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Archiv "Joseph Beuys: Zwölftausend!" (31.10.2008)

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A2340 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 44⏐⏐31. Oktober 2008

K U LT U R

A

uf vielen Bildern von Rupp- recht Geiger knallt ein kaltes Rot gegen ein warmes Orange, oder ein schrilles Gelb kontrastiert zu ei- nem leuchtenden Rot. Mit ihren Leuchtfarben dominieren diese Gemälde ganze Räume und werden selbst von vielen Kunstliebhabern nur in Museen ertragen.

Das hier gezeigte Bild aus dem Jahre 1968 ist anders. Ein leuchten- des Gelb am unteren Rand und ein nach oben hin schwächer werdendes Weiß – mehr Farbe hat das Bild nicht aufzuweisen. Die Farben sind, dem Zeitgeist der 60er-Jahre entspre- chend, mit der Spritzpistole aufgetra- gen, eine persönliche Handschrift, ein individueller Pinselduktus, wurde seinerzeit von vielen Künstlern ge- mieden. Aber weder Farbwirkung noch Individualität stehen im Zen- trum der Aufmerksamkeit, sondern das zentrale Rund: Hier schauen wir auf die rohe, unbehandelte Leinwand.

In seinem Zentrum ist das Bild leer.

Offensichtlich tritt uns ein ganz ande- rer Aspekt der Bilder des Künstlers entgegen. Es geht um Stille, um eine meditative Haltung. Mit ganz redu- zierten Mitteln wird etwas Nichtma- terielles, eine geistige Dimension, thematisiert. Derartiges kennen wir aus dem Zen-Buddhismus. Kein Wunder also, dass Geiger, ein Mitbe- gründer der Künstlergruppe „Zen 49“, auf der viel beachteten Ausstel-

GEIGER,BEUYS,NÖFER

Aufbruch 1968

lung „Zen und die westliche Kunst“

im Jahr 2000 im Museum Bochum vertreten war. Ohne einen abbildhaf- ten Bezug herzustellen, atmen viele seiner Bilder etwas vom Geist des Zen. Ein einflussreicher Meister der Meditation, der eigenwillige Denker

Dogen Kigen (1200–1253), fasste die Quintessenz des Zen in folgenden Sätzen zusammen: „Den Buddha- Weg lernen heißt, das eigene Selbst lernen. Das eigene Selbst lernen heißt, das eigene Selbst vergessen.

(. . .) Die Spuren der Erleuchtung ver- schwinden; die spurlose Erleuchtung dehnt sich aus – endlos.“ Es wäre stimmig, gerade vor diesem Bild die Skulptur eines meditierenden Bud- dhas sitzen zu sehen.

Im Januar 2008 wurde Rupprecht Geiger 100 Jahre alt. Im Lauf des Jahres wurden ihm mehrere Austel- lungen gewidmet.

RUPPRECHT GEIGER

Jenseits der Leuchtfarben

„513/68“ (1968) Acryl auf Lein- wand,95 × 80 cm, verso signiert und bezeichnet (WV 488)

D

ie unscheinbare kleine Holz- kiste gehört zu den bekanntes- ten Werken von Joseph Beuys. Von 1968 bis 1985 wurden circa 12 000 Exemplare produziert. In jede der von einem Schreiner angefertigten Kisten schrieb Beuys eigenhändig mit einem Bleistift das Wort „Intuiti- on“, darunter zeichnete er eine beid- seitig mit einem senkrechten Strich

begrenzte Linie. Etwas tiefer befin- det sich eine links zaghaft, kaum sichtbar beginnende Linie, die kräfti- Biografie Rupprecht Geiger

Geboren 1908 in München, dort Studium der Architektur. Von 1936 bis 1940 Tätigkeit in einem Architekturbüro. Nach dem Kriegs- dienst als Maler Autodidakt, Mitbegründer der Gruppe „Zen 49“. Von 1949 bis 1962 als selbstständiger Architekt tätig. 1959 Salo- mon-Guggenheim-Preis, New York. Beteili- gungen an der Documenta II (1959), III (1964), IV (1968) und VI (1977). Ab 1965 Ver- wendung von Leuchtfarben. Von 1965 bis 1976 Professur an der Kunstakademie Düs- seldorf. Lebt in München.

JOSEPH BEUYS

Zwölftausend!

„Intuition“ (1968), Holzkiste mit Blei- stiftzeichnung,rückseitig signiert und datiert 1968, 29,7 × 21 × 5 cm. Edition des Vice-Versands in Remscheid. Unlimitiert, Auflage zwischen 1968 und 1985 circa 12 000 Stück

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 44⏐⏐31. Oktober 2008 A2341

K U LT U R

ger werdend auf der rechten Seite ebenfalls mit einem senkrechten Strich endet. Während der obere Strich, die klar begrenzte Strecke, als Sinnbild für logisches Denken gese- hen werden kann, entspräche der un- tere dem Verlauf eines intuitiven, kreativen Prozesses. Dieser beginnt im Ungefähren, Unbewussten, we- nig Fassbaren, führt dann aber eben- falls zu einem klaren Ende, einem Entschluss „aus dem Bauch“. Für Beuys war es stets wichtig, auf die Begrenztheit rein logischen Denkens hinzuweisen. Immer wieder betonte er die Notwendigkeit einer Wieder- anbindung unseres Denkens und Handelns an unbewusste und vorbe- wusste Prozesse, an die individuelle wie auch kollektive Vorgeschichte.

Welche große Bedeutung Intuition,

„laterales Denken“ et cetera für Ent- scheidungen in der Psychotherapie, in den Wissenschaften und selbst im nüchternen Geschäftsleben haben, ist heute allgemein anerkannt. Dass Beuys eine Holzkiste – statt eines Blatts Papier – wählte, um seine klei- ne Zeichnung zu transportieren, eröffnet zahlreiche weitere Assozia- tionsmöglichkeiten. Die leere Kiste kann zum Beispiel als Aufforderung verstanden werden, sie zu nutzen, mit Notizzetteln oder Gegenständen zu füllen. Sie kann aber auch leer bleiben als ein stets offenes Gefäß für die immateriellen Ideen. Vermutlich hätte Beuys in diesem Zusammen- hang einem Gedicht von Bertolt Brecht zustimmen können: „Geh ich zeitig in die Leere / komm ich aus der Leere voll. / Wenn ich mit dem Nichts verkehre / weiß ich wieder, was ich soll. / Wenn ich liebe, wenn ich fühle / ist es eben auch Ver- schleiß. / Aber dann, in der Kühle / werd ich wieder heiß.“

Biografie Joseph Beuys

Geboren 1921 in Krefeld. Nach Teilnahme am Zweiten Weltkrieg von 1947 bis 1951 Studium an der Kunstakademie Düsseldorf bei Ewald Mataré, von 1961 bis 1972 Professur dort. Mit seinen „Aktionen“, seiner Vorstellung eines

„erweiterten Kunstbegriffs“ und der Einführung neuer Materialien (Fett, Filz, Schwefel et ce- tera) hat er als Künstler und als Lehrer großen Einfluss auf die Entwicklung der Kunst ge- nommen. Erster deutscher Künstler, dem das Guggenheim-Museum in New York 1979 eine Einzelausstellung einrichtete. Ausgedehnte politische Tätigkeit, unter anderem bei den Grünen. Gestorben 1986 in Düsseldorf.

„Schiff für T“

(1968), Siebdruck in vier Farben.

32,3 × 50,4 cm auf 43 × 60,8 cm.

Signiert, datiert 68, Exemplar 6/65.

edition tangente (heute Edition Staeck). Heidelberg

WERNER NÖFER

Landschaft, reflektiert

D

ie breit angelegte Diskussion um unsere medial vermittelte Wahrnehmung begann in den 60er- Jahren: eine durch Fotos, Film und Fernsehen bestimmte Erlebniswelt.

40 Jahre später reicht diese Ent- wicklung bis in virtuelle Welten und zu einem „second life“. Werner Nö- fer gehört zu den Künstlern der 60er-Jahre, die diese Thematik früh

zum Ausgangspunkt ihrer Bilderfin- dungen nahmen. Einem größeren Publikum wurde er sowohl durch seine großflächigen Wandbilder an Außenfassaden als auch durch seine zahlreichen Druckgrafiken bekannt, die seinerzeit in vielen Angeboten der boomenden Grafikeditionen zu finden waren. Dabei widmete sich Werner Nöfer vor allem der Land- schaftsdarstellung, die als überholt und kunsthistorisch abgearbeitet galt. Diesem Thema waren neue Fa- cetten abzugewinnen, wie sich am vorliegenden Siebdruck von 1968 aufzeigen lässt. Die Silhouette einer Landschaft mit bewölktem Himmel kontrastiert zu einer Schnittdarstel- lung eines Kanals. Für die Darstel- lung der Wasserfläche verwendet der Künstler ein das Auge irritieren- des Op-Art-Muster. Inhaltlich irri- tierend wird diese Abstraktion einer Landschaft, wenn wir das Schiff als Kriegsschiff erkennen und damit die aufstrebenden Kreise als Schieß- scheiben oder Zielmarkierungen

identifizieren müssen. Da das Bild von einem breiten roten Balken gerahmt wird, erfährt es sowohl eine Distanzierung als auch eine erhöhte Aufmerksamkeit, einem Verkehrsschild vergleichbar. Diese Kombination aus der Festlegung eines Bildausschnitts durch Rah- mung, Op-Art-Effekt, Silhouette und Schemazeichnung eines Land-

schaftsquerschnitts verweist uns darauf, dass wir Landschaft schon lange nicht mehr unvoreingenom- men wahrnehmen können. Land- schaft erleben wir im Ausschnitt durch das Auto- oder Flugzeug- fenster oder reflektiert durch unser Wissen um Landschaftsarchitektur, Gefährdung durch Umwelteinflüsse (Waldschadensbericht) bis hin zu Gefahren durch terroristische An- griffe und deren Abwehr durch eine vermehrte Präsenz von Polizei und Militär. Dr. med. Hartmut Kraft

Biografie Werner Nöfer

Geboren 1937 in Essen. 1956 Besuch der Folkwangschule in Essen, ab 1961 der Staatlichen Hochschule für Bildende Kunst in Hamburg.

Zusammen mit Dieter Glasmacher propagierte Nöfer 1969 das

„Straßenkunstmuseum“ und forderte Konzerne, Gesellschaften, Bau- herren et cetera auf, öffentlich zugängliche Malflächen zur Verfügung zu stellen. Neben Arbeiten im öffentlichen Raum publizierte Nöfer vor allem Druckgrafiken, um ein breites Publikum preisgünstig mit aktu- eller Kunst in Kontakt zu bringen. 1976 Preis der Internationalen Triennale für farbige Grafik in Grenchen. Von 1979 bis 2002 Professur an der Fachhochschule Dortmund. Nöfer lebt in Norddeutschland.

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