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Archiv "Auf der Suche nach dem Heil — Joseph Beuys und die Medizin: Primitiver geht es nicht mehr" (21.02.1980)

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Aufsätze •Notizen Joseph Beuys

ren der Menschenwürde, Prahler- und Protzertum). Und damit auch die Manipulierbarkeit gerade jener, die sich für „aufgeklärt" und „gebil- det" halten, quasi als Variante der das Ego — bezüglich eigener Denkfä- higkeit — verleugnenden Fans per Suggestion — mit den Mitteln moder- ner psychologischer Techniken.

Im Gegensatz zu letzteren kann man den „Künstlerfürsten" — so genannt vom Autor A. H. Murken — eher für einen Schelm halten, der im Verste- hen bezüglich der „Zeichen unserer Zeit" für einträgliches Honorar — die Kunstkenner gewaltig auf den Arm nimmt, erkennbar an seinem Verhal- ten gemäß den Regeln des moder- nen Showbusineß! Was die Men- schen in unserem Lande aus gerade medizinischer Sicht bedürfen, sind jedwede Katalysatoren — somit auch im Künstlerischen — mit bevorzug- tem Trend zu Harmonie — um dem seuchenhaft um sich greifenden Pessimismus, als Quelle zunehmen- der Psychopathien — Einhalt zu ge- bieten.

Schockwirkungen auf den Betrach- ter — oder sonstigen Wahrnehmer — sind dabei durchaus gelegentlich vonnöten. Nur, werden diese als Kunst verkauft, müssen sie den da- zugehörigen Kriterien entsprechen!

Andernfalls, sollte diese Anschau- ung — analog den Gesetzen von Sitte und Moral — als antiquiert gelten, und bezugnehmend auf die Aussage von Professor Beuys, „jeder ein Künstler sein können", biete ich fol- gendes Werk mit dem Titel: "Denk an Deine Fehler"! zur Ausstellung in den Räumen der Redaktion des DEUTSCHEN ÄRZTEBLATTES an.

Über das Honorar, sofern es nicht unter hunderttausend Mark beträgt, kann man sich einigen. Schwieriger wird die Bereitstellung der Fläche — nicht weniger als 75 qm groß — für folgende Requisiten: Zwei zerfetzte Autoreifen, ein zerbeulter Pkw-Mo- tor in einer Benzinpfütze, zwei de- molierte Autolampen, ein verboge- ner Stoßdämpfer, ein ebensolches Verkehrsschild, ein zerschlissener Fahrersitz, auf diesem diverse Kno- chen und Cramerschienen, daneben eine zerbrochene Brille, ein Teddy-

bär, ein Kinderjäckchen, ein blutver- schmierter zerrissener Haltegurt, ei- ne weiße Verkehrspolizisten-Mütze, eine Polizei-Haltekelle mit Block für Strafmandate, sowie gestaffelt hin- tereinander eine Rote-Kreuz-Arm- binde, ein kleines verrostetes Eisen- gitter und einen Eisensarg!

Nur fürchte ich nach der Offenba- rung dieser Ausdrucksmittel die ra- pide Abnahme des Marktwertes durch explosive Zunahme' der Kon- kurrenz. Als qualitatives Unterschei- dungsmerkmal zu dieser— wie ande- re Mützen- und Filzhutträgern (siehe a) Bundeskanzler, b) Beuys!) be- deckt ab sofort mein Haupt eine Baskenmütze, welche selbst im Schlaf keine Probleme macht und anläßlich der sich in Zukunft ver- schlimmernden Energiekrise — bei entsprechender Größe — über Stirn und Ohren gezogen werden kann!

Übrigens biete ich meinen Erstling potenten Käufern auch als unkon- ventionelles Weihnachtsgeschenk an (inkl. Weltfirmen als Veranstalter von Preisausschreiben für den Ge- winner!)

Dr. med. H. W. Rölke Sonnleitenweg 15 8221 Bergen

Gott sei Dank

nicht Arzt geworden

Joseph Beuys mag im letzten Krieg so eine Art Sanitätsgefreiter Neu- mann gewesen sein, bis er schließ- lich anfing, (zumindest) sein Heil in allerhand witzigen Einfällen zu su- chen. So z. B. nahm er einen Stuhl und kleisterte etliche Kilo Fett (Talg) darauf und nannte das Machwerk

„Fettstuhl". Hält er uns zum Narren oder ist er so ein Narr, seine

„Kunst"-Werke ernst zu nehmen?

Wenn ich da an die Worte des einsti- gen Ordinarius für Nerven- und Gei- steskrankheiten an der Universität Göttingen, Professor Ewald, denke, der einmal sagte: „Wenn man dann (bei geisteskranken Künstlern) nicht mehr recht weiß, was ihre Werke be- deuten sollen, meinen sogleich manche Leute, es müsse etwas ganz Besonderes dahinterstecken, nur

weil sie sie nicht verstehen kön- nen!", dann kann ich mir schon eher auf die Werke Beuys' einen Reim machen.

In echter Meistermanier hat er übri- gens immer den Hut auf (vielleicht hat er eine Glatze?). Übrigens wurde damals die alte, von Meister Beuys beschmierte Badewanne nach der

„documenta" in Kassel von den auf- räumenden Arbeitern folgerichtig auf den Müll geworfen. Wie damals verlautete, soll Beuys erhebliche Re- greßforderungen gestellt haben. Im- merhin ist es ein erfreuliches Zei- chen, daß die Arbeiter noch nicht angekränkelt waren von jener mo- dernen Gedankenakrobatik, die aus Gags tiefsinnige Kunst zu machen sucht.

Übrigens, man muß es dem Neid las- sen, daß die Honorare, die Meister Beuys erzielt, ganz beträchtlich sind. Wenn man sie so in Vergleich setzt zu den Arzthonoraren, die pau- senlos in der Presse als zu teuer verschrieen werden, dann muß man doch staunen, wie leichtfertig maß- gebliche Personen — aus öffentli- chen Mitteln — recht fragwürdige Machwerke bezahlen. Man möge es mir verzeihen! Aber als Kunst im Sin- ne von Können kann ich das nicht anerkennen, was da von Beuys stammt. Deutet man Kunst freilich als Ausdruck der jeweiligen Zeitepo- che, so lassen die Beuysschen Kunstwerke keine schmeichelhafte Deutung unserer Zeit zu. Gott sei Dank ist Beuys wenigstens nicht Arzt geworden.

Dr. med. A. Ochmann Fürbringerstraße 18 2970 Emden

Primitiver

geht es nicht mehr

Man sagt uns Medizinern eine be- sondere Beziehung zur Kunst nach, und zweifellos hat der Durchschnitt der Ärzte sicherlich mehr Interesse an Musik und darstellender Kunst als andere Berufsarten. Deshalb stimmt es einen traurig, wenn das DEUTSCHE ÄRZTEBLATT die über-

484 Heft 8 vom 21. Februar 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Aufsätze • Notizen Joseph Beuys

schwenglichen Lobeshymnen eines Mediziners über Joseph Beuys ab- druckt. Beuys dürfte sicherlich in die Annalen der Kunst eingehen: Als größter Eulenspiegel der Neuzeit.

Kunst hat mit Können zu tun. Bisher haben auch die modernsten Künst- ler sich bei der Herstellung ihrer

„Kunstwerke" eine gewisse Mühe gegeben, sei es im Zusammenlöten von Blechrohren oder Verbiegen von Drähten.

Beuys stellt zwei Bahren zusammen und nennt das „Zeige deine Wun- den" (Abbildung 7). Kann man es ein Kunstwerk nennen, wenn Beuys ei- ne getrocknete Pflanze über einen Druck von Cosmas und Damian klebt? Im Baseler Museum sah ich an einer Wand eine alte, mit Gips- flecken und Löchern versehene Dek- ke hängen, die unten mit zwei verro- steten Akkus beschwert war. Ich hielt es für einen Staubschutz vor einem Wanddurchbruch, bis mich der Aufseher grinsend darauf auf- merksam machte, daß ich vor einem

„Kunstwerk" des deutschen Beuys stünde.

Meine Antwort: „Ich dachte, nur wir Deutschen wären so verrückt." Nun, Beuys ist zweifellos nicht verrückt, sondern jene, die ihn zu dem ma- chen, was er heute genannt wird, oder große Summen dafür zahlen, wenn er alte Klamotten zusammen- stellt. Primitiver geht es nicht mehr.

Alle Achtung aber auch vor Beuys, der es wagt, mit diesen Streichen die

„Kunstwelt" zu narren und das Ur- teil der sogenannten Fachleute bloß- zulegen, wie vor ihm noch keiner.

Wie sagt Prof. Murken zu den Blech- und Wachsdosen von Beuys: Sie machen das Irrationale greifbar.

Dr. med. Gerd Höfling Beethovenstraße 5 5603 Wülfrath

Beurteilungsmaßstäbe verlorengegangen

Gerade noch rechtzeitig zu den Vor- bereitungen für die Weihnachtsbe- scherung wurde im Feuilleton des DEUTSCHEN ÄRZTEBLATTES auf

ein Buch hingewiesen, in welchem der Autor Professor Dr. med. habil.

Axel Hinrich Murken die Ärzteschaft mit dem Werk von Joseph Beuys ver- traut machen will. Die Medien hatten schon früher von dem Künstler be- richtet. Diese Laudatio auf Joseph Beuys, und um eine solche handelt es sich doch wohl, kann nicht unwi- dersprochen bleiben. Um es vorweg- zunehmen, die in dem Aufsatz abge- bildeten Objekte sind von einer der- artigen Dürftigkeit, daß das Auge des kritischen Betrachters darüber hinweggehen könnte, wenn nicht am Anfang der Abhandlung der Hin- weis gestanden hätte, das berühmte

Salomon-R.-Guggenheim-Museum habe dem Künstler seine Tore für eine achtwöchige Ausstellung geöff- net, die Transport- und Versi2he- rungssumme habe fast 1/2 Millioh be- tragen und der Maler sei an den drei ersten Tagen der Eröffnung in New York wie ein „Künstlerfürst" emp- fangen worden. Welcher unbefange- ne Leser wäre nicht angesichts so vieler positiver Nachrichten von ei- nem ehrfurchtsvollen Schauder er- griffen, vor allem in Hinblick auf die großen Summen, die auch heute noch an der modernen Kunst ver- dient werden.

Man hat den Eindruck, daß hier eine überdimensionale Show über die Bühne gezogen wird. Als „Künstler- fürsten" sind von ihren Zeitgenos- sen schon ganz andere Männer ge- feiert worden, z. B. Makart, von des- sen höfischem Glanz nicht mehr viel übriggeblieben ist, obwohl er die Technik des Malens exzellent be- herrschte. Es ist für die Beurteilung eines Kunstwerkes überhaupt nicht strittig, ob ein gut gemalter Apfel oder eine schlecht gemalte Madon- na höher zu bewerten ist. Es gibt auch keine allgemeingültigen Geset- ze, ob sich ein bildender Künstler mit Farben, Holz, Metall, Kunststof- fen und womit auch immer auszu- drücken habe.

In dem Kulturkreis aber, dem wir uns zugehörig fühlen, muß man zwangs- läufig hellhörig werden, wenn sich ein zeitgenössischer „Künstlerfürst"

in derart absonderlichen Verhaltens- weisen so engagiert des Kulturmülls

unserer Zeit für seine künstlerische Aussage bedient, mit „abgestande- nen Tinkturen, weggeworfenen Pfla- stern, angebrochenen Tabletten- röhrchen, ausgeleierten Spritzen, zerlesenen medizinischen Lehrbü- chern oder alten Röntgenaufnah- men, in der Regel sind sie abge- nutzt, angegammelt, mit Blut und Dreck verschmutzt."

Nach dem Urteil des Verfassers wer- den durch Beuys' Künstlerhand die Dinge „in einen anderen, höheren Zustand überführt, der einer Trans- substantiation gleichkommt." Damit ergänzt er seine artifiziellen Mög- lichkeiten, um einer naturhaften Welt näherzurücken, die dem Geist, der Seele und dem Körper des Men- schen entspricht. So viele kluge Worte. Man möchte dem freundli- chen Interpreten Beuysscher Gestal- tungskunst mit Mephistopheles zu- rufen: Denn eben, wo Begriffe feh- len, da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein . .

Man vergegenwärtige sich das groß- artige Alterswerk Max Beckmanns, welches von der Ratio her wohl kaum erfaßt werden kann, dessen

„artifizielle Möglichkeiten" jedoch niemals den Eindruck vermitteln, er habe den Boden unter den Füßen verloren. Beuys' Gestaltungswelt umfaßt den gesamten Kosmos. Er soll sich mit medizinischem Gedan- kengut, mit den Naturwissenschaf- ten, Technik, Naturheilkunde, Phar- maziegeschichte von Paracelsus bis Hahnemann, mit Alchemie, Schama- nismus, Christentum und der An- throposophie Rudolf Steiners befaßt haben. Zu den dargestellten Objek- ten, mögen sie noch so raffiniert auf- gebaut, mit noch so anspruchsvol- len Etiketten versehen sein, kann der kritische Betrachter nur zu dem Schluß kommen: Non multum.

Es ist schwer verständlich, wie der Verfasser die theoretischen Vorstel- lungen von Paul Cezanne, der ein ganzes Leben um die Realisierung der Harmonie gerungen hat und der einer der ganz großen Vollender ge- wesen ist, zur Erklärung für das „ei- gene naturhafte System des Joseph Beuys" glaubt zitieren zu können.

486 Heft 8 vom 21. Februar 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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