Referent/in: Madeleine Dornhofer
Expertenstandard
Dekubitusprophylaxe
Wissen für Pflegefachkräfte
• Definition
• Pathophysiologie
• Kategorien – Gradeinteilung
• Differentialdiagnosen
• Gefährdete Körperstellen
• Pflegerische Ziele
• Risikofaktoren und Risikoeinschätzung
• Maßnahmen zur Dekubitusprophylaxe
• Information und Beratung
Inhaltsübersicht
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Auch genannt Liegegeschwür, Druckliegegeschwür, Wundliegen, Druckgeschwür oder Dekubitalulcus:
„Ein Dekubitus ist eine lokal begrenzte Schädigung der Haut und/oder des darunter liegenden Gewebes,
typischerweise über knöchernen Vorsprüngen infolge von Druck oder von Druck in Verbindung mit Scherkräften. Es gibt eine Reihe weiterer Faktoren, welche tatsächlich oder mutmaßlich assoziiert sind, deren Bedeutung ist aber noch zu klären.“
(DNQP 2017, S. 16) Definition in Anlehnung an die internationale Definition der NPUAP/EPUAP (National Pressure Ulcer Advisory Panel and European Pressure Ulcer Advisory Panel)
Definition: Dekubitus
Wie entsteht ein Dekubitus? – Pathophysiologie
KATEGORIEN – GRADEINTEILUNGEN
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Dekubitus Kategorie I/ Stadium I:
Nicht wegdrückbare Rötung
• Intakte Haut mit nicht wegdrückbarer Rötung eines lokalen Bereichs
• Gewöhnlich über einem knöchernen Vorsprung
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Dekubitus Kategorie II/Stadium II:
Teilverlust der Haut
• Teilzerstörung der Haut (bis zur Dermis)
• Flaches, offenes Ulcus mit rotem Wundbett, ohne Beläge
• Kann sich auch als intakte oder offene Blase darstellen
Dekubitus Kategorie III/Stadium III:
Vollständiger Hautverlust
• Vollständiger Hautverlust
• Beläge können vorhanden sein, die aber nicht die Tiefe des
Gewebeverlustes verdecken
• Fett kann sichtbar sein,
aber Knochen, Sehne oder Muskel liegen nicht offen
• Taschenbildung möglich
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Dekubitus Kategorie IV/Stadium IV:
Vollständiger Haut- und Gewebeverlust
• Totaler Gewebeverlust mit freiliegenden Knochen, Muskeln oder Sehnen
• Taschenbildungen können vorliegen
• Ulcera der Kategorie können sich in Muskeln und unter-
stützenden Strukturen ausbreiten und Osteomyelitis verursachen
• Offenliegende Knochen und Sehnen sind sichtbar
Keiner Kategorie/keinem Stadium zuordenbar:
Tiefe unbekannt
• Vollständiger Gewebeverlust
• Basis des Ulcus von Belägen und/
oder Schorf im Wundbett bedeckt
• Bis genügend Beläge entfernt sind, kann die wirkliche Tiefe und daher die Kategorie/das
Stadium nicht festgelegt werden.
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Vermutete tiefe Gewebeschädigung:
Tiefe unbekannt
• Livid oder rötlichbraun, lokalisierter Bereich von verfärbter, intakter Haut oder blutgefüllter Blase
• Schädigung des darunterliegenden Weichgewebes durch Druck
und/oder Scherkräfte
• Mykose: Pilzerkrankung von Haut und/oder Schleimhaut
• Dermatitis/Ekzem: entzündliche Hautveränderungen
• Intertrigo: Hautwolf/Wundsein, Hautschichten reiben aufeinander
• Ulcus cruris: Geschwür am Unterschenkel
(wegen Erkrankungen, die die Nährstoffversorgung beeinträchtigen)
• Hautmazeration (Hautaufweichung, z. B. bei Inkontinenz)
• Allergie
Abgrenzung zu anderen Hautschäden
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Welche Körperstellen sind am häufigsten betroffen?
Gefährdete Körperstellen für Druckgeschwüre
Gefährdete Körperstellen
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• Jeder dekubitusgefährdete Person erhält eine Prophylaxe, die die Entstehung eines Dekubitus verhindert.
• Übergreifendes Ziel ist die Verhinderung eines Dekubitus, dabei stehen Interventionen im Vordergrund, die zur
Druckentlastung und Druckverteilung beitragen. Der Bewegungsförderung wird dabei ein besonderer
Stellenwert beigemessen.
Pflegerische Ziele der Dekubitusprophylaxe 1
• Das Auftreten eines Dekubitus kann durch
pflegefachliches Handeln weitgehend verhindert werden.
• Jeder dekubitusgefährdete Pflegeempfänger erhält eine Prophylaxe, die die Entstehung eines Dekubitus
verhindert.
• In manchen Fällen werden jedoch andere pflegerische oder medizinische Prioritäten gesetzt. Selten liegen Gründe für das Auftreten eines Dekubitus beim
Gesundheitszustand des Pflegeempfängers.
Pflegerische Ziele der Dekubitusprophylaxe 2
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Initiales Assessment/Screening:
Überprüfung, ob durch Immobilität Hinweis auf verlängerte Einwirkung von Druck und/oder Scherkräften vorliegt oder bereits ein Dekubitus besteht.
Bei Vorliegen einer dieser beiden Merkmale des initialen Assessments erfolgt ein umfassendes Assessment.
Zweistufige Risikoeinschätzung 1:
Zweistufige Risikoeinschätzung
Initiales Assessment
Kein bekannter Risikofaktor
Druckkräfte Scherkräfte
Ausführliches Assessment Ein Merkmal
vorhanden
Vorhandener Dekubitus
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Umfassendes Assessment beinhaltet:
• Mobilitätsbeeinträchtigungen/Immobilität
• Einschätzung extrinsisch bedingter Einflussfaktor
• Beeinträchtigter Hautzustand/vorliegender Dekubitus
• Durchblutungsstörungen
• Verminderte sensorische Wahrnehmung
• Allgemeiner Gesundheitszustand/Begleiterkrankungen/
Diabetes mellitus
• Beeinträchtigter Ernährungszustand
• Erhöhte Hautfeuchtigkeit
Zweistufige Risikoeinschätzung 2:
• Erhöhte oder verlängerte Einwirkung von Druck und Scherkräften
• Scherkräfte entstehen, wenn verschiedene
Hautschichten gegeneinander verschoben werden.
• Z. B., wenn eine Person im Bett oder im Sessel herunterrutscht oder beim Drehen,
Ziehen oder Lagern der Person.
Mobilitätsbeeinträchtigung/Immobilität
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Einschätzung extrinsisch bedingter Einflussfaktoren
• Auf die Körperoberfläche einwirkende Katheter, Sonden oder im Bett/auf dem Stuhl befindliche Gegenstände
• Nasale Tuben
• Zu fest oder schlecht sitzende Schienen oder Verbände, Bein- oder Armprothesen
• Unzureichend druckverteilende Hilfsmittel für die Lagerung
• Länger andauernde Operationen ohne geeignete Lagerung
Weitere extrinsisch bedingte Einflussfaktoren
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Beeinträchtigter Hautzustand/
vorliegender Dekubitus
Um einen Dekubitus in der Kategorie 1 zu erkennen, eignet sich der Fingertest nach Phillips.
Vorgehen:
• Mit dem Finger in die gerötete Hautregion drücken.
• Wenn sich die Haut in diesem Bereich weiß färbt, handelt es sich vermutlich nicht um einen Dekubitus der
Kategorie 1.
• Wenn eine Rötung bestehen bleibt, dann liegt ein Dekubitus der Kategorie 1 vor.
Video: Fingertest
Video http://seniorenwerk.de/data/
CMM_Contents/videos/Akademie/
NES_Dekubitus_1.wmv
RISIKOFAKTOREN
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Erkrankungen, die die Durchblutung beeinträchtigen, z. B.:
• Diabetes mellitus
• Arteriosklerose
• Exsikkose
• Herz-Kreislauf-Erkrankungen
Risiko: Durchblutungsstörungen
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Risikofaktor reduzierte Schmerzwahrnehmung:
Schmerzreize, die bei Gesunden zur aktiven
Lageveränderung führen, werden nicht wahrgenommen, bei
• Erkrankungen, die die Schmerzwahrnehmung
beeinträchtigen, wie neurologische Erkrankungen,
Schlaganfall, Multiple Sklerose, Sensibilitätsstörungen (Polyneuropathie),
• beeinträchtigter Funktionen der Wahrnehmung im Alter,
• psychiatrischen Erkrankungen.
Risiko: Verminderte sensorische Wahrnehmung
ERHÖHTE DEKUBITUSGEFAHR IMMER BEI SCHMERZMEDIKAMENTEN UND BEI
SCHLAF- UND BERUHIGUNGSMITTELN
(PSYCHOPHARMAKA)
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Faktoren, die die Mobilität und Aktivität beeinträchtigen:
• Antriebslosigkeit bei Depressionen
• Teilw. Angststörungen
• Schwäche
• Bettlägerigkeit
• Diabetes mellitus als Erkrankung, die die Durchblutung und die Nährstoffsituation der Zellen beeinträchtigt
Risiko: Allgemeiner Gesundheitszustand
Erhöhtes Dekubitusrisiko immer bei körpernahen Fixierungen!
Aber auch bei anderen freiheitseinschränkenden
Maßnahmen, wenn z. B. Personen unter der Begrenzung leiden.
Dies kann sich negativ auf die Stimmung, den Antrieb und den Lebenswillen auswirken
und zu Depressionen führen.
Risiko: Freiheitsentziehende Maßnahmen
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• Gewicht (adipös oder kachektisch)
• Zusammenhang zwischen schlechtem
Ernährungszustand und Dekubitusentstehung
Risiko: Beeinträchtigter Ernährungszustand
Reduzierte Widerstandsfähigkeit der Haut z. B. durch:
• Aufgeweichte Haut bei Inkontinenz
• Infektionen
• Schwitzen bei Fieber
• Mangelnde Körperhygiene
Risiko: Erhöhte Hautfeuchtigkeit
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• Förderung der Eigenbewegung
• Interventionen zur Druckentlastung gefährdeter Körperstellen
• Vermeidung von Scherkräften
• Verwendung von Hilfsmitteln
• Hautpflege
• Ernährung
Maßnahmen zur Dekubitusprophylaxe
• Ermutigung und Anleitung oder Begleitung bei
Bewegungen im Rahmen der täglichen Aktivitäten
• Anleitung und Unterstützung des Transfers in eine andere Körperposition
• Transfer von dekubitus- gefährdeten Personen in eine sitzende Position
Förderung der Eigenbewegung
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Interventionen zur Druckentlastung gefährdeter Körperstellen 1
Bei fehlender Eigenbewegung:
Druckentlastung auf Basis eines individuellen Bewegungsförderungsplans durch haut- und gewebeschonende Bewegung des Betroffenen und die vollständige Druckentlastung der
identifizierten gefährdeten Körperstellen
Interventionen zur Druckentlastung gefährdeter Körperstellen 2
• Bewegungsintervall individuell festlegen und
Bewegungsförderungsplan (Lagerungsplan) erstellen.
Eigenständige Bewegung wird einer passiven Lagerung immer vorgezogen!
• Unterstützung des Positions- wechsels, bzw. völlige
Übernahme der Durchführung
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Interventionen zur Druckentlastung gefährdeter Körperstellen 3
• Freilagerung der gefährdeten Körperstellen, wenn regelmäßige Druckentlastung durch körperliche, psychische oder kognitive Voraussetzung des Betroffenen nicht gegeben ist
• Kontinuierliche Hautkontrolle täglich bei der Körperpflege
• Bei Rötungen Fingertest durchführen
• Überprüfung von Zu- und Ableitungen, Schienen,
Verbände (als extrinsisch wirkende Einflussfaktoren), regelmäßiger Wechsel deren Position
• Heben statt Ziehen betroffener Personen
• Anwendung von kinästhetischen Methoden
• Nutzung von geeigneten Hilfsmitteln zum scherkräftearmen Transfer
Vermeidung von Scherkräften
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• Hilfsmittel verwenden, die eine breite Auflagefläche bieten und gleichzeitig eine effektive Freilagerung der gefährdeten Stelle gewährleisten, um verstärkte Druck und Scherkraft an anderer Stelle zu vermeiden.
• Einrichtungen sind verpflichtet, bei unzureichender Druckentlastung unverzüglich druckverteilende und druckentlastende Hilfsmittel bereit zu stellen und einzusetzen.
• Druckverteilende bzw. -entlastende Hilfsmittel
Verwendung von Hilfsmitteln
Eher druckverteilend:
• Großzellige dynamische Matratzen,
Komfortlagerungssystem, Mikrostimulationssysteme
• Viskoelastische Schaumstoffauflagen oder -matratzen, Würfelmatratzen
• Sitzsack, Sitzkissen
Druckverteilende bzw. -entlastende Hilfsmittel I
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Auch an einigen Körperstellen druckentlastend:
• Wechseldruckmatratzen
• Luftstrommatratzen
• Spezialbetten (Glaskugelbett)
Druckverteilende bzw. -entlastende Hilfsmittel II
Abbildungen mit freundlicher Genehmigung der ArjoHuntleigh GmbH
• Hautpflege:
− PH-neutrale (PH 5,5 – 6) Produkte
− Waschemulsionen mit klarem Wasser abwaschen
− Applikation von Produkten, die die Hautbarriere schützen
• Die Haut vor Nässe und Austrocknung schützen:
− Nicht häufiger als nötig waschen
− Keine Allergene verwenden (Duftstoffe)
− Poren nicht abdichten
• Bei jeder Inkontinenzversorgung Haut reinigen/trocknen
Hautbeobachtung bei der Körperpflege
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• Eiweiß- und vitaminreiche Ernährung als Prophylaxe
• Ausreichende Flüssigkeitszufuhr (ca. 1,5 Liter und zusätzlich 0,75 Liter durch Nahrungszufuhr)
• Ggf. Durchführung eines Ernährungsscreenings bei vorliegendem Dekubitusrisiko
• Einleitung von nahrungs- ergänzenden Maßnahmen bei Mangelernährung
Ernährung
Beratung und Anleitung von Betroffenen/Angehörigen
• Über Risiken und erforderliche Maßnahmen informieren
• Maßnahme muss das Ziel verfolgen, Betroffene und
Angehörige zu befähigen, eine zielgerichtete, individuelle und zeitgemäß ausgerichtete Dekubitusprophylaxe
durchzuführen
• Bei Planung der Bewegungsförderung, Lagerung und Hilfsmitteleinsatz einbeziehen
• Bereithalten von Schulungs- und Informationsmaterial (Informationsbroschüren)
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Geeignete Informationsweitergabe bezüglich Hautzustand, Risiken, Prophylaxen und ggf. Wundtherapie
(Überleitungsmanagement, Verlegungsbericht)
Bei Verlegung beachten
• Kontrolle des Hautzustandes in individuell festgelegten Zeitintervallen, bei jedem Positionswechsel und bei einer Verschlechterung des Allgemeinzustandes
• Wiederholung der Dekubitusrisikoeinschätzung
• Anpassung der Maßnahmen bei Veränderung des Risikos
• Erkennen unerwünschter Wirkungen der eingeleiteten Maßnahmen (z. B. Schmerzen)
• Überprüfung der Intaktheit der verwendeten Hilfsmittel
• Ggf. Durchführung einer dokumentierten Fallbesprechung
Effektivität der prophylaktischen Maßnahmen
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