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Wir wollen unsere Auffassung der in Frage stehenden Stelle derjenigen Pavolini's entgegenstellen

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379

Über Bhagavadgltä II, 46.

Von

Dr. Ferdinande Belloni-Filippi.

yävän artha udapäne sarvatah sarnplutodake \

tävän sarvesu vedesu brähmanasya vijänatah \\

In den , Melanges Kern, Leide 1903, S. 141—143' lesen wir

eine neue, von Prof. Pavolini vorgeschlagene Interpretation dieser

SteUe. So scharf und geistreich ist sie, daß es fast unmöglich ist,

auf den ersten Blick nicht davon überzeugt zu sein. Unterzieht

man sie aber einer eingehenden Prüfung, so wird dem Philologen

nicht entgehen, daß dieselbe eine Künstelei verrät, die sich mit der

klassischen Einfachheit des epischen Stils kaum verträgt.

Wir wollen unsere Auffassung der in Frage stehenden Stelle

derjenigen Pavolini's entgegenstellen. Sie stützt sich ebenso auf

philosophische und grundsätzliche , wie anch auf philologische und

grammatikalische Kriterien : wir werden mit den ersten anfangen.

Es ist eine stete und hervorragende Eigentümlichkeit der phi¬

losophischen Systeme Indiens, in ihrer historischen Entwickelung,

den neuen Wein in alte Schläuche zu füllen, so daß wir eine un¬

unterbrochene Folge von Systemen vor uns haben, die alle^ selbst

das atheistische Sämkhyam , als orthodox gelten wollen. Sei es,

daß die Anhänger der neuen Systeme sich unter den Schutz der

vedischen Flügel flüchteten, sei es, daß die Priesterscbaft die neuen

Lehren an den schweren Wagen des Wissens anzuspannen suchte,

soviel bleibt doch gewiß, daß Altes und Neues zu einem homogenen

Ganzen zusammengefügt wurde.

In solchem Verhältnis steht nun die Bhagavadgltä, ein höchst

orthodoxes Werk, zur früheren Vedenlitteratur. Wie ,der Gesang

des Erhabenen" die wesentlich verschiedene Lehren des Sämkhyam

und des Yoga zu vereinen sucht, so verknüpft er sich selbst mit

dem früheren vedischen Wissen, dessen Autorität er nicht bestreitet,

obschon er keinen Nutzen darin sieht, wenn es nicht richtig erklärt

und verstanden wird. Demgemäß, obgleich er das Wort des Veda

„puspitäm väcam (II, 42a)' nennt, bezeichnet er doch als „avi-

paicitas'' nur diejenigen, die „Nichts anderes (außer dem-

Bd. LVIII. 25

(2)

380 Belloni-Filippi, Uber Bhagavadgita II, 40.

selben) ist" sagen, womit keineswegs behauptet wird, daß auch

diejenigen „avipadcitaa" seien, die das Wort des Veda nach den

Ansichten des Yoga verstehen und ergänzen. Ist ^nicht im XV. adh.

(22—23) gesagt, daß, wer die Anweisungen der Sästra's, der kano¬

nischen Werke, verwirft, nicht die Vollkommenheit und demnach

nicht das höchste Ziel erlangt?

In gleicher Weise beachte man, mit wievielem Takt der Verfasser

sich benimmt, wenn er von den Kasten spricht, einem schwierigen

Gegenstand, weil sie zu stürzen Ketzerei, sie unbedingt beizubehalten

Verleugnung der eigenen Grundsätze gewesen wäre. ,Auch die¬

jenigen', heißt es (IX, 32), „deren Geburt die Folge in früherem

Dasein begangener Sünden ist, d. h. Weiber, Vaiäya, Südra, erlangen

das höchste Ziel, wenn sie sich auf mich stützen.' Die Worte:

,Auch diejenigen {r/e 'pi)' zeigen, daß es sich nicht um ein plötz¬

liches Umstoßen der vorigen Anordnungen, sondern um ein Ausdehnen

der Vorrechte der oberen auf die niederen Kasten handelt.

Aus diesem Grunde meinen wir, daß Prof. Pavolini mit seiner

Interpretation: „Come quando si puö disporre di una massa sovra-

bbondante d'acqua, nessuna utilith viene da una piccola cisterna,

cosi a chi ö immerso nella contemplazione del Brähman, gioia

suprema e infinita. nessuna utilith viene dai Veda, piccolo ricetta-

colo di gioie limitate e radicate nel karman' nicht das Richtige

getroffen habe, wenn er seine Auslegung auf die enge Verknüpfung

des 46. äl. mit dem 45. gründet, und diesen letzteren im Sinne

einer Verwerfung der vedischen Lehre auffaßt, welche ihres trai-

gunyavisayatvam wegen nur zur Erlangung des karmaphalam

dienen kann. Das beabsichtigt, wie uns scheint, der Verfasser nicht.

Von dem 40. sl. an hat Krsna, wie er selbst im 39. sl. angekündigt,

über den Grundcharakter des Yoga zu sprechen angefangen, dessen

Praxis nach Aufhebung des Bewußtseins der Vielheit

strebt. Durch den samädhi, Absorption, worin Subjekt und

Objekt, Seele und Gott, so völlig ineinander fließen, daß das Be¬

wußtsein des eigenen Subjektes ganz erlischt, erlangt man dieses

Ziel. Um sich eben in samädhi zu versenken, soll Arjuna nistrai-

qunya werden, d. h. sich dem objektiven Dasein der Tätigkeit und

detid^schäften desselben entziehen. Deßhalb meinen wir, daß dieser

45. äl. vielmehr mit dem 44. logisch verbunden werden soll, weil

in diesem letzteren die noch mit Genuß- und Herrschbegierde

(d. h. mit den Antrieben der quna, der eigenen angeboi-enen Kräfte)

behafteten Menschen, für des samädhi unfähig erklärt werden. Dem¬

zufolge setzt der 45. äl. die Kennzeichnung des Yoga fort und läuft

nicht etwa auf die Geringschätzung der Vedalehre hinaus, sondern

betont die Tatsache, daß der yogin, nicht der Vedaanhänger nistrai-

gunya sei: Also ist der 46. sl. selbständig und verleiht dem ganzen

Inhalt der äli. 41—45 einen sehr wirksamen Abschluß, indem er

sie in einem Bilde zusammenfaßt.

Ist es uns, wie wir hotten, gelungen, den Charakter der Bhag.

(3)

Belloni-Filippi, Über Bhagavadgita II, 46. 381

im Verhältnis zur früheren Vedenlitteratur darzustellen, so springt

der Sinn der in Frage stehenden Stelle von selbst in die Augen.

Eben weil aus einer entgegengestellten Voraussetzung ausgegangen,

hat Prof. Pavolini, wie wir meinen, nicht das Richtige getroffen.

Verleitet von dem Gedanken, daß für denjenigen, welcher zur Ätma-

lehre gelangt ist, die Vedalehre absolut nicht nützlich sei, ist er

gezwungen worden , udapäne in dem Sinne von alpodapäne auf¬

zufassen, während udapäna ein «großer Brunnen" ist, wie es sich

auch aus MBh. V, 46, 26 :

yathodapäne mahati sarvatah samplutodaJce \

evam sarvesu vedesu ätmänam anujänatah ||

nachweisen läßt, worin offenbar udapäne und mahati untrennbar sind.

Allerdings umgeht Prof Pavolini in dieser letzten Stelle die

Schwierigkeit, indem er nach yathodapäne ein Komma setzt {ya¬

thodapäne, mahati sarvatah samplutodake); aber niemand wird

diese willkürliche Interpunktion gutheißen, da die Pause, von Natur

aus, am Ende des ersten päda mit der Cäsur zusammenfällt und

den Halbäl. in seine natürliche Hälfte zerteilt:

yathodapäne mahati \\ sarvatah samplutodake \

Außerdem bezeichnet das Adj. mahant keine Quantität, sondern

Dimension, und seine Bedeutung ist „groß", nicht „viel". In

diesem letzten Sinne würde der indische Verfasser vielmehr das

Adj. bahu oder bhüri angewandt haben.

Übersetzen wir aber udapäna mit „großer Brunnen", so paßt

das Bild eines großen Brunnen durchaus zum Veda, dem unendlichen

Ozean der aus den verschiedensten Quellen zusammengeflossenen

Lehren. Wie hätte der Dichter diese ungeheuere Masse mit einem

kleinen Brunnen vergleichen können ?

Wir meinen dagegen, daß das Bahuvrihi-Kompositum samplu¬

todake sich ganz natürlich als abhängig von udapäne ergebe, weil hier,

abgesehen von den oben angeführten Gründen, der absolute Lokativ

iiberaus hart klingt, wie denn auch den indischen Kommentatoren,

Sanikara, Rämänuja, Nllakantha, nie eingefallen ist, sarnplutodake

vom udapäne abzutrennen. Nach unserer Meinung ist der Sinn

des in Frage stehenden Verses: ,Wie viel Nutzen (d. h. wenigen

Nutzen) man aus einem (großen) Brunnen, worin Wasser von allen

Seiten zusammenfließt, ziehen darf, ebensoviel ist aus allen Veden

vom Kenner des Brahman's zu ziehen". Das will sagen, daß, wer

zur Brabmanerkenntnis gelangt ist, nur einen kleinen Teil des un¬

geheueren Vedeninhalts benutzen kann, d. i. jenen Teil, der der

eigenen Weltanschauung entspricht , gerade wie man auch alles

Wasser eines großen Brunnen nicht benutzen kann , sondern nur

soviel davon nimmt, als dem eigenen Bedarf entspricht.

Damit wird die Annahme bestätigt, daß die Vedas viel Un-

26*

(4)

382 Belloni-Filippi, Über Bhagavadgltä II, 46.

nützes enthalten, woraus aher der Weise den «ara auszuziehen

weiß, dem Spruche^) entsprechend:

anvihyad ca mahadbhyad ca dästrebhyah kudalo narah \

sarvatah aäram ädadyät puspebhya iva ?a(padah \\

Und daß diese Interpretation mit den indischen Ansichten im Ein¬

klang steht, heweist auch der Spruch''):

upakartum yathä svalpah samartho na tathä mahän \

präyah küpas tr§äm hanti satatam na tu, väridhih ||

Ührigens steht unsere Interpretation mit denjenigen von Rämänuja

und Nllakantha in Einklang, wenn sie auch von allen europäischen

und von manchen indischen Erklärangen abweicht.

So am Ende unserer Argumentation angelangt, wollen wir die

angeführten Gründe der Reihe nach kurz zusammenfassen:

I) Die Bhag. ist ein orthodoxes Werk, das die vedische Lehre

nicht geringschätzt; sie knüpft dagegen an früheres Wissen an und

sucht Neues auf Altes zu pfropfen.

II) Der 46. äl. ist nicht mit dem 45. verknüpft, vielmehr bildet

er, sozusagen, den Schlußsatz der in den äll. 41—45 enthaltenen

Bestimmung des Yoga.

III) In dem in Frage stehenden äl. ist udapäna nicht als ein.

.kleiner Brunnen' aufzufassen; die Parallelstelle MBh. V, 46, 26]

beweist dagegen durch ihren „udapäne mahati", daß es sich hierj

um einen .großen Brunnen" handelt.

IV) Endlich ist sarnplutodake als der natürliche bahuvrihi des

vorangehenden udapäne und nicht mit Prof. Pavolini als absoluter

Lokativ aufzufi^en.

1) Böhtlingk, Ind. Spr.« 121.

2) ib. 1271.

(5)

383

Bemerkungen zu vorstehendem Aufsatz.

Von Hermann Jacobi.

Zu vorstehendem Artikel Herrn Dr. Belloni's, der mir in der

Hauptsache das Richtige getroffen zu haben scheint, sei es mir ge¬

stattet einige Bemerkungen hinzuzufügen.

Der erste Päda des in Rede stehenden Verses geht auf einen

Jonicus a minori aus : udapäne. Dieser Ausgang ist verhältnismäßig

selten, cf. Gurupüjäkaumudi p. 51, und verlangt nach dem für alle

selteneren Vipulä-Arten geltenden Gesetze vor sich Cä.sur und schwere

Silbe. Letzteres Erfordernis ist vernachlässigt; der Vers ist also

metrisch anstößig. Wir dürfen ihn darum nicht verwerfen, noch

„verbessern", aber wir dürfen fragen, warum der Autor dem Vers¬

maße Gewalt anzutun sich nicht gescheut habe. Betrachten wir

nun den von Pavolini zum Vergleich herangezogenen Vers Sanatsu-

yätiya VI, 26 {yatho 'dapäne mahati sarvatah samplutodake \ evam

sarvesu vedesu ätmänam anujänatah), so fällt die gleiche elliptische

Sprache bei Verwendung gleicher Ausdrücke auf. Diese Umstände

legen die Annahme nahe, daß der Autor auf ein damals bekanntes

Sprichwort Bezug genommen und einige Stichwörter desselben in

seinen Vers hineingezwängt habe, unbesorgt, ob Meti-um und Kon¬

struktion litten. Denn der dem Leser bekannte Sinn des Sprich¬

wortes ließ ihn das nur andeutungsweise Gesagte leicht verstehen

und aus sich ergänzen. Dieser Sinn aber dürfte wohl derselbe ge¬

wesen sein , der in der von Belloni angeführten Strophe enthalten

ist, und daraus ergibt sich dann als Sinn unserer Stelle : wie jemand

aus einem Gewässer nur soviel entnimmt wie er gebraucht, so auch

der erleuchtete Brahmane aus allen Veden.

Damit ist nun nicht gesagt, daß die Veden viel Unnützes ent¬

hielten, sondern nur, daß der erleuchtete Brahmane nicht alles

gebraucht, was der Veda lehrt; ebensowenig wie jemand alles

Wasser eines Sees gebraucht, das darum doch nicht unnütz ist,

weil e r es nicht gebrauchen kann. Es fragt sich also : was soll

der erleuchtete Brahmane aus dem Veda nehmen ?

In der Beantwortung dieser Frage dürfen uns die einheimischen

Kommentatoren nicht ohne weiteres als Gewährsmänner dienen.

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