A1672 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 104⏐⏐Heft 23⏐⏐8. Juni 2007
M E D I Z I N
Übergewicht vorprogrammiert
Man kann Herrn Kollegen Beinder aus Zürich nur dafür danken, ein entwicklungs- und präventivmedizinisches Zukunftsgebiet angesprochen zu haben, auf dem inter- national längst große Aufbruchstimmung herrscht, was hierzulande leider kaum wahrgenommen wird. Schon vor 10 Jahren hat übrigens der zu Recht als Pionier be- zeichnete Günter Dörner, Berlin, selbst einen leider ver- geblichen Anlauf im Deutschen Ärzteblatt unternom- men. Der Prophet gilt eben nichts im eigenen Land.
Obwohl Herr Beinder sehr ausgewogen argumen- tiert und nur von dem „Beispiel“ intrauterine Wachs- tumsrestriktion spricht, sei dennoch angemerkt, dass ein mindestens ebenso großes Problem die andere Sei- te des Geburtsgewichtsspektrums betrifft. Überge- wichtige Babys, vor allem infolge von Übergewicht, Fehlernährung und Bewegungsmangel der Mutter in graviditate, sind in den westlichen Industrieländern eine dramatisch zunehmende Herausforderung für die präventive Perinatalmedizin. Zumal dies häufig mit einem Gestationsdiabetes einhergeht, an dem in Deutschland mittlerweile etwa jede zehnte Schwange- re leiden dürfte (1), ganz überwiegend unbemerkt und unbehandelt, weil trotz jahrelanger, vehementer For- derung bis heute kein generelles Glucoseintoleranz- screening in den Mutterschaftsrichtlinien vorgesehen
ist. Und dies, obwohl hier im Gegensatz zur intrauteri- nen Wachstumsrestriktion die Befundlage konsistent ist: Epidemiologische, klinische und experimentelle Untersuchungen der letzten 3 Jahrzehnte zeigen, dass die betroffenen Kinder im Mutterleib vorprogrammiert werden, später Übergewicht, Diabetes und kardiovas- kuläre Folgeerkrankungen zu entwickeln (2). Ganz ab- gesehen von den vielfältigen peripartalen und perina- talen Komplikationen bei unbehandeltem Schwanger- schaftsdiabetes beziehungsweise fetaler Makrosomie.
Übergewichtige Mutter – übergewichtiges Baby – übergewichtiger Erwachsener: Dies ist eine Herausfor- derung, der wir uns schon heute im Sinne perinataler Präventivmedizin zu stellen haben. Aber auch hier gilt leider eher das Gleichnis vom Rufer in der Wüste …
LITERATUR
1. Kleinwechter H: Pilotprojekt Gestationsdiabetes Schleswig-Holstein.
Ergebnisse und Perspektive. Diabetes und Stoffwechsel 2004; 13:
231–40.
2. Plagemann A: Fetale Programmierung und Funktionelle Teratologie.
In: Ganten D, Ruckpaul K, Wauer R (eds.): Molekulare Medizin Bd.14:
Molekularmedizinische Grundlagen von fetalen und neonatalen Erkrankungen. Springer-Verlag, Berlin-Heidelberg-New York 2005;
325–44.
Prof. Dr. med. Andreas Plagemann Prof. Dr. med. Joachim W. Dudenhausen Charité – Universitätsmedizin Berlin Kliniken für Geburtsmedizin Augustenburger Platz 1, 13353 Berlin
Interessenkonflikt
Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des International Committee of Medical Journal Editors besteht.
Der Autor PD Dr. Beinder hat auf ein Schlusswort verzichtet
DISKUSSION
zu dem Beitrag
Fetalzeit und spätere Gesundheit
Das Beispiel intrauterine Wachstumsrestriktion von PD Dr. med. Ernst Beinder, in Heft 10/2007
REFERIERT
Minilaparoskopie besser als Leberbiopsie
Die diagnostische Laparoskopie wurde wegen des damit verbundenen Zeitaufwands von Gastroenterologen immer seltener praktiziert und zugunsten anderer bildgebender Verfahren wie Sonografie, CT oder MRT aufgegeben. Zu Unrecht, wie eine Studie aus Hamburg-Eppendorf zeigt, bei der man die Minilaparoskopie bei klinischem Verdacht auf Leberzirrhose mit dem Ergebnis der ultraschallgezielten perkutanen Leberbiopsie verglich.
In einer prospektiven randomisierten Studie untersuchten die Autoren 857 Patienten mit chronischer Lebererkrankung entweder mit der perkuta-
nen Biopsie( n = 415) oder der minilaparoskopischen Biopsie unter Sicht (n = 442). Die Diagnose Leberzirrhose wurde in beiden Gruppen gleich- häufig feingeweblich gestellt (22,3 versus 26,0 %). Berücksichtigte man das makroskopische Erscheinungsbild während der Minilaparoskopie mit, erhöhte sich die Rate an Leberzirrhosen auf 33,8 %. Von den 128 Zir- rhosen wurden 33 ausschließlich durch die Inspektion verifiziert, das heißt, bei alleiniger histologischer Beurteilung konnte die Zirrhose in rund 26 % der Fälle nicht erkannt werden, weil offensichtlich ein Regeneratknoten anpunktiert wurde. Schwere Komplikationen waren im Übrigen mit 0,2 % signifikant seltener als bei der perkutanen „Blindbiopsie" mit 1,0 %. w Denzer U et al.: Prospective randomized comparison of minilaparoscopy and percutaneous liver biopsy: diagnosis of cirrhosis and complications. J Clin Gastroenterol 2007; 41: 103–10.
E-Mail: u.denzer@uke.uni-hamburg.de