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WeiSSt du, wieviel Sternlein stehen? BAND30. Veit-Jakobus Dieterich, Gerhard Büttner (Hrsg.) Eine Kosmologie (nicht nur) für Religionslehrer/innen

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Academic year: 2022

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ISBN 978-3-86219-840-5

9 783862 198405

ISBN 978-3-86219-840-5

BAND30

Bereits im Grundschulalter wissen die Kinder in zunehmendem Maße, dass der kosmologische Himmel nicht identisch ist mit dem religiösen. Doch gibt es eine Verbindung zwischen beiden? Wie ist ihr Verhältnis zueinander? Diese Fragen zu beantworten, ist gar nicht so einfach und führt bei vielen Religionslehrer/innen zu Unsicherheiten.

Bevor man die genannten Fragen angehen kann, bedarf es erst einmal genauer Information darüber, was man weiß, was man wissen könnte und was man letztlich nicht wissen kann. Der vorliegende Band versucht, hier Hilfen anzubieten. Er bietet wichtige Erkenntnisse aus vielen betroffenen Wissensbereichen: Astronomie, Medien und Theologie. Er bringt aber auch zur Sprache, was Schüler/innen von den Phänomenen „am Himmel“ halten und was Lehrer/innen daraus machen (können).

Veit-Jakobus Dieterich, Gerhard Büttner (Hrsg.) „Weißt du, wieviel Sternlein stehen?“

Veit-Jakobus Dieterich, Gerhard Büttner (Hrsg.)

„WeiSSt Du, WieViel SterNleiN SteHeN?“

eine Kosmologie (nicht nur) für

religionslehrer/innen

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Band 30

Herausgegeben von Prof. Dr. Petra Freudenberger-Lötz Institut für Evangelische Theologie an der Universität Kassel

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Veit-Jakobus Dieterich / Gerhard Büttner (Hrsg.)

„Weißt du, wieviel Sternlein stehen?“

Eine Kosmologie (nicht nur) für Religionslehrer/innen

kassel university

press

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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar

ISBN 978-3-86219-840-5 (print) ISBN 978-3-86219-841-2 (e-book)

URN: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0002-38414 2014, kassel university press GmbH, Kassel

www.uni-kassel.de/upress

Umschlaggestaltung: Jörg Batschi Grafik Design Druck und Verarbeitung: docupoint GmbH, Barleben Printed in Germany

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Vorwort

Das Thema Schöpfung vs. Evolution oder, allgemeiner ausgedrückt, die Frage nach dem Verhältnis von religiösen resp. theologischen und natur- wissenschaftlichen Perspektiven stellt nach wie vor eine der zentralen He- rausforderungen einer auf der Höhe der Zeit stehenden Theologie und Reli- gionspädagogik dar. Dies zeigt sich nicht nur an der nach wie vor großen Anzahl an einschlägigen Veröffentlichungen zum Thema, sondern auch an der ungebrochenen Relevanz der Behandlung des Problems im Religions- unterricht wie am großen Interesse, das die Schülerinnen und Schüler aller Schulstufen und Schularten dieser Fragestellung entgegenbringen. Den- noch scheint der Diskurs sowohl in der Theologie als auch in der Religions- pädagogik in jüngerer Zeit in eine Art Sackgasse geraten zu sein. Denn wer die Diskussion verfolgt, kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier zwar viel wiederholt und theoretisch eingefordert, aber wenig Neues vorge- bracht und konkret eingelöst wird. Dies mag unterschiedliche Gründe ha- ben. Eine optimistische Deutung könnte argumentieren, dass auf diesem Feld in den letzten Jahrzehnten beachtlich, ja erstaunlich viel geleistet wor- den und darum nun vielleicht genug oder gar alles, was zu forschen und zu formulieren wäre, bereits erkannt und gesagt ist. Dem steht allerdings die Beobachtung gegenüber, dass sich entgegen der bereits erwähnten Inte- ressenlage die Anzeichen für gewisse Ermüdungserscheinungen, sich der Thematik explizit und mit der nötigen Breite wie Tiefe zu beschäftigen, meh- ren. So muss es etwa bedenklich stimmen, wenn die offiziellen Rahmenvor- schläge der EKD für den evangelischen Religionsunterricht, die 2010 bzw.

2011 veröffentlichten Kerncurricula für die Sekundarstufe II resp. I, der Fra- ge nach dem Weltbild keineswegs den ihr eigentlich gebührenden Rang und Raum zugestehen. Es steht also zu befürchten, dass manches von dem Er- reichten wieder verloren zu gehen droht, weil einfache Wiederholung auf Dauer ermüdet.

So entstand die Idee, das Thema von naturwissenschaftlichem und biblisch- theologischem Weltbild einmal von einer anderen Perspektive aus anzu-

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packen, nicht global und pauschal, wie dies – etwa nach dem genannten Motto Schöpfung vs. Evolution – häufig geschieht, vielmehr in einem Ein- zelaspekt, dem Blick auf die Sterne bzw. den Himmel, um auf diese Weise über einfache, zwar klare, aber doch auch häufig schlagwortartige und recht abstrakte Verhältnisbestimmungen, etwa einer komplementären Zuordnung beider Bereiche, hinauszugelangen. Was sich dann ergeben kann, wäre eine bescheidenere Sicht und eine größere Offenheit, ein kaleidoskoparti- ges Puzzle, das vielleicht kein großartiges Gesamtpanorama liefert, dafür aber umso facettenreichere Perspektiven. M.a.W.: Wir versuchen, die mo- derne große „Erzählung“ oder Sichtweise einer komplementären Zuordnung von religiösem und naturwissenschaftlichem Denken zwar nicht zu hinter- gehen, doch in eine gleichsam postmoderne Vielfalt von kleinen „Erzählun- gen“ resp. Perspektiven aufzulösen bzw. einzuordnen.

Um dieses Vorhaben angemessen angehen zu können, bedurfte es der Zu- sammenarbeit vieler unterschiedlicher Fachkompetenzen und -perspektiven in Form einer Ringvorlesung, die im Sommersemester 2013 an der Päda- gogischen Hochschule Ludwigsburg stattfand. Die vorliegende Veröffentli- chung entstand aus dieser Veranstaltung, die Beiträge stellen die überarbei- teten Fassungen der gehaltenen Vorträge dar.

Ein herzlicher Dank gilt daher zuerst einmal den Referent/innen der Lehr- veranstaltung und damit den Autor/innen des vorliegenden Buches, dann der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg, die das Zustandekommen der Ringvorlesung wie der Veröffentlichung unterstützte, ferner der Vereini- gung der Freunde dieser Hochschule, die durch einen Druckkostenzu- schuss die Veröffentlichung erst ermöglichte, zudem David Müller, der bei den technischen Abläufen und der Manuskripterstellung unschätzbare Hilfe leistete, sowie Petra Freudenberger-Lötz, die den Band in die Reihe „Bei- träge zur Kinder- und Jugendtheologie“ der Universität Kassel aufnahm.

Veit-Jakobus Dieterich und Gerhard Büttner

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Inhalt

Vorwort ... 5

Einleitung ... 9

Gerhard Büttner

„Weißt du, wieviel Sternlein stehen?“ – eine Kosmologie

(nicht nur) für Religionslehrer/innen………….………..19

Christian Theis

Die Augen der Astronomen – Was man am Himmel alles (nicht) sehen kann ... 39

Hans-Bernhard Petermann

Der philosophische Blick zu den Sternen ... 53

Manfred L. Pirner

„Star Wars“ und andere kosmologische Wirklichkeiten ... 69

Andreas Reinert

„Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde…“. ... 86

Andreas Benk

Schöpfungstheologie als politische Theologie ... 104

Christian Höger

Was Kinder und Jugendliche vom Kosmos wissen

und wie es sich wandeln kann ... 121

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Sara Haen

Kosmos und Weltbild in Schulbüchern – Exemplarische Analysen

in Religions- und Physikbüchern auf der Mikroebene ... 137

Oliver Reis

„Ich denke, dass Gott die Welt gemacht hat, oder was sonst?“ –

Religionslehrende und ihre Konzepte von ‚Schöpfung‘ ... 152

Veit-Jakobus Dieterich

Die Gestirne als identity- und boundary-marker –

Wie alles mit allem zusammengehören könnte ... 169

Die Autorinnen und Autoren………192

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Einleitung

In der Geschichte „Sternenpflücker“ erzählt der österreichische Schriftsteller Christoph Ransmayr (2012: 36-40) vom Erlebnis eines grandiosen Naturer- eignisses, dem Zusammentreffen der größten Erdnähe des hell leuchtenden Kometen Hale-Bopp mit einer Mondfinsternis. Und während eine Schar von Menschen gekommen ist, um dieses Naturschauspiel auf einem Hügel in der Nähe der kalifornischen Stadt San Diego vor einem Café mitzuerleben, stürzt ein Kellner, der die begeistert staunenden Menschen bedient, mit ei- nem mit Gläsern voll beladenen Tablett zu Boden. Da wenden sich zwar nicht alle, aber doch viele der Zuschauer „von dieser Einzigartigkeit, einem unwiederholbaren kosmischen Ereignis, ab und dem gestürzten Kellner zu, kehrten dem Himmel den Rücken, beugten sich zu dem stummen, be- schämten Menschen hinab […] und lasen gemeinsam mit ihm die selbst im verfinsterten Mondschein noch blinkenden Scherben vom schwarzen As- phalt, als pflückten sie Sterne.“ (40)

Der Blick in den Himmel, so zeigt diese kleine, auch emotional anrührende Geschichte, ist von uns, den Beobachtern, und unserem Standpunkt nicht zu trennen. Aus dieser beschränkten, positionellen Perspektive sehen wir häufig Gleiches oder Ähnliches, mitunter jedoch auch ganz erstaunliche, vielleicht gar einmalige oder doch ziemlich seltene Konstellationen. Und da- bei mag sich zeigen oder ereignen, dass die Sterne gar nicht so weit weg sind, wie sie gemäß ihren unvorstellbar weiten Entfernungen eigentlich sein müssten, dass sie uns vielmehr auf unsere Lebenswelt und auf den uns unmittelbar umgebenden Raum verweisen, so dass Menschen auf dem Bo- den liegende, blinkende Scherben entdecken und dann auflesen können,

„als pflückten sie Sterne.“

„Weißt du, wieviel Sternlein stehen?“ – lautet der Titel unseres Buches.

„Weißt du …“ – Es geht also zuerst einmal um unser menschliches Wissen.

Was aber genau heißt Wissen? Ist es das Wissen der Naturwissenschaften

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oder allgemein jeder Wissenschaft? Und wie sicher ist dieses Wissen?

Handelt es sich um den jeweiligen Stand einer Wissenschaft? In diesem Fall wäre es auch veränderbar. Lässt sich dann eine Veränderung des Wissens als Fortschritt verstehen bzw. interpretieren? Wie wird dieses Wissen gene- riert, wie entsteht neues Wissen? Und in welchem Verhältnis steht das Wis- sen unterschiedlicher Wissenschaftsbereiche zueinander? Existiert eine Ordnung oder gar eine Hierarchie des Wissens? Und wo sind die grundle- genden Grenzen des Wissens? Wie lässt sich Wissen vom Nichtwissen un- terscheiden? Was können Menschen (noch) nicht und was vielleicht gar niemals wissen?

Weißt Du …? Wir sind gefragt, gefragt ist, was wir wissen, wir sollten um unser Wissen Bescheid wissen, um den Stand unseres Wissens, um des- sen Herkunft, um seinen Status und seine Gewissheit, um seine Verände- rungsnotwendigkeiten wie seine Entwicklungsmöglichkeiten. Das „Du“ impli- ziert damit keineswegs primär, vorrangig oder gar ausschließlich die heute allerorten geradezu gebetsmühlenartig wiederholte Forderung nach einer Individualisierung des Lernens und Wissens, sie stellt dieses „Du“ vielmehr hinein in den bereits angesprochenen allgemeinen menschlichen, also anth- ropologischen Rahmen (Was weiß der Mensch?), ebenso in einen kulturel- len und wissenschaftlichen (Was weiß der Wissenschaftler, die Naturwis- senschaftlerin, der Theologe?) und zuletzt in einen lebensgeschichtlichen Zusammenhang (Wie habe ich mein Wissen erworben, wie kann ich es sta- bilisieren, aber auch modifizieren, wie kann ich mein Wissen erweitern, neues Wissen hinzu erwerben?) Es geht also auch um den Lernprozess, um die Schule, um (Religions-)Pädagogik, um den (Religions-)Unterricht mit seinen Personen, den Heranwachsenden wie den Lehrenden. Was also wissen Schülerinnen und Schüler, was Lehrerinnen und Lehrer? Nicht zu- letzt ist zu fragen, was (angehende) Religionslehrerinnen und -lehrer wissen und verstanden haben sollten, um angemessen mit den Heranwachsenden und dem Stoff umgehen zu können.

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„… wieviel Sternlein stehen?“ – Die drei letzten Wörter beinhalten eine dop- pelte Perspektive. Die Sternlein, die stehen – oder auch gehen, wandern, sich drehen – verweisen auf die uns tragende Wirklichkeit, die Natur oder Welt. Welcher Art ist diese Welt? Was ist ein Stern, was der Kosmos, das Universum? Und die anthropologische Brille aufgesetzt dann die Frage:

Was können wir in der Natur sehen, wie viele Sterne erkennen und dann auch zählen? Heißt aber sehen auch verstehen? Oder sehen und erkennen wir vielleicht umgekehrt nur das, was wir bereits uns vorgestellt oder gar verstanden haben? Welchen Status hat das, was wir nicht sehen, uns nicht vorstellen, was wir nicht begreifen können?

Der Aufbau des Buches erfolgt in drei konzentrischen Kreisen. Der erste, äußerste befasst sich mit dem Stand der „Sternenkunde“ in den Naturwis- senschaften und der Kultur, konkret in Astronomie bzw. Astrophysik, Pop- kultur (Filmwelt) und Philosophie bzw. Philosophieunterricht. Dann folgt in einem mittleren Kreis die Theologie, mit zwei Beiträgen, einer aus der alttes- tamentlichen Wissenschaft, der andere zur Systematischen Theologie. Den innersten Kreis bildet die Religionspädagogik. Hier fragen drei Beiträge nach der Präsentierung des „Sternenwissens“ in Schulbüchern (für Religi- ons- bzw. Physikunterricht) sowie nach dem Sternenwissen der Heran- wachsenden (Schüler/innen) und der Lehrenden (Lehrer/innen). Zwei Bei- träge der beiden Herausgeber am Anfang und Ende des Buches unterneh- men den Versuch, die Palette an Perspektiven zu eröffnen und zu bündeln.

Gerhard Büttner zeigt, ausgehend vom Kinderlied „Weißt du, wieviel Stern- lein stehen“, wie eng das „Sternenwissen“ einer Gesellschaft mit dem jewei- ligen Bild von Welt und Gesellschaft verbunden ist. Der Blick nach oben er- möglicht also zugleich einen tiefen Einblick in die irdischen Verhältnisse ei- ner Epoche. Das allgemeinverständlich vermittelte Wissen über Sterne und Weltall generiert sich so in narrativer Form als große Himmelserzäh- lung(en). Als Fazit seiner Analyse plädiert der Autor auch im Blick auf den Schulunterricht dafür, die „Koexistenz verschiedener Erzählungen“ zu Ster-

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nen und Weltall, auch die „kleinen“ eigenen Erzählungen, zuzulassen und zu respektieren. Wobei jedoch zugleich zu reflektieren und deutlich zu ma- chen ist, dass der epistemologische Status von Narrativen unterschiedlicher Herkunft (z.B. aus Astronomie, Theologie oder Lebenswelt) durchaus Diffe- renzen aufweist.

Christian Theis zeigt in seinem Beitrag „Die Augen des Astronomen“, was

„man“ als Fachmann bzw. Wissenschaftlerin am „Himmel alles (nicht) sehen kann“. Das menschliche Auge weiß sich in der Neuzeit, vom „Teleskop“

ausgehend, zunehmend komplizierterer und effektiverer Hilfsmittel zu be- dienen, um die unsichtbaren Geheimnisse des Sternenhimmels für den Menschen beobachtbar und sichtbar zu machen, in Form neuer Detektoren oder in jüngster Zeit mit Hilfe des „numerischen Auges“, also des Compu- ters. Die beeindruckende Entwicklung und Ausweitung der Beobachtungs- möglichkeiten macht jedoch zugleich sowohl die Einseitigkeit als auch die prinzipielle Beschränkung der menschlichen Beobachtung deutlich. Zum einen erschließen physikalische Messinstrumente Bereiche, die für den Menschen nicht sichtbar bzw. generell nicht wahrnehmbar sind (etwa die kosmische Mikrowellenhintergrundstrahlung). Zum zweiten beginnt die menschliche Vorstellung (also das innere „Sehen“ und anschauliche Durch- dringen des Kosmos) angesichts der Größe, der möglichen Struktur und der postulierten Phänomene recht rasch zu streiken (Was ist, bitteschön, etwa ein „Schwarzes Loch“?). Zum dritten aber zeigt sich – und dies ist der weit- reichendste Punkt –, dass Beobachtungen erst in Kombination mit einer Theorie einen Erkenntnisgewinn ergeben. So kann der Autor seinen Beitrag mit dem Hinweis schließen: „Was wir am Himmel sehen oder eben nicht se- hen, wird nicht zuletzt stark von unseren Vorstellungen über den Kosmos geprägt.“

Hans-Bernhard Petermann macht den spezifisch philosophischen Zugriff auf die Sternenwelt in Abgrenzung von Astronomie (u.a. „Faktenbeschreibung“, Form von „Naturgesetzen“), Astrologie (Lebensorientierung) und Theologie („Lob der göttlichen Schöpfung als Orientierung für menschliche Lebens-

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ordnung“) deutlich. Der Blick auf ein Bild in einem Buch für Kinder zeigt auf anschauliche Weise: Im „Greifen nach den Sternen ergreifen wir zugleich die Möglichkeiten wie auch die Grenzen unseres Greifens.“ Der Blick auf die Sterne eröffnet die Chance, so die philosophische Pointe, den Menschen zu begreifen und zu verstehen. „Anthropologie ist mithin die Pointe von Meta- physik.“ Das letzte Ziel hierbei aber ist, wie sich bereits in Kants „Kritik der praktischen Vernunft“ lernen lässt, ein pädagogisches: nämlich die Men- schen, vor allem die Heranwachsenden, „den Weg zur Weisheit“ finden zu lassen und sie damit „vor Irrwegen“ zu bewahren. Beim Blick zu den Ster- nen stolpern wir somit – heilsam! – über die Grundlagen unseres Lebens und Lernens.

Manfred L. Pirner befasst sich in seinem Beitrag unter dem ‚Titel „´Star Wars´ und andere kosmologische Wirklichkeiten“ mit den „kosmologisch dimensionierten Mythen und mythischen Erzählungen in der populären Kul- tur“, speziell in Filmen bzw. Filmserien, die in den letzten Jahrzehnten in den beiden Genres des Fantasy wie des Science Ficton (SF) eine enorme Publikumswirksamkeit entfalteten. Der Autor unterscheidet dabei drei Arten von Zugriffsweisen aufs Thema „Sterne“ bzw. „Kosmos“. Eine „mytholo- gisch-analogische Kosmologie“ (insbesondere in der Serie „Star Wars“) be- hält den Rahmen der traditionellen gesellschaftlichen Werte und Wertvor- stellungen der westlichen Welt, insbesondere der USA, bei (Kampf „Gut vs.

Böse“) und greift in der Bearbeitung des Themas auf Motive vergangener Zeiten und Vorstellungen zurück, während die „utopisch-progressive Kos- mologie“ (etwa in der Folge „Star Trek“) eine Zukunfts- und Gegenwelt mit enormen technischen, aber eben auch sozialen Weiterentwicklungen in humanem bzw. humanistischem Sinne entwirft. Gegenüber diesen beiden der „Unterhaltung“ (nicht in einem pejorativen, vielmehr durchaus wert- schätzenden Sinne) dienenden Genres vertritt eine in den letzten Jahren aufgekommene „eschatologisch-fundamentalistische Kosmologie“ (in „Left Behind“) missionarische Interessen in konservativ-fundamentalistischer Version. Alle drei Versionen aber – so die These des Autors – füllen das

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Vakuum, das die nachlassende kulturelle Prägekraft der „offiziellen“ christli- chen wie philosophischen Traditionen in der westlichen Welt entstehen ließ, und können so, im Bunde mit den naturwissenschaftlichen und technologi- schen Deutungsperspektiven, eine gesellschaftliche Wirkungs- und Präge- kraft entfalten. Weshalb sich, so das Resümee, eine verstärkte theologi- sche, pädagogische und religionspädagogische Beschäftigung „mit solchen Erzählungen“ lohnt.

Andreas Reinert gibt unter der Überschrift „Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde …“ einen Überblick über die alttestamentlichen Vorstellungen vom Kosmos und deren Entstehungsbedingungen und dann auch Weiterentwick- lungen nicht zuletzt unter den Einflüssen der Umwelt, insbesondere in der Zeit des Babylonischen Exils. Vehement wendet sich der Autor im An- schluss an Keel und Janowski gegen das auch in heutigen Schulbüchern noch allerorten und gleichsam „flächendeckend“ von der Grundschule bis zur gymnasialen Oberstufe verwendete, als bildliche Darstellung aber erst vor gut hundert Jahren aufgekommene „Käseglockenmodell“ zur Charakte- risierung und Veranschaulichung des alttestamentlichen Weltbildes, das damit zugleich als überholt und „naiv“ dargestellt wird. Die altorientalischen Weltbilder aber, so die einzig angemessene Betrachtungsweise, sind kei- neswegs „primitiv“, sie sind keine „Sehbilder“, vielmehr „Denkbilder“, auf- grund einer intensiven und tiefgründigen gedanklichen Auseinandersetzung mit der Welt resp. dem Kosmos. Dies natürlich noch keineswegs in neuzeit- lich-naturwissenschaftlichem Sinne, vielmehr „mythologisch“ und das heißt:

in Beziehung gesetzt zu einer symbolisch vermittelten Sinnwelt, die die ge- genwärtige, nicht die entstehende Welt transparent und verstehbar machen will. Natürlich sind diese Weltbilder an bestimmte Voraussetzungen ge- knüpft und gebunden – dies gilt jedoch mutatis mutandis auch für unser modernes, naturwissenschaftliches Weltbild, wie der Verfasser anhand ei- nes fiktiven und kreativen Rückblicks auf unser Weltbild „aus dem 28. Jahr- hundert“ anschaulich und klar zu machen versteht.

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Andreas Benk bringt in seinem Beitrag die Perspektive der Systematischen Theologie unter der programmatischen Überschrift „Schöpfungstheologie als politische Theologie“ ins Spiel. Die Entwicklung der Kosmosvorstellun- gen in biblisch-christlicher Tradition lässt sich zuerst als Entgrenzung des Weltbildes und schließlich als Abkehr von der Vorstellung des Kosmos als Schöpfung durch die neuzeitliche resp. gegenwärtige Physik verstehen. In Frage gestellt sind neben und mit dem Schöpfungsgedanken auch Vorstel- lungen vom Menschen als „Krone der Schöpfung“ oder von deren „Gutheit“.

Die Reaktionen neuerer und neuester schöpfungstheologischer Ansätze und Entwürfe kennzeichnet der Autor als wenig plausible „Immunisierungs- strategien“, gegen die er in der Tradition der „Negativen Theologie“ die „An- erkennung des prekären Status jeder Rede von Gott“ geltend macht. Als angemessenes neues „Selbstverständnis christlicher Theologie“ sieht der Autor das Verständnis der „Schöpfungstheologie als politische[r] Theologie“.

Diese versteht die Schöpfungstexte in prophetischer und jesuanischer Tra- dition als „Hoffnungstexte“ und bezieht sie auf die konkrete „politische und wirtschaftliche Situation der Gegenwart“, damit dann (so im Anschluss an eine Formulierung Strobels) „christliche Glaubenspraxis, in fragmentarischer Vorwegnahme der neuen Welt Gottes, Teil einer Bewegung werden [kann], die – entgegen allen Plausibilitäten – die Verhältnisse in Richtung Gerech- tigkeit verschiebt.“

Im innersten Kreis der unmittelbar religionsdidaktischen Beiträge bietet an erster Stelle Christian Höger unter Aufnahme neuester empirischer For- schungen aus dem angelsächsischen und deutschen Sprachraum einen Überblick zur Frage: „Was Kinder und Jugendliche vom Kosmos wissen und wie es sich wandeln kann“. Hinsichtlich der Konzepte von Heranwachsen- den im Blick sowohl auf die Erde (Bewegung, Form sowie Darstellungswei- sen) als auch die Gestirne (Formen, Größe, Entstehung) ist eine teilweise erstaunliche Palette an Vorstellungen festzustellen, die die Lehrerinnen und Lehrer kennen sollten, sonst droht das Reden von der Schöpfung „schnell über die Köpfe der Kinder und Jugendlichen hinwegzugehen“. Beispielswei-

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se hält sich die bei Kindern verbreitete Vorstellung vom „Urknall“ als eines

„Erdknalls“ vereinzelt bis weit hinein ins Jugendalter. Im letzten Teil seines Beitrags präsentiert der Autor u.a. auch auf dem Hintergrund eigener empi- rischer Forschungen sechs bei Heranwachsenden vorhandene Modi der Kosmosdeutung“, also der Zuordnung von theologischen und naturwissen- schaftlichen Perspektiven, und zeigt mögliche Veränderungen und Über- gänge zu anderen Deutungsmodi auf. Neben der erstaunlichen Pluralität des Kosmoswissens wie der Kosmosdeutungen lassen sich somit gewisse Entwicklungstrends feststellen.

Sara Haen untersucht unter der Überschrift „Kosmos und Weltbild in Schul- büchern“ anhand exemplarisch ausgewählter Beispiele, wie Schulbücher unterschiedlicher Klassenstufen einerseits für den Religions-, andererseits den Physikunterricht das Thema Gestirne bzw. Kosmos präsentieren, so- wohl in bildlichen als auch textlichen Darstellungen und in Aufgabenstellun- gen. Dabei analysiert die Autorin nicht nur problematische Tendenzen, wenn etwa Grundschülerinnen und Grundschüler Begriffe wie „Endlichkeit“,

„Raum“ oder „Zeit“ „aus der Sicht der Wissenschaft“ definieren sollen, son- dern auch gelungene Versionen, etwa in der Aufforderung eines Physik- buchs für die beiden letzten Klassen der Sekundarstufe I, die bekannte Stel- le vom Stillstand der Sonne aus Jos 10 einmal mit der Perspektive eines heliozentrischen Weltbildes in Einklang zu bringen. Den Abschluss des Bei- trags bilden in einer verschränkten Doppel-Perspektive thesenartig formu- lierte Anforderungen an die Gestaltung von Religionsbüchern aus der Sicht der Astrophysik resp. von Physikbüchern aus der Sicht der Religionspäda- gogik, die die Autorin im unmittelbaren dialogischen Austausch mit einem Astronomen/Astrophysiker entwickelte.

Auf dem Hintergrund der in der Religions- wie insbesondere der Mathema- tikdidaktik empirisch belegten Tatsache, dass sich die grundlegenden Vor- stellungen der Lehrenden vom eigenen Fach in fundamentaler Weise auf den Unterricht und das Lernen in der Schulklasse auswirken, geht Oliver Reis in seinem Beitrag dem Thema nach: „Religionslehrende und ihre Kon-

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zepte von ´Schöpfung´“. Der Autor berichtet über die Ergebnisse einer eige- nen empirischen Untersuchung unter Lehramtsstudierenden, wobei er das Schöpfungsverständnis zusätzlich in die – umfassendere – Weltbildfrage einbettet und zudem seine Ergebnisse in Beziehung setzt zu empirischen Daten zu Weltbild- und Schöpfungseinstellungen unter Jugendlichen. Auffäl- ligerweise unterscheiden sich die grundlegenden Optionen in der Weltbild- frage bei den Studierenden nur teilweise und graduell, nicht aber wesentlich oder prinzipiell von denen bei Jugendlichen, was den Schluss zulässt, dass das Lehramtsstudium nicht zur „Formatierung der Weltbildstrukturen“ führt.

Auch im Blick auf Schöpfungskonzepte zeigen nur jeweils etwa ein Drittel der Studierendengruppe ein – religionsdidaktisch eigentlich erwünschtes – ausgeprägtes hermeneutisches Schöpfungsverständnis resp. komplementä- res Zuordnungsverhältnis von Schöpfung und Evolution. In der Konsequenz plädiert der Autor dafür, im Studium eine „Kultur der Mehrperspektivität“ zu fördern, die aber zugleich den Blick auf die Heranwachsenden in pluraler Weise öffnen und zudem selbstreflexiv „die eigenen Konstrukte erreichen muss“.

Im abschließenden Beitrag zeigt Veit-Jakobus Dieterich unter der Über- schrift „Die Gestirne als identity- und boundary-marker“ anhand eines

“Blicks“ auf die Sterne die Möglichkeiten eines mehrperspektivischen, spe- ziell eines dreifach gegliederten bzw. dreidimensionalen Wirklichkeitzu- gangs auf. Denn gleichsam paradigmatisch stellen Sterne zum einen Ele- mente der uns umgebenden äußeren Welt und Wirklichkeit dar. Sie sind aber zweitens wie der gesamte Kosmos nur mittels unseres Denkens wirk- lich zu verstehen und dann auch mit unserer gesamten Gedanken-, Lebens- und Kommunikationswelt in Beziehung zu setzen. Drittens aber eröffnen sie die Perspektive eines religiösen Zugangs, der nach der Ermöglichung und den grundlegenden Möglichkeiten unserer Welt wie der Wirklichkeit insge- samt fragt. Der Blick auf die Sterne weist dabei sowohl auf die klare Tren- nung der drei Blickrichtungen als auch auf deren Schnittpunkte und damit ihre wechselseitigen Beziehungen und Übergänge hin. Zur Klärung des ei-

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genen Weltbildes und Schöpfungsverständnisses wie zur weiterführenden unterrichtlichen Behandlung wäre es deshalb sinnvoll und nötig, in alters- bzw. entwicklungsgemäßer Weise die jeweiligen unterschiedlichen Perspek- tiven, unter denen Aussagen getroffen werden, bewusst zu machen und zu reflektieren sowie nach Möglichkeiten ihrer Zuordnung zu suchen, die sich dann über schlichte komplementäre Verhältnisbestimmungen hinaus selbst wiederum nur in pluraler, aber keinesfalls beliebiger, vielmehr (selbst-)reflexiv zu durchdringender und zu entwickelnder Weise eröffnen.

Literatur

Ransmayr, Christoph (2012), Atlas eines ängstlichen Mannes, Fischer-Verlag, Frankfurt a.M., 4. Auflage

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Gerhard Büttner

„Weißt du, wieviel Sternlein stehen?“ –

eine Kosmologie (nicht nur) für Religionslehrer/innen

Der Blick auf den gestirnten Nachthimmel ist ein Faszinosum. Dies gilt wohl selbst dann, wenn der „Lichtsmog“ in unseren beleuchteten Regionen den Eindruck mindert im Vergleich zu solchen Erfahrungen in lichtarmen Ge- genden. Der Blick zum Himmel löst offenbar immer Empfindungen in zwei Richtungen aus: Irgendwie möchte man schon genauer wissen, was sich

„da draußen im All“ abspielt; doch gleichzeitig horchen wir in uns hinein, was das „mit uns macht“. Wir wissen, dass eine seriöse Naturwissenschaft durch Beobachtungen, Berechnungen und Hypothesenbildungen uns in regelmä- ßigen Abständen Neuigkeiten anbietet. Mal geht es um Himmelskörper, die in ihrer vagabundierenden Reise die Erde treffen könnten oder sogar tref- fen, mal um die Entdeckung von solchen, die der Erde so sehr ähneln, dass man darüber nachdenkt, ob dort Leben in einer uns ähnlichen Weise mög- lich sein könnte. Dann stellt sich die Frage, ob es auf unseren benachbarten Planeten oder auf dem Mond Wasser geben könnte oder wenigstens in der Vergangenheit gegeben hat. Und – zu allerletzt – hören wir von Präzisie- rungen und Modifikationen einer Modellvorstellung von einem „Urknall“ und von der seither geschehenden Ausdehnung des Weltalls.

Müssen wir das alles wissen und verstehen, wenn wir heutige Schüler/innen unterrichten wollen? Die Frage ist nicht so leicht zu beantworten. Man ist geneigt, das Wissen an die entsprechenden Fächer Physik oder Geografie zu delegieren. Dies gälte dann, wenn unser Nichtwissen in diesem Bereich egal wäre: man muss nichts wissen über die Details der Insektenkunde, der mongolischen Geschichte oder die Sprachen aller Kleinstvölker. Doch ganz offensichtlich gibt es in allen Gesellschaften einen expliziten Zusammen- hang zwischen dem, was Menschen am Himmel beobachten und der Art

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und Weise, wie sie bestimmte Prozesse und Zusammenhänge auf der Erde beurteilen. An dieser Stelle seien nur zwei Beispiele genannt:

Der römische Philosoph Cicero schildert den Traum des Scipio, in welchem er den Lauf der Himmelskörper verbindet mit einer „Sphärenmusik“, die ih- rerseits der Stimmung unserer Instrumente entspricht (Übers. Büchner 1976: 9):

„Als ich dies voll Staunen betrachtete, sagte ich, während ich mich faßte:

'Was ist hier? Was ist dieser so gewaltige und süße Ton, der meine Ohren erfüllt?' 'Das ist jener Ton, der, verbunden in ungleichen, aber doch in be- stimmtem Verhältnis sinnvoll abgeteilten Zwischenräumen, durch Schwung und Bewegung der Kreise selber bewirkt wird und, das Hohe mit dem Tiefen mischend, verschiedene Harmonien ausgeglichen bewirkt; denn so gewalti- ge Bewegungen können nicht in Stille angetrieben werden, und die Natur bringt es mit sich, daß das Äußerste auf der einen Seite tief, auf der ande- ren Seite hoch tönt. Daher bewegt sich jene höchste sternentragende Bahn des Himmels, deren Umdrehung schneller ist, mit einem hohen und aufge- regten Ton, die des Mondes aber und unterste mit dem tiefsten. Denn die Erde als neunte und unbeweglich bleibend hängt immer an einem Sitz, die Mitte des Weltalls einnehmend. Jene acht Bahnen aber, von denen zwei dieselbe Kraft besitzen, bewirken sieben durch Zwischenräume unterschie- dene Töne, eine Zahl, die der Knoten fast aller Dinge ist; das haben gelehr- te Männer mit Saiten und Stimmen nachgeahmt und haben sich damit die Rückkehr zu diesem Ort erschlossen, wie andere, die mit überragender Geisteskraft im menschlichen Leben göttliche Studien gepflegt haben.'“

Ein bekanntes Beispiel liegt in Bert Brechts Deutung der Galileo- Geschichte. Er schildert, wie das einfache Volk aus der Tatsache, dass sich nach der Erkenntnis Galileos die Planeten nicht um die Erde, sondern um die Sonne drehen, den Schluss zieht, dass auch die anderen überkomme- nen Ordnungen in Frage zu stellen sind (Brecht 1963: 97):

„Ihr, die auf Erden lebt in Ach und Weh

Auf, sammelt eure schwachen Lebensgeister

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Und lernt vom guten Doktor Galule Des Friedensglückes großes ABC.

Gehorsam war des Menschen Kreuz von je!

Wer wär nicht auch mal gern sein eigner Herr und Meister?“

Von daher erklärt es sich, warum es ein wichtiges und lohnendes Bildungs- ziel ist, den Mechanismen nachzuspüren, die die Rezeption des Himmels- wissens ausmachen. Es geht demnach darum, etwas von dem zu wissen, was man am Himmel sehen kann (durchaus auch mit Hilfsmitteln), was man daraus schließen kann und was man auch − zumindest derzeit −, noch nicht wissen kann. Mindestens ebenso wichtig ist es aber wahrzunehmen, was Menschen mit dem Wissen, das ihnen gerade zugänglich ist, machen. D.h.

dann, dass angehende Lehrer/innen auf drei Ebenen Bescheid wissen soll- ten:

Was ein gebildeter Laie über Sonne, Mond und Sterne wissen sollte, um adäquat auf die Schülerfragen reagieren zu können.

Auf welch vielfache Weise Menschen ihre Himmelsbeobachtungen auf die Deutung ihrer eigenen Lebenswelt bezogen haben.

Welche Verarbeitungsmechanismen Menschen anwenden, um die unterschiedlichen Informationen zu verbinden bzw. neben einander stehen zu lassen.

Die ersten beiden Punkte werden in eigenen Beiträgen ausführlich verhan- delt, so dass ich mich vor allem auf den dritten Punkt konzentrieren werde.

Ich präsentiere dazu drei inhaltliche Zugänge und werde in einem vierten Schritt dann systematisch darüber nachdenken, wie die „großen und kleinen Erzählungen“ vom Himmel entstehen und welche Funktion sie für Einzelne, Gruppen oder ganze Gesellschaften haben können.

1. Weißt du, wieviel Sternlein stehen ...

Der titelgebende Text stammt aus einem Kinderlied, das sich als „Wiegen- lied“ auch noch in heutigen Sammlungen und im Evangelischen Gesang- buch (511) findet.

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Weißt du, wieviel Sternlein stehen an dem blauen Himmelszelt?

Weißt du, wieviel Wolken gehen weithin über alle Welt?

Gott, der Herr, hat sie gezählet, daß ihm auch nicht eines fehlet, an der ganzen großen Zahl, an der ganzen großen Zahl.

Weißt du, wieviel Mücklein spielen in der hellen Sonnenglut

wieviel Fischlein auch sich kühlen in der hellen Wasserflut?

Gott, der Herr, rief sie mit Namen, daß sie all' ins Leben kamen, daß sie nun so fröhlich sind, daß sie nun so fröhlich sind.

Weißt du, wieviel Kinder schlafen, heute Nacht im Bettelein?

Weißt du, wieviel Träume kommen zu den müden Kinderlein?

Gott, der Herr, hat sie gezählet, daß ihm auch nicht eines fehlet, kennt auch dich und hat dich lieb, kennt auch dich und hat dich lieb.

Weißt du, wieviel Kinder frühe stehn aus ihrem Bettlein auf, daß sie ohne Sorg und Mühe fröhlich sind im Tageslauf?

Gott im Himmel hat an allen seine Lust, sein Wohlgefallen,

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Kennt auch dich und hat dich lieb.

Kennt auch dich und hat dich lieb.“

Der Pfarrer und Liederdichter Johann Wilhelm Hey verfasste im Vormärz dieses bekannte Kinderlied (Elschenbroich 1972). Wir begegnen hier einer Providentia-Theologie, wie wir sie am ausgeprägtesten bei dem Barockdich- ter Paul Gerhardt finden. Weil Gott das Geschehen am Himmel und in der Natur so wohl geordnet hat, deshalb kann auch das Kind erwarten, dass es selbst Teil dieser wohlbedachten und wohlbewachten Gotteswelt ist. Wir be- gegnen auch hier der Konstellation, dass das Geschehen am Himmel seine Entsprechung findet auf der Erde. Wilhelm Hey steht mit seiner Argumenta- tion in einer prominenten Tradition.

Einige Jahre zuvor hatte Immanuel Kant am Ende seiner „Kritik der prakti- schen Vernunft“ in seinem „Beschluss“ die berühmt gewordenen Worte for- muliert:

„Zwei Dinge erfüllen das Gemüt mit immer neuer und zunehmender Bewun- derung und Ehrfurcht, je öfter und anhaltender sich das Nachdenken damit beschäftigt: Der bestirnte Himmel über mir, und das moralische Gesetz in mir. Beide darf ich nicht als in Dunkelheiten verhüllt, oder im Über- schwenglichen, außer meinem Gesichtskreise, suchen und bloß vermuten;

ich sehe sie vor mir und verknüpfe sie unmittelbar mit dem Bewußtsein mei- ner Existenz. Das erste fängt von dem Platze an, den ich in der äußern Sin- nenwelt einnehme, und erweitert die Verknüpfung, darin ich stehe, ins un- absehlich-Große mit Welten über Welten und Systemen von Systemen, überdem noch in grenzenlose Zeiten ihrer periodischen Bewegung, deren Anfang und Fortdauer.“

Kant erfährt seine Existenz unter dem „bestirnten Himmel“ als Evidenzerfah- rung. Sie ist so gewiss, dass er auf sie – wie auf die Erfahrung eines inne- ren Sittengesetzes – seine Moralphilosophie aufbaut.

Diese Figur findet sich dann auch ihn ähnlicher Weise bei Martin Luthers Auslegung des ersten Glaubensartikels im Kleinen Katechismus. Zur For- mulierung „Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer

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des Himmels und der Erde“ und der Frage „Was ist das?“ schreibt Luther (1991: 145):

„Ich glaube, dass mich Gott geschaffen hat samt allen Kreaturen, mir Leib und Seele, Augen, Ohren und alle Glieder, Vernunft und alle Sinne gegeben hat und noch erhält; dazu Kleider und Schuh, Essen und Trinken, Haus und Hof, Weib und Kind, Acker, Vieh und alle Güter, mit allem, was Not tut für Leib und Leben, mich reichlich und täglich versorgt, in allen Gefahren be- schirmt und vor allem Übel behütet und bewahrt, und das alles aus lauter väterlicher, göttlicher Güte und Barmherzigkeit, ohn’ all mein Verdienst und Würdigkeit, für all das ich ihm zu danken und zu loben und dafür zu dienen und zu gehorsam zu sein schuldig bin. Das ist gewisslich wahr.“

Interessant ist, dass auch Luther den Schöpfer des Himmels und der Erde, d.h. die kosmische Dimension der Welt, festmacht an der persönlichen Er- fahrung, dass Gott mich geschaffen hat. Eine solche Schöpfungstheologie ist offensichtlich weniger daran interessiert, die Details des Himmels und seine Entstehung zu dechiffrieren, ihr geht es vielmehr um die Vergewisse- rung einer guten Ordnung, die die großen Dinge des Kosmos ebenso um- fasst wie die kleinen des täglichen Lebens.

2. Die astrologische Dimension

Auch die astrologische Sicht der Welt hat in einem Lied Ausdruck gefunden.

Im Hippie-Musical „Hair“ wird der Beginn des Wassermann-Zeitalters be- sungen:

„Wenn der Mond im 7. Hause steht und Jupiter auf Mars zugeht

herrscht Frieden unter den Planeten lenkt Liebe ihre Bahn

Genau ab dann regiert die Erde der Wassermann regiert sie der Wassermann

der Wassermann, der Wassermann!

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Harmonie und Recht und Klarheit Sympathie und Licht und Wahrheit niemand will die Freiheit knebeln niemand mehr den Geist umnebeln Mystik wird uns Einsicht schenken

und der Mensch lernt wieder Denken dank dem Wassermann Wenn Saturn mit Venus tanzen geht

und Orion sein Licht andreht

herrscht Frieden unter den Planeten lenkt Liebe ihre Bahn.“

Ob die beschriebene Sternenkonstellation in ihren Details allen astrologi- schen Ansprüchen entspricht, wird hier nicht weiter verhandelt. Auf jeden Fall findet hier eine Sichtweise Ausdruck, die von einer Entsprechung zwi- schen bestimmten Vorgängen am Himmel mit denen hier auf Erden aus- geht. Dieses Entsprechungsgeschehen trägt zahlreiche, sehr unterschiedli- che Züge. Zunächst fällt auf, dass sich bis heute für die Planeten unseres Sonnensystems die Namen der olympischen bzw. vorolympischen römi- schen Gottheiten durchgesetzt haben. Dieser Tradition blieb man auch treu, als man 1930 am äußeren Ende unseres Sonnensystems einen Kleinplane- ten entdeckte und diesen nach dem römischen Unterweltgott Pluto nannte, bis man ihm 2006 den Planetenstatus wieder aberkannte. Wir wissen von dem griechisch-römischen Zwillingspaar Kastor und Pollux, das seinen Platz am Himmel im Sternbild des Zwillings gefunden hat (Ley 1997: 675). In sä- kularisierter Form finden wir diesen Vorgang noch in dem Versprechen ei- nes Schlagertextes, der Geliebten einen Stern mit ihrem Namen zu schen- ken.

Nun gilt Astrologie heutzutage als Pseudowissenschaft, zumal die traditio- nellen Zuschreibungen der Himmelskörper den heutigen astronomischen Modellen nicht mehr entsprechen. Eine christliche Sicht der Dinge erscheint ebenfalls unvereinbar mit einem astrologischen Modell des Zusammen- hangs von Sternenkonstellation und menschlichem Schicksal. Es gehört

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inzwischen zum religionsunterrichtlichen Gemeinwissens, dass der priester- schriftliche Schöpfungshymnus (Gen 1) die Himmelskörper gerade nicht als Gottheiten, sondern als Gottes Geschöpfe ansieht. Eine eigenständige Macht können sie damit nicht haben. Dennoch können sie aber, so die Mei- nung etwa der Magier Mt 1 und auch späterer christlicher Astrologen, Indi- katoren für Gottes Willen und Absichten sein.

So spricht viel dafür, dass die besondere Planetenkonstellation von Jupiter und Saturn mit Stillstand und extremer Annäherung im Herbst des Jahres 7 v. Chr. ihren Niederschlag in der Geburtslegende des MtEv gefunden hat (Ferrari d'Occhieppo 2003: 166).

Auch war mit Philipp Melanchthon ein prominenter Theologe der Reformati- on ein überzeugter Vertreter der Astrologie. Offiziell wurde zu dieser Zeit Astrologie zwar kritisch gesehen, dennoch verzichteten weder geistliche noch weltliche Herrscher auf die Unterstützung von Astrologen. Melan- chthons Position und die seiner Wittenberger Mitarbeiter wird hier deshalb genauer dargestellt, weil sie sich gerade von ihrer astrologischen Argumen- tation her letztlich als Variante der oben skizzierten Providentia-Theologie erweist.

Claudia Brosseder beschreibt die Überlegungen Melanchthons und seines Kollegen Caspar Peucer (2004: 170f):

„Fatum und heimarmene verweisen zunächst auf die Annahme, daß in der Natur eine Kausalität waltet, die man von der Bewegung der Sterne über die Veränderungen in der sublunaren Welt bis hinab zu den Menschen verfol- gen kann – eben bis dorthin, wo die Gelehrten die Grenze zogen: sei es bei den menschlichen Temperamenten, also bei dem Charakter und bei den Neigungen, oder sei es bei dem menschlichen Willen. […] Andere, nicht weniger wichtige Fragen schlossen sich hieran an. Wie gestaltet sich das Verhältnis dieser natürlichen Schicksalsordnung zur göttlichen Omnipotenz und zur Providenz? Kann Gott in seiner Allmacht nach seinem Gutdünken seine eigene Naturordnung aufheben, oder muß er sich an sie halten? In allen Fragen der natürlichen Kausalität, die an den Sternen abgelesen wer-

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den könnte, erinnerten sich die Wittenberger implizit an Luthers Streit mit Erasmus um den freien Willen.“

Wir sehen hier Wissenschaftler, die nicht wie Brechts Galilei suggeriert, in den astronomischen Beobachtungen „autonome Naturgesetze“ erkennen, sondern Manifestationen einer göttlichen Ordnung und ästhetischen Schön- heit, die ihre Fortsetzung in der menschlichen Lebenswelt hat. Dabei erweist sich die Annahme von Kausalitäten als Schlüssel. Die Frage lautet dann, wie Gott in diesen Kausalnexus eingebunden gedacht wird und wieviel Frei- heit dem Menschen bleibt. Dabei stellt sich diese Frage auch dann, wenn man den Gestirnkonstellationen eine wie immer gedachte Wirkung oder Be- deutung zuschreibt.

3. „Hoch im All“

Die bisherigen Ausführungen machten deutlich, dass Beobachtungen am Himmel implizit oder explizit als Aufforderungen empfunden werden, diese im weitesten Sinne religiös zu konnotieren. Dabei spielen gewiss anthropo- logische Grundmuster, wie etwa die Oben-unten-Unterscheidung eine Rolle.

Doch machte bereits Brechts Galilei-Interpretation deutlich, dass das zu- nehmende Verstehen der Geschehnisse im All auch ein Anlass sein kann, sich von jeglicher religiösen Deutung zu verabschieden. Obgleich davon nichts explizit verlautet, klingt dies in dem folgenden Kosmonautenlied aus der DDR an (Schneider & Hugo 1978: 12f):

„Hoch im All, nah den Sternen,

fliegen sie in blaue Fernen, Freunde hier,

Freunde da,

sagen ja zum Leben, ja – oben im All

wie überall.

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Hoch ins All gehn die Reisen.

Erdenball, laß dich umkreisen, durch die Nacht,

durch das Licht!

Fantasie und Zuversicht – Freunde im All,

oben im All.

Erde, Erde, Erde,

hoch vom Himmel fern und klein, Erde, Erde, Erde,

immer wirst du nahe sein.

Fliegen, fliegen, fliegen, Abenteuer Weltenraum, fliegen, fliegen, fliegen,

wahr ist nun ein Menschentraum. […]

Aus dem All kommen Grüße in das Tal,

an Wald und Flüsse, in das Land

an den Freund,

Himmelsbrüder ziehn vereint oben im All,

oben im All, hoch im All ...“

Sucht man nach der Botschaft dieses aussagearmen Lieds, dann geht es um eine Glorifizierung der Weltraumfahrt. Anlass war wohl der zeitgleich stattfindende Flug des DDR-Kosmonauten Sigmund Jähn in einer russi- schen Kapsel zur Weltraumstation Saljut 6. Dies wird verbunden mit positi- ven Begriffen wie Freundschaft und Abenteuer einerseits, dem Rückverweis auf die „kleine“ Erde andererseits. Die wissenschaftliche Erforschung des

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Weltalls, verbunden mit moderner Technik, wird zum Wert für sich, weil sie eine Verbesserung des Lebens hier auf der Erde verspricht.

Wir erkennen hier ein Dilemma des wissenschaftlichen Zugriffs auf die Er- forschung des Weltraums. Die Daten und Fakten sind höchst kompliziert und eignen sich eigentlich nicht ohne weiteres für ein großes Publikum.

Doch gerade in ihrer Absicht, sich von den religiös aufgeladenen Narrativen zu befreien, sehen sich die Protagonisten einer Weltraumwissenschaft ge- zwungen, eigene „Erzählungen“ zu kreieren. Dies geschieht – neben der beeindruckenden Ästhetik der Bilder – vor allem durch die im Lied ange- sprochenen Themen: Abenteuer und gesellschaftlicher Fortschritt. Dabei muss der Fortschrittsglaube in seiner sozialistisch-kommunistischen Varian- te sich einerseits antireligiös äußern, dies jedoch mit allen Attributen eines neuen Mythos. Dies wird besonders deutlich in einem Textauszug von Alfred Kosing aus dem programmatischen Buch „Weltall – Erde – Mensch“, das über lange Zeit allen DDR-Jugendlichen zur Jugendweihe überreicht wurde (Kosing 1973: 13):

„Weltall – Erde – Mensch: Wieviel interessante Gedanken, wieviel aufre- gende Fragen verbinden sich mit diesen drei Worten! Auf unserer Erde voll- ziehen sich in der Gegenwart gewaltige soziale Veränderungen, vor unse- ren Augen verändert die Weltkarte ihr Gesicht; unwahrscheinliche wissen- schaftliche und technische Fortschritte werden in immer rascherer Folge erzielt und beeinflussen unsere Arbeits- und Lebensweise; mit dem Flug des ersten Kosmonauten Juri Gagarin und den folgenden russischen Welt- raumschiffen hat die wissenschaftliche Erschließung und praktische Erobe- rung des Weltalls begonnen.

Das aber wird alles von dem höchsten Entwicklungsprodukt der Materie, vom Menschen, vollbracht! Das alles ist das Werk des Menschen der mo- dernen Epoche, der seine unermeßlichen Schöpferkräfte immer mehr entfal- tet und dadurch in steigendem Maße zum Beherrscher der Naturkräfte und zum bewußten Gestalter der Menschheitsgeschichte wird. […] Der Sozia- lismus ermöglicht wie keine andere Gesellschaftsordnung die Entwicklung

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von Wissenschaft und Technik im Dienste der Menschheit – und umgekehrt verlangt der Aufbau des Sozialismus und des Kommunismus einen gewalti- gen Aufschwung der Natur- und Gesellschaftswissenschaften, um die mate- riell-technische Basis der neuen Gesellschaft zu errichten.“

Der Text macht deutlich, dass die „Eroberung des Weltraums“ quasi der Beweisort für die Überlegenheit der marxistisch-materialistischen Sichtweise der Welt ist. Der momentane „Vorsprung“ der UdSSR vor den USA in der Weltraumfahrt ist das eine, das andere die Tatsache, dass diese Auseinan- dersetzung am „Himmel“ stattfindet, dem traditionell der Religion reservier- ten Ort.

Wir sehen aber auch an dem Text von Kosing, dass es um die Etablierung bzw. Ausschmückung einer großen Erzählung geht, der „Heilsgeschich- te“ vom Sieg des Sozialismus.

Die Frage, die sich stellt, ist nun die, ob die ebenfalls säkulare, aber ideolo- gisch weniger aufgeladene westliche Wissenschaft ihre Narrative beschei- dener formuliert. Ich ziehe dazu ein Werk von Stephen Hawkings heran, dem als Physiker zugetraut wird, die verschiedenen physikalischen Teiltheo- rien in einer Synthese zu verbinden, und dessen Bücher dem gebildeten Laien zumindest teilweise zugänglich sind. Ich versuche im Folgenden, die Argumentationslinie Hawkings zu skizzieren (Hawking & Mlodinow 2011).

Er arbeitet mit folgender Realitätsdefinition (42): „Es gibt keinen abbild- oder theorieunabhängigen Realitätsbegriff. Stattdessen werden wir uns eine Auf- fassung zu eigen machen, die wir modellabhängigen Realismus nennen wollen: Die Vorstellung, dass eine physikalische Theorie oder ein Weltbild ein (meist mathematisches) Modell ist und einen Satz Regeln besitzt, die die Elemente des Modells mit den Beobachtungen verbinden.“ Dabei ist ein Modell dann gut (50), „wenn es:

1. elegant ist,

2. nur wenige willkürliche oder solche Elemente enthält, die sich gezielt anpassen lassen,

3. mit den vorhandenen Beobachtungen übereinstimmt und sie erklärt,

(32)

4. detaillierte Vorhersagen über zukünftige Beobachtungen macht, die das Modell widerlegen oder falsifizieren können, wenn sie sich nicht bewahrheiten.“

Im Hinblick auf die von Newtons Physik beschreibbare Welt ermöglicht es die Rekonstruktion von Kausalketten in Richtung Vergangenheit und Zu- kunft. Doch gilt dies nicht im Hinblick auf die Quantenwelt (81), wo dies nicht möglich ist, ja sogar „Beobachtungen, die man in der Gegenwart an einem System wahrnimmt, [sich] auf seine Vergangenheit auswirken kön- nen.“ Wenn man nun aber annimmt, dass sich der Anfang unseres Univer- sums als „Quantenereignis“ (135) darstellt, impliziert das auch (133), „dass es im sehr frühen Universum Zeit, wie wir sie kennen, noch nicht gab!“

Gerade eine Argumentation auf der Grundlage der bekannten Naturgesetze wird sich dann des Modellcharakters der Aussagen bewusst sein. Nicht zu- fällig spielt deshalb auch Hawking mit dem Begriff der „Erzählung“ (140).

Die Genese einer solchen sei am Beispiel des „Urknalls“ aufgezeigt (127):

„1927 schlug der Physikprofessor und römisch-katholische Priester Georges Lemaȋtre (1884-1966) […] vor: Wenn man die Geschichte des Universums in die Vergangenheit zurückverfolgt, dann wird es immer kleiner, bis man an einen Schöpfungspunkt gelangt – den wir heute Urknall nennen. […]

Der englische Begriff 'Big Bang' – eigentlich großer Knall – wurde 1945 von dem Astrophysiker Fred Hoyle geprägt […]. Hoyle glaubte an ein ewig ex- pandierendes Universum und hatte den Begriff eigentlich spöttisch- abwehrend gemeint. Erst 1965 gab es die erste direkte, diese These stüt- zende Beobachtung – die Entdeckung, dass es überall im All einen schwa- chen Mikrowellenhintergrund gibt.“

4. Himmelserzählungen

Wir sind geneigt, zumindest die Ausführungen im letzten Abschnitt gat- tungsmäßig eher als „Berichte“ zu lesen und von eher literarisch konnotier- ten „Erzählungen“ zu unterscheiden. Doch geht die kulturwissenschaftliche Diskussion immer mehr dahin, die narrative Struktur von Wissen überall zu

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entdecken. Ausdrücklich „große“ und „kleine“ Erzählungen unterscheidet etwa der Theoretiker der Postmoderne Jean-François Lyotard (1987: 32ff).

Er sieht vor allem die Moderne geprägt von großen Geschichtsentwürfen, wie sie sich etwa in der Zukunftseuphorie der Weltraumbegeisterung nie- derschlugen. Doch in der Postmoderne wird die universelle Gültigkeit sol- cher großen Narrative zunehmend fraglich und man wird gewahr, dass zahl- reiche konkurrierende Erzählungen im Raum stehen, die sich z.T. wider- sprechen, sich z.T. ergänzen oder aber gar nicht tangieren. Dazu tritt die Erkenntnis, dass sich Einzelne oder kleine Gruppen eigene Narrative zu- sammenspinnen, die dann auch kaum mehr von einem allgemeinen Stand- punkt her kritisierbar sind („Ich schenke Dir einen Stern!“).

Doch wenn dem so ist, dann ist es sinnvoll und möglich, das bisher Gesagte unter der Frage seiner erzählerischen Struktur und seines narrativen Ge- halts in den Blick zu nehmen. Ich knüpfe dazu an den letzten Abschnitt an.

Andreas Reinert hat es unternommen, in einem Unterrichtstext eine fiktive Betrachtung unseres kosmologischen Wissens rückblickend aus der Per- spektive des Jahres 2800 zu verfassen (2013, 53):

„Die Menschen hatten im Laufe des 21. Jahrhunderts ein einheitliches, all- gemeingültiges Weltbild aufgegeben. Die allzu starren und in ihrem Horizont begrenzten der ersten beiden vor- und nachchristlichen Jahrtausende wa- ren ihnen fraglich geworden. Obwohl sie in jener Zeit lediglich Kenntnis hat- ten von etwa 4% der Materie des Universums – die sog. „Teleskope“ der Menschen im 20. Jahrhundert waren damals von sehr bescheidener Quali- tät –, entwickelten sie Hypothesen, die unverhältnismäßig, ja unverhältnis- mäßig weit angelegt waren und aus heutiger Sicht hybrid genannt zu wer- den verdienen.“

Andreas Reinert macht hier einen wichtigen Schritt. Er unterläuft kritisch ei- ne Sichtweise, die sich unreflektiert in der Moderne breit gemacht hat. Ge- meinhin gilt uns das, was der aktuelle Stand der Naturwissenschaft bietet, als „wahr“ und damit alle früheren Deutemodelle als antiquiert und „unwahr“.

Vergleicht man dies mit dem philosophischen Wissen, wird der Unterschied

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sofort sichtbar. Kein Mensch käme auf die Idee, die Entwürfe Wittgensteins oder Heideggers als wahrer zu bezeichnen als die von Platon und Aristote- les, nur weil die ersteren neuer sind. Reinerts Zugriff gibt den naturwissen- schaftlichen Deutungen ihrer jeweiligen Zeit ihre eigene Dignität und befreit sie aus der bloßen Wahr-falsch-Unterscheidung. Dann wird auch deutlich, dass sich das Verständnis dieser Deutungskonstruktionen als Narrative er- schließt.

Was bestimmt nun die Struktur eines Narrativs? Nimmt man die Überwälti- gungserfahrung beim Blick auf die Himmelskörper oder stellt man in Rech- nung, dass es bei dem kosmischen Geschehen um das Wirken aller physi- kalischen Kräfte geht, dann könnte man eine passivische evolutionäre Per- spektive erwarten: Dinge geschehen und wir stehen dem als mehr oder we- niger staunende Rezipienten gegenüber. Gregory Currie und Jon Jureidini (2004) weisen nun aber auf die Tendenz hin, Erzählungen mit einem Hand- lungsträger zu versehen. Dieser „agent“ kann dabei durchaus auch auf

„magische“ Mechanismen zurückgreifen, um der Handlung die Suggestion eines inneren Zusammenhanges zu vermitteln. Albrecht Koschorke streicht dies heraus (2012: 80):

„Currie und Jureidini bezeichnen die menschliche Neigung, Akteure mit übernatürlicher Handlungsmacht auszustatten, um auf diese Weise kausale Beziehungen zu unverstandenen Phänomenen herzustellen, als 'over- coherent thinking'.“

Obwohl dieses over-coherent thinking nur schwer kompatibel ist mit natur- wissenschaftlichem Denken (so Currie / Jureidini 2004: 413), so schaffen es die „großen Erzählungen“ offenbar doch recht gut, dessen Ergebnisse in einen eher mythischen Gesamtzusammenhang zu integrieren. Machen wir die Probe aufs Exempel: Im Fall 1 ist Gott der Handlungsträger dieses Nar- rativs. Er schafft die Welt einschließlich der Himmelskörper und der Men- schen und findet– wie es Paul Gerhardt ausdrückt –, weil er Wolken, Luft und Winden Wege Lauf und Bahn gibt, auch jeweils Wege, die der Mensch gehen kann. Im zweiten Fall muss man Gott nur durch die Gestirne selbst

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ersetzen. Sie lügen nicht, wie die Astrologie verspricht. Sie konstellieren un- ser Schicksal und sind damit die Handelnden in der großen Welterzählung.

Aber auch Fall 3, das große Fortschrittsnarrativ, verzichtet nicht auf einen Handlungsträger. Diesmal ist es der Mensch, als Gattungswesen im Sinne von Feuerbach und Marx, der in einer kolonialistischen Manier, „das All“ er- obert. Interessanterweise folgt aber auch die vierte Variante den Einsichten von Currie und Jureidini: Betrachtet man das Konzept der Naturgesetze, so sieht man, dass auch diese im Kontext eines Narrativs gewissermaßen per- sonifiziert werden. Sie „machen“, dass sich bestimmte Phänomene ereig- nen. Kinder gebrauchen oft dann, wenn sie die religiöse Diktion vermeiden wollen, das Wort „Mutter Natur“. Beim genauen Hinsehen trägt das Reden von „den Naturgesetzen“ im Kontext der Alltagsrede viele Züge dieser Per- sonifikation. Die Tatsache, dass sich auch die naturwissenschaftlichen Er- kenntnisse tendenziell narrativer Darstellungsformen bedienen, könnte das Missverständnis nähren, sie hätten denselben Wirklichkeitsstatus wie die anderen Narrative. Das stimmt so natürlich nicht. Die Ergebnisse der Astro- nomie und der Astrophysik können durchaus beanspruchen, dass sie wis- senschaftlich korrekt sind und damit ein angemessenes Bild der „Reali- tät“ geben, wenngleich mit Modifikationen in Details gerechnet werden muss. Andererseits bleibt auch den Wissenschaftler/innen – sobald sie die Ebene der mathematischen Formeln verlassen – nur der Weg zu einer me- taphorischen Sprache, um ihre Modellannahmen kommunizieren zu kön- nen. Dies kann auch der Laie immer dort erkennen, wo hochkomplexe Vor- gänge in Anschaulichkeit suggerierende Begriffe gefasst werden, wie dies etwa bei den „Schwarzen Löchern“ geschieht.

5. Die Koexistenz verschiedener Erzählungen

Ist das Nebeneinander dieser verschiedenen Erzählungen sinnvoll? Es gibt ja allenthalben Versuche, nur eine Sichtweise gelten zu lassen, weil nur sie durch „die Wissenschaft“ abgedeckt sei. Lassen wir – wie in diesem Beitrag

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– mehrere Erzählungen zu, dann müssen wir in irgendeiner Weise die Be- ziehung dieser verschiedenen Entwürfe zueinander klären.

Albrecht Koschorke formuliert zunächst einmal gute Gründe dafür, mehrere Deutungsmodelle zuzulassen, nicht zuletzt, weil es ihm um den Gehalt ge- rade auch der „veralteten“ Erzählungen geht (2012: 253):

„Die Masse des durch Erzählungen aufbereiteten Wissens ist so unüber- schaubar und das stabilisierende Geflecht ihrer internen Querverweise so dicht, dass sie zu einem eigenständigen, von außen kaum steuerbaren Gravitationssystem werden können. Insofern trägt es erheblich zum Behar- rungsvermögen einmal gebräuchlich gewordener Erzählweisen bei, dass ohne deren synthetisierende Kraft große Wissensresourcen verwaisen, weil sie mit ihrer Struktur und Rahmung zugleich ihre soziale Verortung einbü- ßen.“

Das Aufbewahren von älteren Überlieferungen ist auch deshalb wichtig, weil

„das ältere Wissen nicht in toto veraltet, sondern ein immer wieder zu durch- forstendes Reservoir von alternativen Denkformen darstellt“ (Ebd.: 284).

Koschorke macht nun aber auch deutlich, dass die Narrative in ihrem epis- temologischen Status nicht alle gleichwertig sind. Er erläutert dies am Ne- beneinander von Evolutionstheorie und Kreationismus und bringt mit Kosel- leck 'das Vetorecht der Quellen' ins Spiel. Ohne Referentialität kann sich auf Dauer keine Erzählung halten (Ebd.: 337f).

Doch bezogen auf meine „Beispielerzählungen“ ergeben sich ja explizit ver- schiedene Referenzen, schon durch die unterschiedlichen „Agenten“. Es wird sich hier also nur bedingt eine wirkliche Hierarchie erstellen lassen.

Was heißt das dann für die Stellung dieser Erzählungen zueinander?

Amerikanische Kognitionspsycholog/innen haben untersucht, wie Menschen natürliche und übernatürliche Deutungen bestimmter Phänomene miteinan- der in Einklang bringen. Dies umfasst in gewisser Weise auch unsere Fra- gestellung, wo ja auch Ergebnisse der Astronomie und Astrophysik neben solche der Religion gestellt werden. Sie formulieren ein interessantes Resul- tat (Legare u.a. 2012: 780, Übers. GB):

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„Wir schlagen vor, das Verstehen der Koexistenz natürlicher und übernatür- licher Erklärungen als eine grundsätzliche Entwicklungsaufgabe anzusehen.

Damit werden allgemeine Fragen der Wissensaneignung, der Sozialisation und zum Zusammenspiel von Erkenntnis und Kultur thematisiert. Wir zeigen anhand von Forschungen, dass die Koexistenz von natürlichen und überna- türlichen Erklärungen kein kurzlebiges Übergangsphänomen ist, das im Laufe der Entwicklung verschwindet, sondern dieses Koexistenzdenken ist ebenso offensichtlich und weit verbreitet bei Erwachsenen.“

Anschließend wird gezeigt, dass sich diese These bestätigt im Hinblick auf die postmortale Existenz (Grab/Himmel), bei der Deutung von AIDS (Anste- ckung/Hexerei) und dem Ursprung der Menschen (Evolution/Schöpfung) (Ebd.: 783). Von daher dürfte auch hierzulande bei Kindern und Erwachse- nen im Hinblick auf die Deutung von Himmelsphänomenen mehrere Inter- pretationsansätze neben einander koexistieren. In der religionspädagogi- schen Diskussion wurde in diesem Zusammenhang der Gedanke stark ge- macht, naturwissenschaftliche und religiöse Deutungsversuche in einem Verhältnis der Komplementarität zu perspektivieren (Oser / Reich 2000).

Demnach wird mit zunehmendem Alter immer besser begriffen, in welchem Status die verschiedenen Interpretationsansätze zueinander stehen. Dabei zeigte diese Studie auch, dass ein anspruchsvolles Verständnis der ver- schiedenen Zugänge eher einem kleineren Teil der Probanden zugänglich war. In der Weiterführung der zitierten Studien ist demnach eher von einer Koexistenz mehrerer – eher fragmentarischer – Narrative im Kopf der ein- zelnen Menschen auszugehen (in dieser Richtung Reis i.d. Bd.). Es ist dann kurz zu skizzieren, was dies im Zusammenhang unseres Themas heißen kann.

6. Pädagogische Konsequenzen

Was sollten Lehrer/innen wissen, was Schüler/innen? Eine der Erkenntnisse meiner Argumentation liegt darin, dass es wohl auch, wenngleich eher we- niger, auf ein bestimmtes Faktenwissen ankommt, primär aber doch auf

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epistemologische Sensibilität. Was kann das heißen? Auffällig ist, dass sich viele Menschen in dem beschriebenen Bereich sehr wohl in einem der ge- nannten Narrative bewegen können. Schwierig wird es, wenn man nach- fragt. Die Narrative zeigen sich meist eher als Fragment. In der Sprache der Schüler/innen geschieht dies oft durch das Appendix „irgendwie“. Für Lehr- personen heißt das:

Man sollte in Unterrichtskommunikationen immer wissen, in welchem Narra- tiv man sich gerade befindet. Dazu sollte man sich über die Grundaussagen jedes Erzählplots in etwa im Klaren sein. Wenn Gott die Welt erschaffen hat:

Stelle ich mir dies als einmaligen Akt vor, als dauerhafte Begleitung, was heißt das heute – für mich? Oder ist diese Frage für mich – die Menschheit usw. nicht von Bedeutung? Handelt Gott innerhalb oder außerhalb der Na- turgesetze? Was bedeutet das jeweils?

Im Hinblick auf das astronomische Narrativ: Was weiß ich, bzw. was kann ich verstehen? Wo sind die Grenzen meines Verstehens? Welches Min- destwissen sollte ich haben zu unserem Planetensystem, zur Konstellation Erde – Sonne – Mond? Was weiß ich über Sternbilder, die Milchstraße und astronomische Phänomene wie „Schwarze Löcher“ etc?

Ist es eher sinnvoll, die Narrative streng getrennt zu denken, oder lassen sich Brücken finden? Wie müssten diese aussehen?

Wichtig ist es, die Grenzen jeder dieser Erzählungen im Gedächtnis zu ha- ben. Es ist immer besser, das eigene Nichtwissen festzuhalten als unsicher zu lavieren und dann etwa von einem ins andere Narrativ zu springen.

Es lohnt sich, die eigene „kleine Erzählung“ zum Kosmos aufzuschreiben – wohl wissend, dass es sich hier um „meine Erzählung“ handelt, die ich dann auch als subjektiven Entwurf mit anderen kommunizieren kann.

Und was heißt das für die Schüler/innen? Vermutlich dasselbe wie für die Lehrkräfte. Jeder sollte möglichst viel darüber wissen, was er oder sie weiß, was man noch wissen könnte und was nicht. Das Sprechen über die Gren- zen der Erkenntnis schärft das epistemologische Bewusstsein und bewahrt vor falschen Synthesen. Wenn man dies weiß, dann veralten auch Verse

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wie die von den Sternlein, die Gott gezählt hat, nicht. Denn sie gehören in ein anderes Narrativ als die „weißen Zwerge“ und die „Supernovas“, die am astronomischen Himmel gesehen werden können.

7. Literatur

Brosseder, Claudia (2004), Im Bann der Sterne. Caspar Peucer, Philipp Melanchthon und andere Wittenberger Astrologen, Berlin.

Büchner, Karl (1976), Somnium Scipionis. Quellen, Gestalt, Sinn, Wiesbaden.

Currie, Gregory / Jureidini, Jon (2004), Narrative and Coherence, in: Mind & Language 19, 409-427.

Elschenbroich, Adalbert (1972), Hey, Wilhelm, in: Neue Deutsche Biographie (NDB), Band 9, Berlin, 62f.

Hawking, Stephen W. / Mlodinow, Leonard (2010), Der große Entwurf – eine neue Erklä- rung des Universums, Reinbek.

Ferrari d'Occhieppo, Konradin (2003), Der Stern von Bethlehem, 4. Auflage, Gießen.

Kant, Immanuel (1977): Werke in zwölf Bänden. Band 7, Frankfurt/M.

Koschorke, Albrecht (2012), Wahrheit und Erfindung. Grundzüge einer Allgemeinen Er- zähltheorie, Frankfurt/M.

Kosing, Alfred (1973), Wie sehen wir unsere Welt? In: Weltall – Erde – Mensch, 13. Auf- lage, Berlin, 13-24.

Legare, Cristine / Evans, E. / Rosengren, Karl. S. / Harris, Paul L. (2012), Coexistence of Supernatural Explanations Across Cultures and Development, in: Child Development 83, 779-793.

Ley, Anne, Diokuroi (1997), Der Neue Pauly Band 3, 674-677.

Luther, Martin (1991), Luther Deutsch, Band 6, hg. von Kurt Aland, Göttingen.

Lyotard, Jean-François (1987), Postmoderne für Kinder, Wien.

Oser, Fritz / Reich, K. Helmut (2000), Wie Kinder und Jugendliche gegensätzliche Erklä- rungen miteinander verbinden, in: G. Büttner & V.-J. Dieterich (Hg.), Die religiöse Entwicklung des Menschen, Stuttgart, 216-225.

Reinert, Andreas (2013), Himmel und Weltbild. Merkmale der altorientalischen Weltbilder und unser heutiges Weltbild, in: entwurf H.1, 46-53.

Schneider, Dieter (Text) & Hugo, Klaus (Melodie) (1978), Hoch im All, in: Hoch im All – nah den Sternen, Berlin, 12f.

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Christian Theis

Die Augen der Astronomen –

Was man am Himmel alles (nicht) sehen kann

1. Einleitung

Wie kaum eine andere Wissenschaft ist die Astronomie vom Bild, also von der Sichtbarmachung ihrer Forschungsgegenstände abhängig. Letzteres gilt umso mehr als Experimente in der Regel nur in einem sehr beschränkten Umfang möglich sind, auch wenn „numerische Experimente“ in Form von Computersimulationen in den letzten Dekaden ein weites Tor aufgestoßen haben und sicher weiteres Entwicklungspotenzial besitzen. Bei all diesen Studien handelt es sich aber letztlich um bestenfalls sorgfältig durchgeführte theoretische Analysen auf der Basis angenommener und meist gut begrün- deter physikalischer Gesetze, die zudem noch durch den „handwerkli- chen“ Filter der Umsetzung auf dem Computer gehen müssen. Wie schwie- rig das konkret sein kann, zeigen die über die letzten Jahre langsam, aber stetig verbesserten Prognosen der Meteorologie – einem Feld, das vergli- chen mit den extremen Bedingungen im Weltraum, eigentlich „einfach“ sein sollte, da man die zugrunde liegenden physikalischen Gesetzmäßigkeiten als im Prinzip bekannt voraussetzen kann.

Umso wichtiger war und ist daher für die Astronomie die Beobachtung selbst. Dabei stellt sich aber die Frage, was wir eigentlich wirklich sehen.

Diese Frage können wir nur beantworten, wenn wir verstehen, wie wir se- hen und wie wir das Gesehene interpretieren. Erschwert wird Letzteres i.d.R. durch zwei besondere Randbedingungen, nämlich dass wir den Kos- mos nur aus einer ganz spezifischen Perspektive1 – der Position unseres Sonnensystems im All – und zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt bzw.

1 Lediglich unser Sonnensystem können Raumsonden derzeit bereisen. Damit lassen sich Plane- ten wie Mars oder Merkur aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten, aber bereits die Reise zu den sonnennächsten Sternen würde – mit aktueller Technik – länger als 100 000 Jahre dauern.

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während einer astronomisch meist sehr kurzen Zeitspanne beobachten können. Zeugen von Veränderungen im All werden wir jenseits unseres Sonnensystems nur selten2. Daher sammeln Astronomen im Wesentlichen eigentlich nur Schnappschüsse des Universums und müssen aus der Viel- zahl der Bilder ihre Schlüsse über die kosmischen Objekte und deren Ver- bindungen ziehen. Die Situation ist einem hypothetischen Außerirdischen ähnlich, der auf einem fremden Planeten eine Stunde lang ein paar Fotos an einem zufällig gewählten Ort machen könnte und daraus die biologi- schen und soziologischen Eigenschaften der Bewohner ermitteln sollte (und das sogar für den Fall, dass er gar keine Bewohner direkt gesehen hat). Er- schwert wird die Situation für die Astronomen noch dadurch, dass das Ab- gebildete stets ein Blick in die Vergangenheit ist, genauer gesagt in ver- schiedene Zeitepochen, je nachdem wie weit die einzelnen Lichtquellen von uns entfernt sind. Um in unserem Bild des außerirdischen Besuchers zu bleiben, würde dieser auf einem einzigen Bild durchaus Dinosaurier, Mam- muts und Neandertaler sowie moderne Menschen nebeneinander vorfinden können.

Im Folgenden gehe ich auf die Beobachtungswerkzeuge der Astronomen ein und stelle die damit verbundenen Schlüsse exemplarisch dar. Um dies astronomisch besser einbinden zu können, stelle ich unsere astronomische (galaktische) Nachbarschaft kurz vor, um die „Akteure“ bzw. astronomischen Objekte kennenzulernen, die wir letztlich beobachten.

2 Im Sonnensystem sind uns astronomische Veränderungen des weitgehend unveränderlichen Himmels durchaus vertraut, etwa wenn man an die Phasen des Mondes oder die Bewegung der nahen Planeten denkt. Darüber hinaus wurde der Himmel aber lange Zeit für unveränderlich gehal- ten („Fixsterne“), so dass das Auftauchen eines neuen Sterns wie z.B. die vom dänischen Astro- nomen Tycho Brahe beobachtete Supernova 1572 nicht mit dem damaligen Weltbild in Einklang war. Auch heute sind Astronomen noch fasziniert, wenn sie den Ablauf kosmischer Prozesse wäh- rend ihrer eigenen Lebens- oder Forscherspanne beobachten können. Besonders beeindruckend sind Sternexplosionen am Ende eines „Sternenlebens“ (Supernovae) oder aber die Bewegung der Sterne ums Zentrum der Milchstraße. Beides ist allerdings dem Blick mit bloßem Auge verborgen.

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