Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 929. Februar 2008 A429
A K T U E L L
Der Vorsitzende des Bayerischen Hausärzteverbandes, Dr. med.
Wolfgang Hoppenthaller, hat die Hausärztinnen und Hausärzte in Bayern erneut zum Systemausstieg aufgerufen. Bedingung für den Aus- stieg ist, dass sich mindestens 70 Prozent der Hausärzte dafür ent- scheiden. „In den meisten Landkrei- sen sind wir noch deutlich darun-
ter“, schreibt Hoppenthaller in ei- nem Rundbrief vom 19. Februar. Er weist zugleich darauf hin, dass die Entscheidung bis zum 12. März ge- fallen sein muss. Sollten keine Mehrheiten für eine kollektive Rückgabe der Kassenzulassungen zustande kommen, will der Ver- bandsvorsitzende von seinem Amt zurücktreten.
Hoppenthaller appelliert in sei- nem Rundbrief an die Hausärzte, nicht wieder in Lethargie zu versin- ken. Das politische Umfeld sei noch nie so günstig für einen Ausstieg ge- wesen wie jetzt und der Verband noch nie so stark. Komme der Aus- stieg nicht zustande, sei diese Dis- kussion auf viele Jahre hinaus been- det. „Zeigen Sie Rückgrat, Mut und Solidarität“, mahnt der Hausärzte- funktionär.
Am 30. Januar hatten rund 7 000 Hausärztinnen und Hausärzte an ei- ner Protestveranstaltung in der Arena in Nürnberg teilgenommen.
Diskutiert wurde dort über die kol- lektive Rückgabe der Kassenzulas-
sung. HK
Die Deutsche Gesellschaft für Hä- matologie und Onkologie (DGHO) stimmt der neuen Bewertung der Stammzelltransplantation bei schwe- rer aplastischer Anämie durch das Institut für Qualität und Wirt- schaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) zu. Der DGHO-Vorstand begrüßt ausdrücklich die Relativie- rung der bisherigen Bewertung.
Gleichzeitig kritisiert die Fachge- sellschaft jedoch die späte Reaktion des Instituts auf die Kritik der Ex- perten.
„Die neuerliche Untersuchung bestätigt nur, was wir bereits in den letzten Jahren immer wieder betont haben“, stellt Prof. Dr. Gerhard Eh- ninger, Vorsitzender der Fachgesell- schaft fest. „Bei fehlendem Famili- enspender und einer fehlenden Wirksamkeit der immunsupressiven Therapie ist die allogene Stamm-
zelltransplantation der einzig gang- bare Weg. Bei einem passenden Fremdspender wäre jede andere Therapieentscheidung unethisch.“
Die vom IQWiG zitierte Studie be- legt für den Vorstand der DGHO nur den von Experten schon in der Ver- gangenheit immer wieder betonten dramatischen Effekt der allogenen Stammzelltransplantation gegenüber der immunsupressiven Behandlung in der Zweitlinientherapie.
„Es ist schon sehr erstaunlich, dass der Hinweis auf Registerdaten während der ersten Berichterstel- lung nicht berücksichtigt wurde, heute aber derartige Daten aner- kannt werden“, wundert sich Prof.
Dr. Mathias Freund, Sekretär der Fachgesellschaft, und betont: „Was die Ärzte in der zitierten Studie ma- chen, spiegelt die Standardbehand- lung in Deutschland wider.“ zyl
„Sie können sich schon mal frei ma- chen.“ Ein alltäglicher Satz in deut- schen Arztpraxen. Wer denkt schon über seine Folgen nach? Patientin- nen und Patienten legen ihre Klei- dung ab, sitzen halbnackt in kühlen Sprechzimmern und warten auf ihre Untersuchung. Wenn sie Pech ha- ben, schauen in größeren Abstän-
den wechselnde Sprechstundenhil- fen hinein und wundern sich, dass die Ärztin oder der Arzt noch immer nicht erschienen sind. Die Frage, ob die Nacktheit oder die Exponiertheit den Patienten peinlich sein könnte, stellt man sich lieber nicht. Das kos- tet Zeit, und Zeit ist Geld.
Doch auch Ärztinnen und Ärzte sind ebenso wie ihre Helferinnen nicht ohne Schamgefühl. Anbli- cke,Gerüche oder Themen können unangenehm sein und dadurch das Verhältnis zum Patienten belasten.
Doch thematisiert wird dies kaum.
Von den Gesundheitsberufen erwar- tet man Professionalität, sprich das ungerührte Hinnehmen solcher Si- tuationen. Vom Patienten erwartet man die stille Duldung. Ihm oder ihr wird schließlich geholfen.
Scham ist das am meisten tabui- sierte Gefühl, zitiert die „Taz“ den Ethnologen Hans Duerr, obwohl es zum menschlichen Wesen dazuge- hört. Dem Thema wollte sich auch eine Tagung der Caritas-Akademie für Gesundheits- und Sozialberufe in Freiburg widmen. Zielgruppe wa- ren Ärzte, Pflegekräfte und Studie- rende. Eine Auseinandersetzung mit dem Schamgefühl in Medizin und Pflege sollte das Ziel sein. 3 000 Einladungen wurden laut „Taz“ ver- schickt, doch nur neun Personen sagten ihre Teilnahme zu. Die Ta- gung wurde abgesagt. Es ist das Verdienst der alternativen Tageszei- tung aus Berlin, dass dennoch über das Thema berichtet wurde.
RANDNOTIZ
Heike Korzilius
Scham – das tägliche Tabu
Euphorie von kurzer Dauer:
Wolfgang Hop- penthaller bei einer Protest- veranstaltung Ende Januar in Nürnberg.
STAMMZELLTRANSPLANTATION
Kritik an später IQWiG-Neubewertung
BAYERISCHER HAUSÄRZTEVERBAND
Systemausstieg fraglich
Foto:ddp