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Aktuelle Medizin
KONGRESS-NACHRICHTEN
Krebsprophylaxe durch Polypektomie
Kolonkarzinome entstehen offen- bar — von Colitis ulcerosa abge- sehen — nur auf dem Boden von Polypen, auf der unveränderten Schleimhaut dagegen extrem selten (Professor Dr. H. F. Otto, Pathologisches Institut Universi- tätskrankenhaus Eppendorf, Hamburg). Koloskopische Polyp- ektomie bedeutet also echte Krebsprophylaxe, auch bei be- reits vorhandenen oberflächli- chen Zellatypien (Professor Dr. R.
Ottenjann, Städtisches Kranken- haus Neu-Perlach, München).
Denn solange diese Veränderung (früher „fokales Karzinom in ei- nem Polypen" genannt) auf die Mukosa beschränkt bleibt, ge- nügt die endoskopische Polypek- tomie auch als therapeutischer Eingriff. Erst wenn die Muscula- ris mucosae von den atypisch proliferierten Drüsenformationen durchbrochen ist, liegt ein „Kar- zinom in einem Polypen" vor (Ot- to), bei dem die einfache Polyp- ektomie nicht mehr als Therapie genügt. — Merke: Totale Kolosko- pie, endoskopische Entfernung aller Polypen und histologische Aufarbeitung der entfernten Ge- bilde können als erster Schritt echter individueller Krebspro- phylaxe aufgefaßt werden. Des- halb zumindest bei einschlägigen Risikopatienten damit nicht zö- gern.
(11. Hamburger Seminar für gastroentero- logische Endoskopie, Januar 1978, Hamburg)
Weshalb keine Biguanide mehr?
Der antidiabetische Effekt der Bi- guanide besticht auf den ersten Blick sehr. Leider gehört die Kehrseite dieser Therapie, näm- lich die Laktatbildung, zum glei- chen Wirkungsmechanismus (Professor Dr. J. Beyer, II. Medizi- nische Universitätsklinik Mainz;
Professor Dr. H. Otto, Medizini- sche Klinik des Zentralkranken- hauses Bremen-Nord). Hinzu kommt eine Blockade der Laktat- metabolisierung aufgrund des bi- guanidbedingten Stops in der Glukoneogenese. Deshalb wird auch das physio-logischerweise gebildete Laktat nur zum Teil metabolisiert. Jeder größere und anhaltender Laktatanfall kann bis zur Laktatazidose kumulieren, ohne daß die Entstehungsbedin- gungen dieser Stoffwechselkata- strophe vorhersehbar sind. Des- halb ist Vorsicht geboten.
(III. „refero-med"-Gespräch über die Dia- betestherapie ohne Biguanide, Februar 1978, Frankfurt)
Vorteile der Koloskopie
Bei direkter Betrachtung der ge- reinigten und beleuchteten Darmschleimhaut sieht man eben doch mehr als auf dem indirekten Röntgenbild, Doppelkontrast in- klusive. Bei Kolitiden fällt die Dif- ferenz wahrscheinlich nicht so schwer ins Gewicht wie bei Ver- dacht auf Frühkarzinom des Dickdarms. Deshalb ist die Kolo- skopie bei Nachweis von okkul- tem Blut im Stuhl am vordring- lichsten. Okkultes Blut stammt jedenfalls häufig genug von Dick- darmpolypen, den Vorläufern der Karzinome. Nicht jedes Adenom entartet maligne, aber immerhin so viele, daß der Krebsverdacht berechtigt ist (Professor Dr. E.
Seifert, Städtisches Krankenhaus Kemperhof, Koblenz). Die Risiken und Komplikationen der gekonn- ten Koloskopie sind gering, nur der ärztliche und zeitliche Auf- wand ist erheblich. Solange die Kapazitäten der Koloskopie li- mitiert sind, wird man das Unter- suchungsverfahren auf röntge- nologisch nicht abgeklärte Dick- darmbefunde und auf die Su- che nach Kolon-Frühkarzinomen konzentrieren müssen.
(11. Hamburger Seminar für gastroentero- logische Endoskopie, Januar 1978, Hamburg)
Variable
Hormonfunktionen
Das Konzept von der multiplen, variablen Hormonfunktion läßt keinen Raum mehr für die Frage nach der entwicklungsgeschicht- lich primären Aktion eines endo- krinen Wirkstoffes (Professor Dr.
rer. nat. D-. Bückmann, Zoologi- sches Institut, Zentrum für Biolo- gie und theoretische Medizin, Universität Ulm). Maßgebend für jede Hormonfunktion ist nicht nur der Wirkstoff selbst, sondern vor allem auch Sitz und Funktion der spezifischen Rezeptoren.
Schon bei wirbellosen Tieren oder niederen Wirbeltieren wer- den bekannte „Wirbeltierhormo- ne" als Produkte der Neurosekre- tion angetroffen (TRH, Gastrin, Insulin, Glukagon u. a.). Alle Viel- zeller verfügen über Peptidhor- mone. Steroidhormone sind art- spezifisch und die Schilddrüsen- hormone gruppenspezifisch. Die Rezeptoren der Wirkstoffe liegen jedoch — je nach dem geneti- schen Bauplan der einzelnen Art
— an sehr verschiedenen Stellen und an Zellen mit unterschiedli- chen Aufgaben im Leben der Tiere.
Die biochemischen Prozesse sind die gleichen. Die Untertei- lung des Wirkungsmechanismus (Steroidhormone dringen in ihre Rezeptorzellen ein und bewirken auf direktem Wege die Expres- sion des genetischen Codes;
Peptidhormone tippen beim Re- zeptorkontakt nur an und schik- ken damit den „second messen- ger" im Zellinnern auf den Weg) läßt sich weit in der Evolutions- geschichte zurückverfolgen.
Nur der Wirkungsmechanismus wird vom Sitz der spezifischen Rezeptoren und von den Aufga- ben bestimmt, die diese Rezep- torzellen für das Lebewesen zu erfüllen haben. WP
(23. Symposium der Deutschen Gesell- schaft für Endokrinologie, Februar 1978, Ulm)