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Ansprache bei der Segnung des neuen Gesundheitsparks des Ordensklinikums Linz

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Gesundheit, was ist das?

Ansprache bei der Segnung des neuen Gesundheitsparks des Ordensklinikums Linz

18. September 2020, Ordensklinikum Linz

Gesundheit, was ist das?

Was ist das überhaupt, Gesundheit? Ist es das statistisch Normale? Das Kriterium der Statistik trägt genau so wenig als würde man versuchen Intelligenz statistisch zu erfassen und zu be- schreiben. In die Irre führt die Definition der WHO, die in bester Absicht dekretierte, Gesundheit sei körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden – wer aber ist dann noch gesund? Da ist das Bonmot eines Internisten ehrlicher, wenn er meint, gesund sei eine Person, die nicht ausreichend untersucht wurde. Friedrich Nietzsche schrieb: „Gesund ist dasjenige Maß an Krankheit, das es mir noch erlaubt, meinen wesentlichen Beschäftigungen nachzugehen.“ Alle Welt redet von Gesundheit, obwohl der Begriff gar nicht klar ist. „Über die Verborgenheit der Gesundheit“, nannte Hans Georg Gadamer ein recht nachdenkliches Bändchen, in dem er an die griechische Vorstellung von der geheimnishaften Gesundheit erinnert, die zwar durch Krankheit gestört werden kann, aber von sich aus wirkt und sich immer wieder fast wie ein Wunder einstellt. Für die so denkenden Griechen wäre es abwegig gewesen, Gesundheit für etwas Machbares zu halten, gar für ein technisch produzierbares Gut.

Gesundheitspolitik und Gesundheitsfürsorge

Gesundheit und Krankheit sind nicht nur anthropologische Gegebenheiten, vielmehr sind Ge- sundheitsfürsorge und Gesundheitspolitik zu zentralen Aufgaben des Sozialstaates geworden.

In unseren Gesellschaften ermöglicht der Ausbau des Gesundheitssystems heute allen Bür- gerInnen den Zugang zu medizinischen Leistungen. Der Staat nimmt ihnen auch einen Groß- teil ihrer privaten Daseinssicherung ab. Indem soziale Sicherungssysteme und die staatliche Gesundheitsfürsorge Verantwortung für das soziale Gut Gesundheit übernehmen befriedigt sie nicht nur individuelle Bedürfnisse, sie stiften vielmehr einen hohen sozialen Nutzen.

Die weitgehende Übertragung von Lebensrisiken auf die Solidargemeinschaft der Versicher- ten oder die staatlichen Träger des Gesundheitssystems führt auch ethische Probleme mit sich. Sie betreffen nicht nur die Frage der Finanzierbarkeit des Gesundheitssystems und sei- nen überproportional wachsenden Anteil an den öffentlichen Ressourcen. Die Einstellung zu Gesundheit und Krankheit ist von einer tiefen Widersprüchlichkeit gekennzeichnet. Diese ist dem Einzelnen nicht allein als privates Versagen anzulasten. Sie entspricht vielmehr der Be- schleunigung unseres gesellschaftlichen Lebensrhythmus, der für Krankheitszeichen und rekreativen Unterbrechungsphasen immer weniger Raum lässt. Wo die Krankheit dennoch eine Unterbrechung erzwingt, wird sie zum reparaturbedürftigen Defekt erklärt, dessen schnellstmögliche Behebung wir vom Arzt und seiner Kunst und erst in zweiter Linie von uns selbst erhoffen.

Diese Erwartung verändert das Verhältnis zwischen Arzt und Patient. Der Arzt wird insgeheim zum Händler einer Ware statt zum Treuhänder eines Gutes, für das zuerst jeder Einzelne die Verantwortung trägt. Gleichzeitig verschiebt sich diese Erwartungshaltung aber immer stärker auf die Gesellschaft als Ganze. Gesundheit wird zu einem verfügbaren Gut, zur verwalteten

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Lebensressource, auf die ein Anspruch besteht, der von den dafür bereitgestellten Spezialis- ten zu erfüllen ist. Zu dieser Erwartungshaltung hat die Entwicklung der modernen Medizin selbst beigetragen. Diese macht den Menschen im Einzelnen zwar gesünder, indem sie ihm ein längeres, von Krankheiten weitgehend verschontes Leben ermöglicht. Im Ganzen wird der moderne Mensch jedoch kränker, weil sich seine Einstellung zum Kranksein verändert und wir heute ein krankes Verhältnis zur Gesundheit haben. Recht verstanden meint Gesundheit nicht nur die Abwesenheit von körperlichen und seelischen Störungen, sondern die Fähigkeit, die eigenen Lebensaufgaben auch unter Belastungen und Einschränkungen erfüllen zu können.

Ein gesundes Verhältnis zur Krankheit zeigt sich darin, dass diese als Bestandteil des eigenen Lebens zugelassen wird. Der Kampf gegen die Krankheit und der Wille zum Gesundwerden sind natürliche Tendenzen im Menschen, die den Heilungsprozess verstärken. Ernsthafte Krankheiten müssen dagegen in die eigene Lebensführung integriert werden. Sie führen zu einem Weiterleben unter veränderten Bedingungen und können als eine Grenzsituation erlebt werden, die uns dazu mahnt, das eigene Leben unter ein neues Vorzeichen zu stellen.

+ Manfred Scheuer Bischof von Linz

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