U
nter dem zunehmenden Druck steigender Arbeitsbelastung mit Gefährdung der ärztlichen Arbeitskultur sind zwei Fra- gen zu stellen:1. Können wir Hilfe von außen erwarten?
2. Können wir selbst etwas tun?
Die Antworten sind nein und ja.
Die eigene Erfahrung ist: Seit 1989 werden aus einem Teil des Pools (nach Einkommen gestaffelte Beitragshöhe) Ärztinnen und Ärzte im Praktikum (AiP) finanziert, die zum Teil nach dem Studium keine Anstellung finden konnten, zuletzt zwei Stellen. Dies als Erweiterung des vom Krankenhaus be- willigten ärztlichen Stellenplans.
In einem weiteren Schritt wurde beschlossen, durch Verzicht auf einen Teil der Dienstvergütung (mit entspre- chendem Freizeitausgleich) und ei- nem zusätzlichen Pool-Beitrag des lei- tenden Arztes einem AiP, dem Ar- beitslosigkeit droht, eine Assistenten- stelle in Teilzeitarbeit (50 Prozent) zunächst für ein Jahr anzubieten. Eine Assistenzärztin hat Teilzeitarbeit (75 Prozent) angeboten, um die 50 Pro- zent-Stelle auf 75 Prozent anzuheben.
Somit wurde der Stellenplan durch Teilverzicht auf Dienstvergütung, Ak- zeptanz von Teilzeitarbeit und einen erweiterten Pool um 0,9 Arztstellen beziehungsweise zwei zusätzlich be- schäftigte Kollegen erweitert.
Fazit der Oberärzte, Assistenten und ÄiP: Der Einkommensverzicht wird durch eine Vielzahl von Vor- teilen aufgewogen, wie zum Beispiel Verteilung der zunehmend bela- stenden Dienste auf eine größere Zahl von Ärztinnen und Ärzten; ge- rechtere Regelung von Freizeit- ausgleich; geringere Belastung bei Urlaubsvertretungen; bessere Struk- turierung der Ausbildung (konse- quentes Erlernen von Zusatzuntersu- chungen i. R. der Elektro- und Ultra- schalldiagnostik).
Verbesserung des Arbeitsklimas, auch durch das Gefühl, einen Beitrag zur Beseitigung der Misere geleistet zu haben.
Fazit des Chefarztes: Die steigen- de Arbeitsbelastung wird zur Zer- störung der ärztlichen Arbeitskultur führen.
Aus dem Gesundheitssystem, das sich weiterhin auf sehr hohem Niveau bewegt, ist derzeit und wohl auch für längere Zeit nicht mehr „herauszu- holen“. Die Quote beschäftigungs- loser Ärztinnen und Ärzte wird weiterhin steigen (siehe Entwicklung im Rehabilitations- und Kurbereich).
Das Appellieren an vermeintlich Schuldige oder Verantwortliche hilft nicht weiter, die Anspruchshaltung nach außen ist korrekturbedürf- tig. Eine rasche Hilfe ist nur durch Selbsthilfe möglich, die Ver- antwortung liegt bei uns Ärzten.
Die Bereit- schaft der jünge- ren Ärztinnen und Ärzte zum Mit-Denken, Mit- Fühlen und Ver- zichten ist groß.
Tun wir doch et- was! Jeder Arzt im Krankenhaus oder in der Praxis sollte für sich selbst und seinen Verantwortungsbereich überprüfen, welcher Spielraum besteht, um die bedrohliche Entwicklung der Arbeits- losigkeit und zunehmenden Arbeits- belastung aufzuhalten. Ohne Verzicht geht es nicht. Die Verantwortung der
„Eliten“, zu denen Ärzte gezählt werden, ist in höchstem Maße gefragt und gefordert. Tun wir doch endlich etwas!
Hans Joachim von Büdingen, Julia Dust, Wolfgang Herre, Iris Kiel, Guntram Kubina, Jürgen Kunz, Su- sanne Rathfelder, Thomas Staudacher, Susanne Tippke
Prof. Dr. med.
Hans Joachim von Büdingen Abteilung für Neurologie und klinische Neurophysiologie Krankenhaus St. Elisabeth der Oberschwaben Klinik gGmbH Elisabethenstraße 15
88191 Ravensburg A-2396 (32) Deutsches Ärzteblatt 94,Heft 38, 19. September 1997
T H E M E N D E R Z E I T BERICHTE
Es wird enger – tun wir doch etwas!
Vorschläge zur Therapie der Arbeitslosigkeit
Zu Jahresbeginn 1997 waren fast 10 600 Ärztinnen und Ärzte dauerhaft oder kurzfristig arbeitslos gemeldet. 1985 waren es noch rund 4 000. Ende vergange- nen Jahres waren rund 230 000 Akademiker arbeitslos. – Aus der Berufspraxis ein Vorschlag, um mit solidarischer Hilfe die Arbeitslosigkeit zu überwinden.
Anzahl der als arbeitslos gemeldeten Ärztinnen und Ärzte Grafik
Quelle: Bundesanstalt für Arbeit, bis 1993 Bundesländer West
Unter dem zunehmenden Druck der Arbeitslo- sigkeit von Ärztinnen und Ärzten sind im Deut- schen Ärzteblatt in jüngster Zeit verschiedene Beiträge erschienen. So wurde von Dr. med.
Roman Huber und Dr. med. Albrecht Warning in Heft 13/1997 dargestellt, mit welchen Vor- und Nachteilen das „Job-sharing“ funktioniert.
Dr. Harald Clade hat in Heft 17/1997 in seinem Leitartikel „Es wird enger“ auf die stark zuneh- mende Zahl beschäftigungsloser Ärztinnen und Ärzte – seit September 1995 Zunahme um 38 Prozent – hingewiesen und Ursachen erläu- tert. Im selben Heft appelliert Prof. Dr. med.
Horst Bourmer an die „Solidarität“. In Heft 19/1997 spricht Norbert Jachertz in Anlehnung an die Rede von Bundespräsident Roman Herzog vom 26. April 1997 in Berlin von der
„Verantwortung der Eliten“. – Der obige Dis- kussionsbeitrag unterbreitet Vorschläge.