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Archiv "Struma mit Euthyreose wann wie therapieren?" (06.10.1988)

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DAS EDITORIAL

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Struma mit Euthyreose wann wie therapieren?

D

Harald Schicha und Johannes Köbberling

ie Struma mit Euthyreose ist im Jod- mangelgebiet der Bundesrepublik Deutschland mit 10 bis 15 Prozent häufig und stellt eine erhebliche Ko- stenbelastung für das Gesundheits- wesen dar. Wichtigster Entstehungsfaktor ist der hierzulande immer noch bestehende Jodmangel.

An der Ausbildung der Struma sind jedoch auch genetische und hormonelle Faktoren beteiligt.

Letztere führen dazu, daß das weibliche Ge- schlecht bevorzugt betroffen ist, vor allem in Pha- sen einer hormonellen Umstellung wie Pubertät, Gravidität und Menopause.

Die Diskussion um die Behandlung der Struma mit Euthyreose ist in den letzten Jahren wieder neu entfacht worden. Sie hat unterschiedliche Aspekte:

Ist die sonographisch feststellbare im Vergleich zu Ländern mit ausreichender Jodversorgung zu große Schilddrüse bei Säuglingen und Kleinkin- dern der Bundesrepublik Deutschland ein krank- hafter behandlungsbedürftiger Zustand? Ist eine sonographisch feststellbare Schilddrüsenvergröße- rung bei Erwachsenen (für Frauen über 18 ml und für Männer über 25 inl, unabhängig von Alter und Körpergewicht) behandlungsbedürftig, sofern eine Struma palpatorisch nicht feststellbar ist und/oder sofern eine subjektive oder objektive mechanische Symptomatik nicht besteht?

Schilddrüsenexperten sind sich darüber einig, daß jede Schilddrüsenvergrößerung behandlungs- bedürftig ist. Hierbei sind die Übergänge zwischen

„großer Schilddrüse" und „Strumaprophylaxe"

mit Jod auf der einen Seite sowie einer „manife- sten Struma" und einer „Strumatherapie" auf der anderen Seite durchaus fließend.

Welche diagnostische Abklärung

1

. vor einer Therapie?

Problematisch hinsichtlich einer medikamentö- sen Therapie ist die Schilddrüsenautonomie. Als Schilddrüsenautonomie bezeichnet man Bezirke in der Schilddrüse, die ihre Hormonproduktion und ihre Hormonausschüttung unabhängig von regulie- renden Einflüssen ausüben, also auch bei vollstän- dig supprimiertem TSH. Solche autonomen Bezir- ke können in einzelnen Herden angeordnet sein (zirkumskripte Autonomie) oder auch diffus die ganze Schilddrüse oder größere Teile der Schild- drüse betreffen (disseminierte Autonomie).

Autonomien der Schilddrüse werden als Mal- adaptation infolge eines langjährigen Jodmangels angesehen. Die Gründe, warum eine Autonomie bei bestimmten Strumapatienten auftritt, bei ande- ren dagegen nicht, sind unbekannt. Obwohl eine Autonomie in jedem Alter auftreten kann, nimmt ihre Häufigkeit zu mit der Zunahme des Alters der Struma, des Alters des Patienten, der Strumagröße und einem knotigen Umbau beziehungsweise mor- phologischen Veränderungen der Struma. Eine Autonomie ist bei Patienten mit größeren und kno- tigen Strumen jenseits des 50. Lebensjahres eher die Regel als die Ausnahme. Die Autonomie hat folgende Konsequenzen:

■ Abnehmende Wahrscheinlichkeit des An- sprechens auf eine Schilddrüsenhormontherapie und hierbei zugleich erhöhtes Risiko einer Hyper- thyreosis factitia.

■ Risiko der Auslösung einer Hyperthyreose bei stark erhöhter Jodzufuhr (jodhaltige Medika- mente, auch Externa , oder Röntgenkontrastmittel).

Jodinduzierte Hyperthyreosen bereiten beson- dere therapeutische Probleme. Da sie häufig bei äl- teren und multimorbiden Patienten auftreten, sind sie mit einer erheblichen Letalität behaftet. Vor ei- ner konservativ-medikamentösen Therapie der Struma mit Euthyreose ist es daher empfehlens- wert, eine Autonomie so weit wie möglich auszu- schließen. Der Verdacht hierauf ergibt sich bei er- niedrigtem TSH-Spiegel im Blut, fehlendem oder nur geringem Anstieg von TSH im TRH-Test, so- wie bei allen älteren Patienten und bei Patienten mit größeren oder knotigen Strumen. Die quantita- tive Schilddrüsenszintigraphie, gegebenenfalls un- ter Suppressionsbedingungen, kann die Verdachts- diagnose erhärten. Sie ist bei Patienten indiziert, bei denen die oben genannten Bedingungen zutref- fen, daneben auch bei jüngeren Patienten mit mor- phologischen Veränderungen im Sonogramm. Ein normales Sonogramm schließt aber eine dissemi- nierte Schilddrüsenautonomie nicht aus.

Auf die Schilddrüsenszintigraphie unter Aus- gangs- und/oder Suppressionsbedingungen kann verzichtet werden bei jüngeren Patienten (< 30 bis 40 Jahre) mit sonographisch diffusen, kleineren Strumen (< 40 bis 50 ml) ohne morphologische Veränderungen im Sonogramm und mit normalem TSH-Basalwert 0,4 U/1 bei modernen soge- nannten supersensitiven Assays). Der hierfür typi- sche Patient ist der mit diffuser Pubertätsstruma.

Dt. Ärztebl. 85, Heft 40, 6. Oktober 1988 (39) A-2733

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Hier ist eine sparsame Schilddrüsendiagnostik aus- reichend (TSH-Basal, Sonographie, gegebenen- falls ein freier Hormonwert).

Bei Strumapatienten, die diese Bedingungen nicht erfüllen, ist eine differenzierte Schilddrüsen- diagnostik und -therapie erforderlich. Letztere er- fordert eine Beurteilung von Morphologie und me- chanischen Beeinträchtigungen (Sonographie, Röntgen, gegebenenfalls Lungenfunktionsdiagno- stik). Ferner sollten Nachweis beziehungsweise Ausschluß eines Karzinoms (Sonographie, Szinti- graphie, Zytologie) und einer fokalen oder disse- minierten Schilddrüsenautonomie (intravenöser TRH-Test, quantitative Schilddrüsenszintigraphie mit Tc-99m oder J-123 unter Basis- und gegebenen- falls unter Suppressionsbedingungen) erfolgen.

0 Wie sollte die Struma mit G Euthyreose therapiert werden?

Eine signifikante Verkleinerung oder sogar ein Verschwinden der Struma ist bei konservativ-medi- kamentöser Therapie nur bei der diffusen Struma junger Patienten ohne wesentliche morphologische Veränderungen und ohne Autonomie zu errei- chen. Für solche Patienten werden derzeit drei Be- handlungskonzepte verfolgt und kontrovers disku- tiert: C) Schilddrüsenhormontherapie mit Levo- thyroxin in suppressiver Dosis (zum Beispiel 2,0 bis 2,2 µg/kg Körpergewicht), C) Jodidtherapie mit 300 bis 500 µg/Tag, C) Kombinationstherapie.

Jede Therapieart ist belegt und pathophysiolo- gisch begründbar (TSH-Suppression, Jodmangel).

Jede Therapie hat aber auch Nachteile (Strumare- zidiv nach Absetzen von Thyroxin, Auslösung ei- ner Hyperthyreose durch Jodid bei Autonomie).

Derzeit laufende prospektive Studien zeigen bisher nur geringe Unterschiede, die die Überlegenheit eines Therapiekonzeptes nicht endgültig beweisen.

Die mittlere Größenabnahme der Schilddrüse bei allen Therapieverfahren liegt bei etwa 25 bis 30 Prozent.

Für eine Rezidivprophylaxe nach operativer Verkleinerung der Struma ist, sofern sicher eine euthyreote Stoffwechsellage vorliegt, die alleinige Gabe von Jod vermutlich ausreichend. Selbstver- ständlich muß bei jeder Hypothyreose, auch bei ei- ner subklinischen Hypothyreose nach Schilddrü- senresektion oder Radiojodtherapie, eine lebens- lange Substitution mit Levothyroxin erfolgen.

Zur weiteren Klärung sind die laufenden Stu- dien und die Ergebnisse der derzeit zum Teil er- heblich kontrovers geführten Diskussion in ent- sprechenden Fachgremien (zum Beispiel Sektion Schilddrüse der Deutschen Gesellschaft für Endo- krinologie) abzuwarten. Auch wenn eine einhellige Empfehlung derzeit noch nicht gegeben werden kann, so ergeben sich doch in einigen Bereichen weitgehende Übereinstimmungen.

■ Nach einer maximal eineinhalb bis zwei Jahre durchzuführenden „Verkleinerungsthera- pie" (sei diese nun erfolgreich, teilerfolgreich oder auch kaum erfolgreich) ist anschließend eine „Jod- prophylaxe" mit 150 bis 200 [Ig Jodid täglich ange- zeigt. Eine lebenslange „Therapie" wird überwie- gend abgelehnt.

■ Eine Strumabehandlung in der Gravidität muß mit einer Jodsubstitution von zum Beispiel 200 µg/Tag einhergehen. Dies ist insbesondere auch eine Aufgabe der Frauenärzte.

Bei allen einer medikamentös-konservativen Therapie nicht zugänglichen Strumen mit oder oh- ne Autonomie ist ein differenziertes Vorgehen un- ter individueller Berücksichtigung aller Umstände erforderlich.

■ Gegebenenfalls abwartende Haltung, bei Autonomie zugleich Vermeiden einer erhöhten Jodzufuhr. Bei höhergradiger Autonomie wird mehrheitlich eine definitive Therapie (Operation oder Radiojodtherapie) empfohlen.

■ Substitutive (nicht suppressive) Schilddrü- senhormontherapie mit kleineren Levothyroxin- Dosen, um zumindest ein weiteres Strumawachs- tum zu verhindern. Dieses Behandlungskonzept ist durch Studien allerdings nicht belegt und patho- physiologisch schwer begründbar.

■ Definitive Therapie bei subjektiver oder objektiver mechanischer Symptomatik, bei Auto- nomie oder Karzinomverdacht, wobei, abhängig von den individuellen Umständen, eine Operation oder eine Radiojodtherapie an erster Stelle stehen.

Wie bei allen relativen Therapieindikationen, muß auch hier der Patient nach sachkompetenter Aufklärung durch den behandelnden Arzt die Ent- scheidung selbst wesentlich mittragen.

Die hier zusammengefaßten Empfehlungen wenden sich vor allem an die praktizierenden Kol- legen und an weniger spezialisierte Klinikärzte.

Manche Vereinfachungen waren erforderlich, be- gründete Abweichungen von den hier vorgeschla- genen therapeutischen Strategien wird es in Einzel- fällen immer geben müssen. In Zweifelsfällen ist, auch bei einer derart „einfachen" Erkrankung wie einer Struma, der Patient an eine Stelle mit beson- derer Erfahrung zu überweisen oder zumindest de- ren Rat einzuholen.

Anschriften der Verfasser:

Prof. Dr. med. Harald Schicha Direktor des Instituts für klinische und experimentelle Nuklearmedizin der Universität zu Köln

Joseph-Stelzmann-Straße 9 • 5000 Köln 41 Prof. Dr. med. Johannes Köbberling Leiter der Medizinischen Klinik

Städtisches Ferdinand-Sauerbruch-Klinikum Arrenberger Straße 20 • 5600 Wuppertal 1

A-2734 (40) Dt. Ärztebl. 85, Heft 40, 6. Oktober 1988

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