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Archiv "Fruchtbarkeitserhalt bei Krebspatientinnen" (11.04.2008)

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272 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 1511. April 2008

M E D I Z I N

W

ie in diesem Heft des Deutschen Ärzteblatts ab Seite 274 berichtet wird, hat die Arbeitsgruppe der Universitäts-Frauenklinik Erlangen erstmals in Deutschland die Retransplantation von kryokonservier- tem Ovarialgewebe bei einer Karzinompatientin vorge- nommen. Damit ist ein weiterer Fortschritt in den Bemühungen zum Fertilitätserhalt nach onkologischen Therapiemaßnahmen auch in Deutschland erreicht.

Strategien zum Erhalt der Fruchtbarkeit nach Krebser- krankung sind notwendig. Die Zahl der Langzeitüberle- benden von Krebserkrankungen insbesondere in Kind- heit, Jugend und frühen Erwachsenenjahren nimmt ste- tig zu. So liegt die 5-Jahres-Überlebensrate nach Hodg- kin-Lymphomen in der Kindheit bei mehr als 90 % und bei fast 80 % für akute lymphoblastische Leukämien (1). Im Jahre 2010 wird einer von 715 Erwachsenen ei- ne Krebserkrankung in der Kindheit anamnestisch auf- weisen (2). Die guten Langzeitchancen eröffnen den Betroffenen Perspektiven für die weitere Lebenspla- nung, wozu auch der Wunsch nach einer eigenen Fami- lie zählt. Dem steht aber entgegen, dass der zytotoxische Effekt auf die Gonaden mit Sterilität geradezu eine der typischen Folgen der onkologischen Therapien ist, sei es Chemotherapie oder Radiatio.

Fertilitätserhalt im experimentellen Stadium

Erst in den letzten Jahren sind für die Frau Techniken des Fertilitätserhalts entwickelt worden, die aber noch selten über das experimentelle Stadium hinaus gereift sind. Dies liegt zum Teil auch daran, dass eine oft lan- ge Zeitspanne zwischen zytotoxischer Therapie und Familienplanung liegt und nicht immer an die Zukunft im Moment der akuten Lebensbedrohung gedacht wird. Dies wurde in Erlangen aber getan. Zwischen Gewebeentnahme und -replantation lagen zwei Jahre, um den Verlauf der Krebserkrankung beurteilen zu können.

Beim Mann ist mit der Kryokonservierung von Sa- menzellen ein unkompliziertes Verfahren ohne Zeitver- zug verfügbar; dies ist bei der Frau komplexer. Man un- terscheidet heute drei grundlegende Therapiewege: me- dikamentöse Protektion, Maßnahmen der assistierten Reproduktion und operative Maßnahmen mit Gewebe- kryokonservierung zur späteren Replantation. Die me- dikamentöse Behandlung mit Agonisten des Gonadotro- pin-Freisetzungshormons kann zwar ohne Zeitverzug beginnen und ist nur wenig belastend, ihre Effektivität bleibt aber strittig (3). Maßnahmen der künstlichen Be-

fruchtung sind Standard, bedingen aber eine hormonel- le Stimulation, eine Zeitverzögerung und eine feste Partnerschaft. Einzig die Gewebeentnahme mit späterer Replantation ist von diesen Einschränkungen unabhän- gig. Gewebeentnahme und Kryokonservierung werden in Deutschland bereits häufig vorgenommen.

Nun hat die Erlanger Gruppe erstmals in Deutschland den zweiten Schritt gewagt und bei einer Karzinompati- entin die Replantation ovariellen Gewebes durchge- führt. Zumindest der Nachweis einer endokrinen Akti- vität ist gelungen. Die erste erfolgreiche Replantation hat im Jahre 2000 die New Yorker Arbeitsgruppe von Kutluk Oktay publiziert (4), die erste Geburt im Jahre 2004 in Brüssel die Gruppe von Jacques Donnez (5).

Weltweit wurde bislang über sechs Schwangerschaften nach Replantation berichtet. Die führenden Arbeits- gruppen überblicken die Kryokonservierung einiger hundert Ovarialgewebeproben.

Vorteile der Kryokonservierung

Was macht die Kryokonservierung von Ovarialgewebe im Vergleich zu den anderen Techniken so attraktiv?

Sie ist zeitlich ohne Verzug unmittelbar vor Beginn der Chemotherapie anwendbar. Sie ist unabhängig von ei- ner festen Partnerschaft. Dies ist umso wichtiger, als viele Patientinnen die Erkrankung bereits in sehr jun- gen Jahren erleiden. Auch kann die Technik der Ent- nahme, der Kryokonservierung und selbst der Replan- tation schon jetzt als ausgereift eingestuft werden. Wie auch in Erlangen, so werden meist kleine Gewebe- stücke peritoneal replantiert, entweder in ein noch vor- handenes restliches Ovarialgewebebett oder in eine peritoneale Tasche. Aber auch die Entnahme und Kryokonservierung eines gesamten Ovars ist derzeit Gegenstand der Forschung (6). Als potenzieller Nach- teil wird immer wieder die Möglichkeit der ungewoll- ten Replantation von Tumorgewebe beziehungsweise Tumorzellen vor allem bei lymphatischen Erkrankun- gen diskutiert. Die Studienlage dazu ist gering. In we- nigen Studien an entnommenem Ovarialgewebe fand man aber keinen Anhalt dafür (7, 8). Die Erlanger Pa- tientin war gut gewählt, handelte es sich doch um eine Patientin mit einem soliden, nicht systemischen und nicht hormonabhängigen Tumor.

Eine Alternative für junge Frauen ohne feste Partner- schaft könnte auch die Entnahme von Eizellen mit sich anschließender langjähriger Kryokonservierung sein.

Ein wesentlicher Nachteil besteht aber in der notwendi-

EDITORIAL

Fruchtbarkeitserhalt bei Krebspatientinnen

Vom experimentellen Stadium zur klinischen Anwendung Thomas Strowitzki

Abteilung für Gynäko- logische Endokrinologie und Fertilitätsstörungen, Frauenklinik, Universi- tätsklinikum Heidel- berg: Prof. Dr. med.

Strowitzki

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Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 1511. April 2008 273

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gen hormonellen Stimulation. Und selbst in den Hän- den der führenden italienischen Arbeitsgruppen braucht es zum Erzielen einer Schwangerschaft umge- rechnet mehr als 100 Eizellen (9). Das macht offen- sichtlich, dass diese Methode derzeit keine wirklich praktikable Alternative ist.

Flächendeckendes Netzwerk im Aufbau

Ziel nach diesen ersten ermutigenden Berichten zur Ovarreplantation muss es sein, flächendeckend ein An- gebot für fertilitätserhaltende Maßnahmen zu etablie- ren, um heute bereits den Patientinnen das Morgen zu ermöglichen. Europaweit einmalig wird dies in Deutsch- land durch das Netzwerk Fertiprotekt ermöglicht, das von den Abteilungen für Gynäkologische Endokrino- logie und Reproduktionsmedizin der Universitäten Heidelberg und Bonn koordiniert wird und in dem sich 100 Zentren bundesweit zusammengeschlossen haben.

Das letzte Treffen hat vor kurzem in Erlangen statt- gefunden. Nähere Angaben finden sich auf der Homepage www.fertiprotekt.de.

Bei aller Euphorie darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Erfolgsaussichten aller denkbaren Me- thoden derzeit noch sehr limitiert sind. Dennoch kann nur die Durchführung dieser Maßnahmen bereits heute die Patientinnen in die Lage versetzen, von möglichen medizinischen Fortschritten in den nächsten Jahren zu profitieren.

Interessenkonflikt

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des Inter- national Committee of Medical Journal Editors besteht.

Manuskriptdaten

eingereicht: 26. 2. 2008; revidierte Fassung angenommen: 27. 2. 2008

LITERATUR

1. Linnet M, Ries LAG, Smith MA, Tarone RE, Devesa SS: Cancer surveillan- ce series: recent trends in childhood cancer incidence and mortality in the United States. J Natl Cancer Inst 1999; 91: 1051–8.

2. Brougham MF, Wallace WH: Subfertility in children and young people treated for solid and haematological malignancies. Br J Haematol 2005;

131: 143–55.

3. von Otte S, Friedrich M, Diedrich K, Kupka M: Fertilitätserhalt bei onkolo- gischen Patientinnen: Stand und Perspektiven. Dtsch Arztebl 2006;

103(38): A2479–83.

4. Oktay K, Karlikaya G: Ovarian function after transplantation of frozen, banked autologous ovarian tissue. N Engl J Med 2000; 342: 1919.

5. Donnez J, Dolmans MM, Demylle D, Jadoul P, Pirard C, Squifflet J, Marti- nez-Madrid B, van Langendonckt A: Livebirth after orthotopic transplan- tation of cryopreserved ovarian tissue. Lancet 2004; 364: 1405–10.

6. Jadoul P, Donnez J, Dolmans MM, Squifflet J, Lengele B, Martinez-Mad- rid B: Laparoscopic ovariectomy for whole ovary cryopreservation: tech- nical aspects. Fertil Steril 2007; 87: 971–975.

7. Seshadri T, Gook D, Lade S, Spencer A, Grigg A, Tiedemann K, McKen- drick J, Mitchell P, Stern C, Seymour JF: Lack of evidence of disease con- tamination in ovarian tissue harvested for cryopreservation from patients with Hodgkin lymphoma and analysis of factors predictive of oocyte yield.

Br J Cancer 2006; 94: 1007–10.

8. Huser M, Crha I, Hudecek R, Ventruba P, Zakova J, Smardova L, Kral Z:

Ovarian tissue cryopreservation – new opportunity to preserve fertility in female cancer patients. Eur J Gynaecol Oncol 2007; 28: 249–55.

9. Gook DA, Edgar DH: Human oocyte cryopreservation. Hum Reprod Upda- te 2007; 6: 591–605.

Anschrift des Verfassers Prof. Dr. med. Thomas Strowitzki

Abteilung für Gynäkologische Endokrinologie und Fertilitätsstörungen Frauenklinik, Universitätsklinikum Heidelberg

Vossstraße 9 69115 Heidelberg

E-Mail: thomas_strowitzki@med.uni-heidelberg.de P

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FFrroomm EExxppeerriimmeenntt ttoo EEvveerryyddaayy CClliinniiccaall PPrraaccttiiccee Dtsch Arztebl 2008; 105(15): 272–3 DOI: 10.3238/arztebl.2008.0272

The English version of this article is available online:

www.aerzteblatt-international.de

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