Zur Fortbildung Aktuelle Medizin
Pestizide und Ernährung
treten. Beunruhigend sind auch die Werte bei fünf Tage alten Kindern, die, bezogen auf den Fettgehalt, 10 ppm DDT, 20 ppm PCB, 9,6 ppm HCB aufwiesen; die niedrigsten Werte lagen bei 2,5 ppm DDT, 9,6 ppm PCB und 5,5 ppm HCB. Die in- ternational für Erwachsene gelten- den ADI 7 )-Werte dürfen nicht für Säuglinge angewandt werden; bei ihnen sind wesentlich strengere Maßstäbe anzulegen. In welcher Menge Pestizidrückstände in der Muttermilch enthalten sind, hängt von ihrer Konzentration in den menschlichen Fettgewebe ab; in der Bundesrepublik kann man da- von ausgehen, daß es immer Rück- stände enthält. Folglich werden auch Humanmilch und Kleinstkin- der kontaminiert (Tabelle 1).
Carbamate, mit denen beispiels- weise Salat gespritzt wird, galten für den Menschen lange als harm- los. Neuerdings sind für 14 ver- schiedene Pflanzenschutzmittel, darunter auch Carbamate, Muta- genitätsänderungen nachgewiesen worden. Die Möglichkeit, daß ein Pestizid aus der Substanzklasse der Carbamate oder Ureate im Darmtrakt oder bereits während der Lagerung nitriert werden kann und so genetisch stark wirksame Nitroderivate entstehen, kann nicht ausgeschlossen werden. Die Syn- these kanzerogener Nitroderivate im Darmtrakt aus verschiedenen Vorstufen und Nitrit wurde experi-
mentell bereits von mehreren Auto- ren publiziert. Zunächst handelt es sich ausschließlich um Beobach- tungen im Tierversuch. Ob sie auf Menschen übertragbar sind, muß noch erforscht werden.
Angriffspunkte einiger Pestizide
Organische
Phosphorverbindungen
Stets gilt, die Dosis bestimmt die Giftwirkung. Organische Phosphor-
7) ADI = Acceptable Daily Intake (= to- lerierbare tägliche Einnahme)
verbindungen werden gegen Insek- ten, Spinnmilben, Pilze, Nematoden in Lagerräumen als Kontaktfraß und Inhalationsgift angewendet. Sie sind schwer wasserlöslich, fettlös- lich und sind äußerst giftig. Sie werden sowohl durch die Haut als auch durch Atemluft bei Verdun- stung vom Menschen aufgenom- men und führen zu einer endoge- nen Azetylcholinvergiftung, bei der es zur Cholinesterasehemmung und zur Übererregbarkeit im Be- reich der Vagusinnervation und zu Leberparenchymschäden kommt.
Je nach Vergiftung, treten choliner- ge Vergiftungsbilder auf mit Zunah- me der neuromuskulären Erregbar- keit vornehmlich im Bereich der glatten Muskulatur (zum Beispiel der Gefäße) und in geringerem Ausmaß auch in der quergestreif- ten Muskulatur. Die Symptome ge- hen mit Kopfschmerzen, Erbrechen, Übelkeit, Schweißausbrüchen, Trä- nen- und Speichelsekretion, Hyper- peristaltik, Darmkoliken, asthma- ähnlichen Zuständen, Parästhesien, Unruhe, epileptiformen tonisch-klo- nischen Krämpfen, Pylorus- und La- ryngusspasmus, anfangs Bradykar- die, später Tachykardie, Kollaps, letztlich Atemlähmung und Kam- merflimmern einher.
Polychlorierte Kohlenwasserstoffe
Polychlorierte Kohlenwasserstoffe (wie DDT, Dieldrin, Endrin, Hep- tachlor, Lindan), die gegen Insek- ten, Milben, Pilze, Nagetiere einge- setzt werden, sind wenig wasser- löslich, dafür hervorragend fett- und lipidlöslich. Sie sind leicht flüchtig und können durch Atmung oder Nahrungsmittel vom Darm aufgenommen werden. Klinisch ru- fen sie Vergiftungssymptome wie organische Phosphorverbindungen hervor; das zentrale Nervensystem wird aber offensichtlich stärker betroffen. Es kann zur zentralen Vaguserregung mit gesteigerter Speichelsekretion, starken Krampf-
erscheinungen, Kammerflimmern, Lähmungen sowie Leberparen- chymschädijungen kommen.
Es muß hervorgehoben werden, daß die Bevölkerung nun nicht einer permanenten Vergiftungsge- fahr ausgesetzt ist, sondern daß es sich bei der Schilderung der Sym- ptome um Vergiftungssymptome handelt, die bei toxischen Dosen auftreten können. Zudem ist die Giftwirkung innerhalb der genann- ten Gruppen unterschiedlich. Wich- tig erscheint, daß der Arzt generell einmal über die Angriffspunkte und Probleme informiert wird. Die wis- senschaftlichen Untersuchungen werden sich mit der Frage ausein- anderzusetzen haben, ob nicht doch gespeicherte Pestizide beim Menschen auch Einwirkungen auf das vegetative Nervensystem und andere Organe haben könnten.
Anschrift des Verfassers:
Professor Dr. med. H. J. Holtmeier 7 Stuttgart 70
Universität Hohenheim Fruwirthstraße 31
Notizen Studie über
Schuppenflechte
Eine erste großangelegte Feldstu- die über Psoriasis, das (nach Ekze- men) zweithäufigste Hautleiden, wird vom Deutschen Psoriasis- Bund unternommen. Vor allem durch Mitarbeit der Patienten (mit- tels Fragebogen) sollen genauere Daten über die noch weithin uner- forschte Stoffwechselstörung erho- ben werden, zum Beispiel über erbliche Faktoren, Zusammenhän- ge mit anderen Krankheiten oder den Nutzen der verschiedenen Be- handlungsformen. Der Psoriasis- Bund, im letzten Jahr gegründet, (Anschrift: 2000 Hamburg 61, Weg beim Jäger 89) will die etwa 1,5 Millionen Psoriatiker des Bundes- gebiets mit Informationen über ihre Krankheit so wappnen, daß die be- handelnden Hautärzte „mit ihnen wie mit ihresgleichen reden müs- sen" (so der Bund-Vorsitzende Professor Bernward Rohde). DA
276 Heft 5 vom 30. Januar 1975 DEUTSCHES ARZTEBLATT