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Archiv "Auf der Suche nach dem Heil — Joseph Beuys und die Medizin: Beurteilungsmaßstäbe verlorengegangen" (21.02.1980)

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Aufsätze • Notizen Joseph Beuys

schwenglichen Lobeshymnen eines Mediziners über Joseph Beuys ab- druckt. Beuys dürfte sicherlich in die Annalen der Kunst eingehen: Als größter Eulenspiegel der Neuzeit.

Kunst hat mit Können zu tun. Bisher haben auch die modernsten Künst- ler sich bei der Herstellung ihrer

„Kunstwerke" eine gewisse Mühe gegeben, sei es im Zusammenlöten von Blechrohren oder Verbiegen von Drähten.

Beuys stellt zwei Bahren zusammen und nennt das „Zeige deine Wun- den" (Abbildung 7). Kann man es ein Kunstwerk nennen, wenn Beuys ei- ne getrocknete Pflanze über einen Druck von Cosmas und Damian klebt? Im Baseler Museum sah ich an einer Wand eine alte, mit Gips- flecken und Löchern versehene Dek- ke hängen, die unten mit zwei verro- steten Akkus beschwert war. Ich hielt es für einen Staubschutz vor einem Wanddurchbruch, bis mich der Aufseher grinsend darauf auf- merksam machte, daß ich vor einem

„Kunstwerk" des deutschen Beuys stünde.

Meine Antwort: „Ich dachte, nur wir Deutschen wären so verrückt." Nun, Beuys ist zweifellos nicht verrückt, sondern jene, die ihn zu dem ma- chen, was er heute genannt wird, oder große Summen dafür zahlen, wenn er alte Klamotten zusammen- stellt. Primitiver geht es nicht mehr.

Alle Achtung aber auch vor Beuys, der es wagt, mit diesen Streichen die

„Kunstwelt" zu narren und das Ur- teil der sogenannten Fachleute bloß- zulegen, wie vor ihm noch keiner.

Wie sagt Prof. Murken zu den Blech- und Wachsdosen von Beuys: Sie machen das Irrationale greifbar.

Dr. med. Gerd Höfling Beethovenstraße 5 5603 Wülfrath

Beurteilungsmaßstäbe verlorengegangen

Gerade noch rechtzeitig zu den Vor- bereitungen für die Weihnachtsbe- scherung wurde im Feuilleton des DEUTSCHEN ÄRZTEBLATTES auf

ein Buch hingewiesen, in welchem der Autor Professor Dr. med. habil.

Axel Hinrich Murken die Ärzteschaft mit dem Werk von Joseph Beuys ver- traut machen will. Die Medien hatten schon früher von dem Künstler be- richtet. Diese Laudatio auf Joseph Beuys, und um eine solche handelt es sich doch wohl, kann nicht unwi- dersprochen bleiben. Um es vorweg- zunehmen, die in dem Aufsatz abge- bildeten Objekte sind von einer der- artigen Dürftigkeit, daß das Auge des kritischen Betrachters darüber hinweggehen könnte, wenn nicht am Anfang der Abhandlung der Hin- weis gestanden hätte, das berühmte

Salomon-R.-Guggenheim-Museum habe dem Künstler seine Tore für eine achtwöchige Ausstellung geöff- net, die Transport- und Versi2he- rungssumme habe fast 1/2 Millioh be- tragen und der Maler sei an den drei ersten Tagen der Eröffnung in New York wie ein „Künstlerfürst" emp- fangen worden. Welcher unbefange- ne Leser wäre nicht angesichts so vieler positiver Nachrichten von ei- nem ehrfurchtsvollen Schauder er- griffen, vor allem in Hinblick auf die großen Summen, die auch heute noch an der modernen Kunst ver- dient werden.

Man hat den Eindruck, daß hier eine überdimensionale Show über die Bühne gezogen wird. Als „Künstler- fürsten" sind von ihren Zeitgenos- sen schon ganz andere Männer ge- feiert worden, z. B. Makart, von des- sen höfischem Glanz nicht mehr viel übriggeblieben ist, obwohl er die Technik des Malens exzellent be- herrschte. Es ist für die Beurteilung eines Kunstwerkes überhaupt nicht strittig, ob ein gut gemalter Apfel oder eine schlecht gemalte Madon- na höher zu bewerten ist. Es gibt auch keine allgemeingültigen Geset- ze, ob sich ein bildender Künstler mit Farben, Holz, Metall, Kunststof- fen und womit auch immer auszu- drücken habe.

In dem Kulturkreis aber, dem wir uns zugehörig fühlen, muß man zwangs- läufig hellhörig werden, wenn sich ein zeitgenössischer „Künstlerfürst"

in derart absonderlichen Verhaltens- weisen so engagiert des Kulturmülls

unserer Zeit für seine künstlerische Aussage bedient, mit „abgestande- nen Tinkturen, weggeworfenen Pfla- stern, angebrochenen Tabletten- röhrchen, ausgeleierten Spritzen, zerlesenen medizinischen Lehrbü- chern oder alten Röntgenaufnah- men, in der Regel sind sie abge- nutzt, angegammelt, mit Blut und Dreck verschmutzt."

Nach dem Urteil des Verfassers wer- den durch Beuys' Künstlerhand die Dinge „in einen anderen, höheren Zustand überführt, der einer Trans- substantiation gleichkommt." Damit ergänzt er seine artifiziellen Mög- lichkeiten, um einer naturhaften Welt näherzurücken, die dem Geist, der Seele und dem Körper des Men- schen entspricht. So viele kluge Worte. Man möchte dem freundli- chen Interpreten Beuysscher Gestal- tungskunst mit Mephistopheles zu- rufen: Denn eben, wo Begriffe feh- len, da stellt ein Wort zur rechten Zeit sich ein . .

Man vergegenwärtige sich das groß- artige Alterswerk Max Beckmanns, welches von der Ratio her wohl kaum erfaßt werden kann, dessen

„artifizielle Möglichkeiten" jedoch niemals den Eindruck vermitteln, er habe den Boden unter den Füßen verloren. Beuys' Gestaltungswelt umfaßt den gesamten Kosmos. Er soll sich mit medizinischem Gedan- kengut, mit den Naturwissenschaf- ten, Technik, Naturheilkunde, Phar- maziegeschichte von Paracelsus bis Hahnemann, mit Alchemie, Schama- nismus, Christentum und der An- throposophie Rudolf Steiners befaßt haben. Zu den dargestellten Objek- ten, mögen sie noch so raffiniert auf- gebaut, mit noch so anspruchsvol- len Etiketten versehen sein, kann der kritische Betrachter nur zu dem Schluß kommen: Non multum.

Es ist schwer verständlich, wie der Verfasser die theoretischen Vorstel- lungen von Paul Cezanne, der ein ganzes Leben um die Realisierung der Harmonie gerungen hat und der einer der ganz großen Vollender ge- wesen ist, zur Erklärung für das „ei- gene naturhafte System des Joseph Beuys" glaubt zitieren zu können.

486 Heft 8 vom 21. Februar 1980 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Joseph Beuys

Welcher angesichts der Beuysschen Objekte ratlose Betrachter möchte sich wohl-gerne zu den von Cözanne zitierten Dummköpfen zählen las- sen, die behaupten, daß der Künstler der Natur unterlegen sei.

Den Philosophen Friedrich Wilhelm Schelling als einen der geistigen Vä- ter Beuysscher Kunstphilosophie zu interpretieren dürfte ebenfalls eine sehr eigenwillige Auslegung sein. Es wäre außerordentlich reizvoll, beide angeblichen Wegbereiter Beuys- scher Gestaltungskunst durch das Guggenheim-Museum zu begleiten.

Das ist leider nicht mehr möglich.

Schelling verstarb 1854, Cözanne 1906.

Die Abbildung 3 des eingangs aufge- führten Artikels mit der Bezeich- nung: Barraque Dull Odde (Kaiser- Wilhelm-Museum, Krefeld) dürfte der kritische Betrachter nicht anders als eine mäßig aufgeräumte Rumpel- kammer deuten können. Die Abbil- dung 7: Ausschnitt aus „Zeige deine Wunde", München 1976, besteht im wesentlichen aus zwei leeren Sek- tionstischen und zwei gefüllten Blechbehältern. Dieses Environment weckt die Erinnerung an das triste Entröe einer Kleinstadt-Prosektur.

Das wirklich Bemerkenswerte an diesem Kunstwerk scheint zu sein, daß nach Mitteilung einer süddeut- schen Zeitung für dieses „Environ- ment" 270 000 DM gefordert und be- zahlt werden sollen.

Die Gefahr einer so außerordent- lich toleranten Betrachtungsweise künstlerischen Schaffens liegt darin, daß die Kunst, zu deren Beurteilung offenbar die Maßstäbe verlorenge- gangen sind, zu einer intellektuellen Spielwiese für Gaukler werden kann.

Den kritischen Betrachtern der Beuysschen Gestaltungskunst wird von den Anhängern der Beuyskult- gemeinde vorgeworfen, sie seien rückständig und hätten verlernt zu sehen. Das Gegenteil ist richtig: Sie sind bemüht, sich einen klaren Blick zu bewahren. Insbesondere die Na- turwissenschaftler, die gewohnt sind, eine Sache kritisch und nüch- tern zu beurteilen. Von ihnen dürfte der Aussagewert aus einem spekula-

tiven Dunstkreis, gleichsam aus ei- nem Delphischen Orakel, gering ein- geschätzt werden. Welches Mitglied eines städtischen Kulturausschus- ses, das auch gerne „in" sein möch- te und die Zustimmung zu dem An- kauf einer Handvoll Sperrmüll für Tausende von Mark gegeben hat, würde sich jemals eingestehen, Op- fer einer Suggestion geworden zu sein.

In seinem Briefwechsel mit Franz Marc schreibt A. Macke, daß Kunst weder von Wollen noch von Müssen, sondern von Können käme. Mit Si- cherheit auch nicht von Spinnen.

Dr. med. Klaus Steen

Blankeneser Bahnhofstraße 56 2000 Hamburg-Blankenese

Briefe an die Redaktion

SCHULSTRESS

Zu der Stellungnahme von Dr. Lutz Ro- senkötter (Heft 47/1979, Seite 3146). Dr.

Rosenkötter hatte Frau Christa Meves (dazu: Heft 39) „Demagogie" vorge- worfen:

Frau Meves hat recht

. . . Sicherlich braucht man mit Frau Meves im ärztlichen Bereich nicht in allen Einzelheiten übereinzustim- men (ohne ihre Argumentation des- halb als „pseudowissenschaftlich"

abtun zu müssen). Aber man muß doch dankbar anerkennen, daß sie in der großen Linie richtig liegt und ehrlich bemüht ist, auf gesundheit- lich gefährliche pädagogische Si- tuationen hinzuweisen und ihnen Einhalt zu gebieten. Auf keinen Fall sollte man daraus ein Politikum ma- chen und untersuchen, ob dabei der Wind von rechts oder links weht! Für den Schulstreß unserer Kinder Be- weise zu fordern hieße den Beweis zu verlangen, daß es überhaupt Kin- der gibt! Und wenn angeblich nie- mand die Notwendigkeit bestreitet, Kinder körperlich und seelisch für eine optimale Entwicklung altersge- mäß zu beanspruchen, dann muß man sich fragen, weshalb daraus

Dem unbekannten Arzt I

Wächter am Abgrund!

Wille,

die tödlichen Siegel zu brechen!

Unter weißen Tüchern, lichtüberflossen, ruht

in der Gnade künstlichen Schlafs Kreatur.

Wund stieß die Schwingen sie sich

an den Gittern der Krankheit — Du trittst herzu

und handelst.

Wie birgt nun in deine Hände sich der zitternde Vogel,

daß du ihm lösest die Fessel! — Einöden, uralte, hüllen dich ein, indes

der Purpur sickernden Bluts den chrommatten Stahl,

von deiner Hand behutsam ge- führt,

mit dunklen Rubinen besetzt.

Deichgraf — berufen, bei drängender Flut die Deiche zu sichern,

hinter denen des Lebens Gehöft sich duckt.

Dein Tun — ins Namenlose ge- stellt,

nicht erreichbar dem Beifall der Menge.

Und dennoch:

Gekröntester du unter allen, die je Kronen tragen

inmitten der schachernden Welt.

Dr. med. Walter Papesch Facharzt für Hals-Nasen-Ohren Krankheiten

Nürnberger Straße 192 c 8400 Regensburg

keine praktischen Konsequenzen gezogen werden, weshalb es bei- spielsweise eine Sexkunde auf früh- kindlicher Stufe, eine Mengenlehre, eine Ganzheitsmethode usw. gibt!

Schulängste sind sicher kein aus- schließliches Phänomen der letzten 10 Jahre, aber zweifellos ein haupt- sächliches! Dem vermag nur zu wi- dersprechen, wer das frühere schul- streßarme, jedoch oft zu wesentlich besseren Ergebnissen führende Schulsystem nicht mehr gekannt hat (Ausnahmen hat es immer schon gegeben und wird es immer geben) . . .

Dr. med. Fritz Dorner Bruckwiesenstraße 73 8501 Altenberg über Nürnberg

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 8 vom 21. Februar 1980 487

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