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Archiv "Chronische Nierenerkrankung: Therapieziele orientieren sich bei Älteren an den Komorbiditäten" (23.05.2014)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 111

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Heft 21

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23. Mai 2014 A 943

D

ie Kasuistik dürfte in vie- ler Hinsicht typisch sein für chronisch Nierenkranke: Bei einer 76-jährigen Patientin mit medika- mentös gut kontrollierbarem arte- riellem Hypertonus, Hyperurikämie und Adipositas (Body-mass-Index 33 kg/m2) waren die im Rahmen ei- ner Routineuntersuchung festgestell- ten Laborwerte auffällig: das Kreati- nin mit 4,3 mg/dl Serum deutlich erhöht, ebenso der Harnstoffwert (126 mg/dl Serum), das Hämoglo- bin lag bei 9,6 g/dl, die Bikarbonat- konzentration bei 20,4 mmol/l, die geschätzte glomeruläre Filtrations - rate (GFR; MDRD-Formel) betrug 10 ml/min und zeigte damit ein Nierenversagen an. „Welches Be- handlungsziel ist für diese Patientin erreichbar?“, fragte Prof. Dr. med.

Michael Fischereder von der Lud- wig-Maximilians-Universität Mün- chen, der den Fall beim 120. Inter- nistenkongress in Wiesbaden vor- stellte. Ist Lebensverlängerung durch Dialyse das Ziel, oder sollte es in erster Linie um Progressionsver- langsamung oder Besserung der Symptome gehen? Sollte die Dialy- se vorbereitet werden oder sich die Behandlung auf eine supportive Therapie beschränken?

Zahl der Nierenkranken steigt

Der alte Patient mit Grunderkran- kungen und Komorbidität war ein Themenschwerpunkt bei der Jahres- tagung der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin. Aufgrund des demografischen Wandels wird es in den kommenden Jahren zu einer er- heblichen Zunahme an alten nieren- kranken Menschen kommen, die an einer Vielzahl gravierender Begleit- und Folgeerkrankungen leiden und die Gesundheitssysteme vor erhebli- che Herausforderungen stellen wer- den. Dabei sind Hauptursachen für

die Entwicklung einer terminalen Niereninsuffizienz Diabetes melli- tus (32 Prozent), arterielle Hyperto- nie (23 Prozent), Glomerulonephri- tis (13 Prozent) und interstitielle Nephritis (acht Prozent; Zahlen von 2005; deutsches Nierenregister Qua- si-Niere).

Der typische Nierenkranke ist äl- ter als 65 Jahre, bestätigte Priv.- Doz. Dr. med. Roland Schmitt, Nephrologe an der Medizinischen Hochschule Hannover. Eine natürli- che Entwicklung sei, dass sich die Filtrationsleistung der Niere in Ab-

hängigkeit vom Lebensalter verän- dere: In einer Studie mit 285 gesun- den Erwachsenen (19 bis 70 Jahre) habe die GFR in der Altersspanne von 19 bis etwa 40 Jahren zuge- nommen bis auf circa 115 ml/min und sich dann ab einem Alter von circa 45 Jahren bis zum 75. Lebens- jahr auf durchschnittlich 86 ml/min vermindert, also um circa 1 ml/ min jährlich (1).

Die Niere ist ein Hochleistungs- organ, erläuterte Schmitt: Die lang- lebigen Tubuluszellen verbrauchen viel Stoffwechselenergie und sind durch oxidativen Stress stark belas- tet. Weil das im glomerulären Filtrat (circa 180 l/Tag) enthaltene Natrium fast ausschließlich entlang der rena- len Tubuli rückresorbiert werde, hät- ten die Nieren von 90-Jährigen bei durchschnittlichem Salzkonsum cir- ca 19 Tonnen Natrium transportiert.

Im Gegensatz zu ihrer hohen Leis- tung sei die Proliferationsrate der Tubuluszellen gering: Der Anteil der sich teilenden Zellen beträgt weni- ger als ein Prozent und nimmt mit zunehmenden Alter ab. So habe die Niere des älteren Menschen eine geringere proliferative Reserve, be- richtete Schmitt. Alterationen in Wachstumsfaktor-Profilen und Im- munantworten als Reaktionen auf Zellstress und -schädigung vermin- derten die Reparaturkapazität, er- höhten die Apoptoserate der Tubu- lusepithelzellen und führten zur Atrophie (2).

Persistierender Zellstress

Die in kleinen Arealen beginnende, durch Entzündungsprozesse ausge- löste Fibrogenese expandiert und wird diffus, wenn das profibrotische Milieu mit veränderten Zytokinpro- filen persistiert und Gefahren- und Stresssignale wie Hypoxie anhalten, berichtete Prof. Dr. med. Gerhard A.

Dialysebehand- lung einer älteren Patientin: Die Indi- kation orientiert sich individuell an den Begleiterkran- kungen und Le- bensumständen.

Foto: Michael Donne/SPL/Agentur Focus

CHRONISCHE NIERENERKRANKUNG

Therapieziele orientieren sich bei Älteren an den Komorbiditäten

Nieren älterer Menschen haben geringere Proliferations- und Reparaturreserven.

M E D I Z I N R E P O R T

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A 944 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 111

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Heft 21

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23. Mai 2014 Müller von der Universitätsmedizin

Göttingen (3). Die interstitielle Fi- brosierung sei ein Promotor für die chronische Nierendysfunktion und das Organversagen. Als potenzielle molekulare Targets für Medikamen- te, die den Progress bremsen sollen, kämen inflammations- und fibro- blastenaktivierende Signalwege in- frage. „Unsere Hoffnung ist, dass sich das Fortschreiten des chroni- schen Nierenversagens aufhalten oder zumindest verlangsamen lässt“, sagte Müller. Die Autoren eines ak- tuellen Updates zum chronischen Nierenversagen bewerten allerdings die bisherigen Ergebnisse von klini- schen Studien zur Verzögerung der Progression der diabetischen Ne - phropathie als „enttäuschend“ (4).

Akut versus chronisch krank

Eine chronische Nierenkrankheit (CKD) liegt nach internationaler De- finition der KDIGO (Initiative Kid- ney Disease: Improving Global Out- comes) dann vor, wenn Zeichen ei- nes Nierenschadens, also pathologi- sche Veränderungen im Serum und/

oder Urin oder auffällige Befunde in der Bildgebung und/oder Histologie länger als drei Monate bestehen, un- abhängig von der Einschränkung der Nierenfunktion (zum Beispiel CKD- Stadien 1–2). Das zweite wesentli- che Kriterium für die CKD ist eine Reduktion der GFR auf weniger als 60 ml/min/1,73 m2) für länger als drei Monate (CKD-Stadien 3–5).

Nach diesem Zeitraum gilt es als wenig wahrscheinlich, dass eine akute Nierenerkrankung ausheilt, sondern dass Mikrohämaturie und Albuminurie beziehungsweise Pro- teinurie persistieren (4). Daten aus der Normalbevölkerung weisen dar - auf hin, dass eine eingeschränkte Nierenfunktion, beziehungsweise die Albuminurie unabhängige Risiko- faktoren für kardiovaskuläre Morbi- dität und Mortalität sind.

Bei der Frage, wie der ältere Nie- renkranke versorgt werden sollte, werde der Aspekt der Gebrechlich- keit („frailty“) bislang erheblich un- terschätzt, sagte Priv.-Doz. Dr. med.

Martin Ritt, Waldkrankenhaus St.

Marien in Erlangen. Frailty sei ein unabhängiger Risikofaktor für er- höhte Mortalität und Morbidität bei

CKD, erläuterte Ritt mit Bezug auf die Literatur. In einer Studie mit 336 Nierenkranken (CKD-Stadien 1–4) sei das Risiko, dialysepflichtig zu werden oder zu sterben, um den Faktor 2,5 (95-%-Konfidenzintervall 1,4–4,4) erhöht gewesen, wenn die Patienten gebrechlich waren (5).

Frailty galt als gegeben, wenn min- destens drei von fünf Kriterien erfüllt waren: langsame Gehgeschwindig- keit, Muskelschwäche (Handkraft), Erschöpfungsgefühl, ungewollter Ge- wichtsverlust und geringe physische Aktivität. Dabei wurde eine ver- gleichsweise junge Studienpopulati- on mit einem Durchschnittsalter von 59 Jahren zur Untersuchung der Fra- gestellung gewählt und das Ergebnis um weitere Einflussparameter wie Alter, Geschlecht, Body-mass-In- dex, kardiovaskuläre und metaboli- sche Erkrankungen adjustiert.

Häufige Komorbiditäten von chronisch Nierenkranken, die Ge- brechlichkeit begünstigen, müssten damit bei der Versorgung unbedingt berücksichtigt werden, darunter Anämie, sekundärer Hyperparathy- reodismus und 25-Hydroxy-Vita- min-D-Mangel. Auch auf regelmä- ßige körperliche Bewegung und ko- gnitive Betätigung inklusive sozia- ler Kontakte sei zu achten.

Da CKD-Patienten grundsätzlich als kardiovaskuläre Risikopatienten gelten, stehe gerade auch bei Vor- liegen eines Hypertonus die Ne - phroprotektion in der Prioritätenliste der supportiven Behandlungen weit oben, sagte Fischereder. Salzarme Ernährung, Blutdrucksenkung und Inhibition des Renin-Angiotensin- Systems (RAS) seien Grundpfeiler.

Dabei sei die RAS-Hemmung nach einem Wirkprinzip – zum Beispiel die ACE-Hemmung – der Kombi- nation mehrerer Wirkprinzipien wie ACE-Hemmung plus Angiotensin- Rezeptorblockade aus Sicherheits- gründen vorzuziehen, wie die Stu- dienlage ergeben habe. Die Anämie sollte durch parenterale Eisensub- stitution behandelt werden. Eine zusätzliche Erythropoetingabe sei möglich. Sie habe zwar keinen Vor- teil in Bezug auf kardiovaskuläre Ereignisse oder die Notwendigkeit der Nierenersatztherapie, reduziere aber Fatigue. Bei metabolischer

Azidose sollte Bikarbonat gegeben werden, weil die Supplementation den Progress der Nierenfunktions- störung statistisch signifikant ver- langsame (6). Nach den Therapie- richtlinien sollte ein Bikarbonat- wert-Zielwert von ≥ 22 mmol/l Se- rum angestrebt werden (4).

Auch 25-Hydroxy-Vitamin- D-Man gel sei ein modifizierbarer Faktor für die Progression der CKD, sagte Fischereder: Die Sub- stitution habe in einer Fallkontroll- studie mit mehr als 1 400 Patien- ten eine Reduktion der Mortalität bei CKD-Patienten ergeben (7). Bei sekundärem Hyperparathyreoidis- mus können Phosphatbinder indi- ziert sein. Bei Patienten mit fortge- schrittener CKD, die noch nicht dialysepflichtig sind, ist allerdings bei Phosphatwerten im oberen Normbereich die Indikation für eine phosphatsenkende Therapie unklar, heißt es im Update der DMW (4).

Dialyse sorgfältig abwägen

Bei seiner 76-jährigen Patientin er- weiterte Fischereder die bestehende Medikation aus blutdrucksenkenden Mitteln um eine Vitamin-D- und Bi- karbonat-Supplementation und inji- zierte viermal subkutan Darbepoe- tin alfa. Dann wurde ein Shunt ge- legt und kurz darauf mit der Dialyse begonnen. „Die Entscheidung für oder gegen eine Dialyse ist bei Pa- tienten im höheren Lebensalter grundsätzlich schwierig“, sagte Fi- schereder. Es müsse der Einzelfall sorgfältig abgewogen werden. „Bei einer vergleichsweise geringen Ko- morbidität können terminal Nieren- kranke durch die Dialyse einige Le- bensjahre gewinnen, und das war unsere Prognose in diesem Fall“, sagte Fischereder. Für die große He- terogenität bei der Mortalität älterer, chronisch Nierenkranker hätten Ko- morbidität und Lebensumstände die entscheidende Bedeutung. Eine le- bensverlängernde Therapie bei ak- zeptabler Lebensqualität dürfe auch älteren Menschen selbstverständlich nicht vorenthalten werden.

Dr. rer. nat. Nicola Siegmund-Schultze

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Literatur im Internet:

www.aerzteblatt.de/lit2114 oder über QR-Code

M E D I Z I N R E P O R T

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