165
Das Schiff der Wüste.
Von Ign. Goldziher.
Ueber die Schiffahrt bei den alten Arabem besitzen wir eine
ausführliche Abhandlung von S. Fränkel (Die aramäischen
Fremdwörter im Arabischen p. 209—232). Nach den auf
philologischer Basis gewonnenen Ergebnissen derselben kann es
nicht bezweifelt werden, dass die alten Araber mit der Schiffahrt
wohl vertraut waren. Rühmt ja 'Amr b. Kulthüm in seiner
Mu'allaka v. 102 von den Banü Taglib, dass sie ,das Festland
überfluthen, so dass es ihnen zu eng ward, und den Rücken
des Meeres mit Schiffen erfüllen".
i- « W M £
»bUJ j^S^l /f^i Lä-c ^J>Us /-!-^'
Allerdings scheint man in späterer Zeit dies Moment des
arabischen Alterthums verkannt zu haben '); es gelangt eine
gewisse Scheu vor dem Meere *) zur Geltung , welche sich in
einer Reihe von Ueberheferungssätzen in theologischer '), sowie
1) Nach der Ansicht der Philologen war Bakra, Matter des Jazid b. al-
Hakam, j^^^ ^^^'^j Aj' Agäni XI p. 1... 3 v. u.
2) Vgl. Agäni XVHI p. v., 11.
3) 'Omar I soll die Schiffahrt verboten haben (vgl. Freytag , Einleit.
in das Studium der arab. Sprache p.278); diebetreffenden Hadith-stellen sind zu finden bei Al-Kastalläni zu Al-Buchäri, Bujü' nr. 10 (IV p. II) und Al-Zurkäni, Sarh al-Muwa^^a' II p. ("I'f. Das Verbot soll nur gegen die auf weltliche Zwecke ausgehende Schiffahrt geriebtet sein. Vgl. Sunan
Abi Däwüd I p. ffv ^! ^>"*- ^' j^'t"'' "-r^^jr^- ^ j-*^*^ L^^'
LsAj j'uJ! ci»^svj. IjLi ci^' qIs alit J..***- ^ 3LE .1 .
Der Imäm von Maskat musste in früheren Zeiten bei seinem Regierungsantritte
166 Goldziher, Das Schiff der Wüste.
in einer Menge von Sprichwörtem in volksthümlicher Weise ')
ansspricbt.
In der alten Poesie werden, wie aus den bei Guidi*) und
namentlich bei Pränkel a. a. 0. zusammengestellten Beispielen er¬
sichtlich ist, das Meer und die verschiedenen Momente der Schiffahrt
überaus häufig und vielseitig zu Vergleichungen benutzt ■''). Der
grössern VoUständigkeit wegen mögen zu jenen Stellen hier nocb
einige hinzugefügt werden. Hu (lejl. nr. 238 (bietet Beispiele für
mehrere Termini) Kejs. b. al-Haddädijja, Agäni XIII p. 1. 3. Mu-
faddalijjät 35:13 (^! iU,Ä*Jt J^). Zuhejr 19:15
(ed. Landberg, Primeurs ar. p. Ivf v. 5). Besonders gerne ver¬
gleicht man den Lauf des Kameels mit den Bewegungen des Schiffes ;
es schwimmt c) , wie Schiffe auf den Pluthen schwimmen :
|.jL>ip! k_^X-J yfSOM^S fy^*)^ "^iß ganze reisende Karawane
& >
[y*^) wird das Bild schwimmender Schiffe angewendet ^) ; zuweilen
dienen die an das Kameel befestigten Hawädig als Anknüpfung für
solche Vergleichungen "); Tamim b. Mukbil specialisirt dieselbe,
indem er die „Schiffe an der Küste von Uwäl' zur Vergleichung
herbeizieht ').
Solcher Betrachtungsweise verdankt das Kameel jene auch in
andere morgenländiscbe **), sowie auch in unsere europäischen Lite¬
raturen eingedrungene Benennung, welche wir an die Spitze dieser
Zeilen gesetzt haben. Gleichwie Homer die Schiffe „Rosse des
Meeres" {vcXoi 'innoi , Od. 4 : 708) nennt , sagt (ier arabische
Proben seiner theologischen Gelehrsamkeit liefern und das Gelübde ablegen,
dass er nie zu Schiff gehen werde. WeUsted, Reisen iu Arabien
übers, von Rödiger I, p. 10. 264.
1) Eino sehr interessante Sammlung solcher Sprichwörter, die der Scheu des Binnenlünders vor dem Meere (vgl. Nöldeke in Or und Occ. I p. 692) entsprechen, findet man bei Burton, The land of Midian I p. 199.
2) Die Stelle ist bei Fränkel a. a. O. angeführt.
3) Eine Reihe auf Schiflahrt bezüglicher Gedichte findet man auch in der Chizänat al-adab I p. aI .
4) Hudba b Chasram bei Al-Tebrizi Ham. p. fft", 15.
5) Al-Näbiga Append. 12: 1.
6) Tarafa, Mu'allaka v. 3.
7) Bei Jäküt I p. flö, 7.
8) Vgl. Voyages du Chevalier Chardin en Perse ed. L. Langles
m p. 376. VHI p. 137.
Goldziher, Das Schiff der Wüste. 167
Dichter vom Kameel, es sei „das Schiff des Pestlandes'
^ '), oder mit einem synonymen Ausdrucke : vXJi_<_J! 0>j »3 *)•
Diese Benennung scheint von der Anschauung mit beeinflusst zu
sein , dass das Kameel in der glühenden Sandwüste inmitten des
und IwjLa». welche den Anblick scheinbarer Wasserflächen
bieten , hindurchzieht. Diese Voraussetzung ergiebt sich besonders
aus Imru'-ul-Kej s 20:4, wo die „im äl' dahinziehenden Kara¬
wanenzüge mit „verpichten Schiffen' verglicben werden gv^ ■■•l-.'.
S^jjiji VX^slm i3^! v5) . Kei einem späteren Dichter'),
dem wohl dabei die Worte des heidnischen Dichterfürsten vor-
^ >
schwebten, werden die Kameele ausdrücklich als: ^ 'tl a ... be¬
zeichnet. — Die Theologen haben es nicht unterlassen , die Be¬
nennung des Kameels als „Schiff des Festlandes' auf koranexege¬
tischem Wege zu erweisen. „Auf ihnen und auf den Schiffen werdet
ihr getragen' heisst es im Koran (23 : 22) kt^i i^*^
*)'^\ ySLM. L^^ ^LivJ! J ii5ÜLftJu L^j ^•,>JUJ^=0• uSülil.
Auch im Volksaberglauben kömmt dieser Gesichtspunkt zur Geltuug.
In der Traumdeutung bedeuten Kameele Schiffe'').
Budapest.
1) Landberg, Proverbes et dictons du peuple arabe 1 p. 205, vgl.
w > -
Diwän des Lebid ed. Al-Chälidi p. 7 v. 1 l^.«->ä.w .
2) Chizän. al-adab IV p. III (Dü-l-rumma) vgl. ibid. II p. ol* . 3) AbÖ-l-'AIä' al-Ma'arri, Sakt al-zand II p. f., v. 1. Das Schol.
dazu: ^^^1 ^.,bS i3l ^jLs*» Jo^l! Jjis- ^L^! LfJ «.liÄJ 1^'-^
oI-mJ! j^su yjli^ Jo^l (^.,L^ tU!
4) Al-Damiri (s. v. Jot) 1 p. U; vgl. Liindberg 1 c. und ZDMG.
/.
VII p. 544.
5) Ibid. (s. V. y*>-) I p. fol* (j-^**iJt ^ J-*-?^-^' 3-^ '-♦JjS
^t j^Ä*» y'' jU-kA*uJ! i_f^> y^^*^^ ■
1 5
168
Die Bekenntnissformeln der Almohaden.
Von Ign. Ooldziher.
Muhammed ibn Tümart, der magribinische Mahdi, aus
dessen Propaganda die almohadiscbe Bewegung und Herrschaft
hervorging, hat — wie wir in unserer Abhandlung ZDMG. Bd. XLI
ausführlicher darlegten — für seine Anhänger mehrere 'Aklda-
formeln abgefasst. Unter anderen wird auch eine mit dem Namen
, Al-mursida' verbreitete 'Akida erwähnt, welche von der a. a. 0.
p. 72 mitgetheilten äj^^Jic verschieden sein soll (vgl.
p. 70). Hinsichthch dieser ,Mur^ida', deren Text weder im Pariser
Codex der Schriften des Mahdi , noch aus den historischen Quellen
nachgewiesen werden konnte, haben wir a. a. 0. p. 79 eine Ver¬
muthung gewagt, welche aber jetzt durch den sichern Text der
fraglichen Bekenntnissformel verdrängt wird.
Aus dem unlängst erschienenen II. Bde. von Ahlwardt's „Ver¬
zeichniss der arabischen Handschriften der königl.
Bibliothek zu Berlin' (1889) p. 438 Nr. 2062 konnten wir
erfahren, dass die Landberg'sche Hdschr. Nr. 598 am Bande fol. 18 a
enthält: L^' yi »JUi-Llj io^jtit 8l>-JUJ| .
Die Vermuthung, dass wir es in diesem „Glaubensbekenntniss des
Mohammed ben Tomä' mit der anderweitig unbekannten „Mur¬
sida* des Mahdi Ibn Tümart zu thun haben, erwies sich als
unzweifelhaft, als mir durch die Güte meines Freundes, Herm
Professors Gustav Jahn in Berlin eine genaue Abschrift zugäng¬
hch wurde.
Folgendes ist nun der Text der Mursida des Mahdi der Al¬
mohaden :
v_,^s>-. sJl (fcJ'-jli «iil ') ^O^J (j.4.Jic! ' 0*^J^^ 1*-"*-^
iuLLa ^ S-=^t --^ 0)' o' (*J—• *K
1) Wegen dieses Wortes hat diese 'Akida wohl ihren Namen Mursida erbalten.
1 5