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Archiv "Embryonenforschung: Machtproben" (15.02.2002)

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aum hatte der Bundestag am 30.

Januar über den Import embryo- naler Stammzellen abgestimmt, setzten auch schon Überlegungen ein, wie der gefundene Kompromiss zugun- sten der Forschung ausgeweitet werden könnte.

Angelpunkt ist die Stichtagsrege- lung. Der Bundestag hatte beschlossen, embryonale Stammzellen nicht zu im- portieren, abgesehen von Stammzellli- nien, die zu einem Stichtag bereits exi- stierten. Unter den Abgeordneten kur- sierte die Überlegung, als Stichtag den 30. Januar, zu nehmen, andere plädier- ten für den 7. August 2001, einen in den USA angesetzten Stichtag. Im August vergangenen Jahres sollen 72 Stamm- zelllinien existiert haben. Deren Zahl hat sich inzwischen wohl erhöht. Die deutschen Forscher, die den Embryo- nenimport befördern wollen, plädieren für einen weit hinaus geschobenen Stichtag. Man sucht nach möglichst „fri- schem Material“. Ein früher Stichtag schränkt zudem die Menge des Ange- bots ein. Der Import nach Deutschland könnte somit teuer werden. Dabei geht es nicht allein um Geld. Die Anbieter von Zelllinien könnten von deutschen Forschern auch verlangen, am For- schungsdesign und an den Ergebnissen beteiligt zu werden. Solche Befürchtun- gen standen schon im Raum, als Profes- sor Dr. Oliver Brüstle sich nach Israel orientierte, nachdem er zuvor Kontakte in die USA gepflegt hatte.

Solche Argumente werden bei der Formulierung des Gesetzentwurfes und bei den Beratungen in den Bundestags- ausschüssen ihre Rolle spielen. Der Ge- setzentwurf wird im Bundesforschungs- ministerium erarbeitet. Im Bundestag wird der Forschungsausschuss feder- führend sein. Beide gelten als Befür-

worter „liberaler“ Lösungen. Eine Machtprobe zwischen jenen, die Em- bryonenimport strikt begrenzen wollen und jenen, die den Forschern entgegen- kommen wollen, ist zu erwarten.

Eine Machtprobe im Kleinen bahnt sich unterdessen innerhalb der Ärzte- schaft an. Die Bundesärztekammer hat sich in Sachen Embryonenforschung noch nicht definitiv entschieden. Es gibt allerdings einen Beschluss des 104.

Deutschen Ärztetages aus 2001, der den Import embryonaler Stammzellen als ethisch nicht akzeptabel kennzeichnet und der die Wissenschaft dazu auffordert, mit Versprechungen zurückhaltend zu sein. Der Vorstand der Bundesärzte- kammer wollte, so der letzte Stand der Überlegungen, die Abstimmung im Bundestag abwarten.

Das Thema dürfte den kommenden Ärztetag, Ende Mai diesen Jahres, erneut beschäftigen.

Im Vorfeld der Bundestagsentschei- dung hatte der Präsident der Bundes- ärztekammer, Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe, in einem Pressegespräch Positi- on gegen verbrauchende Embryonen- forschung bezogen und vor Heilsver- sprechungen gewarnt. Gegen Hoppe machte der Vorsitzende des Wissen- schaftlichen Beirats der Bundesärzte- kammer, Prof. Dr. Karl-Friedrich Se- wing, Front. In einem (inzwischen auch öffentlich verbreiteten) Brief an Hoppe

bekundete Sewing, er fühle sich ver- pflichtet, sich „schützend vor die zahl- reichen Ärzte zu stellen, die als Wissen- schaftler in Kliniken und Forschungsla- boratorien mit Erfolg für die praktizie- renden Ärzte die Instrumentarien erar- beiten, mit denen diese ihre Patienten zunehmend erfolgreicher behandeln können.“ Sewing verlangte von Hoppe zu verdeutlichen, dass seine, Hoppes, Verlautbarungen, „nicht die einhellige Meinung der Ärzteschaft darstellen und nicht dem Rat der dafür zuständi- gen Gremien entspringen“.

Sewing ließ zudem auf eigene Faust (zusammen mit der Zentralen Ethik- kommission bei der Bundesärztekam- mer) eine Presseerklärung ab, in der er namens des Wissenschaftlichen Beirats die Bundestagsentscheidung als richtig, ethisch ausgewogen und mutig bezeich- nete. Es gibt freilich bisher keine förmli- che Beschlussfassung des Wissenschaftli- chen Beirats, auf die sich Sewing berufen könnte, geschweige denn eine Vorlage des Beirats an den Vorstand der Bun- desärztekammer. Der aber wäre das zuständige Gremium, um die Auffas- sung der Ärzteschaft zu vertreten.

Die Bundesärztekammer wird nach dem Eindruck von Beobachtern klarstellen müssen, inwieweit sie selbst die Positionen der Ärzteschaft zu em- bryonaler Stammzellforschung darlegt oder ob sie bereit ist, ihrem Beratungs- gremium, dem Wissenschaftlichen Bei- rat, das Feld zu überlassen. Die Klärung erscheint umso vordringlicher, als die nächste Machtprobe sich bereits ab- zeichnet: Noch in diesem Monat will der Bundestag das heiße Thema Prä- implantationsdiagnostik angehen. Der Wissenschaftliche Beirat der Bundes- ärztekammer hat sich auch dazu bereits positioniert. Norbert Jachertz P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 7½½½½15. Februar 2002 AA397

Embryonenforschung

Machtproben

Forscher rütteln am Kompromiss des Bundestages.

Die Meinungsbildung in der Ärzteschaft ist offen;

zwischen Bundesärztekammer und deren Wissen- schaftlichem Beirat bahnt sich eine Machtprobe an.

Pressepolitik auf eigene Faust:

„Richtig, ethisch ausgewogen, mutig“.

Karl-Friedrich Sewing, 67, Wissenschaftlicher Beirat der Bundesärztekammer

Foto: privat

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