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Archiv "Trendwende in der Mykosefrequenz bei hämatologischen Neoplasien" (14.07.2008)

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P

ilzinfektionen der inneren Organe sind ein seit vielen Jahren bekanntes diagnostisches und the- rapeutisches Problem. Betroffen sind vor allem Patien- ten mit einer Immunsuppression, insbesondere nach Or- gantransplantation oder intensiver zytostatischer Che- motherapie. Hierbei spielen hämatologische Neoplasien eine besondere Rolle, sei es durch die primäre Grunder- krankung selbst, sei es durch erforderliche aggressive Therapiemaßnahmen. Schwerwiegende mykotische Komplikationen bei Patienten mit hämatologischen Neoplasien führten zur Erarbeitung von Leitlinien zur Pilzdiagnostik (1, 2). Darüber hinaus kam es in den letz- ten Jahren zu einer möglichst frühzeitigen Therapie mit neu entwickelten antimykotischen Medikamenten wie Fluconazol, Voriconazol, liposomales Amphotericin B, Caspofungin oder Posaconazol (3, 4, 5). Vor diesem Hintergrund ist es von Interesse, inwieweit Obduk- tionsergebnisse einen Erfolg dieser antimykotischen Bemühungen reflektieren können, oder ob – wie in früheren Obduktionsstudien (6, 7, 8) – eine ungebroche- ne Zunahme invasiver Mykosen nachweisbar ist.

Methoden

Im Institut für Pathologie der Universitätsklinik Essen wurden in den Jahren von 1976 bis 2005 insgesamt 11 859 Patienten obduziert. Die archivierten Unterlagen zu diesen Obduktionen umfassen

>klinische Sektionsanträge mit Angaben zu Grund- leiden, Therapie, Krankheitsverlauf und klinischer Todesursache,

>makroskopische Obduktionsprotokolle mit Anga- ben zu Grundleiden, Komplikationen, Nebener- krankungen und Todesursachen sowie

>histologische Befundberichte.

Verstorbene Patienten mit hämatologischen Neopla- sien wurden selektiert und die Fälle nach folgenden Dia- gnosegruppen sortiert:

1.) Akute Leukämien

2.) Chronische myeloproliferative Erkrankungen (CMPE)

3.) Non-Hodgkin-Lymphome niedrigen Malignitäts- grades („NHL-low-grade“)

4.) Non-Hodgkin-Lymphome hohen Malignitätsgra- des („NHL-high-grade“)

5.) Hodgkin-Lymphome 6.) Multiple Myelome ORIGINALARBEIT

Trendwende in der Mykosefrequenz bei hämatologischen Neoplasien

Obduktionsergebnisse von 1976 bis 2005

Konrad Donhuijsen, Peter Petersen, Kurt Werner Schmid

ZUSAMMENFASSUNG

Einleitung: Pilzinfektionen innerer Organe stellen bei Pati- enten mit hämatologischen Neoplasien eine schwerwie- gende Komplikation dar, deren Rate mit der Aggressivität der Tumortherapie seit über zwei Jahrzehnten ansteigt.

Methoden: Obduktionsergebnisse aus 30 Jahren (1976 bis 2005) des Universitätsinstituts für Pathologie Essen wur- den ausgewertet zu Grundleiden, Mykosefrequenz, Pilzart, Organbefall, Todesursache und hämatopoietischer Trans- plantation.

Ergebnisse: 340 von 1 591 obduzierten Patienten mit hä- matologischer Neoplasie (21,4 %) zeigten eine invasive Mykose. Ihr Anteil stieg von etwa 10 % bis 1980 auf etwa 30 % in den 1990er-Jahren und reduzierte sich auf 21 % bis 2005. Die Abnahme der Mykosefrequenz bei transplan- tierten (47,5 auf 30,3 %) und bei nicht transplantierten Pa- tienten (29,8 auf 16,4 %) war signifikant. Die pilzbedingte Todesursache reduzierte sich ebenfalls. Candidamykosen zeigten eine relative Abnahme bei Überwiegen der Asper- gillosen. Mykotische Lungenkomplikationen dominierten.

Diskussion: Die Obduktionsergebnisse signalisieren eine Trendwende der wichtigsten Komplikation bei der Behand- lung hämatologischer Neoplasien und sprechen für positi- ve Effekte der antimykotischen Strategien.

Dtsch Arztebl 2008; 105(28–29): 501–6 DOI: 10.3238/arztebl.2008.0501 Schlüsselwörter: Mykose, Leukämie, Lymphom, Autopsie, hämatologische Neoplasie

Institut für Pathologie des Städtischen Klinikums Braunschweig: Prof. Dr. med.

Donhuijsen, Petersen

Institut für Pathologie, Universitätsklinik Essen: Prof. Dr. med. Schmid

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Mit Ausnahme von 10 Fällen war die hämatologische Neoplasie intra vitam zytologisch oder histopathologisch am Knochenmark oder an Lymphknotenbiopsaten verifi- ziert worden. Die Eingruppierung erfolgte nach der letzten intravitalen Diagnose. Fälle mit primärer Knochenmark- aplasie wurden ausgeschlossen. Klinische Pilzdiagnosen beziehungsweise Verdachtsdiagnosen wurden registriert.

Allogene und autologe Knochenmark- beziehungsweise hämatopoetische Stammzelltransplantationen wurden als gemeinsame Gruppe „Hämatologische Transplantatio- nen“ (HT) gesondert erfasst.

Die Obduktion erfolgte im Regelfall als 3-Höhlen-Ein- griff. In jedem ausgewerteten Fall wurden die Organe von Thorax und Abdomen untersucht. Die histologischen Be- funde wurden an Hämatoxylin-Eosin-gefärbten Paraffin- schnitten erhoben. Bei klinischem Pilzverdacht und bei Pilzverdacht durch den Pathologen, zum Beispiel bei Ne- krosen wurde im Regelfall eine Periodic-Acid-Schiff-Re- aktion, seltener eine Versilberung nach Grokott durchge- führt. Die histologische Zuordnung der Pilzbefunde er- folgte zu den Kategorien Hefepilze mit Unterscheidung von candidaartigen Mykosen und Kryptokokkosen sowie Fadenpilze mit Unterscheidung von Aspergillusartigen (inclusive Fusarien) und Zygomykosen. Doppelmykosen und nicht zuzuordnende Mykosen wurden gesondert registriert.

Anhand der Gesamtbefunde analysierte man die we- sentliche Todesursache. Hierzu wurden Schweregrad und Ausdehnung der invasiven Mykose gewichtet, ebenso die Ausprägung bakterieller Infekte und Blutungskomplika- tionen. Andere Todesursachen wie Progressivität des Grundleidens, Graft-Versus-Host-Reaktion und Pneumo- nien wurden in einer weiteren Gruppe subsummiert.

Statistisch ausgewertet wurden im Wesentlichen Ob- duktionsfrequenz, Mykosefrequenz, Mykoseart, Grund- leiden, Organbefall und Todesursachen und zwar überwie-

gend als deskriptive Statistik. Die Analyse wurde mithilfe des Programms SPSS Version 12.0 für Windows durchge- führt. Der Chi-Quadrat-Test nach Pearson wurde einge- setzt, um die Signifikanz von Unterschieden zwischen den Fünf-Jahres-Häufigkeiten zu bestimmen. Die Konfidenz- intervalle wurden mit dem SAS-Programm berechnet.

Ergebnisse

Invasive Mykosen stellen im Obduktionsgut des Essener Universitätsinstituts für Pathologie eine häufige und schwerwiegende Komplikation bei Patienten mit tödlich verlaufenden hämatologischen Neoplasien dar. So wiesen 340 von 1 591 obduzierten Patienten mit hämatologi- schen Neoplasien (21,4 %) eine tiefe Mykose auf. Der Prozentsatz der Mykosen pro Jahr variierte beträchtlich, zeigte aber seit Anfang der 1980er Jahre eine Zunahme von etwa 15 % auf etwa 30 % mit Spitzenwerten um 40 % bis zum Jahr 2000. Für die Jahre 2001 bis 2005 ergibt sich eine geringere Häufigkeit von im Mittel 21 %. Im 5-Jah- res-Vergleich (Grafik 1) findet sich bis etwa 1995 eine Zu- nahme invasiver Mykosen und dann eine leichte, später deutlichere Abnahme dieser Komplikationen. Die Zunah- me ist für zwei der 5-Jahres-Zeiträume signifikant. Für die Abnahme wird bei Betrachtung des Gesamtkollektivs kei- ne Signifikanz erreicht, wohl aber bei getrennter Betrach- tung der Nicht-HT-Fälle (Grafik 4) und für die besondere Risikogruppe der HT-Patienten (Grafik 3).

Erwartungsgemäß ist die Gruppe der akuten Leukämien von der Komplikation einer invasiven Mykose mit 29,6 % der Fälle (167 von 565) am stärksten betroffen. Chronische myeloproliferative Erkrankungen wiesen diese Komplika- tionen in 21,1 % der Fälle auf (59 von 280 Fällen). Aggres- sive Non-Hodgkin-Lymphome zeigen in 18,1 % der Fälle 5-Jahreshäufigkeit invasiver Mykosen bei hämatologischen Neoplasien mit Kennzeichnung

signifikanter Gruppenunterschiede und der 95-%-Konfidenzintervalle (Mittelwert 21,4 %; 340 von 1 591 Patienten)

GRAFIK 1

Häufigkeit tiefer Mykosen bei verschiedenen Neoplasien im Zeitver- lauf

GRAFIK 2

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(56 von 309 Fällen) eine Mykose, während indolente Non-Hodgkin-Lymphome in 17,5 % der Fälle (38 von 217 Fällen) betroffen waren. 11 von 106 Hodgkin-Lym- phomen (10,4 %) und 9 von 114 multiplen Myelomen (7,9 %) zeigten autoptisch eine invasive Mykose.

Im zeitlichen Verlauf findet sich für alle Krankheits- gruppen ein mehr oder weniger ausgeprägter Anstieg der Mykosehäufigkeit (Grafik 2). Während sich der Wert für die chronischen myeloproliferativen Erkrankungen bei et- wa 20 % über die Jahre bis 2005 stabilisiert hat, kommt es bei den akuten Leukämien und bei den Lymphompatien- ten in den letzten 5 bis 10 Jahren zu einer mäßigen Abnah- me der Pilzkomplikationsrate.

Die höchste Mykosehäufigkeit findet sich bei Patienten nach Knochenmark- beziehungsweise hämatopoetischer Stammzelltransplantation (Grafik 3) und liegt im Mittel bei 36 % (96 von 267 Patienten). Bei einem hohen Aus- gangsniveau, auch bereits in den 1980er Jahren, kommt es zu einem Gipfelwert von 47,5 % in den 1990er Jahren, um dann im Jahreszeitraum 2001 bis 2005 auf 30 % signifi- kant abzufallen (Grafik 3).

Die Mykosefrequenz bei nicht transplantierten Patien- ten mit hämatologischen Neoplasien (244 von 1 324 Pati- enten) liegt mit 18,4 % auf einem niedrigeren Gesamtni- veau als nach Transplantation, zeigt aber ebenfalls einen signifikanten Anstieg bis 1990 um dann, früher als bei den HT-Fällen, abzunehmen (p = 0,003) (Grafik 4).

Die histologische Zuordnung der invasiven Mykosen ergab in 193 Fällen Fadenpilze und zwar 179 Aspergillo- sen und 14 Zygomykosen. Demgegenüber standen 109 Hefepilzinfiltrate, Candida in 107 Fällen und Kryptokok- ken in 2 Fällen. Bemerkenswerterweise kam es im Laufe der Jahre zu einer Abnahme der Candidosen gegenüber den Aspergillosen (Tabelle 1). 25 Fälle zeigten eine Dop- pelmykose. In 13 Fällen waren die Pilzstrukturen nicht zu- zuordnen.

Bei den Organmanifestationen überwiegen die Lun- genkomplikationen, erwartungsgemäß besonders durch Aspergillus, aber nicht selten auch durch Candida. Im Ma- gen-Darm-Trakt dominierten Candidosen. Nieren, Myo- kard, Endokard, Gehirn und Leber waren deutlich selte- ner, zumeist im Rahmen einer Pilzsepsis betroffen. So wa- ren in 40 % der Mykosen (134 Fälle) wenigstens zwei ver- schiedene, nicht benachbarte Organe gleichzeitig beteiligt (Tabelle 2).

Bei den autoptisch ermittelten Todesursachen kam es über den untersuchten Zeitraum bis zum Jahr 2000 zu ei- ner signifikanten Zunahme letaler Mykosen bis zu 30 % bei einer Abnahme der Blutungskomplikationen. Für das letzte Jahrfünft reduzierte sich die mykotische Todesursa- che auf 21 %. Die letale Ausprägung bakterieller Kompli- kationen und sonstiger nicht-mykotischer Todesursachen wie Progression des Grundleidens, interstitieller Pneumo- nien und Abstoßungsreaktionen blieben über die Jahre et- wa gleich häufig (Tabelle 3). Bei 23 von 25 Patienten mit einer Doppelmykose war diese der Letalfaktor.

Die intra vitam gestellte klinische Diagnose bezie- hungsweise Verdachtsdiagnose einer invasiven Mykose lag für den Jahreszeitraum 1976 bis 1983 bei 30 % der au- toptisch gesicherten Mykosen. Im Vergleichszeitraum

1998 bis 2005 stieg der Anteil klinisch diagnostizierter Fälle auf 42 %. Dementsprechend sank der Anteil klinisch nicht diagnostizierter Mykosen von 70 auf 58 %. Die prä- finale klinische Diagnose einer schwerwiegenden Myko- se konnte im Zeitraum 1998 bis 2005 bei 13 Patienten au- toptisch nicht bestätigt werden.

Diskussion

Der Anteil invasiver Mykosen am unselektierten Obdukti- onsgut lag bis 1970 bei etwa 1 % (9) und stieg bis auf etwa 5 % in den 1990er Jahren (6) an. Im Essener Institut fan- den sich für die Jahre 2001 bis 2005 im Mittel 6,1 % My- kosen, nämlich 57 Fälle unter allen 935 durchgeführten Obduktionen. Demgegenüber liegt die mittlere Mykose- frequenz bei hämatologischen Grundleiden um den Faktor 3 bis 6 höher (10, 11).

Obduktionsdaten besitzen eine hohe Validität. Aller- dings sind epidemiologische Aussagen grundsätzlich ein- geschränkt, weil es sich bei Obduktionen um ein nicht re- präsentatives Untersuchungsgut handelt, das abhängig ist von wechselnden klinischen Schwerpunkten, unterschied- lichen Indikationen zur Obduktion und von differierenden Genehmigungsverfahren. Wir weisen jedoch darauf hin, dass im Essener Westdeutschen Tumorzentrum hämatolo- gische Neoplasien über den gesamten Zeitraum häufig waren, die Transplantationsfrequenz seit 1981 auf hohem Niveau liegt und die Obduktionen im Beobachtungszeit- raum einheitlich einer Zustimmung bedurften.

Besonders limitierend allerdings ist der Rückgang der Obduktionszahlen in dem ein Bias der Ergebnisse ver- steckt sein kann. So nahmen die Obduktionszahlen ent- sprechend der allgemeinen Entwicklung ab und zwar von 3 449 für 1976–1980 auf 2 017 für 1986–1990 und auf 935 für 2001–2005. Hingegen variierte der An- teil hämatologischer Neoplasien als Bezugsgröße für

5-Jahres-Mykosehäufigkeit nach hämatologischen Transplantationen mit Kennzeichnung sig- nifikanter Unterschiede und der 95 %-Konfidenzintervalle (Mittelwert 36 %; 96 von 267 Pati- enten)

GRAFIK 3

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mykotische Komplikationen relativ wenig (Grafik 1).

Während der prozentuale Anteil hämatologischer Neo- plasien am Obduktionsgut von 9,9 % (1976 bis 1980) auf 16,4 % (1991–1995) zunahm, stieg die Mykoserate im gleichen Zeitraum von 11,1 % auf 31,4 %. Dem Rück- gang der Obduktionen mit hämatologischen Neoplasien von 16,4 % (1991– 1995) auf 10,7 % (2001– 2005) stand eine Abnahme der Mykoserate von 31,4 % auf 13,1 % (1996–2005) beziehungsweise 16,4 % (2001–2005) ge- genüber.

Bei den angesprochenen Einschränkungen ist eine Be- stätigung der Essener Ergebnisse durch weitere Studien erforderlich, zumal bisher nur steigende Zahlen zu my- kotischen Komplikationen publiziert wurden. Immerhin wurde bei einem vergleichbar großen Kollektiv obduzier- ter Patienten mit hämatologischer Neoplasie kein weiterer Anstieg, sondern eine Stagnation der Mykosefrequenz für die Jahre 2000 bis 2003 gefunden (8), ein Ergebnis, das ebenfalls eine Trendwende signalisieren könnte. Über- dies bleibt zu überprüfen, ob auch antimykotische Effekte bei anderen Risiken, wie Organtransplantationen oder intensivmedizinische Maßnahmen, nachweisbar sind.

Intra vitam gewonnene Daten zu Pilzinfektionen sind epidemiologisch insofern problematisch, als häufig ein klinischer Verdacht durch mikrobiologische oder histolo- gische Nachweisverfahren nicht gesichert werden kann.

Zudem sind Pilzinfektionen nicht meldepflichtig. Vor die- sem Hintergrund haben Obduktionsergebnisse mit dem histologischen Nachweis einer invasiven Mykose und zu- gleich dem Nachweis der Pathogenität anhand der vitalen Reaktion trotz mancher Einschränkungen ein erhebliches Gewicht. Dies trifft für die vorgelegten Daten in besonde- rem Maß zu, weil sie aus einer einzelnen Institution stam- men mit weitgehend einheitlichem Untersuchungsgang und Dokumentation und sich auf hohe Fallzahlen bezie- hen. Als Basis dient die histomorphologische Sicherung

einer Mykose und die zumeist mögliche Zuordnung als Fadenpilz oder Sprosspilz, wobei Abgrenzungen wie Zy- gomykosen oder Kryptokokkosen im Regelfall problem- los möglich sind. Die weitere histologische Subklassifika- tion von Mykosen, wie die Unterscheidung von Aspergil- len und Fusarien, bleibt aber limitiert und bedarf mikro- biologischer Analysen. Diese wiederum sind allerdings am autoptischen Material, insbesondere nach antimykoti- scher Therapie, nur eingeschränkt aussagefähig.

Die Ergebnisse der Autoren zeigen, dass der jahrzehn- telange Anstieg der Mykosefrequenz bei hämatologischen Neoplasien offenbar gestoppt werden konnte. Dies trifft sowohl für nicht transplantierte Patienten als auch für Pa- tienten mit Knochenmarks- beziehungsweise Stammzell- transplantation zu. Zwar ist die Zahl der obduzierten HT- Patienten in den letzten fünf Jahren zurückgegangen, die Abnahme der mykotischen Komplikation ist aber über- proportional ausgeprägt. Während im Zeitraum von 1996 bis 2000 fast jeder zweite transplantierte Patient eine My- kose aufwies (38 von 80 obduzierten Patienten) und zwar trotz Zunahme der autologen Transplantation, betraf diese Komplikation nur jeden dritten transplantierten Patienten (10 von 33 Obduktionen) im Zeitraum 2001 bis 2005. In diesem Zeitraum blieb die Zahl der Ersttransplantate im Universitätsklinikum Essen sowohl für autologe (circa ein Drittel) als auch für allogene (circa zwei Drittel) Stamm- zelltransplantationen etwa auf gleich hohem Niveau (12).

Der Annahme, dass der Rückgang der Mykoserate allein auf die Zunahme autologer Transplantationen zurückzu- führen sei, steht der Rückgang der Mykoserate auch bei nicht transplantierten Patienten entgegen. Überdies spre- chen auch publizierte klinische Daten der Essener Trans- plantationsklinik zu erfolgreichen antimykotischen Maß- nahmen für einen positiven Effekt (13, 14).

Die Mykosefrequenz hängt von der Art des Grundlei- dens und seiner Therapie einschließlich immunsuppressi- ver Maßnahmen ab. Die eingeschränkte Leukozytenfunk- tion beziehungsweise Granulozytopenie bei akuten Leukämien bedingt auch ohne aggressive Therapie ein er- höhtes Pilzrisiko. Andere Erkrankungen mit lange erhal- tener Knochenmarkfunktion wie das multiple Myelom waren nur selten mit einer Mykose korreliert. Erst mit Ein- führung der hämatopoetischen Stammzelltransplantation Mykosefrequenz bei nicht transplantierten Patienten mit hämatologischen Neoplasien

mit Kennzeichnung signifikanter Unterschiede und der 95-%-Konfidenzintervalle (Mittelwert 18,4 %; 244 von 1 324 Patienten)

GRAFIK 4

TABELLE 1

Häufigkeiten von Aspergillus- und Candida-Mykosen bei hämatologischen Neoplasien

Zeitraum Aspergillus (n) % Candida (n) %

1976–1980 10 28 26 72

1981–1985 41 56 32 44

1986–1990 36 60 24 40

1991–1995 51 71 21 29

1996–2000 33 66 17 34

2001–2005 17 89 2 11

gesamt 188 61 122 39

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beim multiplen Myelom stieg auch in unserem Kollektiv die Mykoserate an. Während von 103 Myelom-Patienten ohne Transplantation nur 4 Fälle (3,9 %) eine letale My- kose aufwiesen, zeigten 5 von 11 transplantierten My- elom-Patienten diese Komplikation (45,5 %). Die beson- ders in den 1990er Jahren zunehmende Mykosefrequenz bei den anderen Krankheitsgruppen ist wahrscheinlich ebenfalls Ausdruck aggressiverer Therapieformen. Auch hier ist für die Jahre 2001 bis 2005 ein weiterer Anstieg bei allerdings abnehmenden Obduktionszahlen nicht nach- weisbar. Da nur bei vier Patienten eine HIV-Infektion an- gegeben war, sind diesbezügliche Einflüsse für die darge- legten Ergebnisse nicht relevant.

Bemerkenswerterweise nehmen in den Untersuchun- gen der Autoren über die Jahre Candidosen gegenüber Aspergillosen deutlich ab. Diese auch in anderen Studi- en (15, 16, 17) nachweisbare Entwicklung dürfte für die radiologische Diagnostik nicht uninteressant sein. So stellen sich mit bildgebenden Methoden Aspergillusin- fektionen eher dar, als Candidamykosen, weil sie typi- scherweise mit zentimetergroßen Herden einhergehen, während millimetergroße Candidosen radiologisch nur

schwer nachweisbar sind. Zygomykosen zeigten in die- ser Untersuchung keine Zunahme (18).

Invasive Mykosen haben bei Patienten mit hämatolo- gischen Neoplasien eine hohe Letalitätsrate, die für Candidamykosen bei 30 % und für Aspergillosen bei 40 % liegt (19). Nach den hier vorgestellten Ergebnis- sen stieg der Anteil an den durch Obduktion erhobenen Todesursachen bis auf 30 % in den 1990er Jahren an, um auf etwa 20 % in den letzten Jahren abzufallen (Ta- belle 3). Auch diese Reduktion der mykoseassoziierten Todesursache deutet auf positive Effekte der antimyko- tischen Maßnahmen hin (20).

Bei Reduktion blutungsbedingter Todesursachen blieben bakterielle Infekte etwa gleich häufig, während sich unter „sonstige Todesursachen“ Krankheitspro- gress, interstitielle Pneumonie, „graft-versus-host-di- sease“ (GVHD) und virale Infektionen in wechselnder Häufigkeit summierten. Da in allen Fällen gezielt auf Mykosen geachtet wurde und histologische Untersu- chungen insbesondere der Lungen durchgeführt wur- den, kann für diese Gruppe eine letale Mykose weitge- hend ausgeschlossen werden.

TABELLE 2

Organmanifestation tiefer Mykosen

Fallzahl Fadenpilze Sprosspilze

Aspergillose Zygomykose Candidose Kryptokokkose undefinierbar

n in Prozent*1 n n n n n

Lunge 244 72,8 173 10 50 2 9

Ösophagus, 154 46,0 22 2 127 1 2

Magen-Darm

Leber 46 13,7 18 3 24 1 0

Milz 33 9,9 17 3 17 1 0

Niere 74 22,1 33 8 31 1 1

Herz 68 20,3 44 2 22 0 0

Gehirn 48 14,3 35 7 6 0 0

Andere 51 15,2 27 3 17 2 2

Pilzsepsis*2 134 40,0 71 10 50 2 1

*1Prozent der Gesamtzahl n = 340

*2Pilzsepsis, Befall von zwei und mehr nicht benachbarten Organen

TABELLE 3

Autoptische Todesursachen bei 1 591 Patienten mit hämatologischen Neoplasien

Zeitraum 1976–1980 1981–1985 1986–1990 1991–1995 1996–2000 2001–2005

Patienten(n) 342 402 309 274 164 100

Mykosen 7 14*1 18*1 29*1 30 21

Bakterielle Infekte (in Prozent) 14 10 12 16 18 16

Blutungen 22 20 22 13*2 8 14

Sonstige 56 55 48 42 44 49

*1Anstieg p < 0,05

*2Abfall p < 0,05

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Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass bei immer noch hohen Komplikationsraten die antimykotischen Konzepte konsequent umgesetzt und weiter fortgeführt werden müssen, auch wenn neue Generationen antimykotischer Wirkstoffe zusätzliche finanzielle Ressourcen verlangen (21). Die Beherrschung der wichtigsten Komplikation der unter kurativer Strategie induzierten Immunsuppression rechtfertigt diesen Aufwand.

Schließlich zeigen unsere Ergebnisse, dass klinische Obduktionen nicht nur im Einzelfall wertvolle Erkennt- nisse für Ärzte, Patienten und Angehörige bringen kön- nen, sondern auch hinsichtlich der Entwicklung von Krankheiten sowie diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen. Die klinische Obduktion als einfaches und sehr wirksames Instrument der Qualitätssicherung wird seit Jahren zu wenig genutzt.

Die Arbeit ist Herrn em. Prof. Dr. L.-D. Leder zum 75. Geburtstag gewidmet, dem Direktor des Universitätsinstitutes für Pathologie, Universitätsklinik Essen von 1975 bis 1998.

Interessenkonflikt

Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt im Sinne der Richtlinien des In- ternational Committee of Medical Journal Editors besteht.

Manuskriptdaten

eingereicht: 1. 8. 2007, revidierte Fassung angenommen: 8. 2. 2008

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Anschrift für die Verfasser Prof. Dr. med. Konrad Donhuijsen Städtisches Klinikum gGmbH Institut für Pathologie Celler Straße 38 38114 Braunschweig

E-Mail: k.donhuijsen@klinikum-braunschweig.de

SUMMARY

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Heemmaattoollooggiiccaall NNeeooppllaassiiaass

Introduction: Fungal infections of internal organs are a major complicati- on for patients with hematological neoplasias. For more than 20 years, the frequency of such mycoses has been increasing with the aggressive- ness of tumor treatment. Methods: Autopsy findings over a 30-year period (1976 to 2005) from a single institution (Institute of Pathology, University of Essen) were retrospectively classified according to basic disease, frequency of mycoses, kind of mycoses, organs involved, hema- topoietic transplantation, and cause of death. Results: 340 of 1 591 au- topsied patients with hematological neoplasias (21.4%) revealed an in- vasive mycosis. The proportion increased from about 10% before 1980 to some 30% in the 1990s but fell to 21% by 2005. The frequency of mycoses decreased significantly both for transplanted patients (from 47.5% to 30.3%) and for non-transplanted patients (from 29.8% to 16.4%). The rate of deaths due to mycosis also decreased. The relative frequency of candidal mycoses went down, while aspergilloses predomi- nated. The organ most frequently involved was the lung. Discussion: The autopsy results signal a trend reversal in the leading complication of the treatment of hematological neoplasias and lend support to the assump- tion that antimycotic strategies are having a positive effect.

Dtsch Arztebl 2008; 105(28–29): 501–6 DOI: 10.3238/arztebl.2008.0501 Key words: mycosis, leukemia, lymphoma, autopsy, hematological neoplasia

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