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Eile mit Weile in der Agrarpolitik? | Die Volkswirtschaft - Plattform für Wirtschaftspolitik

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Wirtschaftspolitische Stellungnahmen

45 Die VolkswirtschaftDas Magazin für Wirtschaftspolitik 9-2006

Eile mit Weile in der Agrarpolitik?

Interne Gründe sprechen noch mehr als externe dafür, die AP 2011 zu nutzen, um die Wettbe- werbsfähigkeit der schweizeri- schen Agrarwirtschaft insgesamt zu stärken. «Time to market» ist eine wichtige Voraussetzung für den Erfolg im Markt. Die von verschiedenen Seiten verlangte Temporeduktion in der Agrarpoli- tik dürfte sich kontraproduktiv für die marktorientierten Land- wirte auswirken und gefährdet nötige Investitionen auf der Stufe Verarbeitung. Coop wird auch in Zukunft ein verlässlicher Partner der Schweizer Landwirtschaft sein. Wir wollen unseren Konsu- menten auch bei offeneren Gren- zen eine grosse Auswahl von Schweizer Produkten und Spezia- litäten anbieten. Dies ist aber nur möglich, wenn der Staat verläss- liche Rahmenbedingungen schafft. Deshalb setzt sich Coop mit Nachdruck für ein Agrarfrei- handelsabkommen mit der EU ein.

Auch wenn in der Doha-Runde der WTO kein Durchbruch erzielt werden konnte, ist zu erwarten, dass das heutige hohe Niveau des schweizerischen Agrarprotektionismus nicht gehalten werden kann. Scheitert der multina- tionale Weg über die WTO, so werden bilate- rale Abkommen mit der EU, aber auch mit anderen Handelspartnern, an Bedeutung ge- winnen. Dabei werden auch Zugeständnisse im Agrarbereich gemacht werden – ohne dass die schweizerische Land- und Lebensmittel- wirtschaft von zusätzlichen Exportchancen profitieren könnte. Dies bedeutet den schlei- chenden Verlust von Marktanteilen im Inland.

Die Erwartung von Zugeständnissen in den Bereichen Marktzutritt, Exportsubventionen und interne Stützung im Rahmen der WTO hat die Erarbeitung der AP 2011 stark beein- flusst. Fällt der unmittelbare Druck von dieser Seite weg, so ist die Versuchung gross, auf Zeit zu spielen.

Gründe für rasche und umfassende Marktöffnung

Aus Sicht des Detailhandels ist der wach- sende Einkaufstourismus der deutlichste Hin- weis, dass die Wettbewerbsfähigkeit sinkt und Marktanteile verloren gehen. Schweizerinnen und Schweizer haben 2005 für den Gegenwert von 2,1 Mrd. Franken Lebensmittel und Near- Food-Produkte im Ausland eingekauft. Im Zentrum stehen dabei Fleisch sowie Milch- produkte – ausgerechnet Produktkategorien, bei denen die Schweizer Konsumenten ange- ben, sehr bewusst auf Schweizer Herkunft zu achten.

Preisdifferenzen von gegen 50% bei Fleisch lassen sich aber nur zu einem kleinen Teil auf höhere Anforderungen im Bereich Tierhal- tung und Ökologie zurückführen. In der Fleischwirtschaft fallen die hohen Futtermit- telpreise ins Gewicht, die in der Schweinemast über 40% und in der Geflügelmast gar gegen 60% der gesamten Produktionskosten ausma- chen. Futtergetreide ist in der Schweiz bis zu dreimal teurer als in der EU. Coop fordert deshalb eine deutliche Reduktion der Zollzu- schläge auf Futtermittel als wichtigsten und kurzfristig wirksamen Hebel zur Verbesse- rung der Wettbewerbsfähigkeit. Höhere Kos- ten fallen zudem bei Gebäuden, Tierarznei- mitteln, Dünger und Maschinen an. Es ist zu

erwarten, dass die Zulassung von Parallelim- porten einen entscheidenden Beitrag zur Kostensenkung leisten wird.

Auch auf Stufe Handel und Verarbeitung fallen – trotz Strukturanpassung – höhere Kosten an, die sich durch weniger weit gehen- de Spezialisierung, tiefere Skaleneffekte und teilweise tiefe Auslastungsgrade erklären las- sen. Dazu kommen die negativen Auswirkun- gen der seit 2005 schrittweise und gegen den Willen der Branche eingeführten Versteige- rung von Zollkontingenten. Sie zeigen, dass ohne klare politische Rahmenbedingungen Investitionen in der Landwirtschaft und in der Verarbeitung gefährdet sind. Wir schätzen, dass dadurch in den nächsten Jahren Investi- tionen in der Lebensmittelverarbeitung von rund 300 Mio. Franken nicht getätigt werden.

Sie wären notwendig, um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu sein und den Absatz der landwirtschaftlichen Produktion zu sichern.

Coop spricht sich deshalb strikt gegen jede weitere Versteigerung von Zollkontingenten aus, weil labile Marktgleichgewichte gefährdet werden und der Verarbeitung zugunsten der Bundeskasse Gelder entzogen werden.

Leitbild für die Schweizer

Agrarwirtschaft konsequent umsetzen Coop steht überzeugt hinter dem Leitbild für die Schweizer Agrarwirtschaft, wie es die Beratende Kommission Landwirtschaft im Hinblick auf die AP 2011 erarbeitet hat. Das Leitbild entwirft das Bild einer innovativen, konsequent auf hohe Wertschöpfung ausge- richteten, offenen Agrarwirtschaft, welche die natürlichen Ressourcen nachhaltig nutzt und sich durch partnerschaftliche Zusammenar- beit und hohe Qualität auf allen Stufen aus- zeichnet. Die AP 2011 ist in vielen Teilen eine notwendige Voraussetzung für die Umsetzung des Leitbilds. Sie geht aber definitiv zu wenig weit; und es wurde versäumt, einen verbindli- chen Zeitplan für die geforderte Marktöff- nung aufzuzeigen. Österreich, das bei ver- gleichbaren natürlichen Voraussetzungen mit wertschöpfungsintensiven Produkten den Durchbruch auf dem europäischen Markt geschafft hat, zeigt die Chancen einer solchen

Marktöffnung auf.

Jörg Ackermann Stellvertretender Vorsitzender Geschäfts- leitung Coop, Präsident Verwaltungsrat der Bell AG, Basel

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