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Jetzt oder nie! Zoom in Zellen. Wie man Krankheiten verstehen und in Schach halten kann. Tier und Technik

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Academic year: 2022

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Für den Klimaschutz müssen wir rasch handeln. Was jedeR einzelne tun kann und wo die Politik gefordert ist

03

uni-graz.at

Wie man Krankheiten verstehen und in Schach halten kann

Wo die Natur die besten Ideen für

Zoom in Zellen Tier und Technik 06

08

Jetzt

oder nie!

1.300.000

15.000

113 2214

Kilometer jährlich legen Uni-Graz-Angehörige im Durchschnitt für Dienstreisen mit dem Zug zurück.

1200

Uni-Graz-Fahrräder sind in der Stadt unterwegs. Knapp die Hälfte der Studierenden und MitarbeiterInnen kommt mit dem Drahtesel an den Campus.

Kilowattstunden pro Monat liefert die Fotovoltaikanlage am Dach der Universitätsbibliothek monatlich. Das entspricht dem Energieverbrauch von 50 Einfamlienhäusern im selben Zeitraum.

Liter Regen pro Quadratmeter sind am 30. Juli 2021 an der Uni Graz gefallen, 50 davon in einer einzigen Stunde.

Der bisherige Rekord lag bei 105 Litern.

Studierende waren im vergangenen Jahr in einem klima- oder umweltrelevanten Fach gemeldet.

FA CT S

S O N D E R A U S G A B E

D a s M a g a z i n d e r U n i v e r s i t ä t G r a z

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02 03 Atmosphäre abkühlen

Der menschliche Einfluss auf den Klimawandel lässt sich auch in der Luft ablesen: Die erdnahe Schicht, die Troposphäre, erwärmt sich durch unsere CO2-Emissionen besonders stark und dehnt sich dadurch in höhere Regionen aus. Die darüberliegende Stratosphäre wird folglich zusammen- gedrückt, denn Treibhausgase und die abnehmende Ozonschicht sorgen im nächsten „Stockwerk“ der Atmosphäre für stärkere Abkühlung und senken es nach unten ab. Im Bereich der Tro- pen erwärmt sich die Lufthülle noch stärker als die Erdoberfläche. Dadurch verändern sich die üblichen Zirkulati- onen, mit gravierenden Auswirkungen auf das weltweite Wettergeschehen.

Uni-Graz-ExpertInnen: PhysikerInnen Ulrich Foelsche, Florian Ladstädter, Veronika Proschek und Andrea Steiner

Borkenkäfer bändigen Bei milderen Temperaturen fühlt sich der Schädling sehr wohl, besonders in den weit verbreiteten Fichten-Mono- kulturen. Stirbt der Wald, können nach Starkniederschlägen ganze Hänge ins Rutschen geraten – mit katastropha- len Folgen für Mensch und Umwelt.

Abhilfe schaffen würden resistentere Bäume sowie Mischwälder und mehr Waldpflege, damit sich der Borken- käfer nicht so rasant ausbreiten kann.

Uni-Graz-Experte: Ökonom Gabriel Bachner

Cool down

iStock.com/GomezDavid

Führt Umweltschutz zurück in die Steinzeit? Wie können wir vorankommen, ohne die Erde zu zerstö- ren? Mehr als hundert ForscherInnen beschäftigen sich an der Universität Graz mit dem Klimawandel und seinen Folgen. Ein A bis Z der wichtigsten Erkenntnisse und Maßnahmen.

Medieninhaber, Herausgeber und Verleger:

Universität Graz

Universitätsplatz 3, 8010 Graz, Austria Telefon: +43 (0) 316/380-1029 E-Mail: unizeit@uni-graz.at Web: unizeit.uni-graz.at Coverbild: Adobe Stock/Faisal

Grundlegende Blattlinie: UNIZEIT versteht sich als Organ zur Förderung der inner- und außer- universitären Kommunikation.

Chefredaktion: Mag. Dagmar Eklaude Druck: Druck Styria GmbH, Graz Erscheinungstermin: November 2021 Impressum

So können Sie die UNIZEIT regelmäßig lesen:

unizeit.uni-graz.at/abo

Es sind derzeit wohl die drei größten Heraus- forderungen der Menschheit: allen voran der Klimawandel, gefolgt von der Erhaltung unserer Gesundheit und der digitalen Revolution. An der Universität Graz stehen sowohl in der Forschung als auch in den Studien diese Themen im Fokus.

Mit den Bereichen Climate Change und Bio- Health spielen wir international in der Oberliga mit, WissenschafterInnen aus aller Welt berei- chern unsere Arbeit. Dieses klare Profil sowie das hochkarätige und innovative Angebot für die Jugend hat das Bildungsministerium mit einem deutlichen Budgetplus gewürdigt. So ist sicher- gestellt, dass wir als Universität am Puls der Zeit bleiben und uns ständig verbessern.

Martin Polaschek

Rektor der Universität Graz

Großes Plus

Uni Graz/Marija Kanizaj

Social Media:

@UniversitaetGraz @universityofgraz Universität Graz unigraz

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Am Wegener Center für Klima und Globalen Wandel erforschen rund 50 Wissen- schafterInnen die physikali- schen, gesellschaftlichen und ökonomischen Aspekte des Klimawandels. Damit schaffen sie die Basis für eine robuste und emissionsfreie Welt.

wegcenter.uni-graz.at

Mit einem einfachen Flug von Wien nach Berlin stößt eine Person be- reits rund 130 Kilogramm CO

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aus, mit der Bahn wäre es nur ein Zehn- tel. Diese Dimensionen muss man im Auge behalten. Ökonom Karl Steininger

CO2 checken

Kohlendioxid gilt als das klimaschäd- liche Treibhausgas schlechthin. Eine Anleitung, wie und wo man als Privat- person, Unternehmen oder Kommune CO2 einsparen kann, haben ForscherIn- nen auf carbManage.earth zusam- mengestellt. An der Universität Graz wird das bereits umgesetzt: Das größte Potenzial bieten Wärme und Energie, gefolgt von der Mobilität. Uni-Graz-Ex- pertInnen: PhysikerInnen Julia Danzer und Gottfried Kirchengast

Extremwetter errechnen Hitzewellen, Dürren und Starkregen werden häufiger und heftiger, zeigt der neueste Weltklimabericht, an dem auch AutorInnen der Universität Graz mitgearbeitet haben. Eine rasche und drastische Reduktion der Treibhausgase ist unabdingbar, um katastrophale Fol- gen des Klimawandels einzudämmen, zeigen die Prognosemodelle, die mit dem Know-how des Wegener Center stets verbessert werden. Uni-Graz-Ex- perte: Physiker Douglas Maraun Fleisch fasten

Es ist nicht nur das Methan, das Rinder freisetzen, auch die Futtermittel-Pro- duktion verursacht Unmengen an schädlichen Emissionen. Damit ist der Fleischkonsum – Österreich liegt mit 5,9 Tonnen im Leben jeder Person auf Platz 15 weltweit – ein entscheidender Faktor für den Klimawandel. Vegane Ernährung ist allerdings nicht automa- tisch besser: Soja, für das der Regen-

wald abgeholzt wird, oder Mandeln aus Monokulturen sind ähnlich problema- tisch. Uni-Graz-Expertin: Nachhaltig- keitsforscherin Ulrike Gelbmann Gletscher gefährdet

Ein untrügliches Zeichen des Klima- wandels ist der unaufhörliche Rück- gang der Gletscher in Österreich. Die Pasterze hat zuletzt innerhalb eines Jahres mehr als 50 Meter an Länge verloren und ist um gut sechs Meter eingesunken. Auch die meisten anderen Keese zerfallen langsam und lassen Seen zurück. Uni-Graz-Experten: Geo- grafen Andreas Kellerer-Pirklbauer und Gerhard Lieb

Handfeste Hinweise

Markante Kennzahlen, die unser Um- weltverhalten und die globale Erwär- mung dokumentieren, sind als „Graz Climate Change Indicators“ auf der Website gcci.earth zusammengefasst.

Dort können sich alle Interessierten ein Bild von aktuellen und vergange- nen Emissionen oder der Einhaltung von Klimazielen in den unterschied- lichsten Regionen des Globus machen.

Uni-Graz-Experte: Physiker Gottfried Kirchengast

Kluger Kreislauf

Um Emissionen und Abfall zu redu- zieren sowie Ressourcen zu sparen, braucht es einen Umbau zur Kreislauf- wirtschaft. Das bedingt etwa stren- gere Vorschriften für Reparatur- und Recyc lingfähigkeit. Zentral sind dafür

das Produktdesign, optimierte Prozesse der beteiligten Unternehmen sowie KundInnen, die nicht mehr Genutztes anbieten und aufgearbeitete Güter kau- fen. Uni-Graz-Experten: Betriebswirte Rupert Baumgartner, Gernot Lechner und Marc Reimann

Menschen mobilisieren Ohne breite Akzeptanz in der Bevölke- rung sind einschneidende Klimaschutz- maßnahmen schwer durchzusetzen. Mit sozialen Simulationen – einer Kombina- tion von Rollenspiel und Computersimu- lation – lässt sich abschätzen, wie man die nötigen nachhaltigen Veränderungen bewirken kann. Die Interessen der ver- schiedenen betroffenen Gruppen werden dabei berücksichtigt. Uni-Graz-Expertin:

Soziologin Ilona Otto Permafrost prüfen

Bröckelnde Wände, unpassierbare Klet- tersteige, Steinschlag auf Wanderwegen:

Die Erwärmung der Perma frostböden in den Alpen verwandelt so manches Bergsteige-Paradies in eine Gefahren- zone. Durch den Klimawandel erweicht das Eis, das die aus Schutt bestehenden Blockgletscher wie Zement zusammen- hält. Kameras und Messgeräte von 80 Klimastationen in der Tauernregion liefern dazu Daten im Stundentakt.

Uni-Graz-Experten: Geografen Andreas Kellerer-Pirklbauer und Gerhard Lieb Raum ohne Reifen

Der Autoverkehr ist aufgrund des Reifenabriebs die größte Quelle an

Mikroplastik in der Umwelt. Reduziert man Individualfahrten weitgehend, könnte man Straßen und Parkplätze in begrünten Lebensraum umwandeln, was Umwelt und Gesundheit schützt.

Auch die Geldbörse profitiert: Über einen Zeitraum von rund 20 Jahren ge- rechnet, ist klimafreundliche Mobilität wesentlich günstiger als unser der- zeitiges Verhalten. Uni-Graz-Experte:

Nachhaltigkeitsforscher Alfred Posch Steuern zum Steuern

Die CO2-Abgabe verteuert Güter, die mit hohen Emissionen verbunden sind.

Das soll Unternehmen und Konsumen- tInnen zum Umstieg auf nachhaltigere Alternativen bewegen. Eine Rückver- teilung der Einnahmen als Klimabonus pro Kopf würde vor allem ärmeren Bevölkerungsschichten zugutekommen, die tendenziell weniger Emissionen ver- ursachen als reichere. Grenzsteueran- passungen könnten sicherstellen, dass weniger umweltfreundliche Importe die ökologischen Standards in einem Land nicht untergraben. Uni-Graz-Experten:

Ökonomen Karl Steininger und Michael Finus

Treibstoff tauschen

Emissionsarme Benzin-Alternativen sind E-Fuels, die aus Biomasse oder In- dustrieabgasen gewonnen werden kön- nen. Verschiedene Kraftstoffmischun- gen und ihre Abgase werden derzeit für Kleinautos, Zweiräder, Motorsägen und Laubbläser getestet. Uni-Graz-Experte:

Chemiker Sigurd Schober

Urlaub umbuchen

Reisen ist essenziell für den Austausch von Kulturen. Wo möglich sollte man sich mit Zug und Fahrrad fortbewe- gen. Außerdem ist die Auswahl der Unterkunft wichtig: Kleine Privat- pensionen wirtschaften nachhaltiger als internationale Hotel-Ressorts und gewähren dazu mehr Einblick in regionale Eigenheiten. Völlig tabu sind Kurzstreckenflüge: Einmal Wien-Berlin verursacht 130 Kilogramm CO2 – etwa gleich viel wie der Verzehr von 65 Steaks. Uni-Graz-Experte: Ökonom Karl Steininger

Verpackung vermeiden Alles, was man öfter als einmal verwenden kann, ist sinnvoll, egal ob Glas, Papier oder Plastik. Tetrapak punktet gegenüber Wegwerf-Flaschen durch geringeres Eigengewicht, das einen umweltfreundlicheren Transport ermöglicht, und einfacheres Recycling.

Uni-Graz-Expertin: Nachhaltigkeitsfor- scherin Ulrike Gelbmann

Wirtschaft wandeln

Mit 15 Milliarden Euro im Jahr be- lasten die Auswirkungen des Klima- wandels, das Festhalten an fossilen Brennstoffen sowie deren Förderung Österreichs Wirtschaft, die Gesund- heit und das öffentliche Budget. In wenigen Jahren könnte diese Summe auf jährlich 20 Milliarden steigen. Ein Nicht-Handeln der Politik

verursacht also enorme Kos- ten. Uni-Graz-ExpertInnen:

ÖkonomInnen Birgit Bednar-Friedl, Nina Knittel und Karl Steininger Zukunft zeigen

Wie unsere Wirtschaft und Gesell- schaft das Pariser Klimaziel erreichen und 2050 nahezu emissionsfrei werden kann, zeigt ein Konzept von über 70 österreichischen WissenschafterInnen, das als Grundlage für den Klimaplan dienen soll. Bis Mitte des Jahrhunderts die Treibhausgase gegen Null zu sen- ken, ist sogar bei gleichzeitig steigender Lebensqualität möglich. Uni-Graz-Ex- perten: Ökonom Karl Steininger und Physiker Gottfried Kirchengast

Das Christian-Doppler- Labor für nachhaltiges Pro- duktmanagement in einer Kreislaufwirtschaft entwi- ckelt praktische Tools, um die soziale und ökologische Verträglichkeit von Gütern und Dienstleistungen über den gesamten Lebenszyklus besser bewerten zu können.

Das Institut für System- wissenschaften, Innova- tions- und Nachhaltigkeits- forschung befasst sich aus interdisziplinärer Perspektive mit nachhaltiger Entwicklung.

Ein Eckpfeiler der Forschung ist die Zusammenarbeit mit regionalen Unternehmen.

sis.uni-graz.at

Videoclip zur Klimaforschung an der Uni Graz

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Uni Graz/Christa Strobl

06 07

Wie kann man die Ursachen von Krankheiten überhaupt verstehen?

Um die Mechanismen dahinter wirklich durchschauen zu können, muss man zuerst die grundlegenden Vorgänge in der Zelle kennen. Da gibt es viele Puzzlesteine. Eine wichtige Rolle spielen die Ribosomen, das sind die Proteinfabriken der Zellen. Sie produzieren extrem schnell und effizient die Hauptbestandteile des Körpers, von Speichelenzymen, die Nahrung abbauen, über den roten Blutfarbstoff bis hin zu den Faserproteinen von Haaren. Oder sie vervielfältigen Viren, die sich in die Zellen eingeschlichen haben. Je mehr wir über Funktion und Aufbau dieser Ribosomen wissen, desto geziel- ter können in Zukunft Therapien entwickelt werden.

Hat die Pandemie Ihre Arbeit beeinflusst?

Es gibt jetzt mehr Bewusstsein für die Bedeutung der mole- kularen Biowissenschaften. Diese sind Voraussetzung, um die Ausbreitung von Coronaviren im Körper nachzuvollziehen und Ansätze für Medikamente und Impfungen zu finden.

Mein Team hat sich aber bewusst nicht darauf gestürzt. Der- zeit fließt weltweit extrem viel Geld in das Thema. Durch das große Interesse und den enormen Konkurrenzdruck werden rasch Ergebnisse publiziert, die mitunter noch nicht ausrei- chend hinterfragt sind. Das ist nicht mein Stil. Außerdem gehen andere wichtige Forschungsbereiche dabei bedauer- licherweise unter.

Wie kann sich die Universität Graz im weltweiten Wettbewerb behaupten?

Zurzeit hat die Molekularbiologie hohes Renommee, wir sind auch sehr gut vernetzt. Allerdings dauert die Erforschung eines grundlegenden Mechanismus bis zur Veröffentlichung der Ergebnisse meist Jahre. In der Zwischenzeit weiß man häufig nicht, wer noch an demselben Thema arbeitet und viel- leicht schneller ans Ziel kommt. Besonders schwierig ist die Situation für die vielen guten und engagierten KollegInnen, die durch die verschärfte Kettenvertragsregelung im neuen Universitätsgesetz in absehbarer Zeit ihren Job verlieren.

Damit kommt uns wesentliches Know-how abhanden, und langfristig wird der internationale Stellenwert unserer Arbeit sinken.

Was motiviert Sie dazu, unter solchen Bedingungen zu forschen?

Für mich ist das der tollste Job, den es gibt. Er bringt ständig Abwechslung, man hat neue Ideen, macht neue Entdeckun- gen, stößt auf neue Fragen. Das liefert immer einen Kick. Die Suche nach den Antworten ist irre spannend.

Wohin geht Ihre wissenschaftliche Reise in naher Zukunft?

Um die großen Zusammenhänge zu erkennen, muss man die einzelnen Bausteine möglichst vollständig entschlüsseln.

Meine Vision ist es, herauszufinden, wie genau Ribosomen in der Zelle hergestellt werden. Das ist auch im Zusammenhang mit Krankheiten wichtig. So haben wir kürzlich gefunden, dass eine Mutation, die bei einer wiederkehrenden Form der Leukämie auftritt, eine fehlerhafte Anfertigung der Riboso- men bewirkt. Möglicherweise kann so der Blutkrebs dann der Chemotherapie entgehen.

Was bewirkt das Corona-Virus in unserem Körper? Warum löst es so unterschiedliche Symptome aus? Kann der Impfstoff unser Erbgut verändern? Die komplexen Vorgänge in den Zellen ste- hen plötzlich im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses – und damit die molekularbiologische Forschung. Brigitte Pertschy spricht über den täglichen Kick, Konkurrenz und Karriere.

Brigitte Pertschy

leitet eine Arbeitsgruppe zur Ribosomenforschung am Institut für Molekulare Biowissenschaften. Weitere Schwerpunkte der rund 100 Forschenden dort sind der Energie- und Fettstoffwechsel, Alterung und Zelltod sowie die Infektionsbiologie. Bahnbrechende Entdeckungen sind unter anderem ein körpereigener Abwehrmechanismus, der Metastasen zum Absterben bringt, Antibiotika-Alternativen gegen den Cholera-Erreger oder das Schlüsselgen, das den Fettabbau im Körper steuert.

Videoclip zur Gesundheits- forschung an der Uni Graz

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Uni Graz/Joel Kernasenko

Uni Graz/Studio Lou

Roboter lernen das Schwarmverhalten von Bienen (links), Wasserflöhe ersetzen Sensoren (unten),

Heuschrecken helfen beim Autofahren (ganz unten).

Tierische Technik

Über Jahrtausende optimiert und ideal angepasst – da können menschliche Entwicklungen nicht mit- halten: BiologInnen der Universität Graz nehmen sich die Natur zum Vorbild für zukunftweisende Apparate. Und arbeiten gleichzeitig an Geräten, die das Ökosystem bewahren sollen.

Biene und Maschine

Winzige Roboter tummeln sich unauf- fällig zwischen den Bienen und halten sie tanzend davon ab, auf frisch gespritz- ten Feldern Pollen zu sammeln. Sensoren messen die Temperatur im Stock, damit diese im Bedarfsfall aus umweltfreund- lichen Energiequellen reguliert wird. Das hält auch Schädlinge in Schach. Just die Technik soll also die Natur retten, ist die Idee des vom Biologen Thomas Schmickl geleiteten Projekts „Hiveopolis“. Wo der Mensch durch Umweltgifte, Monokul- turen oder den Klimawandel das Öko- system stark aus dem Gleichgewicht ge- bracht hat, sieht der Forscher in Robo- ter-Tieren die einzige Chance, es vor dem Kippen zu bewahren. Im konkreten Fall lassen sich beispielsweise Schutz zonen für die stark gefährdeten Wildbienen schaffen.

Heuschreck hält Ausschau Bevor wir eine brenzlige Verkehrssitu- ation überhaupt wahrnehmen, hätten Wanderheuschrecken bereits Brems- oder Ausweichmanöver eingeleitet. Die tie- rische Sinnesreaktion dient als Modell für Assistenzsysteme in Autos. Auf Basis der gemessenen Aktivität im Insektenge- hirn hat Manfred Hartbauer einen Algo- rithmus entwickelt, der ähnlich rasch auf drohende Kollisionen reagiert. Die emp- findlichen Augen von nachtaktiven Bie- nen und Schmetterlingen sind Vorbild für eine weitere Software, um stark un- terbelichtete Bilder zu optimieren. Damit funktioniert der Fahrzeugassistent auch bei Dunkelheit. Die Medizintechnik pro- fitiert ebenso von dieser Entwicklung:

Dank des Korrekturprogramms liefern Röntgen- oder Tomographieaufnahmen selbst bei signifikant geringerer Strahlen- dosis wesentlich deutlichere Befunde.

Muschel als Monitor Mollusken warnen vor Nahrungsnot, Wasserflöhe vor steigenden Tempera- turen, Krebse vor sinkender Wasserqua- lität. Tiere werden im Projekt „Robo- coenosis“ als Sensoren herangezogen. Ein Roboter, der seine Energie aus dem Bo- denschlamm gewinnt, sammelt und ver- arbeitet die Informationen. Zum Einsatz kommt dieses „biohybride“ Wesen in ös- terreichischen Seen, um Daten zum Kli- mawandel zu sammeln. Schleichende Veränderungen würden nämlich oft erst wahrgenommen, wenn es schon zu spät ist, schildert Projektleiter Ronald The nius die Notwendigkeit. Einmal ausgereift, wird die Technologie etwa für das Moni- toring von Abwässern, Trinkwasserreser- voirs oder Kühlsystemen nutzbar sein.

Grüne Geschäfte

Den Naturschutz forcieren auch einige Spin-offs der Uni Graz.

LinoEx hat ein Bio-Pestizid auf Leinöl-Basis entwickelt. Es hilft gegen die eingeschleppte japa- nische Kirschessigfliege, die im vergangenen Jahr die steirische Holunderernte um 40 Prozent dezimiert hat. Ein weiteres Mittel wirkt gegen Heuschrecken- schwärme, die in Afrika ganze Landstriche abfressen.

Auf der wissenschaftlichen Er- kenntnis, dass Bienen ihr Immun- system vererben und über die Nahrung aktivieren können, baut das Unternehmen Dalan Animal Health auf. Es hat die weltweit erste „Schluckimpfung“ entwi- ckelt, um die Nützlinge etwa vor der Amerikanischen Faulbrut zu schützen.

Altöle oder Abfallstoffe aus der Holzindustrie ersetzen fossi- le Rohstoffe in Waschmitteln, Kosmetika oder Lacken. Das ist die Idee der Firma Pure Surf.

Zugrunde liegen chemische Pro- zesse, die die Ausgangsmateria- lien für andere Produkte nutzbar machen und damit die Schienen in Richtung Kreislaufwirtschaft legen.

Zukunftsträchtige Geschäfts- ideen mit wissenschaftlichem Hintergrund werden durch verschiedene Förderprogramme der Universität Graz unterstützt.

Darüber hinaus bietet am Cam- pus das neu errichtete Unicorn mit Büro-, Besprechungs- und Veranstaltungsräumen sowie Co-Work ing-Plätzen Raum für Start-ups.

www.startup-uni.at www.unicorn-graz.at

iStock.com/paisan1leo

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Uni Graz/Jorj Konstantinov

10 11

Von religiösen Spaltungen in Familien, Beihilfe zur Flucht und Heldentaten berichten nicht nur aktuelle Zeitungs- meldungen, sondern auch historische Dokumente. 600.000 sind in einem Online-Portal bereits erfasst. „Etab- lierte Methoden reichen nicht mehr aus, um die große Zahl der Urkunden, die seit dem 13. Jahrhundert in Europa entstanden ist, zu analysieren und die darin verborgenen Geschichten herauszulesen“, schildert der Histo- riker Georg Vogeler. Er hat einen mit knapp drei Millionen Euro dotierten Förderpreis der Europäischen Uni- on erhalten, um mit den Techniken der digitalen Geisteswissenschaften Nutzen und Verwendungszweck der Dokumente zu rekonstruieren. Der Forscher schafft mit seinem Team eine virtuelle Umgebung, in der Mensch und Maschine zusammenarbeiten. „Das Computerprogramm kann aus der Fülle von Daten lernen und Informationen sammeln. Es braucht aber Kreativität und Verständnisfähigkeit, um diese

dann auch zu interpretieren“, erklärt Vogeler. Aus dieser „Kooperation“ mit künstlicher Intelligenz erwartet er sich neue Aufschlüsse über gesamteuropä- ische Entwicklungen – nicht zuletzt über die große Pest 1348/49 und die ihr folgende Wirtschaftskrise.

Das Heft in der Hand behalten So hilfreich selbstlernende Computer- programme sein können, so gefährlich ist es auch, ihnen Entscheidungen unkritisch zu überlassen. Denn sie liefern keine Argumente mit, um ihre Entschlüsse nachvollziehbar zu machen. Mehrere interdisziplinäre For- schungsteams prüfen daher den Einsatz künstlicher Intelligenz in sensiblen Bereichen:

} Ämter sind oft telefonisch schwer erreichbar, die Informationen auf den Websites unübersichtlich. Da wäre es einfach, sich wenigstens mit einem Chatbot unterhalten zu können, wenn man sich vergewissern möchte, dass man alle Unterlagen für den neuen Rei-

sepass oder die nötigen Bewilligungen für den Hausbau beisammen hat.

} Wie mehrere später revidierte Schnellschüsse am Beginn der Co- rona-Krise gezeigt haben, ist es für PolitikerInnen nicht immer einfach, mit raschen Entscheidungen auf juris- tisch sicherem Terrain zu bleiben. Ein Computermodell, das demokratische, rechtsstaatliche und verfassungsrecht- liche Anforderungen berücksichtigt, könnte helfen.

} Ein besonders heikles Thema sind langwierige Asylverfahren. Intelligen- te Sprachanalysetools sind eventuell in der Lage, die Herkunftsländer der AntragstellerInnen zu bestimmen. Ob dabei die Grundrechte der Betroffenen ausreichend gewahrt bleiben, wird derzeit geprüft.

} Nimmt die Technik zwar nicht das Denken, aber soziale Arbeit ab, müssen die Rahmenbedingungen ebenfalls um- sichtig festgelegt werden. Das passiert für den Einsatz von Robotern in der Pflege.

Künstliche Intelligenz leistet Unglaubliches. Sie spricht mit uns, sammelt Informationen, trifft Entscheidungen. Große Forschungsprojekte an der Universität Graz nutzen diese Technik und loten andererseits ihre rechtlichen wie morali- schen Grenzen aus.

Heldentaten

Digitale

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Der Krise kontern

Umweltsystemwissenschaften mit ver- schiedenen Schwerpunkten – etwa Nach- haltigkeitsorientiertes Management oder Climate Change and Environmental Technology; weiters Industrial Ecology, Nachhaltige Stadt- und Regionalentwick- lung; und nicht zuletzt das Doktorats- kolleg Klimawandel: Wer mit fundiertem Wissen die größte globale Krise bewälti- gen möchte, holt sich das nötige Rüstzeug an der Universität Graz. Das Angebot an relevanten Studien ist breit gefächert.

Total sozial

Die verschiedensten gesellschaftlichen Aspekte der Globalisierung, komplexe kulturelle, rechtliche, politische Zusam- menhänge, kurz: den Blick über den Tellerrand vermittelt das Masterstudi- um Global Studies, das ebenfalls mit verschiedenen Schwerpunktsetzungen angboten wird – beispielsweise auf Wirt- schaft und Umwelt.

Aus einer anderen Perspektive betrach- tet das neue Masterstudium Religion – Kultur – Gesellschaft das soziale Gefüge und beleuchtet die Zusammenhänge von Medien, Recht, Kunst sowie außereuro- päischen Kulturen und Religion. Im Zu-

sammenschluss mit sieben weiteren Insti- tutionen bietet die Universität Graz das Unterrichtsfach Ethik an, um Lehrkräf- te für den neuen Pflichtgegenstand an Schulen auszubilden.

Mensch und Technik stehen im Fokus von Computational Social Systems, des neuen Kooperationsstudiums mit der TU Graz. Darin werden vor allem die In- teraktionen von Algorithem und Use- rInnen beleuchtet.

Bonus-Paket

Ab dem Sommersemester 2022 gibt es für Masterstudien an der Universität Graz drei interdisziplinäre Zusatzmodule mit viel Praxis. Interessierte können ein Gesamtpaket im Umfang von 24 ECTS auswählen. Die Optionen sind „Klima- wandel und nachhaltige Transforma tion“,

„Entre- und Intrapreneurship“ sowie

„Kommunizieren – Intervenieren – Ko- operieren“. Diese „Masterstudien Plus“

vermitteln bei ArbeitgeberInnen gefragte Kompetenzen und Soft Skills. Pro Modul gibt es 25 Plätze, für die man sich online bewerben kann: www.uni-graz.at/

masterstudium-plus studium.uni-graz.at

Voraus- gedacht

Für eine bessere Zukunft geht die Jugend auf die Straße – und in den Hör- saal. Studien aus den Themenfeldern Klimawandel, Nachhaltigkeit und sozialer Zusammenhalt liegen im Trend. Die Universität Graz hat in diesen Bereichen einiges zu bieten und nimmt den Zeitgeist vorweg.

Ich bin seit meiner Studienzeit symbiotisch mit Kopfhörer und Mikro verbunden. Die Simultandolmetschkabine an der Uni Graz war mein erstes und bestes Livetraining.

Cornelia Vospernik, Radio- und Fernsehjournalistin

Mein Jus-Studium an der Uni Graz hat mir geholfen, bessere Entscheidungen zu treffen.

Helmut Marko, Red-Bull-Motorsport-Chef und Hotelier

Ein Studium ist ein Türöffner, prägt für das Leben. Das gilt besonders für das Studium an der weltoffenen, breit aufge- stellten und doch überschaubaren Universität Graz, die sich ständig weiter entwickelt.

Irmgard Griss, Juristin

Ich würde wieder studieren. Wie kann man etwas gegen Bildung haben, wenn man seine sieben Zwetschken beisammen hat?

Paul Pizzera, Kabarettist

Foto: Uni Graz/Tzivanopoulos

Foto: Sabine Hauswirth

Foto: Cornelia Vospernik

Foto: EXPA Pictures

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Fotos: Uni Graz/Christa Strobl

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Die exzellente Reputation im Bereich der Geschich- te des Mittelalters führte Amelia Kennedy von den USA an die Universität Graz. Die Historikerin verfasste an der renommierten Yale University ihre Dissertation. Ihre Forschung über das Altern in mit- telalterlichen Mönchsgemeinschaften will sie in Ös- terreich fortsetzen. Die Rolle der Frau im religiösen Leben steht im Mittelpunkt eines weiteren Projekts.

Lydia Omuko‐Jung stammt aus Kenia. Da sie als Enkelin von LandwirtInnen die Veränderung des Klimas hautnah miterlebte, arbeitete sie nach dem Jusstudium in Nairobi im Bereich des Umwelt- und Verfassungsrechts. Das Interesse führte sie 2018 für ihre Dissertation nach Graz. Hier untersucht sie, wie sich Konsum und Klimaschutz gesetzlich vereinba- ren lassen – etwa eine CO2-Steuer mit internationa- lem und EU-Recht.

Humayain Kabir studierte in seiner Heimat Bangladesch Umweltwissenschaften. Im Doktorats- kolleg Climate Change will er sein PhD-Studium abschließen. Bis 2022 untersucht er hier die Entste- hung und Auswirkungen lokal begrenzter Stark- regen, die schwere Schäden nach sich ziehen können – und die zuletzt auch in Österreich häufig aufge- treten sind. Seine Arbeit zur Früh erkennung dieser Wetterphänomene soll den Ausbau der Schutzmaß- nahmen erleichtern.

In Saigon (Vietnam) absolvierte Tram Thi Ngoc Nguyen ihre universitäre Ausbildung, bevor sie sich mit dem PhD-Studium einen be- ruflichen Traum erfüllte. Denn: „Alle jungen MathematikerInnen streben die Uni Graz an, da hier unter anderem im Bereich der Optimierung große Persönlichkeiten tätig sind.“ Die univer- sitäre Willkommenskultur hat die Forscherin überaus positiv erlebt.

Für die Welt

Drei Kontinente, ein Ziel: Fünf internationale Nachwuchs-

wissenschafterInnen schildern, warum sie sich für die Uni Graz als neue Forschungsheimat entschieden haben.

Carlos Francisco Rodriguez Gamez hat nicht nur den Wohnort gewechselt, sondern auch sein Fachgebiet erweitert. Der Biophysiker aus Mexiko erhielt einen Platz im hochkompeti- tiven PhD-Programm „Molecular Metabolism“, in dem die molekularen Mechanismen des Fett- stoffwechsels erforscht werden. Vier Jahre lang wird er sich nun diesem großen Thema widmen, für das die Universität Graz international ge- schätzte Expertise besitzt.

von morgen

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Für den Klimaschutz müssen wir rasch handeln. Was jedeR einzelne tun kann und wo die Politik gefordert ist

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uni-graz.at

Wie man Krankheiten verstehen und in Schach halten kann

Wo die Natur die besten Ideen für

Zoom in Zellen Tier und Technik 06

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oder nie!

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113 2214

Kilometer jährlich legen Uni-Graz-Angehörige im Durchschnitt für Dienstreisen mit dem Zug zurück.

1200

Uni-Graz-Fahrräder sind in der Stadt unterwegs. Knapp die Hälfte der Studierenden und MitarbeiterInnen kommt mit dem Drahtesel an den Campus.

Kilowattstunden pro Monat liefert die Fotovoltaikanlage am Dach der Universitätsbibliothek monatlich. Das entspricht dem Energieverbrauch von 50 Einfamlienhäusern im selben Zeitraum.

Liter Regen pro Quadratmeter sind am 30. Juli 2021 an der Uni Graz gefallen, 50 davon in einer einzigen Stunde.

Der bisherige Rekord lag bei 105 Litern.

Studierende waren im vergangenen Jahr in einem klima- oder umweltrelevanten Fach gemeldet.

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