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Die WTO nach Doha

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Academic year: 2022

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von Pascal Lamy

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ie vierte Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO), die vom 9. bis 14. No- vember 2001 in Doha stattfand, war ein Erfolg. Das dort beschlossene Ver- handlungsprogramm für die nächs- ten drei Jahre stärkt das multilaterale Handelssystem, ebnet den Weg für eine umfassende Integration der Ent- wicklungsländer in die Weltwirtschaft und eröffnet die Chance auf ein bes- seres Gleichgewicht zwischen Markt- liberalisierung und -regulierung.

Mit der in Doha beschlossenen Aufnahme von China und Taiwan hat die WTO ihren Anspruch, ein welt- umspannendes System von Handels- regeln zu errichten, ein großes Stück weit umgesetzt. Die WTO umfasst jetzt 144 Mitglieder, die Mehrheit davon sind Entwicklungsländer.

Die Ergebnisse von Doha spiegeln sehr konkret die drei Hauptziele wider, mit denen die EU nach Doha gereist war:

– Marktöffnung: Die vereinbarten Verhandlungen zur Marktöffnung bei Waren und Dienstleistungen werden zu Wachstum und Beschäf- tigung beitragen. Bürokratieabbau und eine Verbesserung der Trans- parenz bei der Vergabe öffentlicher Aufträge werden den Unterneh- men ihre Aktivitäten auf interna-

tionalen Märkten erleichtern. Im Bereich Landwirtschaft wurde ein ausgewogener Kompromiss gefun- den, der Verhandlungen in allen Bereichen vorsieht, ohne deren Er- gebnis vorwegzunehmen, und der damit den Interessen aller WTO- Mitglieder Rechnung trägt.

– Gleichgewicht zwischen Liberali- sierung und Regulierung: Der re- gelgestützte Charakter der multi- lateralen Handelsordnung wurde durch den Beschluss gestärkt, über WTO-Abkommen zu Investitio- nen, Wettbewerb, Handelserleich- terung und zum öffentlichen Auf- tragswesen zu verhandeln. Die Ver- einbarung, Regeln für das Verhält- nis zwischen WTO-Vorschriften und multilateralen Umweltabkom- men auszuhandeln, wird zu mehr Kohärenz im internationalen Sys- tem beitragen. Begrüßenswert ist auch die Berücksichtigung „nicht handelsbezogener Anliegen“ in den Agrarverhandlungen. Etwas weni- ger positiv fällt die Bilanz im Be- reich der Kernarbeitsnormen aus:

in der Schlusserklärung fehlt die Anerkennung der Querverbindun- gen zwischen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und an- deren internationalen Organisatio- nen wie der WTO – zu groß waren die Befürchtungen einiger Ent- wicklungsländer, dies könne pro- tektionistischen Maßnahmen Tür und Tor öffnen. Die neue Dynamik

Die WTO nach Doha

Eine europäische Perspektive

S T A N D P U N K T E

1/2002 I N T E R N A T I O N A L E P O L I T I K 5 9

Pascal Lamy, Mitglied der Europäischen Kommission (Handel), Brüssel.

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in der ILO zur sozialen Dimension der Globalisierung bietet jedoch eine gute Grundlage zur Förderung der Einhaltung der Kernarbeits- normen sowie eine Einbeziehung der WTO.

– Einbeziehung der Entwicklungs- länder: Die Entwicklungsdimensi- on zieht sich wie ein roter Faden durch die Erklärung von Doha:

vom Marktzugang über Regelungs- vorschriften bis hin zu Sonder- bestimmungen über Entwicklung, technische Hilfe, „capacity-buil- ding“ und die besondere Berück- sichtigung der am wenigsten ent- wickelten Länder. Zudem kam ein Paket zustande, das sich der Schwie- rigkeiten einer Reihe von Entwick- lungsländern bei der Umsetzung der Ergebnisse der letzten Verhand- lungsrunde annimmt. Die Mitglie- der haben in einer politisch außer- ordentlich bedeutsamen Erklärung bestätigt, dass die internationalen Regeln über den Schutz geistigen Eigentums Maßnahmen der Ent- wicklungsländer zur Bekämpfung von Epidemien wie AIDS oder Ma- laria nicht entgegenstehen.

Wodurch wurden diese Ergebnisse möglich? Hier hat sicher die im Ver- gleich zu Seattle gründlichere Vor- bereitung eine Rolle gespielt: bevor Doha begann, waren etwa 80% der Wegstrecke bereits zurückgelegt – es fehlten also „nur“ noch 20% bis zum gesteckten Ziel. Die Zeit zwischen Se- attle und Doha war somit keineswegs verloren: die EU hatte sie vielmehr zu intensiver Zusammenarbeit mit allen Partnern, insbesondere mit den USA und den Entwicklungsländern, ge-

nutzt. Der Vorbereitungsprozess für Doha war – nach dem 11. September – sehr viel partizipativer ausgestaltet, als dies vor früheren Ministerkon- ferenzen der Fall gewesen war. In einer Reihe von Fragen hatte die EU sich um eine konstruktive Vermittlung zwischen den Vereinigten Staaten und den Entwicklungsländern bemüht.

Diese Investition hat sich in Doha ausgezahlt. Es wäre allerdings falsch, das Ergebnis von Doha auf eine al- truistische Haltung der EU oder ande- rer Industriestaaten zurückzuführen – entscheidend waren das Engage- ment und das Verhandlungsgeschick der Entwicklungsländer, die durch kompetente Verhandlungsführung und durch das Schmieden von Allian- zen dieses positive Ergebnis im Inte- resse aller WTO-Mitglieder erst er- möglicht haben.

Mit dem Abschluss von Doha sind die EU-Staaten somit einer zukunfts- weisenden und nachhaltigen Gestal- tung des Welthandelssystems ein gro- ßes Stück näher gekommen. In den nächsten drei Jahren gilt es, diese Chance zu nutzen – und zu beweisen, dass die EU ihre Zusagen, etwa im Be- reich technischer Hilfe für die Ent- wicklungsländer, auch tatsächlich einhalten kann und will. Denn bei aller Zufriedenheit über das gute Er- gebnis: Mit Doha stehen wir erst am Anfang der Verhandlungen.

Deren Ziel muss es sein, einen Bei- trag zu einer „Weltordnungspolitik“

zu leisten, die eine aktive Gestaltung der Globalisierung durch die Politik gewährleistet. Doha und die WTO sind nur ein, wenn auch ein unver- zichtbarer Stein in diesem Mosaik.

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