigen Remission zu rechnen. Entsprechend dieser Rechnung müssten aber 25 Pro- zent aller Patienten eine anderweitige immunsuppressive Therapie erhalten.

Diese Patienten werden zurzeit entwe- der durch chirurgische Interventionen, wiederholt mit hochdosierten Glucocor- ticoiden oder mit anderen Immunsup- pressiva (zum Beispiel im Rahmen von

Heilversuchen oder von Studien) behan- delt. Bei einer Prävalenz von circa 50 Pa- tienten mit M. Crohn pro 100 000 Ein- wohner und der Annahme, dass jeder zweite Patient mit M.Crohn innerhalb ei- nes Jahres einen akuten Schub erleidet, kann bei etwa 6 M.-Crohn-Patienten pro 100 000 Einwohner pro Jahr keine lang- fristige Rezidivfreiheit erreicht, bezie- hungsweise diese nur unter Inkaufnahme von ausgeprägten Nebenwirkungen rea- lisiert werden. Somit würde in Deutsch- land bei circa 5 000 Patienten pro Jahr Handlungsbedarf bestehen (17).

Abheilung in der Darmmukosa

Die hohe Rezidivrate nach Überwinden des akuten Schubes wirft die Frage auf, ob mit Besserung der klinischen Sympto- matik die relevanten Therapieziele bei M. Crohn erreicht werden. Bei der rheu- matoiden Arthritis – die zahlreiche Paral- lelen in der Pathogenese zum M. Crohn aufweist – hat sich neben der Beschwer- defreiheit und der damit verbundenen Verbesserung der Lebensqualität die Hemmung der Gelenkdestruktion, also M E D I Z I N

Deutsches ÄrzteblattJg. 100Heft 4324. Oktober 2003 AA2787

Immunsuppression bei Morbus Crohn

„Hit hard and early“– eine neue Therapiestrategie

Zusammenfassung

Die aktuelle Therapie beim Morbus Crohn zielt auf das Überwinden des akuten Schubes. Anti- inflammatorische Therapien mit 5-Aminosa- licylsäure oder Glucocorticoiden bessern in der Regel die Akutsymptomatik, besitzen aber keine abheilungsinduzierenden Effekte auf entzündliche Veränderungen in der Darmmu- kosa. Eine immunsuppressive Behandlung mit Azathioprin/6-Mercaptopurin verlängert die Remission und bewirkt die Rückbildung ent- zündlicher Veränderungen im Darm. Bei Sub- gruppen von Patienten vermitteln neue biolo- gische Therapieformen, wie zum Beispiel Anti- körper gegen TNF-αα, ein rasches klinisches Ansprechen, welches von der Abheilung der Läsionen begleitet ist und sichern bei wieder- holter Gabe die Remission. Begrenzend sind die hohen Kosten, die potenziellen Nebenwir- kungen und unbekannten Langzeitkomplika-

tionen. In kontrollierten Studien muss über- prüft werden, ob neue Endpunkte der antiin- flammatorischen Therapie („mucosal healing“) definiert werden müssen und ob die Patienten langfristig von einem solchen Paradigmen- wechsel profitieren.

Schlüsselwörter: Morbus Crohn, Immunthera- pie, unerwünschte Arzneimittelwirkung, Pro- gnose, „mucosal healing“

Summary

Hit Hard and Early:

A New Therapeutic Strategy of Immuno- suppression in Crohn’s Disease

Current therapy of Crohn’s disease is aimed to induce remission in active disease. Anti- inflammatory therapies, such as 5-aminosalicy- lates or corticosteroids, generally improve the

acute symptoms, but do not induce healing of inflammatory lesions in the intestinal mucosa.

Immunosuppressive treatment with azathio- prine/6-mercaptopurine manages to sustain remission and also has a healing effect on mucosal inflammatory changes. In sub-groups of patients new biological therapies, such as anti-TNF-ααantibodies, provide quicker clinical improvement accompanied by healing of the lesion. With continuous treatment they also might lead to long-term remission. However, these antibodies are expensive, and potential side effects and long-term complications are as yet unknown. Controlled studies need to in- vestigate whether new end points of anti- inflammatory therapy (mucosal healing) have to be defined and whether patients can profit from such a paradigm shift in the long run.

Key words: Crohn’s disease, immunotherapy, side effect, prognosis, mucosal healing

1Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Ernäh- rungsmedizin (Leiter: Prof. Dr. med. Andreas Stallmach), Katholische Kliniken Essen-Nord, Essen

2Medizinische Klinik I (Direktor: Prof. Dr. med. Martin Zeitz), Charité – Universitätsmedizin Berlin, Campus Ben- jamin Franklin, Berlin

Andreas Stallmach1 Martin Zeitz2

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die Beeinflussung des morphologischen Korrelats der Entzündung, als wesentli- ches Therapieziel etabliert. Im Rahmen einer so genannten „hit hard and early- Therapiestrategie“ (9) werden frühzeitig sehr potente Immunsuppressiva einge- setzt, um die Progression der Gelenkde- struktion zu verhindern (10). Mit dieser Strategie, die auf die Besserung des mor- phologisch erfassbaren entzündlichen Korrelats abzielt, kann ein günstigerer Langzeitverlauf erreicht werden, als bei rein symptomorientierter Behandlung (6, 16). In Analogie könnte sich in der Gastroenterologie neben der Besserung der akuten Symptomatik die Abheilung der endoskopisch nachweisbaren Verän- derungen, zum Beispiel der Ulzeratio- nen, als ein neues, anzustrebendes Thera- pieziel ergeben. Daten, die diesen Analo- gieschluss begründen, wurden bisher nur in sehr wenigen Studien vorgelegt. Re- trospektive Untersuchungen aus chi- rurgischen Patientenkollektiven zeigen, dass dem klinischen Rezidiv das endo- skopische circa zwei Jahre vorausgeht.

Hieraus könnte abgeleitet werden, dass ausgeprägte entzündliche Veränderun- gen der Darmmukosa als Risikofaktor für ein erneutes Rezidiv zu verstehen sind. Im Widerspruch dazu steht die Be- obachtung, dass im akuten Schub zwi-

schen dem Ausmaß und Schweregrad der endoskopisch nachweisbaren Verände- rungen und dem klinischen Krankheits- bild keine Korrelation besteht (12). Die- ses scheint aber nur für die akute Situati- on zu gelten und somit eine Momentauf- nahme zu sein. So hat die gleiche Arbeits- gruppe um Modigliani nachgewiesen, dass bei Patienten mit M. Crohn tiefe Ul- zerationen der Darmmukosa bei einer Indexkoloskopie für den Langzeitverlauf (also über Jahre) von großer prädiktiver Bedeutung sind (1).

Wahl der Immunsuppressiva

Durch welche Intervention kann bei M.

Crohn im akuten Schub eine Abheilung der entzündlichen Veränderungen er- reicht werden? Allgemein wird akzep- tiert, dass durch eine Steroidstoßtherapie – auch wenn sie trotz der damit verbun- denen Nebenwirkungen über mehrere Wochen durchgeführt wird – keine signi- fikante Abheilung der entzündlichen Veränderungen erreicht werden kann.

Der frühzeitige Einsatz von Immunsup- pressiva, vor allem bei jungen Patienten mit M. Crohn wird häufig wegen der ver- meintlich hohen Nebenwirkungsrate ge- fürchtet. Tatsächlich sind bei sachgerech-

ter Anwendung und entsprechenden Kontrollen schwere Nebenwirkungen sehr selten; in den Fällen gravierender Toxizität lassen sich meist Behandlungs- fehler (zum Beispiel falsche Dosierung, fehlende Kontrolluntersuchungen oder Nichtbeachtung früher Hinweise auf ei- ne Unverträglichkeit) als Ursache identi- fizieren. Azathioprin beziehungsweise sein aktiver Metabolit 6-Mercaptopurin hat in der Therapie des häufig rezidivie- renden M. Crohn beziehungsweise bei chronischer Krankheitsaktivität einen festen Stellenwert.Analysen der Cochra- ne-Gruppe ergaben eine Reduktion des Rezidivrisikos um den Faktor 2,51, das heißt 4 Patienten müssen behandelt wer- den, damit ein Patient profitiert. Die Möglichkeit Steroide zu reduzieren wird um den Faktor 3,86 verbessert (von drei Patienten profitiert mindestens einer).

Aufgrund dieser Daten hat die Konsen- suskonferenz der Deutschen Gesell- schaft für Verdauungs- und Stoffwechsel- krankheiten zur Therapie des M. Crohn Azathioprin als Immunsuppressivum der ersten Wahl empfohlen (20). Neben dem gesicherten remissionserhaltenden Ef- fekt und der Steroid einsparenden Po- tenz gibt es Hinweise, dass die Therapie mit dieser Substanz sowohl beim Rezidiv nach medikamentöser Therapie als auch M E D I Z I N

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´ Tabelle ´

Immunsuppressiva in der Therapie des M. Crohn

Etablierte Therapieformen Experimentelle

Therapieform*1 Azathioprin*2 Methotrexat Anti-TNF-αα-Antikörper Cyclophosphamid Wirkungseintritt Nach 3–6 Monaten Nach 4–8 Wochen Innerhalb der 1. Woche Nach 4–8 Wochen Dosierung 2,5 mg/kg KG/Tag 25 mg/Woche i. m., nach Einmalige Gabe 5 mg/kg Pulstherapie 750 mg i. v./

Wirkungseintritt KG i. v. (bei Fisteln dreimalige Monat, 3–6 Zyklen Umsetzen auf orale Gabe Gabe), evtl. Wiederholung

bei Rezidiv

Haupt- und Neben- Akute Pankreatitis, Hepati- Pneumonitis, Leberfibrose/ Allergische Reaktionen, Transaminasenerhöhungen, wirkungen (siehe dazu tiden, opportunistische In- -zirrhose, opportunistische opportunistische Infektionen, Blutbildveränderungen (bis auch die Fachinformation) fektionen und Blutbildver- Infektionen und/oder Blutbildveränderungen, De- zur Agranulozytose)

änderungen (bis zur Agranu- Blutbildveränderungen pressionen, Dekompensation opportunistische Infek- lozytose) (bis zur Agranulozytose) bei vorbestehender Herz- tionen, Amenorrhoe mit an-

Übelkeit und Erbrechen insuffizienz haltender Störung der Ovarialfunktion,

Blasentumoren

Nutzen-Kosten-Relation/ Günstig Sehr günstig Hohe Kosten, deshalb Sehr günstig

monatliche Therapiekosten 127,20 F 61,60 F niedrige Relation 34,26 F(einschließlich

1770 F*3 Kosten für Uromitexan i. v.)

*1kontrollierte Studie zur Therapie mit Cyclophosphamid in Planung,

*2vor Einleitung einer Therapie mit Azathioprin sollte eine Thiopurinmethyltransferase-Defizienz ausgeschlossen werden,

*3zu den angegebenen Tagestherapiekosten würden sich die Kosten für die Fortführung der Azathioprin- oder Methotrexat-Standardimmunsuppression addieren

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beim Rezidiv in der postoperativen Si- tuation bei circa 50 bis 70 Prozent der Pa- tienten zum Abheilen endoskopisch nachweisbarer Veränderungen und zur Rückbildung der histologisch nachweis- baren Läsion führt (4). Ob Patienten mit mukosaler Abheilung durch die Azathio- prinmedikation eine niedrigere Rezidiv- rate haben als Patienten mit persistieren- den entzündlichen Veränderungen, ist noch eine offene Frage. Bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, ins- besondere beim M. Crohn, findet man im entzündlich veränderten Gewebe eine Ansammlung von aktivierten Makro- phagen/Monozyten, die den Tumor-Ne- krose-Faktor-α(TNF-α)freisetzen. Klini- sche und zellbiologische Untersuchun- gen zeigen, dass dieses proinflammatori- sche Zytokin eine zentrale Rolle in der Induktion und Perpetuierung der Ent- zündung besitzt. Mit der Entwicklung von neutralisierenden Antikörpern ge- gen TNF-αhat sich für den M. Crohn eine Therapieform etabliert, die bereits vor- her erfolgreich bei rheumatoider Arthri- tis eingesetzt wurde. In großen interna- tionalen Multicenterstudien wurde die klinische Wirksamkeit von Infliximab (Remicade), einem murinen Antikörper gegen humanes TNF-α, bei dem der Fc-Teil und Anteile des Fab-Fragmen- tes durch humane IgG1-Sequenzen er- setzt wurden, getestet.

In der Zusammenfassung der ver- schiedenen Studien erweist sich dieser Antikörper bei akutem, teilweise auch therapierefraktärem M. Crohn sowie bei Patienten mit Fisteln als wirksam (21, 15). Hier ergeben sich jedoch zwei Pro- bleme: Zum einen, und dieses erscheint als Hauptproblem für die klinische Pra- xis, ist Infliximab nur bei einem Teil der Patienten wirksam. Je nach Studie wird der Gesamtanteil der Patienten, die eine Remission erreichen, mit 30 Prozent bis maximal 50 Prozent angegeben. Prädikti- ve Parameter, die das Ansprechen auf In- fliximab vorhersagen, sind bisher nicht etabliert. In einer 1-Jahres-Studie (AC- CENT I) zum Remissionserhalt durch Infliximab wurde in den Verumgruppen eine Ansprechrate von 17 bis 22 Prozent, bezogen auf das Gesamtkollektiv, beob- achtet. In der Placebogruppe betrug die Ansprechrate lediglich 9 Prozent (8).

Die Anzahl von Patienten, die behandelt werden muss, um einen Therapieerfolg

zu erreichen (number needed to treat [NNT]) beträgt also etwa 9 bis 10. Be- zieht man den Anteil der Patienten, die sich nach 54 Wochen in Remission befan- den, nur auf das Kollektiv der Patienten, die nach zwei Wochen ein Ansprechen auf die erste Gabe von Infliximab zeigten (und nur diese Patienten wurden in der Studie weiter behandelt), ergeben sich Ansprechraten in der Verumgruppe, die von 29 bis 39 Prozent reichen. Dieses scheint abhängig von der Menge des ein- gesetzten Antikörpers (5 mg/kg/KG be- ziehungsweise 10 mg/kg/KG) zu sein.

Aufgrund dieser Daten ist jüngst von der europäischen Zulassungsbehörde CPMP ein positives Votum für die Wie- derholungsbehandlung mit Infliximab bei aktivem Morbus Crohn abgegeben worden.Auch ist diese Therapie, und die- ses ist das zweite klinisch relevante Pro- blem, mit potenziell vital bedrohlichen Nebenwirkungen verbunden (19). Seit der Erstzulassung im Jahr 1998 wurden weltweit mehr als 200 000 Patienten mit Infliximab behandelt. Bis Mai 2001 wur- den 202 Todesfälle, die zu fast 50 Prozent im Zusammenhang mit Infektionen stan- den, gemeldet. Dabei spielen schwere und atypische Verlaufsformen von Tu- berkulose einschließlich extra-pulmona- ler Lokalisation eine besondere Rolle.

Insgesamt ergibt sich somit aus diesen Daten eine potenzielle Mortalitätsrate von circa 1 auf 1 000 Anwendungen.

Unter sorgfältigen Auswahlbedingungen der Patienten scheint diese Rate jedoch deutlich niedriger zu sein (7). Neben den Infektionen muss der mögliche Einfluss von TNF-α-Antagonisten beziehungs- weise Inhibitoren auf die Entstehung von Lymphomen erwähnt werden. In einer kürzlich erschienen Fallsammlung wird von 26 Patienten berichtet, die nach einer Therapie mit Infliximab beziehungswei- se Etanercept, einem löslichen TNF-α- Rezeptor, eine lymphoproliferative Er- krankung entwickelt haben. Der ameri- kanischen Food and Drug Administrati- on sind zwischen November 2001 und September 2002 weitere 68 Fälle mit ei- ner möglichen Assoziation zwischen Lymphomentstehung und dieser Medi- kation gemeldet worden (2). Da per se ei- ne erhöhte Lymphominzidenz bei Pa- tienten mit schwer verlaufenden chro- nisch entzündlichen Erkrankungen be- kannt ist, können zum aktuellen Zeit-

punkt keine Aussagen zur Kausalität ge- macht werden. Beim Einsatz dieses The- rapieprinzips sollten Patienten jedoch auf das mögliche Risiko und auf die The- rapiekosten hingewiesen werden. Bei dem aktuellen Apothekenabgabepreis würden sich bei einem 75 kg schweren Patienten beim Einsatz in üblicher Do- sierung (5 mg/kg KG) Therapiekosten von circa 3 300 Euro ergeben. Ungeach- tet dieser Aspekte ist auch der wieder- holte Einsatz von Infliximab bei ausge- wählten Patienten nach Ausschöpfung der anderen Therapiemöglichkeiten sinn- voll und nützlich. Diese sollte in Anleh- nung an die ACCENT-I-Studie erfolgen, sodass die wiederholten Applikationen alle acht Wochen durchgeführt werden.

Es ergeben sich somit monatliche Thera- piekosten von circa 1 770 Euro. Zusätz- lich sollte zu dieser Therapie mit Inflixi- mab die sonstige immunsuppressive The- rapie mit Azathioprin oder MTX fortge- setzt werden.

Intensivierte Immunsuppression

Ein besonderer Aspekt in der Therapie mit Infliximab ist die Wirkung auf die entzündlichen Veränderungen im In- testinaltrakt von Patienten mit M. Crohn.

Schon in der ersten, 1995 erschienenen Publikation zur Wirkung von Infliximab beim M. Crohn hoben die Autoren auf eine rasche Abheilung der Crohn-typi- schen Veränderungen im Kolon ab (22).

Diese klinische Beobachtung wurde in der folgenden Zeit von vielen Anwen- dern nachvollzogen und konnte in einer kontrollierten Studie bestätigt werden (5). Es zeigte sich, dass bereits nach einer einmaligen Behandlung mit Infliximab die endoskopisch nachweisbaren Crohn- typischen Veränderungen abnahmen.

Mit dieser Abheilung der entzündlichen Veränderungen war eine deutliche Bes- serung der klinischen Symptomatik ver- bunden. Wenn Infliximab eine Abhei- lung der entzündlichen Veränderungen bedingt und diese Rückbildung günstig für die Langzeitprognose der Patienten ist, wäre ein frühzeitiger Einsatz dieser Substanz sinnvoll. Hierzu liegen leider nur sehr wenige Daten vor. In einer Stu- die in einem pädiatrischen Patientenkol- lektiv zeigte sich, dass bei Patienten mit kurzer Krankheitsphase die Wahrschein-

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lichkeit einer langfristigen Remission (Dauer von 12 Monaten) wesentlich höher war, als bei Patienten mit länger bestehender Grunderkrankung (11).

Auch bei vorsichtiger Interpretation die- ser methodisch sicher angreifbaren Ar- beit ergibt sich die Schlussfolgerung, dass die frühzeitige intensivierte Immunsup- pression den langfristigen Verlauf gün- stig beeinflussen könnte. In einer Unter- suchung überprüften die Autoren in Analogie zu Patienten mit systemischer Vaskulitis die Wirksamkeit einer Cyclo- phosphamid-Stoßtherapie bei Patien- ten mit steroidrefraktärem, akutem M.

Crohn (18). Über die offene Studie hin- aus liegen zurzeit Erfahrungen über ins- gesamt 20 Patienten vor. Bei der großen Mehrzahl der Patienten konnte durch ei- ne monatliche Stoßtherapie (750 mg Cy- clophosphamid als Kurzinfusion) eine Remission induziert werden und die teil- weise sehr hohen Steroiddosen reduziert werden. Wenn auch die Effekte von Cy- clophosphamid auf die endoskopisch nachweisbaren Veränderungen nicht primäres Therapieziel waren, zeigte sich doch innerhalb weniger Wochen eine komplette Abheilung der entzündlichen Veränderungen bei den Patienten, die auf die Therapie ansprachen (Abbildung a, b).Auffällig ist auch die lange Remissi- onsdauer bei diesen sehr schwer kranken Patienten, die sicher mit durch die einge- leitete Azathioprinmedikation zu er-

klären ist. Hinzuweisen ist auch auf die nur gering ausgeprägten Nebenwirkun- gen dieses Therapieregimes, die sich bis auf zwei Patienten mit Soorösophagiti- den im Wesentlichen auf intermittierend pathologische Leberwerte beschränkten.

Diese günstigen Ergebnisse müssen natürlich durch eine kontrollierte Studie bestätigt werden, bevor eine allgemeine Empfehlung für den Einsatz dieser Sub- stanz gegeben werden kann. Neben den medikamentösen Möglichkeiten sollte auch immer die Indikation für eine chir- urgische Intervention überprüft werden.

Diese wird in der Regel – wenn lege artis auch als Darm sparende Resektion durchgeführt – immer zu einer Minimie- rung der entzündlichen Veränderungen führen. Ein direkter Vergleich zwischen Rezidivraten bei Patienten nach medika- mentös induzierter Remission und chir- urgisch induzierter Remission wird aus ethischen Gründen nie in einer randomi- sierten Studie durchzuführen sein. In der Zusammenfassung konnten in jüngster Zeit Hinweise erarbeitet werden, die aufzeigen dass durch eine frühzeitige und intensivierte Immunsuppression der Krankheitsverlauf bei Patienten mit M.

Crohn günstig beeinflusst werden kann.

Mit der medikamentösen Therapie scheint eine Abheilung der entzündli- chen Veränderungen in der Darmmuko- sa („mucosal healing“) ein wichtiges The- rapieziel zu sein. Anzumerken ist, dass

diese Strategie impliziert,dass bildgeben- de Verfahren (das heißt zurzeit noch die Kontrollendoskopie) zur Verlaufsbeur- teilung durchgeführt werden müssen.

Die überzeugende Wirkung von Immun- suppressiva bei schwer kranken Patien- ten darf natürlich nicht zu einem unkriti- schen Einsatz dieser potenten, aber auch nebenwirkungsreichen Pharmaka füh- ren. Die frühzeitige Erkennung von Pati- enten mit potenziell ungünstigem Ver- lauf und die Etablierung prädiktiver Marker ist eine der zentralen Aufgaben für die Zukunft. Es ist zu hoffen, dass die- se klinisch anspruchsvolle Fragestellung durch die Aktivitäten im Kompetenznetz

„Darmerkrankungen“ (http://www.kom petenznetz-ced.de/) erfolgreich bearbei- tet werden kann.

Manuskript eingereicht: 9. 4. 2003, revidierte Fassung an- genommen: 1. 7. 2003

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2003; 100:A 2787–2792 [Heft 43]

Endoskopische Veränderungen bei steroidrefraktärem M. Crohn als ein Beispiel für „mucosal healing“ nach intensivierter Immunsuppression

a b

a) Vor Einleitung einer Therapie mit Cyclophosphamid stellen sich ausgedehnte landkartenartig konfluierende Ulzerationen mit komplettem Verlust der Mukosa in diesem Bereich dar.

b) Nach drei Zyklen Cyclophosphamid findet sich im selben Abschnitt (Sigma) eine Abheilung der ausgeprägten Veränderungen mit lediglich zwei kleinen fis- suralen Ulzerationen auf einer aufgeworfenen Mukosafalte.

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literatur- verzeichnis, das beim Verfasser erhältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/lit4303 abrufbar ist.

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med. Andreas Stallmach Katholische Kliniken Essen-Nord Marienhospital, Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Ernährungsmedizin Hospitalstraße 24, 45329 Essen E-Mail: a.stallmach@kken.de

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