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Archiv "Universitäten: Habilitation in der Medizin – kein Anachronismus" (23.01.2004)

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ie Habilitation als Nachweis der Qualifikation für selbstständige Forschung und Lehre und Grund- lage für die Berufung auf eine Professur wurde oft kritisiert. In der Änderung des Hochschulrahmengesetzes im Jahr 2002 ist die Habilitation nicht mehr erwähnt. Die neu eingeführte Junior- professur soll an die Stelle der Habilita- tion treten und eine frühere Selbststän- digkeit des wissenschaftlichen Nach- wuchses sichern. Besonders in der klini- schen Medizin sind unter anderem die zeitlichen Vorgaben für eine Juniorpro- fessur kaum mit der Weiterbildung zum Facharzt und qualifizierter Forschung und Lehre zu vereinbaren. Die akade- mische Medizin unterscheidet sich in vieler Hinsicht von anderen Fakultäten.

Seit 1980 entfällt etwa ein Drittel der Habilitationen in allen Fächern

der Universitäten auf die Me- dizin. Demnach wird durch die neue bundesgesetzliche Rege- lung kein Fach so betroffen wie gerade die Medizin.

Wenn traditionsreiche aka- demische Rechte abgeschafft werden, sollten nicht nur per- sönliche Meinungen und Ver- mutungen als Argumente die- nen, sondern empirisch belegte Daten in die Diskussion einbe- zogen werden. Deshalb wurden in einer Studie betroffene habi- litierte Mediziner um ihre Mei- nung zu diesem Thema befragt.

Es wurden sämtliche 160 Wis- senschaftler angeschrieben, die

sich in vier Jahren an der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) habili- tiert haben, um die Meinung Betroffener zu diesem Thema zu erhalten. Sie erhiel- ten einen Fragebogen mit 31 Fragekom-

plexen. Außerdem bestand die Möglich- keit freier Äußerungen. Wegen der An- onymität der Antwortbögen wurden alle Adressaten nach drei Monaten erneut angeschrieben und um Antwort gebeten.

Die Auswertung erfolgte mit dem Stati- stikprogramm SPSS 11.0 unter Anwen- dung deskriptiver und inferenzstatisti- scher (Chi-Quadrat-Test, t-Test) Verfah- ren. Dabei gelten p-Werte von unter 0,05 als statistisch signifikant.

Hoher Rücklauf

Es wurden 130 verwertbare Fragebögen zurückgeschickt (81 Prozent Rücklauf).

Die Antworten der Befragung kamen in 16,4 Prozent von Frauen; dies entsprach nahezu einem Anteil in der Gesamtpo-

pulation von 17,1 Prozent an allen Habi- litationsverfahren in diesen Jahren an der MHH. Es waren 76,2 Prozent der Befragten verheiratet und 5,4 Prozent geschieden; 74,6 Prozent hatten Kinder.

Das Alter beim Studienbeginn lag bei 19,8 ± 1,7 Jahren (Mittelwert ± Standard- abweichung) und die Studiendauer bei 6,5 ± 0,8 Jahren. Der zeitliche Abstand zwischen Schulabschluss und Studien- beginn lag bei 0,85 ± 0,98 Jahren. In allen diesen und auch fast allen anderen Para- metern gab es keine erheblichen Unter- schiede zwischen Männern und Frauen.

In 63,8 Prozent erfolgten die Habilita- tionen in Fächern der klinischen, in 15,4 Prozent der klinisch-theoretischen und in 20,8 Prozent in der theoretischen Me- dizin. Besonders interessant war die Ein- schätzung der Dauer von der Zeit zwi- schen der Promotion und Habilitation, die von fast 61,7 Prozent der Befragten als zu lang bewertet wurde. Als Gründe dafür wurden selten eine mangelnde Be- treuung, sondern doppelt so häufig per- sönliche Gründe, Belastung durch Ver- waltungsaufgaben und besonders oft (64,4 Prozent) Belastung durch klinische Aufgaben angegeben. Eine zu große kli- nische Belastung wurde häufiger von Autoren monographischer Arbeiten (77 Prozent) als bei kumulativen Arbeiten angeführt (43 Prozent).

Die klassische Form der Habilitation (Monographie) wählten 62 Prozent und die kumulative Form 38 Prozent.Von den als Monographie eingereichten Arbeiten waren 78,8 Prozent aus der Klinik, zehn Prozent aus klinisch-theoretischen und elf Prozent aus theoretischen Fächern. Für die kumulative Habilitation waren die Pro- zentsätze: 40,8 Prozent, 22,4 Prozent und 36,7 Prozent. Das bedeutet in der Tendenz mehr monographische Arbeiten in klinischen Fächern. Bei 75 Pro- zent der Antworten wurde die jeweilige Form der Habilitati- on für sich selbst als sinnvoll angesehen. Die überwiegende Mehrheit (85,4 Prozent) fand die Anforderungen an die Ha- bilitation angemessen und die Beschreibung in der Habilitati- onsordnung eindeutig (74,6 Prozent). Alle Habilitanden waren bereits vor der Habilita- tion in die Lehre, zum Beispiel Kurse, Se- minare und Vorlesungen (Männer 80 Prozent, Frauen 52 Prozent, deutlicher Unterschied), eingebunden. In 39 Pro- zent würden sich die Befragten ohne die T H E M E N D E R Z E I T

A

A168 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 423. Januar 2004

Universitäten

Habilitation in der Medizin – kein Anachronismus

Ergebnisse einer Umfrage unter Habilitierten

Reinhard Pabst, Martin Schlaud

Grafik 1

Prozentangaben zu den Gründen für eine zu lange Dauer der Erstel- lung der Habilitationsarbeit. Mehrfachantworten waren möglich.

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angestrebte Habilitation we- niger in der Lehre engagie- ren. Als Tendenz ergab sich, dass Männer die Habilitati- onsschrift als zu leicht und zu lang einstuften und eher für eine Abschaffung tendierten als Frauen. In diesen Punk- ten wurden aber keine Un- terschiede festgestellt.

Eine oft geäußerte Mei- nung: Junge Wissenschaftler fühlen sich in der Forschung eingeengt. Das traf nur bei 2,3 Prozent der Befragten zu. Es waren 27,7 Prozent in größere Forschungsprojekte eingebunden. Bis zur Habili- tation hatten 95,4 Prozent eigenverantwortlich Dritt- mittel für Forschungspro-

jekte eingeworben. Große Unterschiede wurden deutlich, wenn die Gesamtbe- treuung, die Betreuung in Forschungs- projekten oder bei persönlichen Proble- men bewertet wurden. Unbefriedigend ist die geringe Vorbereitung auf die Lehraufgaben, die ein Privatdozent nach der Habilitation selbstständig übernehmen soll, 80 Prozent fühlten sich überhaupt nicht oder nur etwas auf diese Aufgaben vorbereitet.

Nur eine Minderheit für die Abschaffung der Habilitation

Für die zukünftigen hochschulpoliti- schen Entscheidungen zur Habilitation in deutschen Hochschulen sind Ge- samtbewertungen besonders interes- sant: Nur 14 Prozent hielten die Habili- tation für ein überholtes akademisches Ritual, wohingegen 47,5 Prozent die Habilitation weiterhin als wissenschaft- liche Qualifikation und als Grundlage für eine Berufung in ein Professoren- amt einschätzten und 45 Prozent die Habilitation als eine wichtige wissen- schaftliche Leistung neben anderen Kriterien für eine Berufung einordne- ten. Es rieten fast die Hälfte (48 Pro- zent), die Habilitation beizubehalten, aber 39 Prozent zur Modifikation und nur 12 Prozent zur Abschaffung (Gra- fik 2). Die abschließende Frage war, ob die Habilitierten jüngeren wissenschaft- lichen Mitarbeitern aufgrund der eige-

nen Erfahrungen raten würden, eine Habilitation anzustreben. In 85 Prozent wurde diese Frage mit Ja beantwortet, was vergleichbar zu den 89 Prozent der Studie von Weber et al. war. Diese Be- fragung von habilitierten Medizinern kann wegen der hohen Antwortrate als repräsentativ für die Situation an der Medizinischen Hochschule Hannover gelten. Ob es besonders in Hinsicht auf die Alternative kumulative oder „opus magnum“-Arbeit an anderen Fakultä- ten andere Einschätzungen gibt, sollte aktuell untersucht werden.

Warum müssen gewachsene Fächer- kulturen beseitigt und alles vereinheit- licht werden? Was im Maschinenbau sinnvoll ist, braucht nicht das Optimum für die Biologie, Philosophie oder Medi- zin darzustellen. Pauschale Urteile der Politik, wie in der Begründung vom Hochschulrahmengesetz, sind nicht be- legt. Als Anlass für die Einführung der Juniorprofessur war unter anderem eine frühere wissenschaftliche Unabhängig- keit und die Möglichkeit eigener Dritt- mittelforschungsprojekte angeführt wor- den. Diese Aspekte sind aber bereits im bisherigen System gegeben, wie diese Daten belegen. Man muss sich auch der Folgen der Abschaffung der Habilitati- on bewusst sein. Es wird aus Stellen- plangründen nur wenige Juniorprofes- suren (besonders in der Klinik) geben.

Werden junge wissenschaftliche Mitar- beiter ohne Habilitationsmöglichkeiten in großem Umfang auf Freizeit verzich-

ten, um Experimente durchzuführen, Forschungsanträge und Publikationen zu schreiben, wenn der erfolgreiche Ein- satz nicht nach außen dokumentierbar ist? Welchen Anreiz werden junge Wis- senschaftler künftig haben, um sich in der Lehre zu engagieren, wenn die Ha- bilitation wegfällt? Als Fazit kann Fol- gendes festgehalten werden:

>Auf die Lehraufgaben fühlen sich viele Habilitierte zu wenig gezielt vor- bereitet.

>Die Habilitation wurde besonders durch zu hohe Belastung in der klini- schen Routine und durch Verwaltungs- aufgaben behindert.

>Die Mehrheit fühlte sich als Wis- senschaftler in der Forschung nicht ein- geengt.

>Fast alle hatten selbstständig Dritt- mittelforschungsanträge gestellt.

>Nur eine kleine Minderheit rät zur Abschaffung, wohingegen 40 Prozent zur Modifikation der Habilitation rie- ten (zum Beispiel mehr in cumulo als Opus-magnum-Arbeit).

>85 Prozent der Befragten raten jün- geren Kolleginnen und Kollegen wei- terhin zur Habilitation.

Juniorprofessur, eine

Alternative zur Habilitation?

Wegen der Besonderheiten in der Me- dizin mit zum Teil langjähriger Weiter- bildungszeit ist die Juniorprofessur als alleiniger Karriereweg auf eine Hoch- schulprofessur kaum sinnvoll. Deshalb sollte man das Habilitationsverfahren kritisch modifizieren, aber als Alterna- tive zur Juniorprofessur bestehen lassen und nach mehreren Jahren mit reprä- sentativen Daten die Vor- und Nachtei- le beider Karrierewege in der Medizin vergleichen.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2004; 101: A 168–169 [Heft 4]

Eine Langfassung des Beitrags ist beim Verfasser er- hältlich oder im Internet unter www.aerzteblatt.de/

plus0404 abrufbar.

Anschrift für die Verfasser:

Prof. Dr. med Reinhard Pabst

Abteilung für Funktionelle und Angewandte Anatomie Medizinische Hochschule Hannover

Carl-Neuberg-Straße 1 30625 Hannover

E-Mail: pabst.reinhard@mh-hannover.de T H E M E N D E R Z E I T

Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 423. Januar 2004 AA169

Grafik 2

Empfehlungen zur Habilitation in der Medizin in der Zukunft

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