Fächerübergreifend:
Suchtverhalten aus neurobiologischer Sicht
Studienseminar Koblenz
Berufspraktisches Seminar Wahlmodul 42
Umgang im Schulalltag
13.12.2021
Szene 1
Montag, 1. Stunde
…eine Schülerin der Klasse 8 schläft im
Unterricht ein und fällt vom Stuhl. Die
Klasse lacht…
Szene 2
Montag, 1. Stunde
…Die Schülerin ist benommen und orientierungslos.
Die Schülerin lallt und schafft es gerade noch mit Hilfe
einer Mitschülerin auf die Schultoilette, um sich zu
übergeben. Sie sind entsetzt, vor allem, weil Sie den
Zustand der Schülerin eingangs der Stunde nicht
bemerkt haben…
Szene 3
Montag, große Pause
…Maries Mitschülerinnen verraten Ihnen, dass
dies kein Einzelfall gewesen sei, Marie würde
häufiger vor dem Unterricht vorglühen, damit
sie den Tag übersteht….
Szene 4
Mittwoch, 13:30 Uhr im Elternsprechzimmer
…Maries Eltern geben Ihnen und der
Schule Schuld an der Situation…
Herausforderungen
Herausforderungen
Ursachen Lehrerhandeln
Schüler Sucht
• Schüler
• Mitschülern
• Kollegium
• Eltern • Schule
• Freunde
• Elternhaus ?
Definition von „Sucht“:
Sucht ist die umgangssprachliche Bezeichnung für die Abhängigkeit von einer Substanz oder einem Verhalten.
Der Betroffene hat keine Selbstkontrolle mehr. Er steht unter dem Zwang, mit Hilfe von bestimmten Substanzen (z.B. Alkohol)
oder bestimmten Verhaltensweisen (z.B. Glücksspielen), belastende Gefühle zu vermeiden.
Sucht ist als Krankheit anerkannt. Renten- und
Sozialversicherungsträger und gegebenenfalls Träger der Sozialhilfe müssen die Behandlungskosten übernehmen.
https://www.caritas.de/glossare/sucht-definition
Sucht“formen“
stoffgebunden stoffungebunden
legal illegal
• Glücksspiel
• Internet/Handy
• Essstörungen
(Bulimie/Magersucht) • Alkohol
• Tabak
• Teilw.
Medikamente
• Heroin
• Cannabis
• Speed
• Crystal Meth
• Kokain
• ….
Suchtformen haben substanzielle Gemeinsamkeiten: Belohnung
Psychische Abhängigkeit“ Physische Abhängigkeit“
Realität
Kontruktive
Auseinandersetzung
Ausweichen
• Gewöhnung/Missbrauch
• Sucht Subjektive Wahrnehmung und
Einschätzung ovn Realität
Kognitiver und affektiver Umgang mit
Realität
1. Positives Anfangsstadium
In der ersten Phase erfolgt der erste Kontakt mit dem Suchtmittel und ein daraus resultierendes positives Erleben: Das Suchtmittel verschafft positive Gefühle oder schaltet unangenehme beziehungsweise unerwünschte aus.
2. Kritisches Gewöhnungsstadium
In einer zweiten Phase kommt es zu einer Gewöhnung an das Suchtmittel oder das Suchtverhalten. Es erfolgen eine Einengung des Lebens auf das Suchtmittel hin und gleichzeitig ein ausweichendes Verhalten gegenüber der Umwelt.
3. Stadium der Abhängigkeit
Ist das Stadium der Abhängigkeit erreicht, besteht ein Kontrollverlust bezüglich des Suchtmittels – der Betroffene ist nicht mehr in der Lage, den Substanzmittelkonsum beziehungsweise das süchtige Verhalten zu steuern. Beim Absetzen treten physische und psychische Entzugserscheinungen auf.
4. Zusammenbruch beziehungsweise Abbaustadium
In einer letzten Phase kommt es zu einem zunehmenden psychischen und
physischen Verfall. Der Ausstieg aus der Sucht wird immer schwieriger, da nun
auch die Umwelt ächtend reagiert und somit beim Süchtigen das Gefühl verstärkt
minderwertig zu sein und seine Situation als ausweglos zu empfinden.
Ähnlichkeiten in klinischen Verläufen von substanzgebundene und
substanzungebundende Suchtformen
• Toleranzentwicklung
• Entzugssymptome,
• Verlangen nach dem Suchtmittel (craving)
• Wiederholte erfolglose Abstinenzversuche
Vorgänge im Gehirn - Neuroadaption
Das dopaminerge
Belohnungssystem
Das dopaminerge
Belohnungssystem
https://Drugabuse.gov
Neuronales Netzwerk
Gehirnrinde beim Neugeborenen, nach 3 Monaten, im Alter von 15 Monaten und 2 Jahren – Zunahme (und Optimierung) der
Verdrahtung, ein Prozess der bis etwa zum 20. Lebensjahr anhält (Quelle: Dia von Liljenström 2005).
Erfahrungen
werden in Form
von neuronalen
Verknüpfungen
gespeichert.
Stimulation der Dopaminausschüttung
Suchtformen wirken sich immer auf den
körpereigenen
Neuropeptidhaushalt aus.
Dies kann mit dem Löschen wichtiger
neuronaler Verknüpfungen einhergehen. Diese
regenerieren sich nur langsam.
Folge:
Über Jahre ein
vermindertes
Glücksempfinden
Sucht durch Lernen
http://docplayer.org/docs-images/40/11973370/images/page_16.jpg
Dopaminerges Belohnungssystem
Neuroplastisches Gedächtnis
sekdäre
Verstärker
Prävention statt Therapie
Sucht ist eine, durch fehlprogrammiertes Lernen des Gehirns, verursachte Verhaltensweise.
Das Lerngedächtnis löscht sich nie komplett.
Eine Herstellung des „suchtfreien“ Zustands
erfolgt oft erst nach Jahrzehnten. Von daher sind
Therapien schwierig und langwierig.
Der Fall Marie
Ein Real-Szenario aus der Schule
Sucht und Schule
• 1.2 Suchtprävention ist als kontinuierlicher und langfristig laufender Prozess anzulegen und muss im pädagogischen Alltagshandeln verankert sein. Alle Maßnahmen müssen in ein nachhaltiges Präventionskonzept eingebettet werden, das die besonderen Lebenslagen und Konfliktsituationen von Mädchen und Jungen gleichermaßen berücksichtigt.
• Es muss dafür Sorge getragen werden, dass jede Lehrkraft über die Entstehung von Suchthaltungen informiert ist und an Fortbildungen zu entsprechenden pädagogischen Fragen teilnimmt.
• Suchtprävention als Querschnittsthema ist daher nicht ausschließlich an bestimmte Unterrichtsfächer gebunden, sondern sie verwirklicht sich vor allem im alltäglichen Umgang der Lehrkräfte und Schülerinnen und Schüler miteinander.
Darüber hinaus muss der
Themenbereich „Sucht“ in geeigneter Form auch Unterrichtsgegenstand in einzelnen Fächern sein (z.B.
Sozialkunde, Deutsch, Religion, Biologie, Sport).
Fach Thema
Musik Alkohol, Drogen in der Musik Deutsch Rollenspiele Suchtprävention
Drogen in der Literatur BK Bildentstehung unter
Drogeneinfluss Biologie Neurophysiologie
Entwicklung/Prävention Enzymkinetik
Chemie Synthese und
Struktureigenschaften Mathe Berechnung von
Blutalkoholmengen Sport Doping
Thema Sucht in Schule, Fächerauswahl
Sucht und Schule
• Suchtprävention im Setting Schule
• Suchtprävention ist ein pädagogischer Auftrag der Schule im Rahmen des § 1 Abs. 2 des Schulgesetzes. Daraus ergeben sich Aufgaben für jede Schulleitung, jede einzelne Lehrkraft und für jede einzelne Schule. Die
Schulbehörden unterstützen Maßnahmen an den Schulen, die der Suchtprävention dienen.
• Suchtprävention geht im Rahmen des Erziehungs- und Bildungsauftrages der Schule von einem
ursachenzentrierten, ganzheitlichen Ansatz aus. Sie setzt sich mit den Ursachen von Sucht auseinander, zeigt gesellschaftliche und individuelle Bedingungen für süchtiges Verhalten auf und weist auf den Zusammenhang zwischen Suchtmittelkonsum und Konfliktsituation hin.
• Die Suchtprävention basiert auf einem erweiterten Suchtbegriff, der sowohl substanzbezogene Süchte als auch handlungsbezogene Süchte beinhaltet.
• Sie soll dazu beitragen, dass Schülerinnen und Schüler sich den alltäglichen Lebensanforderungen stellen können, konflikt- und kommunikationsfähig und zu einem auf Respekt und Achtung gegründeten Umgang mit ihren Mitmenschen bereit sind.
• Die suchtpräventiven Strukturen bieten allen Beteiligten (Schulleitung, Kollegium, Eltern, Schulsozialarbeit, nicht- pädagogisches Personal, Schülerinnen und Schüler) einen verlässlichen Rahmen. Die Maßnahmen sollen Schülerinnen und Schüler für Suchtprävention und ihre Zielsetzungen interessieren und sensibilisieren sowie zu einem gesundheitsgerechten Verhalten motivieren und qualifizieren.
• Wie in anderen Settings der Suchtprävention sind auch in der schulischen Suchtprävention eher langfristig ausgerichtete Maßnahmen mit Kontinuität erforderlich. Nur dadurch können die wichtigen Ziele der
Persönlichkeitsstärkung erreicht werden. Verhalten verändert sich nicht durch einzelne Maßnahmen. In der Schule sollten weniger suchtpräventive Einzelmaßnahmen im Zentrum stehen, sondern ein Gesamtkonzept, das regelmäßige suchtpräventive Aktivitäten festschreibt.
• Wichtigste Aufgabe ist dabei die Stärkung der Persönlichkeit durch die Förderung von Selbstvertrauen und sozialer Kompetenzen, um Jugendliche widerstandsfähig gegenüber Risikofaktoren zu machen (Resilienz).
Beratungslehrkraft
• Beratungslehrkraft für Suchtprävention
• „Unabhängig von der Verpflichtung jeder Lehrkraft, sich für Suchtprävention verantwortlich zu fühlen, wird an jeder Schule eine Beratungslehrkraft für Suchtprävention bestellt; an größeren Schulen können sich mehrere Lehrkräfte diese Aufgabe teilen. Alle Schülerinnen und Schüler müssen wissen, dass sie sich jederzeit an die Beratungslehrkraft oder eine andere Lehrkraft ihres Vertrauens wenden können.
• 2.1. Die Beratungslehrkraft für Suchtprävention hat vor allem folgende Aufgaben:
• Sie setzt sich dafür ein, dass Suchtvorbeugung in der Schule als pädagogische und strukturelle Aufgabe verstanden und in ein Gesamtkonzept eingebunden wird.
• Sie arbeitet mit den örtlichen Beratungsstellen und den Einrichtungen der außerschulischen Jugendarbeit zusammen.
• Sie gibt der Schulleiterin oder dem Schulleiter, der Gesamtkonferenz und den Kolleginnen und Kollegen fachliche Unterstützung im Zusammenhang mit suchtpräventiven Maßnahmen.
• Sie arbeitet mit Verbindungslehrkräften zusammen und bindet die Eltern und Sorgeberechtigten ein.
• Sie ist Ansprechpartner für Schülerinnen und Schüler und wird bei suchtbedingten Auffälligkeiten einbezogen. Dabei hat sie keine therapeutischen Aufgaben und ersetzt auch nicht die unmittelbare Beratung durch besonders geschulte Fachkräfte in entsprechenden Beratungsstellen.
• Sie regt Fortbildungsangebote zur Suchtprävention an der eigenen Schule an und unterstützt die Schulleitung bei der Durchführung.
• Sie initiiert und unterstützt Programme zur Suchtprävention / Lebenskompetenzförderung innerhalb
ihrer Schule.“
Suchtprävention
• Erstellen Sie zusammen mit Schülerinnen und Schülern ein Konsum- und Tätigkeitsprofil. Dieses Profil hilft zu
veranschaulichen, weshalb jemand Suchtmittel überhaupt konsumiert, obwohl man weiß, dass man dabei abhängig werden kann.
• Lassen Sie die Klasse/Gruppe Dinge auflisten, die sie reduzieren wollen. (Konsumgüter und Tätigkeiten).
Tipp: Gehen Sie auf die Jugendlichen zu. Nehmen Sie auch die ein oder andere etwas abstraktere Tätigkeit, die von den Jugendlichen vorgeschlagen wurde, mit in die Liste auf.
• Nun lassen Sie die ganze Klasse/Gruppe den erarbeiteten Begriffen eine Häufigkeit zuteilen.
Wie oft wird die Tätigkeit ausgeübt oder das Konsumgut benutzt? (1x im Monat, 1x in der Woche, 1x am Tag) Jede Schülerin/ jeder Schüler darf nur eine Häufigkeit pro Begriff angeben.
Die verteilten Punkte sollen nun messbar gemacht werden. Teilen Sie hierzu den jeweiligen Punkten Zahlen zu (1x im Monat=1 Punkt, 1x in der Woche=2 Punkte, 1x am Tag=3 Punkte).
• Lassen Sie auflisten, wann diese Dinge ausgeübt werden.
Die "Wann-Frage" ist eine Hinführung zur anschließenden "Wozu-Frage". Es wird den Jugendlichen wesentliche einfacher fallen die Gründe zu nennen, wenn sie diese Ergebnisse vor sich haben.
• Stellen Sie die Frage, wozu diese Tätigkeiten ausgeübt und die Konsumgüter benutzt werden. Gehen Sie ruhig jeden Begriff einzeln mit den Jugendlichen durch.
Sie werden hier Argumente wie Zeitvertreib, Ablenkung, Neugierde, Genuss, etc. erhalten. Dies sind alles Bedürfnisse der Jugendlichen.
Die Antworten lassen sich zusammenfassen:
· Regulierung der Gefühlswelt
· Verbesserung des Selbstwertes und des Images
· Wunsch nach Gruppenzugehörigkeit
· Neugierde und Experimentierfreude
· Suche nach außergewöhnlichen Erfahrungen
· etc.
→Diese Motive decken sich mit den Motiven, die hinter dem Konsum von Suchtmitteln oder süchtigem Verhalten stehen können.